Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Hines München

H
Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Aktualisiert 31.7.2023

Hines-Projekte in München. U. a. Uptown München, Moosach; Mira Shopping Center, Hasenbergl; Hofstatt in der Sendlinger Straße, Aer, Neuperlach;  Tucherpark, Englischer Garten; Das Goethe München, MediaWorksMunich (MWM), Berg am Laim1
Hines in München: siehe hier

Hofstatt, Sendlingerstraße. Hines hat in München u. a. die Hofstatt auf dem ehemaligen Gelände des Süddeutschen Verlags in der Sendlinger Straße entwickelt. „Die Hofstatt eröffnete im April 2013 auf einem Areal zwischen Sendlinger Straße, Hackenstraße und Färbergraben. Sie umfasst auf 15.500 qm Mode- und Einrichtungsgeschäfte sowie gastronomische Betriebe und auf 18.000 qm Büroflächen sowie 69 Wohnungen.“ (Wikipedia)

Hines folgt auf Allianz. An der Fritz-Schäffer-Straße 9 besaß der Versicherungskonzern Allianz zwei Bürokomplexe, die der Immobilienfonds Hines European Value Fund 2 Anfang 2020 gekauft hat. Die Allianz-Mitarbeiter werden bis Ende 2020 umziehen. Hines wird beide Gebäude mit etwa 87.000 qm Bürofläche unter dem Begriff Fritz9 vermarkten.2
Das westliche Gebäude soll in 18 Monaten umgebaut werden.3 Das östliche Gelände wird komplett neu überplant, vulgo: Die Gebäude werden abgerissen. Aus der Webseite der Architekten: „Das hochrepräsentative Gebäude – entworfen von lauber + wöhr architekten in den 1990er Jahren –, erfüllt nicht mehr die heutigen Anforderungen an Wirtschaftlichkeit und Anpassungsfähigkeit. Das Gebäude wurde als repräsentativer Firmensitz für einen einzelnen Nutzer geplant. Oliv schlägt eine komplette Neuorganisation des Gebäudes vor, mit dem Ziel einer besseren Nutzbarkeit und einer signifikanten Flächenmehrung.“4
Die östlichen Neubauten erscheinen auf den Plänen im Internet sehr hoch und zeugen von einer hohen Verdichtung. Außerdem ist ein Abriss dieses Gebäudes nach nicht einmal 30 Jahren sowohl unverständlich. Dazu ist es vom ökologischen Standpunkt eine grobe Verletzung von Nachhaltigkeit und eine Material- und Energieverschwendung.
Vgl. Daniel Fuhrhop, Verbietet das Bauen, 2. Auflage 2020
Nachtrag Februar 2021: Von „Fritz 9“ zu „aer. Die Gebäude heißen nun aer, haben ein nachhaltiges Energiekonzept, sollen eine vollständig CO2-neutrale Architektur haben und ein „Leuchtturmprojekt“ werden.5
Nachtrag September 2021: Hines hat ein Zwischennutzungskonzept „Shaere“ zunächst für ein Erdgeschoss in einem Bestandsgebäude von 1984 vorgestellt. Ab 25.9.2021 für den Zeitraum von fünf Jahren sollen „Bildungs- und Kulturlandschaften“ auf über 40.000 qm starten.6
Nachtrag Juli 2022: Der zu sanierende westliche Bau wird statt 32.000 dann 40.000 qm Geschossfläche haben. Das östliche Gebäude wird abgerissen: Hier werden mehrere Neubauten und ein Hochhaus mit 60 Metern gebaut. Auf dem ehemaligen Allianz-Areal mit rund 33.000 qm sind insgesamt 110.000 qm Geschossfläche geplant. Inzwischen sollen auch zwischen 190 und 230 Wohnungen und Kitas sowie eine Gastronomie errichtet werden. Der BA Ramersdorf – Perlach bedauerte, dass keine frühere Einbindung erfolgt sei: Nun könne er auf die Baumasse keinen Einfluss mehr ausüben.7
Nachtrag Januar 2023: Von Shaere zu Fritz District. Das Amsterdamer Architekturbüro Site Practice hat die Pläne für neun Gebäude auf dem Areal entwickelt. Haus Nr. 2 im Westen wird saniert. Aus dem großen Gebäude östlich werden neun einzelne Gebäude als Stadtquartier mit Büro- und Gewerbeflächen, Gastronomie und 200 Wohnungen. Auf dem etwa 3,3 Hektar großen Areal entstehen sechs. bis 16-stöckige bauten mit einer Geschoßfläche von 110.000 qm. Mitglieder des BA Ramersdorf – Neuperlach befürchten eine „Schluchtenbildung“.8

März 2020: HypoVereinsbank verkauft Tucherpark. In den sechziger Jahren entstand der Bürokomplex Tucherpark zwischen Englischem Garten und Isarring. Nun verkaufte die HVB das unter Ensembleschutz stehende Gelände mit zehn Gebäuden und etwa 148.000 qm für eine kolportierte Summe von über eine Milliarde Euro an die Commerz Real (eine Immobilientochter der Commerzbank) und den Projektentwickler Hines. Dessen Managing Director Christian Meister versicherte großzügig, dass die Bagger nicht sofort anrücken würden. Architekturhistoriker Winfried Nerdinger kritisierte das damalige Projekt Tucherpark als „städtebauliche Todsünde“, da es in den Englischen Garten platziert und mit breiten Verkehrsschneisen umgeben wurde. Nerdinger äußerte, der Schutz des Englischen Gartens müsse im Vordergrund stehen. Denn wenn ein Investor so viel Geld investiere, dann wolle er auch entsprechend viel Geld herausholen.9

