Moloch München Eine Stadt wird verkauft

1997

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Januar 1997: Grüne gegen großen Ausbau von Freiham. Sabine Csampai (Grüne) war von 1990 bis 1996 Münchens Dritte Bürgermeisterin und 1997 Vorsitzende der Grünen-Stadtratsfraktion. Sie sprach sich am 8.1.1997 gegen den Ausbau von Freiham mit 9600 Wohnungen aus, da es dafür keinen Bedarf gebe: „Freiham wird geplant, aber ich gehe davon aus, dass es niemals realisiert wird.“ Münchens Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen wollen stattdessen verdichteten Wohnungsbau auf den Kasernengeländen. OB Christian Ude warnte den grünen Koalitionspartner vor einem „Eiertanz“ und forderte ihn auf, dem von ihm gegründeten „riesengroßen Münchner Bündnis für Wohnungsbau“ beizutreten.1

Januar 1997: Schörghuber kauft das Sheraton. Das größte Hotel Münchens wechselt den Eigentümer: Die schwedische Securum Hotels Holding Ltd. verkaufte im Dezember 1996 an die Schörghuber Unternehmensgruppe. Gerüchte über einen Abriss dementierte Schörghuber.2

Februar 1997: Ostbahnhofgelände. Im September 1996 wurde der „Kunstpark Ost“ auf dem ehemaligen Pfanni-Gelände eröffnet: eine Zwischennutzung. Dann wird das 15 Hektar große Areal zwischen Rosenheimer und Grafinger Straße und dem Ostbahnhof bebaut. Das Planungsreferat hat zwei Varianten: A) 60 Prozent Wohnbebauung (70.000 Quadratmeter) und 40 Prozent Gewerbe (33.000 Quadratmeter). B) 25 Prozent Wohnbebauung und 70 Prozent Gewerbe. Geplant ist eine Verlagerung der Auto-Verladung durch die Deutsche Bahn, ein Umzug der Firma Frisch-Beton und ein MGS-Gewerbehof für Haidhausen.3
Auch in diesem Fall: Die Ansiedlung der Arbeitsplätze überkompensiert den Wohnungsbau.

Februar 1997: Bürgerbegehren München West (1). Der Haus- und Grundbesitzerverein München und Umgebung e. V. rief die Münchner Bevölkerung auf, am 27.4.1997 gegen das Bürgerbegehren für weniger Wohnungsbau zu stimmen. Es wird auch eine Signalwirkung gegen die Bebauung an der Friedenspromenade im Münchner Osten, des Dellergeländes (am Olympiagelände) und der Mustersiedlung auf dem Areal der Waldmann-Stetten-Kaserne befürchtet.4 – Auch der Regionale Planungsverband (RPV) warnte vor lokalbornierten Einheimischen. Laut RPV müssen in den nächsten zehn Jahren etwa 160.000 Wohneinheiten fertiggestellt werden.5
Was schon verwundert: Ich habe nirgends gelesen, dass die Versorgung der Zigtausend geplanten neuen Wohnungen und damit neuen Bewohnern mit Elektrizität, Wärme oder Wasser problematisiert wurde. Und so saugt der Moloch München eben noch konzentrierter das bayerische Voralpenland nach Wasser aus …

Februar 1997: Bürgerbegehren München West (2). Bürgermeisterin Gertraud Burkert (SPD) bezeichnete den Abstimmungstag 27.4. als „Schicksalstag für die Stadt“ und bezeichnete die Initiatoren als Egoisten nach dem Motto: „Wir haben eine Wohnung – alles andere interessiert uns nicht.“6
Welch niedriges Niveau! Und der Bauwahn herrscht in München bis heute: Nach wie vor werden unbegrenzt Arbeitsplätze in die Stadt geholt, nach wie vor herrscht (auch deswegen) Wohnungsnot. Und warum wurden und werden jenen nicht die Hände gebunden, die – wie jetzt Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner heute noch Firmen nach München holen?

