Aktualisiert am 23.7.2023
Nicht vergessen: Für Bürgerentscheid HochhausSTOP stimmen und Unterschriften sammeln hier
Januar 1996: Rettung in Sicht. Der Entwurf für die Paketposthalle an der Arnulfstraße 195 nahe der Friedenheimer Brücke stammte von den Architekten Rudolf Rosenfeld, Herbert Zettel, Ulrich Finsterwalder, Helmut Bomhard und Paul Gollwitzer. Die Halle wurde 1965 begonnen und 1969 fertig gebaut und war zu der Zeit die weitgespannteste Halle der Welt mit einer Spannweite von 146,8 Meter, eine Höhe von 27,3 Meter und eine Länge von 124 Meter.
Die Halle war für Postzüge befahrbar, die Briefe, Päckchen und Pakete anlieferten und abholten. Sortierer in den Zügen erledigten eine Zuordnung. In Hochzeiten wurden täglich 170.000 Pakete und 60.000 Päckchen auf die Reise geschickt. Dann stellte die Deutsche Post den Transport auf Lkws um: Im Mai 1997 wurde der Zugverkehr beendet, und die Post nutzte die Halle als Verteilzentrum für Briefe.1
Industriedenkmal ab 1996. Die Halle war bis 1996 nicht als Industriedenkmal klassifiziert: Dies war das Ziel von Stadtbaurätin Christiane Thalgott und von Professor Patrick Deby (mit dem ich Jahrzehnte bis zu seinem tragischen Tod befreundet war). Deby hatte mit seinen Studenten eine Ausstellung Anfang 1996 in der Eingangshalle des Planungsreferates an der Blumenstraße konzipiert, die Thalgott eröffnete und die sich mit möglichen künftigen Nutzungen beschäftigte. Denkbar wären z. B. Stadtteilzentrum, Freizeitpark, Verkehrsmuseum, Kulturhalle. Befürchtet wurde zu der Zeit, dass die Post die Halle verkauft und der Käufer sie abreißt und durch Neubauten ersetzt.23
Im selben Jahr, 1996, erhielt die Paketposthalle dann den ersehnten Denkmalschutz: Somit waren die Aktivitäten von Patrick Deby und Christiane Thalgott letztlich erfolgreich.
Juli 2018: Stadtbaurätin Elisabeth Merk lässt Hochhausstudie fortschreiben. Beschluss des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung vom 07.03.2018 (SB), Antrag der Referentin
„Ich beantrage Folgendes:
1. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung wird beauftragt, die Hochhausstudie von 1995 fortzuschreiben.
2. Der Stadtrat stimmt zu, dass das Referat für Stadtplanung und Bauordnung die erforderlichen Leistungen zur Fortschreibung der Hochhausstudie auf Basis der in Ziffer 3 und 4 der Beschlussvorlage dargestellten Anforderungen an externe Auftragnehmer / Auftragnehmerinnen vergibt.
3. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung führt – nach Erteilung des Einvernehmens durch die Vergabestelle 1 – das Vergabeverfahren zu den in dieser Vorlage genannten Bedingungen durch und erteilt den Zuschlag auf das wirtschaftlichste
Angebot. Eine erneute Befassung des Stadtrats ist nur erforderlich, falls das wirtschaftlichste Angebot den geschätzten Auftragswert um mehr als 20% übersteigen sollte.
4. Die Ergebnisse werden dem Stadtrat zusammen mit einem Vorschlag zum weiteren Vorgehen und geeignete Bausteine der Öffentlichkeitsarbeit zur Beschlussfassung vorgelegt.
