Moloch München Eine Stadt wird verkauft

April 2020

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

April 2020: 2500 Bäume für Freiham-Nord. 2500 Bäume will die Stadtgartendirektion im ersten Realisierungsabschnitt in Freiham-Nord pflanzen.1 Die andere Realität: Laut Bund Naturschutz werden jedes Jahr in München 2500 Bäume gefällt.

April 2020: Mehr Bevölkerung braucht mehr Feuerwehren. Die Branddirektion des Kreisverwaltungsreferats ist seit sieben Jahren mit der Planung befasst, „wie die 2050 Mann starke Münchner Berufsfeuerwehr Schritt halten kann mit dem rapiden Bevölkerungswachstum sowie mit Vorgaben zu Hilfsfristen, Einsatzradien und dem Verhältnis von Feuerwachen zu Einwohnerzahlen.“2

Großmarkthalle im Stadtrat gebilligt. Auf dem 26 Hektar großen Gelände soll ein privater Investor die neue Großmarkthalle errichten, dazu neue Gewerbeflächen und Wohnungen.3

April 2020: Mieten stiegen auch 2019, aber moderater. Für das Jahr 2019 hat die LH München rund 20.000 Wohnungsangebote ausgewertet. Die durchschnittliche Erstbezugsmiete für Neubauwohnungen liegt bei 20,37 Euro/qm (+ 2,4 Prozent im Vergleich zu 2018). Die Bestandsmiete liegt bei 18,67 Euro (ein Plus von mehr als 4 Prozent). 20 Prozent der inserierten Wohnungen sind möbliert (rund 29 Euro/qm). Neubauwohnungen kosten im Schnitt 9700 Euro/qm, Bestandsimmobilien rund 7900 Euro/qm.4

April 2020: 230 neue Wohnungen im Fasangarten. Ein Areal mit 4 Hektar an der Münchberger Straße (Osten), Kronacher Straße (Süden) und der BAB A8 München-Salzburg (Westen), Fasangartenstraße (Norden) sollte neu bebaut werden. Die dortige Nachbarschaft wehrte sich rigoros gegen diese Pläne. Deshalb möchte der ursprüngliche Investor MP München Projekt GmbH & Co. KG dieses Projekt aufgeben und hat ihren Flächenanteil von rund 72 Prozent der Stadt zum Kauf angeboten. Auf dem Grundstück könnten 230 Wohnungen und eine größere Kindertageseinrichtung gebaut werden.5

April 2020: Grün-roter Koalitionsvertrag. Auswirkungen auf das Thema Klima u. a.: Das Referat für Gesundheit und Umwelt wird zweigeteilt in ein Referat für Klima- und Umweltschutz und ein Referat für Gesundheit. – Bis 2035 soll München komplett klimaneutral sein, u. a. durch den Ausbau der Fotovoltaik mit bis zu 15 MW pro Jahr. – Unterirdische Stadtbäche sollen an die Oberfläche geholt werden. (Zu den damit verbundenen Schwierigkeiten vgl.: Rädlinger, Christine, Geschichte der Münchner Stadtbäche, München 2004; Schiermeier, Franz, Münchner Stadtbäche. Reiseführer zu den Lebensadern einer Stadt, München 2012) – Bei allen Bauvorhaben ist auf Artenschutz zu achten, ein Klimaschutzfonds wird eingerichtet, das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ konsequent umgesetzt.
Auswirkungen auf Stadtplanung und Wohnen: Bei der Sozialgerechten Bodennutzung sollen künftig 50 Prozent privater Entwicklungsflächen an die Stadt gehen. Diese kann z. B. die Flächen an Wohngenossenschaften im Erbbaurecht vergeben. Bei Neuansiedlung von Unternehmen soll der Bau von Werkwohnungen zur Pflicht werden. (Das war bisher steuerlich insofern erschwert, da dies vom Finanzamt als „geldwerter Vorteil“  gewertet wurde.) – Die SEM im Nordosten mit 600 Hektar, soll mit bis  zu 30.000 Bewohnern weiter entwickelt werden. (Grün-Rot verfolgt auch die SEM Nord mit 900 Hektar, in Feldmoching. Allein die klimatischen Folgen der Bodenversiegelung entlarven alle Lippenbekenntnisse zum Klimaschutz. Gleichzeitig werden nach wie vor in großem Maß Arbeitsplätze in der Stadt geschaffen – allein bei der SEM Nordost sollen es 10.000 werden6.)

