Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Siemens Parkplatz

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Stadtrat stellte Weichen für Investoren. Der „Siemens-Parkplatz“ liegt in Neuperlach nördlich des Otto-Hahn-Rings und wird von der Dr. Walther-von-Miller-Straße und der Carl-Wery-Straße eingegrenzt. Am 2.10.2019 hat der rot-schwarz-dominierte Stadtrat die Weichenstellung für die Bebauung gestellt. Anwohner wollten die Zahl der Wohnungen auf 600 beschränken. Der Stadtrat schloss sich der Beschlussvorlage des Planungsreferates an: Hochpunkte mit 45 Meter, 80.000 qm Wohnfläche mit 750 Wohnungen. Der BA Ramersdorf-Neuperlach und die Anwohner reagierten verärgert über die unveränderte Übernahme der Eckdaten. Das Areal bekäme so über das neue Baurecht eine Wertsteigerung von 280 Millionen Euro, der Investor könne über 1,5 Milliarden Euro über die Bauten erlösen. Die Stadt hat eine Aussicht auf 600 bis 700 bezahlbare Wohnungen verloren und bekommt nun lediglich 225 befristete Sozialwohnungen und 75 preisgedämpfte Wohnungen.1

„Investorenveranstaltung“. Über einen Infomarkt sollten Anwohner und Lokalpolitiker über die aktuellen Pläne zur Bebauung des ehemaligen Siemens-Parkplatzes in Kenntnis gesetzt werden. Investoren und städtische Planungsexperten waren vor Ort und bekamen viel Kritik zu hören. Vor allem die 45 Meter hohen Gebäude wurden als Verschatter kritisiert. Der Investor Frank Kindermann vertrat die BSC-Grundstücksgesellschaft, welche 2010 das gesamte Siemens-Areal gekauft hatte. Für ihn seien die Hochpunkte nicht zwingend. Zu der Befürchtung, dass auch weitere Flächen des ehemaligen Siemens-Areals massiv überbaut werden könnten, äußerte Kindermann vielsagend: „Das Kerngelände steht noch nicht zur Debatte.“ Eine eigens gegründete BI hatte Einwände und Bedingungen formuliert und den Investoren 700 Unterschriften übergeben. Der Vorsitzende des BA Ramersdorf-Perlach, Thomas Kauer (CSU), nannte den Infomarkt eine Investorenveranstaltung mit minimalen demokratischen Ansprüchen: „Was ist denn das für eine Veranstaltung, bei der anhand von vorgefertigten Formulierungen die Meinung der Bürger abgefragt wird.“2

Der ehemalige Siemens-Parkplatz in Neuperlach als Spekulationsobjekt. Die Bürgerinitiative Otto-Hahn-Ring und ihre 700 Unterstützer fühlen sich von OB Dieter Reiter (SPD) und Stadtbaurätin Elisabeth Merk getäuscht Am 2.10.2019 wurde im Stadtrat der Eckdatenbeschluss für die Bebauung des Siemens-Areals nördlich des Otto-Hahn-Rings verabschiedet. Damit kann die Eigentümerin des Großparkplatzes, die Hamburger HIH Real Estate GmbH, auf den etwa acht Hektar 750 Wohnungen bauen. Die BI bzw. die Anlieger sind dagegen, weil auf die Bebauung im Umfeld keine Rücksicht genommen wurde. Dem Bebauungsplan aus den siebziger Jahren zufolge müsse zwischen dem Gewerbegebiet und dem angrenzenden Wohngebiet ein ausreichender Abstand eingehalten werden. Da Siemens aber für sein Entwicklungszentrum die Genehmigung einer verdichteten Bebauung südlich des Otto-Hahn-Rings eingeräumt wurde, ist nach Auffassung der BI die Fläche nördlich als begrünte Schutzzone freizuhalten. Der Paragraf 2 des Bebauungsplans 57ag wurde den Stadträten nicht mitgeteilt. Die BI hat in der Bürgerversammlung am 28.5.2019 den erfolgreichen Antrag gestellt, die Regierung von Oberbayern solle prüfen, ob dieser rechtsgültige Bebauungsplan geändert werden kann. Das Planungsareal sei einer öffentlichen Grünzone gleichzusetzen: Damit würde der Großparkplatz für den Investor wertlos. Nur der Stadtrat sei in der Lage, das Baurecht zu ändern. Dazu fragt sich die BI, warum die Stadt dort nicht selbst baut, sondern der HIH Real Estate einen Spekulationsgewinn von 300 bis 500 Millionen Euro ermöglicht. Die Stadt könnte bis zu 2400 bezahlbare Wohnungen dort realisieren. Der Investor plant dagegen nur 225 Sozialwohnungen (SoBoN-Modell) und 75 preisgedämpfte Mietwohnungen. Dazu räumt die Stadtbaurätin dem Investor ein Baurecht bis zu 55 Meter und mehr ein. Der Siemens-Parkplatz ist jedoch von Bauten mit nur zwei Geschossen umgeben. „Die verdichtete Bebauung auf dem Gelände des Entwicklungszentrums, für die im Gegenzug der Schutz des Grünstreifens verlangt worden war, soll nun den Bau möglichst hoher Betonburgen erlauben. Unter denen genau dieses Grün begraben wird.“3 OB Reiter reichte eine Anfrage der SZ an das Planungsreferat weiter. Dieses erklärte, es handle sich bei dem Areal um keine Kompensationsfläche, sondern um einen Stellplatzbereich. Die BI möchte den Bebauungsplan 57ag nach wie vor von einer neutralen Stelle geprüft sehen.3
Am 26.5.2020 präsentierte das Preisgericht die vier Gewinnerteams. Der erste Preis ging an das Büro Prof. Biedermann Architekten München. Der Vertreter der Eigentümer, RFR Development GmbH, wird nun mit der Stadt das Bebauungsplanverfahren einleiten. Die Gesamtgeschossfläche beträgt 80.000 qm, davon 68.000 qm Wohnfläche. Hinzu kommen soziale Infrastruktureinrichtungen.4

