Moloch München Eine Stadt wird verkauft

November 1992

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

November 1992: Gedanken zum deutschen Wohnungsbau. Volker Wörl äußerte dazu in der SZ: München hat einen aktuellen Bedarf von insgesamt 25.000 Wohnungen; neu gebaut wurde 1992 gerade einmal 1700. Dazu ist der deutsche Wohnraum-Bedarf in zwei Jahrzehnten von 25 auf 37 Quadratmeter pro Kopf gestiegen. Und in München gibt es 54 Prozent Single-Haushalte. Altmieter bleiben in der größeren Wohnung, weil sie sich die Miete in einer neuen, kleineren Wohnung nicht leisten können. Bauland fehlt und wird immer teurer. Polizeibeamte, Krankenschwestern und einfache Angestellte können sich freifinanzierte Wohnungen kaum noch leisten und haben wenig Chancen, eine Sozialwohnung zu erhalten. Der Haus- und Grundbesitzerverein bezeichnet das Instrument des Mietspiegels als manipuliert und ist gerichtlich dagegen vorgegangen.1

November 1992: Altes Messegelände Theresienhöhe. Nach dem Umzug der Messe München nach Riem wird das alte Messegelände „überplant“: mit Wohnungen, kultureller Nutzung, Grünflächen. Der Stadtrat hat Stadtbaurätin Christiane Thalgott den Auftrag für ein entsprechendes Konzept erteilt. Die CSU fordert dort den Bau eines Kongresszentrums. Die Hallen 1 mit 16 werden abgerissen, die drei Hallen 3, 5 und 7 (Architekt Gabriel von Seidlein) stehen unter Denkmalschutz und sollen für kulturelle Zwecke genutzt werden, die Hallen 18 bis 25 für Gewerbe und Handwerk. Auf den bisherigen Parkplätzen sollen Wohnungen und Sozialwohnungen gebaut werden.2

November 1992: Universität lässt Eckgebäude abbrechen. Der Abriss der Unibauten Schellingstraße 12 und 14 und Amalienstraße 50 (ehemaliges Forstwissenschaftliches Institut) für ein neues Gebäude der Historiker wird trotz aller Bemühungen des Bezirksausschusses Maxvorstadt/Universität noch im Jahr 1992 beginnen. Das Eckgebäude Amalien-/Schellingstraße wurde 1840 gebaut und 1923 umgebaut. Es steht nicht unter Denkmalschutz. Hier steht laut Bayerischem Staatsministerium für Unterricht, Kultus und Wissenschaft „das Vorhandensein von historischer Substanz und von Ausbaudetails in einem problematischen Missverhältnis“. Vom Gebäude Schellingstraße 52 bleiben nur die denkmalgeschützte Fassade und das Treppenhaus erhalten. Der BA-Vorsitzende Klaus Bäumler (CSU) äußerte, es würde den Historikern gut anstehen, wenn sie in historischen Gebäuden arbeiteten.3
Vgl.: Historikerzentrum München

November 1992: Entmietungen in der Mainzer Straße. Die Entmietungsvorfälle in den 1970 erbauten 45 Wohnungen in der Mainzer Straße 13, 15 und 15a waren brutal: Wände wurden eingerissen, Schlösser ausgetauscht, Badezimmer zerstört, Wasserleitungen durchtrennt, Heizungen und Wasser abgeschaltet, Tiefgaragenbrände am 19. und 21.7.1992. Die Hausverwaltung M + W Grundstücksverwaltung von Eberhard Messmer erhielt diverse gerichtliche Verfügungen, die den Entmietungsprozess nicht aufhalten konnten: Bis auf ganz wenige Bewohner sind alle geflüchtet. Die Grundstücksverwaltung wollte die Wohnungen zu einem Quadratmeterpreis von über 6000 DM verkaufen; das scheiterte aber, da die Wohnungen vermietet waren. Der Mieterverein bezeichnete die Vorgänge als „Vermieterterrorismus“ und kritisierte auch die Bayerische Versicherungskammer, die den Schaden der beiden Tiefgaragenbrände auf acht Millionen DM schätzte, sich gegenüber dem Vermieter sehr großzügig zeigte und den Mietern Auskünfte verweigerte.4

  1. Wörl, Volker, Deutsches Wohnen – Weltspitze, in SZ 2.11.1992 []
  2. Dürr, Alfred, Hochfliegende Pläne für die Theresienhöhe, in SZ 12.11.1992 []
  3. Raths, Alfred, Historiker bekommen neues Ambiente, in SZ 19.11.1992 []
  4. Hillgruber, Katrin, Wohnungen zu Gruselkabinetten gemacht, in SZ 21.11.1992 []
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