Moloch München Eine Stadt wird verkauft

September 2022

S
Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Aktualisiert 4.10.2022

September 2022: Kriterien für Immobilienkredite verschärft. Die Zinsen für Baukredite haben sich seit Jahresbeginn 2022 verdreifacht. Nun erlassen die Banken strengere Kriterien für die Berechnung der Kreditwürdigkeit, wie Kreditvermittler berichten. Die Pauschalen für den Lebensunterhalt werden höher angesetzt. Empfohlen wird oft eine höhere Eigenkapitalrate bzw. eine höhere Tilgungsrate. In die Bonitätsberechnungen gehen höher angesetzte Lebenshaltungs- und Bewirtschaftungskosten ein. Beschäftigte in der Probezeit oder mit befristeten Arbeitsverträgen sowie Elternzeit werden strenger geprüft. Hinzu kommt eine kritische Überprüfung des tatsächlichen Verkehrswerts der Immobilie.1

September 2022: Hitzesommer in München. Zwischen dem1.6. und dem 31.8.2022 gab es in München 882,1 Stunden Sonnenschein, laut dem Deutschen Wetterdienst in München ein Rekord. Eine Folge ist die Absenkung des Grundwasserspiegels, auch bedingt durch wenig Schnee im Winter und wenig Niederschlag im Frühjahr 2022.2
Und die Verbauung und Versiegelung Münchens geht weiter: mit der Folge noch höherer Aufheizung des Stadtgebiets.

September 2022: Die Crux mit den Index-Mietverträgen. Indexmietverträge sind an den Index für Lebenshaltungskosten gebunden und waren eher die Ausnahme. Bei bisher meist niederem Index profitieren eher die (oft gewerblichen) Mieter. Seit Anfang des Jahres stieg ihr Anteil laut Volker Rastätter vom Mieterverein München auf etwa 40 Prozent: Wohnungssuchende Mieter haben oft keine Wahlmöglichkeit. Vermieter können damit jedes Jahr um diesen Index erhöhen (aktuell bei etwa acht Prozent): Es bedarf nur einer Ankündigung. Auch gilt nicht die Kappungsgrenze von plus 15 Prozent im Zeitraum von drei Jahren. Der steigende Anteil von Indexmietverträgen wird sich auch auf den neuen Münchner Mitspiegel auswirken, der 2023 erscheint. Laut Haus + Grund München seien bei Indexmietverträgen die Umlagen für Modernisierungskosten auf die Mieter nicht möglich.3

September 2022: München braucht anscheinend Hochhäuser. Die Süddeutsche Zeitung kündigte im September 2022 ihre Veranstaltung SZ im Dialog Braucht München Hochhäuser? an, die am 24.10.2022 von 19 bis 20.30 stattfinden wird. Anscheinend besteht bei solchen Hochhaus-Diskussionen ein Zwangsverhältnis von mindestens drei Befürwortern zu einem Gegner. Befürworter sind Investor Ralf Büschl, Stadtbaurätin Elisabeth Merk und Architektin Karin Schmid (vom Büro o3 Arch, das die neue Münchner Hochhausstudie verfasst). Als einsamer Gegner fungiert MdL Robert Brannekämper (CSU), Mitinitiator von HochhausSTOP.
Da scheint der Investor ja ganz schön Angst vor einem ausgeglichenen Podium zu haben, wenn er auf das Verhältrnis 3 Befürworter zu 1 Gegner setzt.

September 2022: Baubranche droht Flaute. Das Münchner Ifo-Institut informierte über seit April 2022 erhöhte Auftragsstornierungen: „Mit Blick auf die künftige Entwicklung greift die Angst um sich.“ Von den Stornierungen berichteten im August 2022 11,6 Prozent der befragten Bauunternehmen. Die zwei Hauptgründe sind hohe Baukosten und die inzwischen auf etwa drei Prozent gestiegene Kreditzinsen. Einige Bauprojekte werden damit unrentabel. Die Bundesvereinigung Bauwirtschaft (BVB) befürchtet vermehrte Insolvenzen, da die immens gestiegenen Energiekosten nicht an die Bauherren weitergegeben werden können.4

September 2022: Droht Immobilienkrise? Das Hamburger Gewos-Institut hat eine Marktanalyse durchgeführt: Der Umsatz mit Wohn- und Gewerbeimmobilien wird 2022 um sieben Prozent auf etwa 313 Milliarden Euro (2021: 337 Milliarden Euro) zurückgehen. Für Eigennutzer werden die höheren Baukredit-Zinsen und die Inflation zum Problem für ihre Kaufkraft. Wegen der hohen Nachfrage und den zurückgehenden Neubauten wird es keinen Preisverfall geben. – Gleichzeitig ergab eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft einen Rückgang der neu gebauten Wohnungen: Damit sei das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr weit weg. Die Konjunktur schwäche sich im Bausektor auch durch die zurückhaltenden Investoren bei Immobilienkäufen ab.5