Februar 1997: Machtballung beim „Bündnis für Wohnungsbau. Neben der IHK, Gewerkschaften, Mieterverein, Mieterbeirat, dem Ring Deutscher Makler (RDM) und Vereinigungen der Bauwirtschaft sind nun noch beigetreten die Bayerische Architektenkammer, die Vereinigung Münchner Wohnungsunternehmen, die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB), der Kreisverband des Roten Kreuzes, die AG der Freien Wohlfahrtsverbände, die AWO, die Innere Mission, die Israelitische Kultusgemeinde, der Caritasverband und der Paritätische Wohlfahrtsverband. Der Präsident der Bayerischen Architekten, Peter Kaup, schrieb in einem Brief an OB Ude, es müsse deutlich gemacht werden, „dass das Allgemeininteresse nicht egoistischen Partikularinteressen untergeordnet werden kann“.7
Das erinnert doch stark an Gerhard Polt: „Ich brauch koa Opposition, weil i bin scho a Demokrat!“ Das Allgemeininteresse hat immer recht – das erinnert fatal an die unselige deutsche Vergangenheit.

März 1997: Riemer Retortenstadt. Die MRG Maßnahmeträger München-Riem GmbH ist von der LH München mit den Bebauungsplänen für das 560 Hektar große Gelände beauftragt worden. Geschäftsführer waren Franz Aichele und Hartmut Danz. (Danz war Vorstand der GBW AG.) Bis Ende 1998 sollen 900 von 7000 Wohnungen fertig sein, der neue Friedhof bis 1999. Über sechs Kilometer Straßen wurden gebaut: mit Bordsteinen aus China, wie die MRG-Vertreter erklärten, da diese trotz des Transportes bei Weitem am billigsten waren.8

März 1997: Sozialer Wohnungsbau in München. CSU-MdB Herbert Frankenhäuser monierte die geringe Zahl von Sozialwohnungen: 1996 wurden 1084 fertiggestellt, das waren weniger, als in der gleichen Zeit aus der Bindung herausfielen. Hierfür hätten Bund und Land 123,6 Millionen DM zur Verfügung gestellt, während von der LH München 10,5 Millionen DM kamen (1991: 65 Millionen DM, 1995 26 Millionen DM).9

März 1997: „Pro Wohnungsbau“ gebildet. 70 Unternehmen und Verbände sind bereits dem „Bündnis für Wohnungsbau“ beigetreten. Nun hat sich noch die AG „Pro Wohnungsbau“ gebildet: IHK, DGB und sechs weitere Organisationen, die gegen „Stadtteil-Egoismus“ aktiv machen. 13.000 Wohnungen mit 700.000 Quadratmetern sollen demnächst in München gebaut und dafür 2,2 Milliarden DM investiert werden. Eine Milliarde DM fließt in Löhne, das erklärt das Engagement des DGB. IHK-Präsident Dieter Soltmann: Bei der Abstimmung am 27.4.1997 gehe es „um die Zukunft Münchens“ und um Weichenstellungen über das Jahr 2000 hinaus.10

April 1997: Keine Mehrheit für „Baublockade“. Auch die Süddeutsche Zeitung warb für die Ablehnung des Bürgerbegehrens. Eine in ihrem Auftrag erstellte Umfrage ergab weniger als zehn Prozent Zustimmung. Selbst in Aubing sei das Verhältnis 45 zu 23 Prozent für den Wohnungsbau, in Trudering 51 zu 19. Auch das Planungsreferat half mit: Am 7.4.1997 wurde in seinen Räumen an der Blumenstraße eine Ausstellung über die geplanten Neubaugebiete eröffnet, am 14.4. führte Stadtbaurätin Christiane Thalgott persönlich durch die Ausstellung.11
Aus der Rückschau im Jahr 2021: Auch der maximale Bau von Wohnungen in Aubing und Trudering nach dem Bürgerbegehren hat keine Abhilfe bei der Wohnungsnot gebracht. Es reicht bis heute nicht mit dem Wohnungsbau, wenn gleichzeitig wie verrückt Arbeitsplätze angesiedelt werden. Und Wohnen ist in München so teuer wie nie.

April 1997: Mieterverein wirbt für Wohnungsbau. Wenn, wie von beiden Initiativen angestrebt, statt 13.020 nur 3980 Wohnungen gebaut werden, warnte der Vorsitzende des Mietervereins München, Kurt Mühlhäuser, bei einem Pressegespräch, dass bis 2010 keine Entlastung auf dem Münchner Wohnungsmarkt eintreten wird. Münchner Mieter müssten bereits 35 Prozent des verfügbaren Einkommens für Miete aufwenden. Wenn beide Bürgerinitiativen erfolgreich seien, dann käme als Nächstes ein Bürgerbegehren gegen Gewerbeansiedlungen und dann eines gegen die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen.12
Und da weder ein Bürgerbegehren gegen Gewerbeansiedlungen noch eines gegen neue Arbeitsplätze kam, steht München heute vor sämtlichen damit verbundenen Problemen. Und die Wohnungen fehlen nach wie vor.