5. Dieser Beschluss unterliegt nicht der Beschlussvollzugskontrolle.“
Ein Kritiker der Büschl-Hochhäuser äußerte dazu, formal wurde vermutlich alles richtig gemacht, aber: „… das Planungsreferat nimmt das Büro, das es braucht …“
Wie geht es weiter? Die Deutsche Post will ihr Briefzentrum in das Gewerbegebiet von Germering verlagern. Eine Investorengruppe um Anwalt Josef Nachmann und Martin Niemeier plante in der Paketposthalle eine Musikstadt mit Konzertsaal (der dann am Ostbahnhof gebaut werden sollte). 2018 hat die Post das Areal mit etwa 100.000 qm und der Paketposthalle an die Büschl Unternehmensgruppe verkauft. Hier plante der neue Investor Gewerbe, Wohnungen, Kultur, Gastronomie. Büschl deutete an, auch ein „verdichtetes Wohnen“ mit Hochhäusern in Erwägung zu ziehen. Nachmann kooperierte inzwischen mit der Büschl Unternehmensgruppe. Das Münchner Büro Allmann Sattler Wappner schlug vor, auf die Paketposthalle mögliche terrassenförmig situierte Wohnungen zu bauen. Stadtbaurätin Elisabeth Merk sprach von „spannenden Perspektiven für die Halle“ und bezeichnete sie als „das spektakulärste Projekt meiner dritten Amtszeit“.4
Auch hier Promi-Architektur. Die Büschl Unternehmensgruppe hatte 2018 das zehn Hektar große Areal der Post mit der Paketposthalle gekauft und plant dort 1100 Wohnungen und 3000 Arbeitsplätze sowie eine Umnutzung der Paketposthalle. Dazu sollen zwei Hochhäuser mit je 155 Meter Höhe vom Architekturbüro Herzog & de Meuron errichtet werden. Dazu müsste der Bebauungsplan für das insgesamt 10 Hektar große Areal geändert werden. MdL Robert Brannekämper (CSU) forderte OB Dieter Reiter auf, das Planungsverfahren zu stoppen, da – mitten in der Corona-Pandemie – „sozusagen handstreichartig ein mehr als zweifelhaftes Verfahren zur Schaffung von Baurecht“ initiiert würde.5
Dazu aus Wikipedia, Herzog & de Meuron: „Für den Pharmaziekonzern Roche entwarfen Herzog & de Meuron in Basel ein Hochhaus von 154 Metern. Dessen Gebäudeform sollte an die Doppelhelix erinnern. Das Projekt wurde von Roche zurückgezogen. Ein neuer Entwurf für das Bürogebäude, das nunmehr 178 Meter erreichen sollte, wurde am 17. Dezember 2009 von Roche bekanntgegeben. Dieser sogenannte Roche-Turm, ebenfalls von Herzog & de Meuron entworfen, wurde 2015 fertiggestellt. (…) Ein zweiter, 205 Meter hoher Roche-Turm wurde seit 2017 erbaut und im September 2022 fertiggestellt. Auch der Entwurf für diesen Turm stammt von Herzog & de Meuron. Ende 2020 wurde bekannt, dass statt „drei kleinerer Büroturme mit max. 130 Metern Höhe, Roche mit einem neuen einzelnen Turm liebäugelt“. Bereits in der Planung war das Hochhausprojekt umstritten. Nicht nur wegen der städtebaulichen Auswirkungen, sondern auch aus denkmalpflegerischen Gründen und nicht zuletzt weil der gewaltige Hochhauskomplex mit dem dritten Roche-Turm als visuelle Machtdemonstration des weltgrößten Pharmakonzerns empfunden wird.“
Ich habe bei meiner Nolympia-Webseite zusammengetragen, welche Architekturbüros sich u. a. in finstersten Diktaturen an Großaufträgen für Sportstätten beteiligt haben. Herzog & de Meuron zum Beispiel bauten für die Olympischen Sommerspiele 2008 in China das Nationalstadion Peking (das so genannte “Vogelnest“) mit 91.000 Plätzen, für das 42.000 Tonnen Stahl verbaut wurden. ((http://www.nolympia.de/kritisches-olympisches-lexikon/sport-architekten/))