September 2022: 16.000 Münchner warten auf Wohngeld. Das Wohngeld ist gedacht für Bürger, die keinen Anspruch haben auf Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Altersgrundsicherung, Erwerbsminderung und Sozialhilfe. Bislang gibt es bundesweit 700.000 Berechtigte für Wohngeld; in München sind es etwa 16.000, die zum Teil über ein Jahr auf ihren Bescheid warten. Das dritte Entlastungspaket des Bundes wird die Zahl der Anspruchnehmer verdreifachen: In München wären dies dann rund 50.000 Berechtigte.6

September 2022: Leichter Preisrückgang. Stephan Kippes vom IVD-Marktforschungsinstitut stellte zum ersten Mal seit langem einen leichten Preisrückgang fest: Der Quadratmeter Eigentumswohnung im Bestand ging von 9500 auf 9450 Euro zurück. Der Makler Ralf Heidemann berichtete von Vermarktungsschwierigeiten bei Immobilien mit „Lageproblemen“: Man könne nicht mehr alles zu jedem Preis verkaufen. Bauträger klagen über höhere Materialkosten, Beschaffungsschwierigkeiten von Handwerkern, eine stark gesunkene Neubautätigkeit. Hinzu kommen die Verdreifachung der Zinsen für Baukredite, die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg.7 – Laut Statistischem Bundesamt haben sich im 2. Quartal 2022 die Preise für Wohnimmobilien im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 10,2 Prozent erhöht. (1. Quartal: plus 11,6 Prozent) Bedenklich: Den größten Preisanstieg gab es in den dünn besiedelten ländlichen Kreisen.“ (Reuters, Immobilienpreise steigen langsamer, in SZ 24.9.2022))

September 2022: „Ostallianz“ gegründet. Die „Nordallianz“ war und ist der Zusammenschluss von sieben Gemeinden aus den Landkreisen München-Land und Freising. Nun war die Gründungsversammlung am 14.9.2022 des Vereins „Stadt und Land München Ost“ (vulgo Ostallianz), der seit sechs Jahren in Planung war. Die elf Gemeinden Anzing, Aschheim, Feldkirchen, Finsing, Forstinning, Haar, Kirchheim, Pliening, Poing, Vaterstetten, Markt Schwaben und die östlichen Münchner Stadtbezirke Bogenhausen und Trudering haben sich zusammengeschlossen, um eine umweltfreundlichere und bessere Mobilität und Entwicklung des Münchner Umlands zu erreichen. Im Osten von München ist der Siedlungsdruck hoch, neue Wohn- und Gewerbegebiete werden gebaut und geplant – wie z. B. die SEM Nordost mit 30.000 Bewohnern.8

September 2022: Kündigungsstopp. Der Präsident des GdW, Axel Gedaschko, hat einen Kündigungsschutz aufgrund der Energiekrise zugesagt, falls Mieter wegen der Nebenkostenzahlungen in Verzug geraten: Man könne Ratenzahlungen vereinbaren. Gedaschko forderte von der Bundesregierung einen Gaspreisdeckel. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) will die Schonfrist auf fristgerechte Kündigungen ausweiten. Lukas Siebenkotten, der Präsident des Deutschen Mieterbundes, hält diesen Vorschlag für ungenügend und schlug ein Kündigungsmoratorium vor. Bei fristlosen Kündigungen können Mieter mit Nachzahlungen die Kündigung umgehen, bei fristgerechten Kündigungen gibt es diese Lösung nicht.9

September 2022: Kein Ratsbegehren zu den Büschl-Hochhäusern. Grüne und CSU konnten sich nicht auf ein Ratsbegehren zu den Hochhäusern an der Paketposthalle einigen, die Fraktion SPD/Volt lehnt es sowieso ab, genau wie Stadtbaurätin Elisabeth Merk.10
Vgl.: Paketposthalle, HochhausSTOP

September 2022: Ausbau Sendling. Im Süden des Gasteig-Interimquartiers in Sendling haben die SWM ein Betriebsgelände an der Hans-Preißinger- und Schäftlarnstraße mit 38.000 qm. Schulungsräume, Werkstätten und Lager werden woanders hin verlegt. Es entstehen 450 Wohnungen (nach SoBoN) und Räumlichkeiten für Kreative und Handwerker. Offen ist die Zukunft des Gasteig-Interims und der Isarphilharmonie. ((Krass, Sebastian, Steinbacher, Ulrike, Neues Kreativquartier am Rand der Isarauen, in SZ 22.9.2022))