April 1997: Immer weniger Landwirte. Etwa 240 Landwirte gab es 1997 noch im Münchner Stadtgebiet, die rund 5000 Hektar bewirtschafteten. In den letzten 25 Jahren hat sich ihre Zahl halbiert.13

April 1997: VEBA kauft Deutschbau. Die Gemeinnützige Deutsche Wohnungsbaugesellschaft mbH (Deutschbau) hat 4500 Wohnungen in München und war im Besitz des Bundes und der Deutschen Post. Deren Anteile kaufte die VEBA Immobilien AG. Diese führt die Deutschbau mindestens zehn Jahre weiter und vermarktet keine Wohnungsbestände – außer an kaufwillige Mieter.14

April 1997: OB Ude warnt vor Bürgerbegehren. Am 27.4.1997 findet die Abstimmung zum Bürgerbegehren statt. In Trudering sollen statt 920 nur 650, in Aubing-Lochhause statt 12.000 etwa 3240 Wohnungen gebaut werden. Das „Münchner Bündnis für Wohnungsbau“ umfasste inzwischen 65 Organisationen. Trotzdem warnte Christian Ude kurz vor der Abstimmung vor „Stadtteilegoismus“ und sah der Abstimmung „mit größter Sorge“ entgegen.15
Das Münchner Forum und die Süddeutsche Zeitung veranstalteten vier  Tage vor der Abstimmung ein Forum dazu. Rolf Polixa von der BI Trudering berichtete, dass 1992 die Stadt 645 Wohnungen an der Friedenspromenade geplant hatte; später wurde die Zahl dann auf 920 erhöht. Auch Joachim Krämer von der BI Aubing (Motto „Wir lassen uns die Zukunft nicht verbauen“) wies auf die ersten Planungen in Freiham mit 5600 Wohnungen hin; diese Zahl wurde später auf 11.000 erweitert. Stadtbaurätin Christiane Thalgott warf den beiden BI-Vertretern vor, sich nicht für die gesamtstädtische Perspektive zu interessieren: Allein wegen der steigenden Quadratmeterzahl pro Einwohner seien schon 6000 Wohnungen jährlich nötig. Sie drohte außerdem, im Fall eines Erfolgs des Bürgerbegehrens seien Straßen-, Schul- und Kindergartenprojekte gefährdet, dazu der S-Bahnhof Freiham und der Weiterbau der A99 samt Lärmschutz. Krämer sprach von einer „ganz miesen Erpressung“. Zwei Vertreter des von OB Ude gegründeten „Bündnis für Wohnungsbau“ äußerten, wer heute Bauvorhaben stoppe, werde morgen mit steigenden Mieten leben müssen, außerdem sei der Wirtschaftsstandort München gefährdet. Krämer nannte das „Bündnis für Wohnungsbau“ einen „geballten Zusammenschluss von Kapital und Macht“.16

April 1997: Entscheidung für Wohnungsbau. Am 27.4. stimmten für das Bürgerbegehren Trudering 35,4 Prozent, für das Bürgerbegehren Aubing 36,0 Prozent. In Trudering lag die Zustimmung bei 80,6 Prozent, die Wahlbeteiligung bei 44,0 Prozent. In Aubing lag die Wahlbeteiligung bei 45,1 Prozent. Die gesamte Münchner Wahlbeteiligung lag nur bei 22,1 Prozent. (www.muenchen.de, Bürgerentscheide in München seit 1996) Die Vertreter der BIs wiesen auf das unterschiedliche Budget hin: Das Wohnbau-Bündnis habe über einen Etat von einer halben Million DM verfügen können; bei der Aubinger BI waren es nur 10.000 DM.17
Im Endeffekt hat Christian Ude das Machtspiel „Goliath (Stadt) gegen David“ durchgezogen, genau wie er gegen unser Bündnis NOlympia agierte, das sich gegen die Bewerbung um Olympische Spiele 2018 und 2022 gebildet hatte, (Vgl.:
http://www.nolympia.de/kritisches-olympisches-lexikon/ude-christian/) Unsere Gegner waren übermächtig, mit dem Rückhalt der Presse und einem zigfachen Etat ausgestattet. Nachdem die Bewerbung 2018 gegen das südkoreanische Pyeongchang verlor, probierte Ude es gleich noch einmal mit der Bewerbung München 2022: Aber er verlor am 10.11.2013 alle vier Abstimmungen in München, Traunstein, Garmisch-Partenkirchen und Berchtesgaden.

