Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Juli 1991

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Juli 1991: Ende der heimlichen Hauptstadt. Die Wiedervereinigung hat ihre Nebenwirkungen. Hamburg und Berlin rücken vor. Und seit 3.10.1990 ist Berlin offizielle Hauptstadt. Peter Gauweiler (CSU) konstatiert: „Die Rolle der heimlichen Hauptstadt ist ausgespielt.“ OB Georg Kronawitter (SPD) will aus dem „Dampfkessel“ Druck nehmen. (Siehe März 1990). Prompt wird ihm von der CSU eine „unternehmerfeindliche Politik“ vorgeworfen und ein „kleinkariertes Zurückhalten“ von neuen Gewerbeflächen. Kronawitter und sein designierter Nachfolger Christian Ude (SPD) entgegnen, dass die Stadt eine Entspannungsphase brauche, um langfristig von den horrenden Miet- und Bodenpreisen und Lebenshaltungskosten herunterzukommen. Rund 100.000 Münchner leben am Rand des Existenzminimums bei gleichzeitiger „Verboutiquisierung“ der Innenstadt. Die Tendenz, München zum Dienstleistungs- und High-Tech-Zentrum zu machen, hat jahrzehntelang hochqualifizierte Arbeitskräfte angezogen – mit entsprechenden Verdiensten. „Normale“ Arbeitnehmer wurden aus ihren Vierteln vertrieben.
Bis heute, muss man feststellen.
Dazu kommt, dass der Ex-Verteidigungsminister Franz Josef Strauß alles getan hat, um Rüstungskonzerne herzuholen: Konzerne wie Messerschmidt-Blohm-Bölkow (MBB) und Krauss-Maffei beschäftigen etwa 20.000 Arbeitnehmer plus indirekt 16.000 weitere.1

Juli 1991: Wohnungsvergabe auf Zuruf und Gebot. Auch nicht neu: Schon 1991 beschreibt der Spiegel-Artikel, wie die Wohnungsvergabe in Zeiten der Wohnraummisere funktioniert: „Vermieter verlangen häufig keine Festpreise mehr, sondern lassen sich aus der Menge der vorgeladenen Mietinteressenten Angebote zurufen – Versteigerungen im Treppenhaus.“ Der Spiegel-Artikel stellte als Folge des Mangels an erschwinglichen Mietwohnungen fest, es „will kaum jemand mehr Polizist oder Postbote in München werden, vom Krankenpfleger ganz zu schweigen.“ Bei der Stadt gibt es 1300 offene Stellen, davon allein 200 für Krankenschwestern. Der spätere OB Christian Ude dazu; „In München kann man sich bald entweder nur Kinder oder eine Wohnung leisten.“ Paradoxe Situation: Die Attraktivität Münchens zieht trotz des horrenden Mietenniveaus gerade wirtschaftlich schwache Gruppen an. Und durch den Flughafen München 2 (heute: Flughafen Franz Josef Strauß) werden im Großraum München in den nächsten Jahren eine weitere halbe Million Neubürger kommen. Die Folge: „Bereits jetzt explodieren die Grundstückspreise und die Mietzinsen im Norden Münchens, selbst in Landshut und Ingolstadt, wie sonst nur in begehrten City-Lagen.“1

  1. Der Siegeszug der Saupreißn, in Der Spiegel 31/29.7.1991 [] []
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