Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Januar 2022

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Aktualisiert 27.9.2022

Januar 2022: Wohnhäuser vom Fließband. Mit Goldbeck fing es in München an: vorgefertigte Häuser, im Schnelldurchgang zu errichten. Aus Februar 2021: „Für Goldbeck-Wohnbauten werden vorfabrizierte Elemente inklusive Türen und Fenster zur Baustelle gefahren und aufgebaut. Es gibt drei verschieden große, vorgefertigte Badezimmer, die dann mit dem Kran in die Wohnungen gehoben werden. Die GWG möchte durch das Baukastenprinzip Kosten sparen, um niedrigere Mieten zu ermöglichen.“1 Um das Ziel der Ampel-Koalition von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr zu erreichen, will Bundesbauministerin Klara Geywitz an die Tradition des DDR-Plattenbaus anknüpfen und plant das „serielle Bauen“. Am Bauplatz wird die Bodenplatte betoniert, und dann werden Module zusammengesetzt, die wo anders produziert werden. Dadurch würden der Bauprozess entlastet und Baulärm und lange Bauzeiten in Innenstädten vermieden.
Ich hatte im Februar 2021 angemerkt: Fraglich ist, ob durch diese Fertigteil-Bauweise langfristig wirklich eine Kostenersparnis entsteht – oder ob die Lebensdauer und die Funktionsfähigkeit nicht doch entsprechend reduziert sind. Außerdem ist fraglich, ob die immer strengeren Energiestandards eingehalten werden können.
Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes hat die Zahl von jährlich 400.000 neuen Wohnungen als unrealistisch bezeichnet: Allein Genehmigungen, um Flächen in Bauland umzuwidmen, dauern Jahre.2
Es ist sicher nicht sozial und auch ökologisch sinnvoll, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen (bevorzugt in den Ballungsräumen) zu bauen, wenn in weiten Teilen Deutschlands ein Wohnungs-Leerstand herrscht. Das ist im Gegenteil ein Harakiri-Programm, das zu Lasten sozialverträglicher Stadte, der urbanen Natur und des Klimaschutzes geht.
Vgl.: Verbietet das Bauen

Januar 2022: Jährlich etwa 8500 neue Wohneinheiten. So viele Wohnungen sollen in München jährlich gebaut werden: Von den 8500 sollen 2000 preisgedämpft und gefördert sein. Kleine Auflistung der Stadt: Freiham, nördlicher Teil: langfristig 10.400; Riem, westlicher Teil: zusätzlich 2500; Paul-Gerhardt-Allee: 2400; Lerchenauer Feld: 1600; Siemens-Campus 1370; Kirsch-Gelände: 1300; Friedrich-Creuzer-Straße: 1300; Langwied: 950 Wohnungen. Dann gibt die Stadt (erfreut) bekannt, dass Gebiete in Pasing-Obermenzing, Feldmoching-Hasenbergl, Obergiesing-Fasangarten und Langwied der Flächennutzungsplan in Mischgebiete oder Allgemeine Wohngebiete geändert wurde.3
Nachtrag September 2022: Im Neubaugebiet an der Paul-Gerhardt-Allee wird nun mit bis zu 6000 Bewohnern geplant: Die Hälfte der Wohnungen ist bezogen.4

Januar 2022: Die nächste Großbank will umziehen. 1982 wurde der Stammsitz der BayernLB am 27.000 qm großen Geviert Oskar-von-Miller-Ring, Brienner- und Türkenstraße fertiggestellt. Nun sucht die BayernLB derzeit eine neue Unterkunft zur Miete. Die offizielle Begründung: Die gerade einmal 40 Jahre alten Bürobauten entsprächen nicht mehr neuen Arbeitsbedürfnissen und könnten zum Beispiel an einen Investor verkauft werden.5

Januar 2022: Teuerung überall im Süden. Das Portal Immowelt hat die Immobilienpreise in Deutschlands Süden in 126 Städten und Landkreisen untersucht. Inzwischen steigt die Nachfrage auch in kleineren Städten und ländlichen Regionen: und damit steigen auch die Preise. Fazit: Teure Gegenden werden noch teurer, bislang günstigere Gegenden werden teurer. Vor allem Familien mit Kindern ziehen an Stadtränder und in weniger besiedelte Gebiete. Eine neue Befragung des Ifo-Instituts ergab, dass 13 Prozent in den nächsten zwölf Monaten aus Großstädten wegziehen möchten. Ziele sind das Umland größerer Städte und kleinere Städte. Das Ifo-Institut empfiehlt eine bessere Anbindung des „Speckgürtels“ durch den ÖPNV.6
Damit verlagert sich das krebsartige Wachstum nach außen.