Mai 1997: Bonner Mietrechtsreform. Bei den Zeitmietverträgen gab es bis jetzt zwei Regelungen: In „qualifizierten Verträgen“ wird der Grund für die Befristung angegeben, z. B. Eigenbedarf, Sanierung etc. Dann endet das Mietverhältnis nach der vereinbarten Zeit. Bei „einfachen Verträgen“ kann der Mieter zwei Monate vor Ablauf des Zeitvertrages einen Antrag stellen und dann normalerweise unbefristet dort wohnen. Diese Regelung soll nun abgeschafft werden, da der Eigentümer nicht mehr frei über sein Objekt verfügen könne. Der Münchner SPD-Stadtrat und Jurist beim Mieterverein, Rainer Volkmann, bezeichnete dies als „Abschaffung des Mieterschutzes“. Volkmann schätzt den Anteil befristeter Mietverhältnisse in München auf ein Drittel. Der Vorsitzende von Haus und Grund, Gerd Kaltenegger, konnte darin keine Schikane erkennen. Für Kaltenegger waren weitere Punkte der „Liberalisierung“: Vertragsfreiheit für künftige Neubauten, Reduzierung von Kündigungsfristen, eine Erweiterung der Duldungspflicht bei Modernisierungen, gelockerte Vorschriften bei der Einhaltung von Vergleichsmieten. Der Mieter sei ein gleichberechtigter Vertragspartner, der Mietmarkt in München sei ausgeglichen, Wohnungssuchende seien nicht schlechter gestellt als Hausbesitzer. Für Volkmann dagegen ist der Wohnungsmarkt nur beim teuren Segment ausgeglichen; bei günstigeren Wohnungen stünden oft drei Dutzend Bewerber an.18

Juni 1997: Doblinger hat getilgt. 1990 hat die DIBAG von Alfons Doblinger rund 32.000 Wohnungen von der Neuen Heimat Bayern für fast eine Milliarde DM erworben. Die zur Doblinger-Gruppe gehörende Bayerische Städtebau verwaltet die verbliebenen 20.000 Wohnungen. Die Kredite für den damaligen Kauf sind inzwischen komplett getilgt.19

August 1997: Schub für neue Messe. Die Kosten für die neue Messe München GmbH in Riem sind aufgrund externer Gründe von 2,3 auf zwei Milliarden DM gesunken. Geschäftsführer Manfred Wutzlhofer will bis zum Jahr 2000 ein Umsatzplus von 50 Prozent auf über 300 Millionen DM steigern. Die neue Messe soll am 12.2.1998 öffnen. Der 1. Bauabschnitt hat eine Hallenfläche von 150.000 Quadratmeter und 280.000 Quadratmeter Freifläche. Das Kongresszentrum, das im Oktober 1998 fertig wird, kann 6500 Besucher aufnehmen.20

August 1997: Kritik an der LBK. Schon 1994 bescheinigte die Unternehmensberatung McKinsey der Lokalbaukommission ein bürokratisches Management mit den Prinzipien Amtsautorität und Hierarchie. Stadtbaurätin Christiane Thalgott erwähnte 1997 stolz, dass die Bearbeitungszeit für Bauanträge von 164 auf 137 Tage gesenkt werden konnten. Ab 1.1.1998 werde auf EDV umgestellt. Der Vizepräsident der Bayerischen Architektenkammer, Erwin Wrba, berichtete von seinem Neubau einer Klinik in Nymphenburg, wo auch eine kleine Cafeteria geplant war. Für sie musste Wrba in der Betriebsbeschreibung angeben: die Öffnungszeiten, die Zahl der Beschäftigten, die angebotenenn Getränke und ob Pizza zum Angebot gehöre.21