Aus Online Magazin „Neubau-Immobilien München“: Das vor wenigen Tagen einstimmig gekürte städtebauliche Konzept stammt vom Münchner Architekturbüro Professor Biedermann Architekten, ergänzt um den Entwurf von Mathias Wolf Landschaftsarchitekt aus Fürstenfeldbruck. Insgesamt 45 Büros haben sich am öffentlichen Wettbewerb beteiligt.
Die RFR Development GmbH als Projektentwicklerin wird als Nächstes in Kooperation mit der Stadt München das Bebauungsplanverfahren in Angriff nehmen. Einer der ersten Schritte wird sein, die bislang als Parkplatz genutzte Fläche an der Ecke Carl-Wery-Straße / Otto-Hahn-Ring zu entsiegeln.“56

Anwohner-Proteste. Die „Bürgerinitiative Otto-Hahn-Ring“ hat an alle Stadtratsfraktionen geschrieben: Die Bebauung nach SoBoN würde den Verlust vieler günstiger Wohnungen bedeuten; der Investor wird durch das Baurecht begünstigt. OB Dieter Reiter (SPD) hatte im Wahlkampf mit den Slogans: „München gehört uns allen. Nicht den Spekulanten“ und „Mieter stärken. Spekulanten stoppen“ geworben. Die BI warf nun Reiter und Stadtbaurätin Elisabeth Merk vor, am Siemens-Parkplatz das Gegenteil zu praktizieren.7

Kritik im Stadtrat. Im Siegerentwurf wurde der Anteil von Grün- und Freiflächen um 20 Prozent unterschritten. Der Anteil pro Bewohner beträgt zehn qm privat und zehn qm öffentlich (insgesamt also 20 qm). Dass dieser Anteil in letzter Zeit bei den vorgelegten Bauplänen immer öfter unterschritten wird, bestätigte der Leiter der Stadtplanung, Michael Hardi.8

Proteste waren wirkungslos. Die BI Otto-Hahn-Ring hatte seit langem Kritik an der Stadt geübt: Die Stadt habe einem Investor ein 7,3 Hektar großes Areal überlassen, das gemäß dem Bebauungsplan 57 ag aus dem Jahr 19749 das Planungsgebiet wie eine öffentliche Grünfläche behandelt wird. Inzwischen sind 720 Wohnungen in fünf- und achtgeschossigen Gebäuden für 1730 Bewohner und Gewerbenutzungen dort geplant. Der Aufstellungs- und Eckdatenbeschluss zum Bebauungsplan 2145 wurde 2019 beschlossen, der Architektenwettbewerb mit Biedermann Architekten München im Jahr 2020 abgeschlossen. Vom 17.9. bis 18.10.2021 konnten sich nun die Bürger über die Planungen informieren.10

  1. Grundner, Herbert, Rigoros durchgezogen, in SZ 5.10.2021 []
  2. Bretzel, Julius, Leben im Hochhausschatten, in SZ 25.10.2019 []
  3. Grundner, Hubert, Ärger im grünen Bereich, in SZ 11.3.2020 [] []
  4. Grundner, Hubert, Lob für eine gute Grundlage, in SZ 29.5.2020 []
  5. 4. Juni 2020, neubau-muenchen.com []
  6. https://www.biedermann-architekten.de/wettbewerbe/; aufgerufen 25.1.2020 []
  7. Grün statt grau, in SZ 2.10.2020 []
  8. Grundner, Hubert, Krass, Sebastian, Zu wenig Grün, in SZ 5.11.2020 []
  9. https://www.muenchen.info/plan/bebauungsplan/p_7744_57ag.pdf []
  10. Grundner, Hubert, Viele Ziele, viele Pläne, in SZ 16.9.2021 []
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