Anfang Mai 2020 meldete sich der Präsident der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung, Bernd Schreiber und wies darauf hin, dass die beiden Hochhäuser die Blickachse von Schloss und Park Nymphenburg stören; die Hochhäuser dürften allenfalls 60 Meter hoch werden. Er bedauerte, dass die von der Stadt avisierte Hochhausstudie noch immer nicht vorliege. Stadtbaurätin Elisabeth Merk verwies auf Diskussionen mit der Bürgerschaft und Fachleuten. Ein Ratsbegehren sei derzeit nicht vorgesehen. Für einen neuen Bürgerentscheid müssten drei Prozent der Münchner unterschreiben, das wären derzeit etwa 27.000.6
In diesem Zusammenhang auch interessant: Der BA Neuhausen war zunächst für die Büschl-Pläne, dann meldeten sich kritische Stimmen. „Der scheidende BA hat in seiner letzten Sitzung am Mittwoch einstimmig einen ÖDP-Antrag auf einen höheren Anteil von Wohnungen dort verabschiedet.“6
Anscheinend gibt es ein Allheilmittel, Genehmigungen und Zustimmungen selbst in krassen Fällen zu bekommen: Man braucht nur ein paar mehr Wohnungen zu bauen. Schon sind Kritiker mundtot gemacht. Das Totschlagargument Wohnungsbau erlaubt dann jeden noch so ausufernden Bauplan: siehe die unsägliche Bebauung des ehemaligen Großmarkthallen-Areals.
Bürgergutachten. Stadtbaurätin Elisabeth Merk will ein Bürgergutachten zur weiteren Nutzung der Paketposthalle vorlegen.78
Nachtrag Januar 2021: Das Verfahren. Der Stadtrat hat am 27.1.2021 das von Stadtbaurätin Elisabeth Merk vorgeschlagene Bürgergutachten mit großer Mehrheit beschlossen: ÖDP, Freie Wähler und AfD waren dagegen. Die beteiligten Bürger sollen mit großer Selbständigkeit arbeiten können, die städtischen Institutionen werden nur beraten. Merk rechnet mit einem Zeitraum von neun bis zwölf Monaten. Die Durchführung dieses Bürgergutachtes soll um die 220.000 Euro kosten.9
Denkmalschutz gegen Hochhäuser. Der Chef und Generalkonservator des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Mathias Pfeil, äußerte über die beiden 155 Meter hohen Türme: „Das ist Investoren-Architektur, für die es an dieser Stelle, nur 1,9 Kilometer von Schloss Nymphenburg entfernt, keine Begründung gibt.“8 MdL Robert Brannekämper (CSU) ist Mitglied im Landesdenkmalrat und bezeichnete die beiden Hochhäuser als „Zumutung“: „Hochhäuser sind städtebauliche Parasiten … Das Hochhaus hat einen Schattenwurf auf niedrigere Häuser. Vom Hochhaus hat man einen guten Blick, aber alle müssen es anschauen.“10
Durchgewunken. Der Stadtrat hat den Bau der Herzog & de Meuron-Hochhäuser schon genehmigt.11 Der Leiter der Stadtplanungsamtes, Michael Hardi, begrüßte die zwei Türme: „Wir erwarten von den Türmen positive Effekte und hoffen auf eine sehr gute Diskussion“, sagte Hardi. Er unterstellte den Gegnern der Türme das Schüren von Ängsten: „Radikale Bilder sind wir gewohnt. Man sollte jedoch bei einer objektiven und fairen Sprache bleiben.“10