September 1997: Was wird aus dem Olympiastadion? Der FC Bayern drängt auf einen Umbau und droht mit einem Neubau. Sein Präsident Franz Beckenbauer urteilte: „Mit diesem Stadion werden wir nie glücklich.“ Der Architekt Prof. Günter Behnisch hatte einem Umbau im Zuge einer stärkeren Kommerzialisierung des Fußballs (VIP-Logen, nähere Sitzplatzaufteilung zum Spielfeld etc.) nicht zugestimmt. Zum Zustandekommen des neuen FC Bayern-Stadions, der Allianz-Arena in Freimann, äußerte Beckenbauer später: „Das Wichtigste ist, die Ja-Sager zu mobilisieren. Das war damals auch mit dem Stadion so: Darum hat man ja diesen Weg mit dem Bürgerentscheid genommen.“22
Mit dem Auszug des Fußballs wurde das Olympiastadion ruiniert und zum „White Elephant“ – weil seine ursprünglich zugedachte Nutzung entfiel.
Zu seiner weiteren Verwendung äußerte Beckenbauer: „Am besten ist, wir sprengen das Stadion einfach weg. Es wird sich doch ein Terrorist finden, der für uns die Aufgabe erledigen kann“23
In der SZ äußerten sich 1997 Experten zum Stadion. Architekt Christoph Sattler würde es gutheißen, wenn Günter Behnisch den Umbau zum Fußballstadion durchführen würde. Guilio Marano vom Landesamt für Denkmalpflege wies auf das Ensemble Olympiagelände, Olympisches Dorf und Schulsportanlagen hin, das demnächst eventuell auf die Denkmalliste kommt. Auch Prof. Otto Steidle würde Behnisch den Umbau zum Fußballstadion nahelegen. Der Geschäftsführer der Olympiapark GmbH, Wilfrid Spronk, plädierte für eine Anpassung des Olympiastadions als heutige Veranstaltungsstätte, um zu verhindern, dass es zu einer „olympischen Ruine“ wird. OB Christian Ude (SPD) plädiert für eine „Nachbesserung“, um auch in Zukunft Fußball und Highlights zu ermöglichen. München muss 100 Millionen DM in die Dachsanierung stecken. Der Umbau macht aber nur Sinn, wenn der FC Bayern auf einen Neubau verzichtet.24
Nachtrag 2005: In diesem Jahr zog der Fußball aus dem Olympiastadion aus. Mit dem Auszug des Fußballs wurde das Olympiastadion ruiniert und zum „White Elephant“ – weil seine ursprünglich zugedachte Nutzung entfiel. Zwischenzeitlich wurde sogar die Rasenfläche asphaltiert für diverse Motorsportveranstaltungen und andere Events und Spektakel.

Oktober 1997: Neues Konzept für alte Messe. Der Stadtrat hat schon beschlossen, dass in die denkmalgeschützten Messehallen 3, 5 und 7 eine Auslagerung des Deutschen Museums kommen wird: das Verkehrsmuseum. Das Oktoberfestmuseum und ein Musicaltheater wurden gestrichen. Die Kongresshalle aus den fünfziger Jahren (850 Plätze) sucht nach einem Betreiber. 1998 findet der Messeumzug statt, danach beginnen auf dem 50 Hektar großen Gelände Teilabbrüche und Umbauten. Die ersten der 1800 Wohnungen (davon ein Drittel Sozialwohnungen) werden vom Architekturbüro Steidle & Partner gebaut. Hinzu kommen Grünanlagen, eine Grundschule, Sozial- und Kulturinstitutionen und Gewerbeflächen für 1500 Arbeitsplätze. Die Stadt wendet 624 Millionen DM auf, durch Grundstücksverkäufe will sie 644 Millionen DM einnehmen.25

November 1997: Der Beginn der Parkstadt Schwabing. Zwischen Neusser Straße, Güterbahngleisen, Domagkstraße und Mittlerem Ring wird das neue Stadtviertel mit dem Namen „Neues Schwabing“ oder Schwabing am Park“ geplant. Die Verträge wurden am 11.11.1997 ratifiziert, wie OB Christian Ude, Stadtbaurätin Christiane Thalgott, Kommunalreferent Georg Welsch und Vertragspartner informierten. 14 Grundeigentümer mussten koordiniert werden, darunter Raab Karcher oder der Langenscheidt Verlag. Die neuen Planungen für die rund 40 Hektar große Fläche basieren auf städtischen Plänen von 1994: Es sollen 1500 Wohnungen und 10.000 Arbeitsplätze entstehen. Bauträger und öffentliche Hand teilen sich die Gesamtkosten von 177 Millionen DM. OB Ude äußerte, dass es bundesweit „mit einigem Neid“ registriert werde, wie gut die Stadt München und Investoren zusammenwirken. Nur die Beteiligung von Privatinvestoren würde der Stadt ermöglichen, diese Großprojekte zu realisieren. Seit 1989 versuchte Bauunternehmer Helmut Röschinger mit seiner Argenta Unternehmensgruppe, die Industrierache zu bebauen: Nun war er erfolgreich.26