April 2020: „Elementum“ im Bahnhofsviertel. Eine Fondsgesellschaft der Schweizer Bank Credit-Suisse hat 2017 für rund 300 Millionen Euro das Karree zwischen Bayer-, Paul-Heyse-, Schwanthaler- und Mittererstraße gekauft. Dort befand sich früher die Postbank. Das Architekturbüro Herzog & de Meuron wird den Immobilienkomplex mit über 60.000 Quadratmeter Bürofläche planen (www.elementum-munich.com). Die Kosten betragen mit Kaufpreis mehr als eine halbe Milliarde Euro. Die Fertigstellung ist für 2024/25 geplant. Der Quadratmeter soll bei über 40 Euro liegen. Mietinteressenten waren zunächst das Deutsche Patentamt und We Work (beide ausgestiegen), Apple (wird in den Neubau auf dem ehemaligen Mahag-Gelände ziehen). Das Planungsreferat wollte auch neben den vielen Büros Wohnungen untergebracht sehen: Das sei jedoch in dieser Lage wegen dreckiger Luft und fehlender Infrastruktur nicht möglich.7
Nachtrag Januar 2022: Zwei Drittel der Rohbausubstanz sollen übernommen werden. Der Bauherr, die Bayerstraße Munich Real Estate S.à.r.l. mit Sitz in 2180 Luxembourg plant im Kern des Karrees einen Lichthof mit 80 mal 30 Metern.8

April 2020: „Architects for Future“. Andrea Heil setzt sich bei Architects for Future für mehr Klimaschutz beim Bauen ein. Heil: „Das Bauwesen verursacht 40 Prozent der deutschen CO2-Emissionen, 35 Prozent des Energieverbrauchs und 60 Prozent des Abfallaufkommens.“9 Deshalb empfiehlt Heil Sanierung statt Neubau. Denn in den Gebäuden steckt viel „graue Energie“, das ist die Energie zur Errichtung, Instandhaltung und Entsorgung. Die Deponierung von Bauschutt kostet fast nichts. Recycling am Bau ist meist nur ein „extremes Downcycling“. Und ein heute günstiger Dämmstoff kann in zehn Jahren ein bei der Entsorgung teurer Sondermüll sein.10
Leider hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Juni 2020 entschieden, dass Airbnb keine Vermieterdaten herausgeben muss, da die LH München aus einem „bloß abstrakten Gefahrenverdacht“ diese Auskunft wolle. Die Kenntnis über die Vermietungen  über Onliner-Portale hätte mit Sicherheit die Anzahl der zu verfolgenden Zweckentfremdungen signifikant erhöht.

  1. Draxel. Ellen, Es wird grün, in SZ 2.4.2020 []
  2. Wolfram, Jürgen, Schleunigst den Bränden hinterher, in SZ 8.4.2020 []
  3. Stadtrat schiebt Großprojekte an, in SZ 9.4.2020 []
  4. Mietpreise steigen moderater, in SZ 17.4.2020 []
  5. Grundner, Hubert, Eine Siedlung als neue Stadteinfahrt, in SZ 17.4.2020 []
  6. Krass, Sebastian, Stroh, Kassian, Hutter, Dominik, SEM im Münchner Norden und Nordosten – ein Überblick, in sueddeutsche.de 13.8.2020 []
  7. Krass, Sebastian, Wohnen? Geht nicht, in SZ 22.4.2020 []
  8. Eine Architekturikone von Herzog & de Meuron, in SZ WEB Immobilien Januar 2022 []
  9. Krass, Sebastian, „Das Beste ist, zu sanieren“, in SZ 22.4.2020. Vgl. hierzu auch dringend: Fuhrhop, Daniel, Verbietet das Bauen! Eine Streitschrift, München 2015 []
  10. Krass, Sebastian, „Das Beste ist, zu sanieren“, in SZ 22.4.2020. (Mehr zu Architects for future unter: https://muenchen2020.org/)

    April 2020: Zweckentfremdungsverfahren in München. Eine Anfrage von Stadträtin Brigitte Wolf (Die Linke) nach der Anzahl der laufenden Zweckentfremdungsverfahren beantwortete Sozialreferentin Dorothee Schiwy für 2018 mit 2982 Wohneinheiten, bei denen zweckentfremdungsrechtliche Verfahren durchgeführt wurden. (Grundner, Hubert, Leerstand mit Ansage, in SZ 21.4.2020 []

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