Moloch München Eine Stadt wird verkauft

April 1991

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

April 1991: Ladenmieten explodieren. In der Innenstadt, aber auch außerhalb derselben steht immer häufiger eine Ankündigung „Räumungsverkauf“ an den Geschäften. Meist wurde die Miete drastisch erhöht, oft auch infolge einer baulichen Modernisierung. Der Beitrag im Münchner Stadtanzeiger nennt den „Angerblock“ an der Sendlinger Straße 7. Diesen hat der Münchner Architekturprofessor Paolo Nestler in den sechziger Jahren neu gestaltet. Um 1975 hat die Deutsche Grundbesitz Investment GmbH (DGI) Frankfurt den Komplex mit 9400 Quadratmetern Nutzfläche gekauft. Nun soll für 25 Millionen DM saniert werden. Inzwischen sind die sechs Etagen Bürofläche und zwei Läden im Innenhof leer. Die Miete pro Quadratmeter Bürofläche wird nach Abschluss der neunmonatigen Umbauarbeiten von 25 DM auf 55 bis 60 DM steigen, bei den Läden (bisher 130 bis 170 DM) werden es dann 160 bis 250 DM sein. Sport-Scheck hatte im Innenhof Räume und räumte das Ladenlokal. Das „Café Privat“ schließt am 1.4.1991: Die Miete sollte von 5500 DM auf 17.800 DM steigen, für den Betreiber völlig unrealistisch. Es gibt keinen Mieterschutz für Gewerberäume, oft nicht einmal einen Kündigungsschutz: Nach drei Monaten Kündigungsfrist ist häufig das Ende gekommen: So steht es im BGB. OB Georg Kronawitter hat beim neuen Justizminister Klaus Kinkel deshalb wegen einer Änderung interveniert. Aber selbst die IHK lehnt einen besseren Kündigungsschutz ab, da die Gewerberaumvermietung ansonsten für Investoren unattraktiv werden könnte und man Zustände wie im Mietwohnungsmarkt bekäme, wo alles längst „kaputtgeregelt“ sei. Das Münchner Wirtschaftsamt konstatiert zudem, dass die gewerblichen Mieter am kürzeren Hebel sitzen: die nächsten Konkurrenten stünden dann schon bereit.1

  1. Graf, Stefan, Hass, Marianne E., Selbst Traditionsfirmen strecken die Waffen, in Münchner Stadtanzeiger 25.4.1991 []
Moloch München Eine Stadt wird verkauft

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