Unerwähnte Beschattung. Der renommierte Landschaftsarchitekt Gottfried Hansjakob wies in einem Leserbrief an die SZ auf den Schattenwurf der beiden 155 Meter hohen Türme von Herzog & de Meuron hin, welche gerade gebaute Wohnungen und Solaranlagen zwischen der Arnulfstraße und der Paketposthalle beschatten. Hansjakob hat anhand des Posttowers in Bonn (162 Meter Höhe) den Schattenwurf für morgens, mittags und abends berechnet sowie für die vier Jahreszeiten einen Schattenplan konstruiert. Diese Ergebnisse übertragen auf die beiden 155 Meter hohen Türme an der Paketposthalle ergeben: Im Frühling und Herbst reicht der Vollschatten mittags bis zu 200 Meter, am Vormittag und am Nachmittag bis zu 330 Meter, im Winter mittags bis 600 Meter, am Vormittag und am Nachmittag bis zu 1700 Meter in das Wohngebiet. Fazit von Hansjakob: „Meiner Meinung ist es nicht verantwortbar, dass man bestehende Wohnungen und Solaranlagen in einem dicht bebauten Wohngebiet zusätzlich durch den Bau zweier Türme im Süden mit einer ‚Sonnenfinsternis‘ belastet.“12 Am gleichen Tag wies Dr.-Ing. Reinhold Gütter aus Hamburg auf die „bewusste optische Täuschung“ der Hochhäuser hin, die „dezent graublau in einem ebensolchen Himmel verschwinden. „Tatsächlich haben derartige Stahl-Glas-Gebäude jedoch harte Konturen.“ Gütter warf Herzog & de Meuron vor, diesen Trick auch schon bei der Elbphilharmonie in Hamburg und dem Kulturbau „Scheune“ in Berlin angewandt zu haben.13
Büschl: Kritik an der Kritik an Hochhäusern. Nach der Kritik vom Chef des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Mathias Pfeil („Investoren-Architektur“, siehe oben), lieferte umgehend Ralf Büschl höchstpersönlich eine Stellungnahme ab: „Einige besonders intensive Denkmalschützer wollen aus München ein Museum machen.“ Er warf den Kritikern vor, „fundamental ideologisch geprägt zu sein“. – „Die zahlenmäßig doch recht wenigen Gegner unseres Entwurfs sind nicht in der Mehrheit der Münchner Bürgerinnen und Bürger und nicht unsere Nachbarn.“ Die Menschen in Neuhausen würden die Hochhausplanung „mehrheitlich richtig gut“ finden. „Ganz wenige sogenannte Denkmalschützer“ forderten „ein langweiliges, gleichförmiges, austauschbares Stück Stadt“, aber er, Büschl, wolle „ein Stück Weltstadt bauen“.1415
Das ist schon krass: wenn Investoren die Stadt seit zwei Jahrzehnten grundlegend umbauen und ihren Charakter ins Negative verändern und dann dünnhäutig auf eine fundierte Kritik reagieren. Einer der „sogenannten Denkmalschützer“ ist „nur“ Generalkonservator des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege. Der „Weltstadtbauer“ Ralf Büschl ist Investor und weiß anscheinend, was gut und richtig für die Landeshauptstadt ist.
Kein Wunder, dass die einseitige Stellungnahme von Büschl schon nach kurzer Zeit nicht mehr im Internet zu finden war.
Die Sichtachsen-Diskussion. „Ergänzung der Stadtsilhouette“ und „eine Bereicherung“: So bezeichnet Investor Ralf Büschl seine beiden geplanten 155 Meter hohen Türme an der Paketposthalle, die er auf dem 8,7 Hektar großen Areal (87.000 Quadratmeter) errichten will. Die emeritierte Professorin für Stadtraum an der TUM, Ingrid Krau, kann sich Hochhäuser vorstellen, die auch vom Nymphenburger Schlosspark sichtbar sind – sofern ein wohlproportionierter Maßstab gegeben ist. Das Uptown-Hochhaus zählt sie nicht dazu, die beiden Büschl-Türme ebenso wenig. Architekt und Städteplaner Reiner Hofmann ist Kreisvorsitzender des BDA München-Oberbayern und äußerte im Zusammenhang mit den Büschl-Türmen: „Hohe Häuser werfen lange Schatten.“