Januar 2022: Büschl auf Einkaufstour. Die Büschl Unternehmensgruppe will das „Schlechtfeld“ in Feldmoching kaufen, einen Acker mit 21.000 qm. Der Erstpreis liegt bei 8,2 Millionen Euro; bei Erteilung einer Baugenehmigung kommen noch 4,2 Millionen Euro dazu. Damit liegt der Quadratmeterpreis im ersten Fall bei rund 390 Euro, im zweiten Fall bei 590 Euro. Der Acker liegt in einer Fläche der SEM Nord, in der die Vorkaufssatzung „Münchner Norden“ gilt, die im Sommer 2018 in Kraft getreten ist. Das Kommunalreferat plädiert zum Ankauf der Ackerfläche für reguläre 883.000 Euro: Das wären 42 Euro pro qm. Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) zufolge könnte der jetzige Eigentümer klagen: Die Immobilienfirma aus Garmisch-Partenkirchen hatte den Acker 2018 gekauft. Das Schlechtfeld ist im Flächennutzungsplan eine ökologische Vorrangfläche. Für das Kommunalreferat wäre eine Verwendung im Rahmen der Grünplanung oder zum Ausbau der Autobahn-Infrastruktur vorstellbar.
((Krass, Sebastian, 929 Prozent über Marktwert, in SZ 11.1.2022))
Kleine Ergänzung: Käufer wäre die Ludwigsfelder Grund GmbH mit Sitz Nördliche Münchner Straße 16 in 82031 Grünwald, die zur Büschl Unternehmensgruppe gehört. Geschäftsführer sind Ralf Büschl, Dirk Olaf Otto und Christoph Helfrich.7
Eine Anbindung an den Ausbau der Siedlung Ludwigsfeld liegt nahe. Ob sich die Stadt gegen den Großinvestor Büschl (Hochhäuser an der Paketposthalle, Großmarkthalle etc.) durchsetzen traut?

Januar 2022: 100.000 städtische Fragebögen. Sie gehen an 100.000 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Haushalte für die Erstellung des neuen Mietspiegels im Frühjahr 2023. Gesetzlich ist geregelt, dass nur Wohnungen berücksichtigt werden, deren letzte Mieterhöhung nicht länger als sechs Jahre her ist. Im Dezember 2021 hat die Bayerische Staatsregierung (endlich) geregelt, dass bei Abschluss eines neuen Mietvertrags die Miete nicht über zehn Prozent der ortsüblichen Miete liegen darf. Der Mietspiegel ist unter mietspiegel-muenchen.de im Internet zu finden.8 – Die Mietpreisbremse wurde zwar über den 1.1.2022 verlängert. OB Dieter Reiter forderte aber den Freistaat auf, endlich die Rechtsverordnungen für die Umsetzung des das Baulandmobilisierungsgesetzes zu erlassen.9

Januar 2022: Die Energieknappheit bei den Stadtwerken. Die SWM haben das Ziel, München bis zum Jahr 2025 zu 100 Prozent mit Ökostrom zu versorgen. Gleichzeitig wird der Stromverbrauch nach Prognosen der SWM von heute 6,3 auf etwa 7 Terawattstunden im Jahr 2025, 7,7 im Jahr 2035 und 8,4 im Jahr 2050 steigen. Die neuen Verbraucher sind vor allem die E-Mobilität, Wärmepumpen im Heizungsbereich etc. Gleichzeitig wird das AKW Isar 2, an dem die SWM einen Anteil von 25 Prozent hält, Ende 2022 stillgelegt werden.10
Allerdings wird aktuell im März 2022 nach Putins Überfallskrieg auf die Ukraine die Atomdebatte um die Stilllegung der restlichen drei AKWs neu geführt.