September 2022: Lockdown im Einzelhandel. Das IVD-Institut stellte fest, dass seit Beginn der Corona-Pandemie Anfang 2020 ein Rückgang der Ladenmieten im Münchner Zentrum um bis zu 40 Prozent stattfand. Konkret sanken die Quadratmeter-Mieten von 410 Euro vor der Pandemie auf derzeit rund 280 Euro. Trotz neuer Mieter in der Innenstadt ist seither auch die Nachfrage niedriger. Zählungen des Datendienstleisters Hystreet ergaben für die Kaufingerstraße 8061 Passanten pro Stunde, für die Rosenstraße (Apple-Store, Schuster) 5139 Passanten, den Karlsplatz 5051 Passanten und die Sendlinger Straße 2387 Passanten.11
Wie wird wohl René Benkos Signa AG mit diversen Kaufhäusern diesen Abschwung in der Innenstadt verkraften?

September 2022: Mietpreis-Rekord. Ausnahmsweise bezahlt nicht der Freistaat Bayern die höchsten Mieten pro Quadratmeter (siehe „Linde-Block“) oder Novartis (ebenfalls knapp 50 Euro pro qm in der „Alten Akademie“ von René Benkos Signa-Konzern. Das Architekturbüro Herzog & de Meuron baut seit Längerem den ehemaligen Postblock, jetzt „Momentum“, an der Bayerstraße/Paul-Heyse-Straße und Schwanthalerstraße um. Der Komplex gehörte der Credit Suisse, die ihn 2021 dem österreichischen Investor Imfarr und der Schweizer SN Holding verkaufte. Einer der neuen Mieter ist mit 40.000 qm das 2015 gegründete Start-up Personio, ein Software-Unternehmen, das fast 50 Euro pro qm bezahlen wird. Der Mietvertrag hat eine Gesamtdauer von 15 Jahren und damit einen Umfang von rund 350 Millionen Euro. Der Abschluss soll volumenmäßig der größte in München sein. 14.000 qm wurden im Sommer 2022 an das Start-up „We Work“ vermietet; damit sollen etwa vier Fünftel der Gewerbefläche des Momentum vermietet sein.12

September 2022: Nächster städtischer Immobilien-Deal. Nach dem völlig verunglückten Grundstücks-Deal mit dem Backkonzern Rischart (vgl. Juli 2022) hat sich der Kommunalausschuss positiv zum Kauf einer Wohnbebauung von 1950 in Pasing an der Nimmerfallstraße 60 bis 76 geäußert. Die Stadt will für bis zu 30,6 Millionen Euro ein ehemaliges GBW-Grundstück vom Nachfolger Dawonia (Patrizia AG) kaufen, ein Preis, der laut städtischem Bewertungsamt 15 Prozent über dem Marktwert liegt. Dawona hat alle Mietverträge beendet: Im Oktober 2022 zielen die letzten Mieter aus. Die Stadtratsfraktion Die Linke/Die Partei hat einen sektoralen Bebauungsplan vorgeschlagen, um Investoren bezahlbaren Wohnraum vorschreiben zu können: Dieser würde aber bei einem zeitnahen Verkauf zu spät kommen.13

September 2022: Ausbau Ost. Tausende neue Wohnungen im Münchener Osten: Heltauer Straße etwa 1500, 5. Bauabschnitt Messestadt Riem 2500 Wohnungen, Rappenweg bis zu 3400 und (außerhalb der Stadtgrenze) Gronsdorf 300 bis 800 Wohnungen: Das macht im Maximalfall 8200 neue Wohnungen. Am Rappenweg wurde in den fünfziger Jahren auf einer früheren Kiesgrube bis fast 20 Meter Tiefe Sondermüll und Bauschutt verfüllt: Die Altlasten müssen nun beseitigt werden. Das 24,5 Hektar große Areal wurde von der Bayerischen Hausbau (ein Drittel), der (inzwischen nahezu unvermeidichen) Büschl Unternehmensgruppe und dem Investor Ten Brinke übernommen. Hier gelten noch 50 Prozent preisregulierte Mietwohnungen und nicht die heute geltenden 60 Prozent.14