Investor Ralf Büschl versuchte natürlich, mit dem Entwurf von Herzog & de Meuron die Hochhäuser an der Paketposthalle auch angesichts der überbordenden Nutzung aus der Kritik zu nehmen. Die emeritierte Professorin für Städtebau an der TUM, Sophie Wolfrum, nannte die Entwurfsidee von Herzog & de Meuron für die beiden Hochhäuser einen „klugen Schachzug des Investors“: „Der Schachzug ‚Big Name‘ wirkt.“ Wolfrum hält das 178 Meter hohe Parallelunternehmen Roche-Hochhaus in Basel allerdings für keine gute Empfehlung. Außerdem äußerte sie: „Hochhäuser ohne ein qualifiziertes Wettbewerbsverfahren sind indiskutabel.“
Das Münchner Forum rechnet mit einem Ratsbegehren der Stadt oder einem Bürgerentscheid und bereitet eine Kampagne „Abwehr Hochhäuser Paketposthalle“ vor. Das Planungsreferat hat seine zwei Online-Veranstaltungen „Wie macht ihr das?“ (Hochhauskonzepte aus Berlin, Wien, Zürich, Frankfurt am Main, München) und „Wie findet ihr das?“ (Perspektiven aus Wirtschaft, Wissenschaft und Architektur) abgehalten, die dritte „Hoch hinaus – Was bringt es uns?“ läuft am 19.1.2021.16
Vergleiche: Promi-Architektur
Jugendzentrum gefordert. Der BA Neuhausen 9 Neuhausen – Nymphenburg forderte im Januar 2021, ein großes Jugendzentrum im Areal Paketposthalle vorzusehen. Für Jugendliche und junge Erwachsene bestehen im Bezirk derzeit wenig Möglichkeiten. Die Freizeiteinrichtungen am Hirschgarten oder im „Mosaik“ in Nymphenburg sind klein; im Kreativquartier am Leonrodplatz sollte noch ein neues Angebot für Kinder und Jugendliche eingerichtet werden.17
Büschl-Interview im ZDF: „Die konkave Form der beiden Türme greift architektonisch überzeugend die Form der denkmalgeschützten Halle auf. Daher kommt die Höhe. Alt und neu werden aufeinander abgestimmt. Das nenne ich modern und zukunftsorientiert.“18
Ralf Büschl möchte damit zwei Dinge suggerieren: Die konkave Form ist angeblich architektonisch bedingt durch das vorhandene Denkmal. (?) Und außerdem würde die Paketposthalle die Höhe der Türme definieren. (?)
SZ-Porträt über Büschl ohne Büschl. Er sei nicht wichtig, seine Projekte seien es, so verweigerte Büschl eine Interview-Anfrage. Sebastian Krass zeichnete dann in der SZ das Wirken des Investors Büschl nach, der in München mit Partnern etwa 10.000 Wohnungen realisiert hat. Die Hochhausdebatte war hier am emotionalsten. Gegner des Projektes bezeichneten dieses als „Investorenarchitektur“ und „städtebauliche Parasiten“. Krass schrieb dann in der SZ zum Hochhaus-Projekt an der Paketposthalle: „Wenn Büschl sich durchsetzt, und bisher hat er einen große Teil des Rathauses hinter sich, könnte er in zehn oder 20 Jahren als einer dastehen, der die alte Münchner Diskussion um die 100-Meter-Obergrenze überwunden hat – und der anderen Investoren den Weg freigeboxt hat für ihre Hochhausprojekte.“19