Januar 2022: Schmiermittel Gewerbesteuer. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer in München lagen im Jahr 2000 bei etwa 1,15 Mrd. €, 2015 bei 1,462 Mrd. €. 2021 sanken die Einnahmen pandemiebedingt auf rund 1,8 Mrd. € (plus einem Zuschuss des Bundes von 790 Mrd. €). 2021 wurde der Rekord mit 3,357 Mrd. € erreicht. Der Ausblick für 2022 liegt bei 2,82 Mrd. €.11
Die Gewerbesteuereinnahmen werden gern als Argument für die immer weitere Ansiedlung von Unternehmen und Arbeitsplätzen verwendet. Aus dem Blick geraten dabei die hohen Kosten für die technische, verkehrliche und soziale Infrastruktur. Außerdem lässt sich sogar München irgendwann nicht mehr weiter zubauen.
Vgl.: Totschlagargument Wohnungsbau

Januar 2022: Kaufpreise treiben die Mieten. Im Frankfurter Grand Tower kostet der Quadratmeter Wohnraum um die 20.000 Euro. Eine Wohnung mit zwei Zimmern und 89,9 qm Wohnfläche kostet hier 1,8 Millionen Euro. Um drei Prozent Rendite zu erreichen, müsste die Miete 4500 Euro betragen: Das ist unrealistisch. Deshalb urteilt der DIW-Ökonom Konstantin Kholodilin zum Verhältnis von Kaufpreis zur Miete, also zur Rendite: „Je weiter sich der Kaufpreis von den Mieten entfernt, desto gefährlicher.“12

Januar 2022: Effizienzhaus 55 gegen Effizienzhaus 40. Der Standard Effizienzhaus 55 besagt dass ein Gebäude beim Energieverbrauch von 55 Prozent liegt; beim Standard 40 Prozent wird eben entsprechend nur noch 40 Prozent verbraucht. Nun hat das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium von Robert Habeck (Grüne) am 24.1.2022 angeordnet, dass ab sofort die Förderprogramme für Klimafreundliches Bauen und energieeffizientes Sanieren beendet werden. Alle Mittel der KfW seien – vor allem durch das Effizienzhaus 55 -, abgerufen. Allein seit November 2021 gingen Förderanträge über 20 Milliarden Euro ein, davon 14 Milliarden für den Standard 55. Das Ende für die Förderung des Standards 55 hatte noch die schwarz-rote Koalition im November 2021 2021 beschlossen. Wer bislang noch keine Bewilligung erhalten hat, bekommt nun auch keine mehr. Für das Ministerium ist die geringere Einsparung beim Standard 55 zu teuer erkauft.
Die EU-Kommission will für alle Länder ab 2030 klimaneutrale Neubauten; in jedem Land sollen die 30 Millionen schlecht gedämmte Gebäude saniert werden. Denn ab 2050 will die EU einen klimaneutralen Kontinent. Für Kai Warnecke, den Präsidenten von Haus + Grund, wird der energetische Druck ständig erhöht, die Förderung aber dann gestoppt. Der GdW beurteilte den Förderstopp als „Katastrophe“. Der DUH zufolge hätte man zuerst die Standards erhöhen und dann die Förderung des schlechteren Standards streichen sollen. Wobei der Gesamtenergieverbrauch nur eine Richtgröße ist: Bei Neubauten müsste auch der Energieaufwand durch die Baustoffe, durch den Bau selbst und durch die Entsorgung des Baumaterials eingerechnet werden.13 – Bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG und Gewofag wirkt sich der Förderstopp entsprechend  aus. Die GWG rechnet mit einem Ausfall bei von 24.000 Euro pro Wohnung (insgesamt ein zweistelliger Millionenbetrag). Dies betrifft nicht bewilligte KfW-Anträge für zwei Bauvorhaben mit 238 Wohnungen und fünf Gewerbeeinheiten. In den nächsten fünf Jahren sollen 800 Wohnungen im KfW-40-Standard fertiggebaut werden. Die Gewofag gab keine Zahlen bekannt, hofft aber auf eine bald wieder zur Verfügung stehende Förderung.14
Michael Bauchmüller schrieb in einem Kommentar in der SZ, die bisherige Förderung erfolgte nach dem Gießkannenprinzip, auch im Hinblick auf die Wählergunst. Dabei wäre eine Förderung nach Energieeffizienzkriterien bei den über neun Millionen Gebäuden (von 19 Millionen Gebäuden in Deutschland insgesamt) ergiebiger, die 50 Jahre und älter sind. Bauchmüller forderte auch einen kritischen Blick auf die Neubauten, deren Energieaufwand schon durch den häufigsten Baustoff Zement hoch ist. „Und so manches ältere Gebäude würde saniert – und nicht gleich abgerissen und neu gebaut.“15
Nachtrag Februar 2022: Habeck rudert zurück. 24.000 bereits gestellte Anträge mit einem Volumen von etwa 20 Milliarden Euro wurden im Januar 2022 von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gestoppt. Nun soll es eine Lösung geben, wenn im Standard „Effizienzhaus 40“ gebaut wird: Dies erfordert eine technische Umplanung und ist auch mit Zusatzkosten von vier bis zehn Prozent der Bausumme verbunden. Oder es wird nur der Standard 55 eingehalten, dann dürfen die Investoren zu höchstens 10 Euro kalt pro qm vermieten.16 – Im Haushalt waren fünf Milliarden Euro eingeplant. Bis zum Tag des Förderstopps am 24.1.2022 waren 3,2 Milliarden Euro vergeben. Bei restlichen 1,8 Milliarden Euro gibt es bereits Anträge über 7,2 Milliarden Euro. Fünf Milliarden Euro sollen dem Klima- und Transformationsfonds entnommen werden. Ab 2023 soll ein neues Förderverfahren gelten.17
Vgl.: Graue Energie