Hines kauft zu. Die Rosenheimer Straße 145 war erst eine Kleidermanufaktur von Konen. Seit der Jahrhundertwende waren diverse Entertainment-Unternehmen und Medien-Startups auf etwa 96.000 Quadratmetern untergebracht. Jetzt haben Union Investment und Hines den Gebäudekomplex Mediaworks gekauft: Angeblich sind mehr als eine Milliarde Euro für Kauf und Umbau eingeplant. Union Investment finanziert, Hines entwickelt.

Petition von der ÖDP. Stadtrat Tobias Ruff und Bezirkstagskandidatin Ingrid Sauer (beide ÖDP) haben am 7.7.2023 eine Petition gegen fünf neue Hochhäuser im Tucherpark gestartet und schreiben u. a.: „Der denkmalgeschützte Tucherpark, der sich zwischen der Isar und dem Englischen Garten befindet, soll ausgeweitet, nachverdichtet und umgestaltet werden. Die Investoren wollen dem Englischen Garten an den Kragen: Sie planen fünf neue Hochhäuser an den nördlichen und südlichen Rändern des Tucherparks. Dieses Vorhaben bedroht allgemeine Grünflächen und die Frischluftversorgung der Innenstadt. Es ist eine Illusion, dass in dieser absoluten Top-Lage langfristig bezahlbarer Wohnraum entstehen soll. Ganz real möchten die Investoren aber Hochhäuser auf unsere öffentlichen Grünflächen bauen. Dadurch, dass praktisch direkt an den Englischen Garten gebaut werden soll, wird auch dieser ökologisch beeinträchtigt. Durch die Bauvorhaben sind außerdem große Bäume akut bedroht. Sogar die Regierung von Oberbayern sieht die Nachverdichtung kritisch. (…) Der Tucherpark ist gemeinsam mit dem Englischen Garten Teil des Regionalen Grünzuges Isartal und hat für das Lehel und Schwabing eine wichtige klimatische Bedeutung. Ohne diese Frischluftschneise würde es hier in den Sommern schon bald lebensbedrohlich heiß. Trotzdem wollen die Investoren auf den jetzigen Wiesen fünf neue Hochhäuser bauen!“
Zur Petition: hier

Planungsstopp gefordert. Am 6.7.2023 diskutierte der Stadtrat über den Aufstellungsbeschluss für den neuen Bebauungsplan. Die Investoren Hines und Commerz Real wollen auf dem 22,5 Hektar großen Areal massiv nachverdichten. Besonders problematisch ist, dass der südliche Teil, auf dem die Bauten „Tivoli West“ geplant sind, als „allgemeine Grünfläche“ ausgewiesen ist, die laut dem Bürgerbegehren Grünflächen erhalten nicht bebaut werden soll. Die grün-rote Koalition will Tivoli West streichen, dafür Tivoli Ost vergrößern und fordert „mindestens 600 Wohnungen“.  Die drei kleineren Oppositionsfraktionen lehnen die Investorenpläne ab. Stadtrat Jörg Hoffmann (FDP) gab eine plausible Erklärung ab: Hines und Commerz Real hätten „einen Preis gezahlt, der viel zu hoch ist, in der Hoffnung, dass die Stadt ihnen mehr Baurecht gibt. Aber wenn ich zu viel gezahlt habe, kann ich das nicht der öffentlichen Hand aufbürden.“ Für Stadtrat Tobias Ruff (ÖDP) wird durch die sogenannte Nachverdichtung der „Sündenfall am Englischen Garten noch verstärkt“. Ihre übliche Rolle als Investorenfreundin (siehe Paketposthalle) übte Anna Hanusch von den Grünen aus: Bei zu strengen Auflagen für die Investoren könnte der Tucherpark leer stehen und verkommen. Der von Die Linke/Die Partei geforderte Planungsstopp wurde von FDP/Bayernpartei und ÖDP/München-Liste unterstützt. Die grün-rote Rathauskoalition setzte dann den Änderungsbeschluss gegen die gesamte Opposition durch.10

  1. https://www.hines.com/locations/germany []
  2. https://www.hines.com/properties/fritz9-munich []
  3. Grundner, Hubert, Umbau in zwei Schritten, in SZ 16.10.2020 []
  4. www.oliv-architekten.com []
  5. Grundner, Hubert, Luftige Pläne, in SZ 2.2.2021 []
  6. Grundner, Hubert, „Shaere wie teilen“, in SZ 25.9.2021 []
  7. Stäbler, Patrik, Leben und arbeiten, in SZ 11.7.2022 []
  8. Stäbler, Patrick, Aus einem Betonklotz wird ein Stadtquartier, in SZ 20.1.2023 []
  9. Dürr, Alfred, Tucherpark zum Leben erwecken, in SZ 9.3.2020 []
  10. Krass, Sebastian, Investoren müssen Tucherpark neu planen, in SZ 27.7.2023 []
Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Nicht angemeldet > Anmelden