Zur Erinnerung: Nach der Kritik vom Chef des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Mathias Pfeil („Investoren-Architektur“, siehe oben), lieferte umgehend Ralf Büschl höchstpersönlich im November 2020 eine sehr spezielle, beleidigende Stellungnahme ab. (Siehe 26.11.2020)
Simulationen in der Stadtsilhouette. Das Münchner Studio Rakete GmbH hat Simulationen zu den geplanten Hochhäusern erstellt. Herzog & de Meuron hat aus urheberrechtlichen Gründen untersagt, ihren Originalentwurf in die Montagen einzubauen. Daher hat Rakete-Geschäftsführer Christoph Lintl eine Vierkant-Version mit 155 Meter Höhe montiert und Sichtsimulationen erstellt von den Standorten Garmischer Straße, Donnersbergerbrücke, Hackerbrücke, Friedenheimer Brücke, Steubenplatz, Hirschgarten, Landsberger Straße, Theresienwiese, Monopteros, Olympiaberg, Gasteig und Schloss Nymphenburg.20 Lintl merkte an, dass die eigenen Visualisierungen von Herzog & de Meuron nicht aus der Fußgängerperspektive stammen, sondern aus der Höhe etwa einer Drohne.21
Bürgergutachten. Vier Planungszellen mit etwa 100 Teilnehmern, die aus dem Melderegister gezogen werden, sollen, wie oben erwähnt, das Bürgergutachten erarbeiten (Kosten etwa 220.000 Euro). Die Vorbereitungsphase soll im 2. und 3. Quartal 2021 ablaufen, die Durchführungsphase ist für 3. und 4. Quartal geplant, die Auswertungsphase 4. Quartal bis Frühjahr 2022. Acht Themenbereiche sind angedacht: Städtebau, Freiraumplanung, Mobilität, Klimaanpassung, Stadtbildverträglichkeit/Denkmalschutz, Wirtschaftlichkeit, Kultur, soziales Miteinander. Das Gutachten ist nicht zuletzt wegen eines möglichen Bürgerentscheids bzw. eines Ratsbegehren von Bedeutung.22
Von konkav zu komplex. Schon der erste Entwurf 2019 von Herzog & de Meuron mit zwei Hochhäusern von 155 Metern (mit freifinanzierten Wohnungen) plus sechs massive sechsgeschossige Gebäuden sah eine Höchstnutzung von 240.000 qm Geschossfläche auf 87.000 qm des ehemaligen Postareals. Geplant waren 1100 Wohnungen, dazu 3000 Arbeitsplätze. Als Bonbon warf die Büschl Unternehmensgruppe die denkmalgeschützte Paketposthalle für undefinierte Kulturnutzungen in die Verhandlungsmasse mit der Stadt. Am 8.6.2021 wurde der überarbeitete Entwurf von Herzog & de Meuron mit zwei Schrägaufzügen für die zwei Dachterrassen in der Stadtgestaltungskommission vorgestellt. Ralf Büschl erklärte die zwei Schrägaufzüge (vermutlich in Anspielung an die SWM-Werbung) „wie ein M.M. für München“. Auf einem Turm sind auf den beiden Dachterrassen eine Gastronomie angedacht, auf dem anderen Turm vielleicht ein Stadtmuseum, so Büschl. Er kokettierte bei dieser Sitzung mit den Worten: „Ich bin ja nur der Investor.“ Er war voll des Lobes für den neuen Entwurf: „Ich finde die Aufzüge unglaublich schön.“ – „Wenn nach dieser Überarbeitung die Menschen in München unsere Hochhäuser nicht wollen, dann wollen sie eben nicht, dann kann ich auch nichts mehr machen.“
Zur Paketposthallen-Nutzung sprach Büschl von einem neuen Musiksaal für 3000 Besucher.2324
Man kommt mit dem Zählen der Münchner Konzertsäle gar nicht mehr mit. Es sind inzwischen fünf: Herkulessaal, Philharmonie, der Interimkonzertsaal HP 8 in Sendling, der neue Konzertsaal im Werksviertel – und nun noch Büschls Paketposthalle.