Dezember 1997: Teures München. Die Bauvorhaben Neue Messe Riem, altes Messegelände, Achse Hauptbahnhof-Pasing haben nach Expertenmeinung großes Entwicklungspotenzial. Innerhalb des Altstadtrings werden 30 bis 45 DM pro Quadratmeter Bürofläche bezahlt, hochwertige Neubauflächen bis 55 DM. Bei einer Ansiedlung in München gehen die Unternehmen auch auf die hohen Ansprüche ihrer Mitarbeiter ein. Architekten und Stadtplaner setzen bei Gewerbeimmobilien auf die „Münchner Mischung“: Ansiedlung von forschungsintensiver Großindustrie und Handwerk und Gewerbe, gefördert durch gute Forschungseinrichtungen und eine gute Infrastruktur.27

  1. Dürr, Alfred, Auch Grüne machen Front gegen Freiham, in SZ 9.1.1997 []
  2. Willke, Ursula, Schörghuber übernimmt das Sheraton, in SZ 17.1.1997 []
  3. Horlbeck, Frank, Eine zweite City: „Kompakt, urban und grün“, in SZ 6.2.1997 []
  4. Hausbesitzerverein gegen Bürgerbegehren, in SZ 12.2.1997 []
  5. Bierl, Peter, Furcht vor Bürgerbegehren, in SZ 15.2.1997; Hervorhebung WZ. Vgl. auch Dezember 1996 []
  6. Münster, Thomas, Schicksalstag für München, in SZ 20.2.1997 []
  7. Münster, Thomas, Bündnis für Wohnungsbau erhält viel Zulauf, in SZ 20.2.1997 []
  8. Wessel, Claudia, Schöne neue Welt, in SZ 4.3.1997; Hervorhebung WZ []
  9. Beitrag der Stadt auf historischem Tief, in SZ 17.3.1997 []
  10. Haas, Marianne E., Eine Allianz gegen denn „Stadtteil-Egoismus“, in SZ 26.3.1997 []
  11. Neff, Berthold, Ein klares Nein zur Baublockade, in SZ 7.4.1997 []
  12. Münster, Thomas, „Die Zeche zahlen alle Mieter, in SZ 15.4.1997 []
  13. Thurau, Martin, Ackern am Rand von High-Tech-City, in DSZ 14.4.1997 []
  14. Kronewiter, Thomas, VEBA kauft die Deutschbau-Anteile, in SZ 17.4.1997 []
  15. Die Zeche zahlen alle Mieter, in SZ 23.4.1997 []
  16. Müller, Frank, Vor einem Richtungsentscheid, in SZ 24.4.1997 []
  17. Dürr, Alfred, Müller, Frank, München sagt Ja zum Wohnungsbau, in SZ 28.4.1997. Vgl. auch Rückschau 2020: Weiter wachsen, in SZ 31.10.2020 []
  18. Thurau, Martin, Auf Münchner Mieter kommt etwas zu, in SZ 26.5.1997 []
  19. Doblinger: Börse, dritter Versuch, in SZ 28.6.1997 []
  20. Messe München relativiert Verlust, in SZ 11.7.1997; Münchner Messe erhofft sich Schub durch Neubau, in SZ 5.8.1997 []
  21. Ramelsberger, Annette, Ton, Steine, Scherben, in SZ 28.8.1997 []
  22. Watzke, Michael, NOlympia versus OIympiJA, in dradio.de 8.11.2013 []
  23. www.sportkomplott.de, Sprüche & Zitate von Franz Beckenbauer; vgl. auch Dürr, Alfred, Die Prachtschüssel – aus der Not geboren, in sueddeutsche.de 17.5.2010; Stützer, Peter, Wehmütiger Abschied vom Olympiastadion, in welt.de 12.5.2005 []
  24. Thurau, Martin, Das Olympiastadion: Denkmal oder Baumasse, in SZ 15.9.1997 []
  25. Dürr, Alfred, Die Zukunft des alten Messegeländes beginnt, in SZ 14.10.1997; Altes Messegelände: Die Vorfreude ist groß, in SZ 1997 []
  26. Münster, Thomas, Ein neues Stück Schwabing, in SZ 26.11.1997 []
  27. Johé, Uschi, Wohin mit den Millionen? In SZ 3.12.1997 []
Moloch München Eine Stadt wird verkauft

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