Januar 2022: Christliche Kohle. Die Erzdiözese München und Freising hat drei Stiftungen, die in München 444 Mietwohnungen verwalten. Die St.-Antonius-Stiftung hatte 2015 von einem Nonnen-Orden in Erbpacht das Grundstück an der Klarastraße 10 in Neuhausen übernommen; der derzeitiger Erbbauzins liegt bei 413.000 Euro. Das über 50 Jahre alte Schwesternheim wurde 2019 abgerissen. Nun baut die Stiftung ein Vorder- und ein Hinterhaus mit 50 Mietwohnungen zwischen 45 und 130 qm. Verlangt wird ein Quadratmeterpreis zwischen 21,70 und 24,70 Euro (kalt). Volker Raststätter vom Mieterverein München appellierte an die „soziale Verantwortung“ der Stiftung. Die zwei Geschäftsführer der drei Stiftungen verwiesen auf die günstigen Mieten im Wohnungsbestand und auf die vielfältigen sozialen Aktivitäten. Der Neubau an der Klarastraße sei kein karitatives Projekt, sondern eine Investition, die drei Prozent Rendite einbringen müsse. Dazu seien die Baukosten von 17 auf 22,5 Millionen Euro gestiegen. Außerdem habe man sich preislich an vergleichbaren Neubauprojekten in der Nachbarschaft orientiert.18
Vgl.: Haus Heilig Geist

  1. Vgl. auch: https://www.goldbeck.de/ []
  2. Bauministerin Geywitz setzt auf „serielles Bauen“, in spiegel.de 4.1.2022 []
  3. LH München, Großer Einsatz für mehr Wohnungen, in SZ 4.1.2022 []
  4. Warten auf den Treff, in SZ 22.9.2022 []
  5. Radomsky, Stephan, Der Löwe zieht aus, in SZ 5.1.2022 []
  6. Öchsner, Thomas, Wo die Preise für Wohnungen besonders steigen, in SZ 8.1.2022 []
  7. https://www.northdata.de/Ludwigsfelder+Grund+GmbH,+Gr%C3%BCnwald/Amtsgericht+M%C3%BCnchen+HRB+218590 []
  8. Die Stadt informiert, Die Mithilfe der Mieter ist gefragt, in SZ 11.1.2022 []
  9. Die Stadt informiert, OB Reiter: Mieter vor Verdrängung schützen, in SZ 11.1.2022 []
  10. Hoffmann, Catherine, Aus für Kohle und Kernkraft, in SZ 19.1.2022 []
  11. https://www.haushaltssteuerung.de/steuer-daten-stadt-muenchen.html; Effern, Heiner, Hoben, Anna, Aus Rot wird Schwarz, in SZ 20.1.2022 []
  12. Nienhaus, Lisa, Pletter, Roman, Gefährlich teuer, in Die Zeit 20.1.2022 []
  13. Bauchmüller, Michael, Radomsky, Völlig überfordert, in SZ 25.1.2022 []
  14. Krass, Sebastian, Plötzlich fehlen zig Millionen, in SZ 31.1.2022 []
  15. Bauchmüller, Michael, Desaster bei der Gebäudesanierung, in SZ 25.1.2022 []
  16. Preuss, Roland, Vorrang für sparsame Gebäude, in SZ 1.2.2022 []
  17. Preuss, Roland, Fünf Milliarden Nachschlag, in SZ  2.2.2022 []
  18. Steinbacher, Ulrike, Stiftung macht Kasse mit Mietwohnungen, in SZ 26.1.2022 []
Moloch München Eine Stadt wird verkauft

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