Keine Begeisterung. Gerhard Matzig schrieb in der SZ über die „Nonsense-Idee der Schrägaufzüge“: „Das Ensemble aus Türmen und sensationsheischenden Aufzügen sieht nun so aus, als wohnten darin Katzenliebhaber, die ihren Freigängern Leiterstege aus dem Baumarktfundus zusammengeschraubt haben.“25 Auch Architekten der Stadtgestaltungskommission äußerten sich skeptisch zum neuen Entwurf. Begriffe wie Trivialität und Banalität fielen, das Filigrane sei weggefallen. Am 16.6.2021 soll der Zweitentwurf dem Planungsausschuss vorgestellt werden; im Sommer beginnt dann das „Bürgergutachten“.26
Pläne durchgefallen. Am 16.6.2021 fand eine Bürgerversammlung im Stadtbezirk Neuhausen – Nymphenburg statt. Acht von 30 Anträgen kritisierten die Pläne der Büschl-Hochhäuser: „Monster-Weltmetropole“, „Wohnwaben wie in Tokio“, „Wolkenkratzer à la Dubai“. Alle kritischen Anträge wurden mit großer Mehrheit angenommen. Ulrich Schaaf vom Stadtplanungsreferat kündigte die Formate für die Öffentlichkeitsarbeit an. Am 29.6.2021 wird das Bürgergutachten beginnen: Von 100 Beteiligten sind etwa zehn Prozent aus dem Stadtbezirk. Dazu gibt es eine Arbeitsgruppe mit den Anwohnern. 2022 soll die Öffentlichkeit beteiligt werden. Das Planungsreferat würde die Höhe der Hochhäuser und die Sichtachse prüfen. Der Investor Ralf Büschl hat inzwischen das nächste strategische Zugeständnis gemacht: mindestens 50 Prozent geförderte Wohnungen, mehr Ökologie, mehr Kultur und Soziales. Der BA 9 soll bis Oktober 2021 eine Pro- und Kontra-Veranstaltung veranstalten, wurde in der Bürgerversammlung gefordert.27
„Dreistigkeit“. Aus einem Leseerbrief von Heinz Grünberger aus München in der SZ 21.6.2021: „Die engen, hohen Blöcke liegen im Schatten und Windeintrag der übereinandergestapelten Wohncluster für Bestverdiener. In seiner Ausformung und Höhe fremd für München, wie der Berliner Architekt Matthias Sauerbruch anmerkte. Und ein Bauprojekt, das keinen einzigen Quadratmeter versickerungsfähigen Boden belässt, als ökologisch und nachhaltig zu verkaufen, grenzt an Dreistigkeit.“
Digitaler Austausch. Am 1.7.2021 begann das „Bürgergutachten“ mit einem digitalem Austausch, dem sich auch Investor Ralf Büschl digital stellte. Er bestritt den Vorwurf von „Betongold“ als „simple Polemik, das hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun“. Und außerdem: „Wenn es wirtschaftliche Gründe wären, dann würden wir ganz sicher keine Hochhäuser machen. (…) Nein, der Investor (also Büschl selbst; WZ) macht das, weil er es als städtebaulich richtig empfindet, für den Ort und für die Stadt.“ Büschl antwortete auf die Frage, was er denn der Post für das Areal bezahlt habe: „Das sind Betriebsgeheimnisse.“ Fest steht, die 20.000 qm, welche die Paketposthalle einnimmt, will er an anderer Stelle kommerziell einspielen. Wieder wurde ein Potpourri an möglichen Nutzungsarten für die Halle und das Umfeld genannt. Bis zu 10.000 Besucher sollen auf das Areal kommen können, ohne dass es zu Verkehrsproblemen kommen soll. Beide Türme sollen bis zur Höhe von 50 Meter Hotel und Büros beherbergen, darüber Wohnnutzung: lukrative Eigentumswohnungen und etwas SoBoN. Ganz oben, natürlich wieder ein Superlativ, ist „der wohl höchste Biergarten der Welt“ geplant. Büschls Versprechen – oder Drohung: „Es werden keine dunklen Glastürme. Das sind Behauptungen, die aufgestellt werden, um diese Hochhäuser schrecklich und bedrohlich wirken zu lassen Diese Behauptung werden wir widerlegen, indem wir sie bauen.“28
Wenn sie denn erst einmal gebaut sind und sich dann doch als dunkle Glastürme herausstellen? Dann hat sich der Investor eben geirrt.