September 2022: Schwieriges Vererben. Im Juni 2018 gab es in der SZ einen Bericht über Wolfgang Fischer, damals 77 und seinem denkmalgeschützten Anwesen in der Nymphenburger Straße aus dem Jahr 1724: Sechs Wohnungen im Vorderhaus, Garage, Werkstatt. Die Makler überschwemmten seinen Briefkasten mit Hochglanzbroschüren, was er sich verbat. Fischer erbte das Haus von seiner Tante und sanierte es ab 2005. Er verlangte 12 Euro pro qm von seinen Mietern. Und für Makler verlangte er eine Milliarde Euro: Allein die Igel kosteten schließlich schon 100 Millionen Euro. Da sich das Zukunftsproblem Vererben stellte, verhandelte er seit 2014 mit der Wogeno, die das Anwesen bei seinem Tod für zwei Millionen Euro bekommen soll. Seine Mieter sollten Genossenschaftler werden mit lebenslangem Wohnrecht.15Stand September 2022: Die testamentarische Verfügung läuft demnächst aus. Fischer würde sie verlängern, aber die Wogeno zögert angesichts der aktuellen Preis- und Zinsentwicklung. Außerdem seien die Kosten für den Erhalt unbekannt. Laut Bodenrichtwert hat das Areal einen Wert von 16 Millionen Euro. Er könne jetzt an die Wogeno verkaufen mit einem lebenslangem Wohnrecht, hatte aber seiner Tante damals versprochen, das Haus nicht zu Lebzeiten zu verkaufen. Eine Lösung wäre die gemeinnützige Stiftung „Daheim im Viertel“. Die katholische Kirche kommt für Fischer anhand der von ihr verursachten Probleme mit bezahlbaren Wohnraum und sozialen Vermieten nicht infrage.16
Zur katholischen Kirche hat ein engagierter Kreis vom Ammersee um Prof. P. C. Mayer-Tasch ein Buch verfasst unter dem Titel: Die Rink-Villa – Eine süddeutsche Passion (München 1988), an dem ich mitwirken durfte. Um ihre im toskanischen Stil gebaute Villa in Dießen nach ihrem Tod zu retten, hatte Eleonore Rink sie der katholischen Kirche vermacht, die das historische Gebäude im Nullkommanichts abreißen ließ.

September 2022: Staatliche Mieten bis 2025 unverändert. Der Freistaat Bayern verfügt noch über 16.770 Wohnungen. (Zur Erinnerung: Die unter Markus Söder 2013 an die Patrizia AG verkaufte GBW AG hatte um die 33.000 Wohnungen.) Bayern will laut Bauminister Christian Bernreiter (CSU) angesichts der aktuellen Energiekosten bis 2025 keine Mieten erhöhen. Bernreiter zufolge hat Bayern im Jahr 2022 rund 864 Millionen Euro Fördergelder für Wohnungsbau aufgebracht. Bis Ende 2023 werden etwa 8000 Wohnungen geplant, gebaut oder fertiggestellt. Die staatliche BayernHeim soll aktuell 41 Projekte mit 3700 Wohnungen in Arbeit haben. ((DPA, Mieten sollen unverändert bleiben, in SZ 28.9.2022

  1. Banken verschärfen Bedingungen für Immobilienkredite, in spiegel.de 2.9.2022 []
  2. Anlauf, Thomas, Mehr Sonne als im Jahrhundertsommer, in SZ 2.9.2022 []
  3. Kastner, Bernd, „Es gibt auf die Münchner Mieter Feuer von allen Seiten“, in SZ 6.9.2022 []
  4. Baubranche sorgt sich wegen Auftragsabsagen, in spiegel.de 19.9.2022 []
  5. Immobilienboom geht zu Ende, in spiegel.de 22.2022 []
  6. Anlauf, Thomas, Kompliziert, komplizierter, Wohngeld, in SZ 13.9.2022 []
  7. Hoben, Anna, Immobilienpreise fallen erstmals seit Jahren, in SZ 13.9.2022 []
  8. Schweikle, Sina-Maria, Allianz im Osten, in SZ 15.9.2022 []
  9. Wohnungswirtschaft sagt Kündigungsschutz in der Krise zu, in spiegel.de 20.9.2022 []
  10. Krass, Sebastian, Stadt will nicht über Türme abstimmen lassen, in SZ 20.9.2022 []
  11. Hoffmann, Catherine, Verwerfungen in den besten Lagen, in SZ 21.9.2022 []
  12. Krass, Sebastian, Rekord-Mietvertrag im Bahnhofsviertel, in SZ 21.9.2022 []
  13. Krass, Sebastian, Stadt will Dawonia-Grundstück für 30 Millionen Euro kaufen in SZ 23.9.2022 []
  14. Krass, Sebastian, Steinbacher, Ulrike, Wachstum am Stadtrand, in SZ 23.9.2022 []
  15. Hoben, Anna, Das Haus soll leben nach dem Tod, in SZ 13.6.2018 []
  16. Hoben, Anna, Der nette Vermieter droht zu scheitern, in SZ 27.9.2022 []
Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Nicht angemeldet > Anmelden