Münchner Forum wird aktiv. In der Präambel wird an die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 2147 im Münchner Stadtrat am 9.10.2019 erinnert, dem der „Masterplan“ von Herzog & de Meuron im Auftrag der Büschl Unternehmensgruppe zugrunde lag. Im Januar 2021 beschloss der Stadtrat ein Bürgergutachten mit etwa 100 ausgewählten Münchner Bürgern. Die Projektgruppe „Bürgergutachten Paketposthallenareal“ des Münchner Forums forderte hier die Bürgerinnen und Bürger auf, die großen Zusammenhänge und den Nutzen für die Quartiersentwicklung im Blick zu behalten und hat sechs Themen zur Bearbeitung empfohlen. 1. Zukunft der Paketposthalle (u. a. welche Nutzungen, Erdgeschossflächen, wer trägt Kosten und Risiken bezüglich künftiger Sanierungsfähigkeit und Reparaturanfälligkeit, wer übernimmt das Hallen-Management etc.). – 2. Städtebau, Bebauungsdichte und Grünflächen (die Bebauungsdichte mit GFZ 3,0 ist sehr hoch; welches Maß an Bebauung verträgt das Quartier, reichen die Grünflächen, wie sieht es mit dem Klimawandel, Wasserversickerung etc. aus). – 3. Das Paketposthallenareal im Stadtgefüge (wie ordnet sich das neue Quartier in die bestehenden Strukturen ein, welche seiner Angebote sind sinnvoll, welche Beeinträchtigungen ergeben sich woanders etc.). – 4. Soziale Mischung und Lebendigkeit im Quartier (wie steht es um bezahlbaren Wohnraum, werden städtische Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften beteiligt, da die alte SoBoN hier gilt etc.) – 5. Mobilität und Verbindungen zu den umliegenden Quartieren (wie sieht eine Mobilität der Zukunft hier aus, reichen die Kapazitäten des ÖNPV, wie sieht es mit dem Tiefgaragenbauten bzw. einer „autoreduzierten Mobilität aus etc.) – 6. Hochhäuser (welche Gebäudestruktur ist angemessen, brauchen wir Hochhäuser, gibt es hochwertigen Wohnraum in den Hochhäusern versus geförderten Wohnraum in unattraktiven Randlagen, welche Folgen entstehen für das Mikroklima etc.)29
Ausstellung im „Trafo 2“. Der Stadtteilkulturverein Neuhausen – Nymphenburg zeigt im neuen Bürgerzentrum Trafo 2 an der Nymphenburger Straße 171a ab 9.9.2021 für zwei Wochen eine Ausstellung, die sich gegen die Büschl-Hochhäuser positioniert und mitinitiiert ist vom Münchner Forum. Am 15.9.2021 ist eine Pro- und Contra-Diskussion geplant.30
Diskussions-Veranstaltung. Im Trafo 2 fand am 15.9.2021 eine Diskussionsveranstaltung mit der Vorsitzenden der grünen Stadtratsfraktion, Anna Hanusch und dem Stadtplaner Dierk Brandt zu den Büschl-Hochhäusern statt. Hanusch trat für einen Wettbewerb sowohl für die Baufelder mit sechs sechsgeschossigen Gebäudeblöcken als auch für die zwei Hochhäuser ein und stand damit konträr zu Ralf Büschl, der für die Hochhäuser keinerlei Wettbewerb will. Hanusch plädierte auch für einen neuen Hochhaus-Entscheid. Brandt nannte die drei wichtigsten Kritikpunkte an den Büschl-Hochhäusern. Die Dichte der Bebauung sprenge jedes Maß. Wegen des hohen Anteils an Stahl und Beton seien sie „ökologisch nicht tragbar“. Die Stadt habe ihre Planungshoheit aufgegeben und lasse den Investor schalten und walten.31
Stimmungsmache. Am 10.9.2021 hat die Büschl Unternehmensgruppe erstmals Führungen für 30 Personen in der früheren Paketposthalle angeboten. – In beiden Türmen sind Wohnungen für Polizisten und Krankenschwestern geplant. – 600 Kindergartenplätze sollen entstehen – neben 3000 Arbeitsplätzen. – Im obersten Stock des einen Hochhauses soll ein Biergarten entstehen, im zweiten Turm soll eine „Bildungsetage“ mit dem Stadtmodell von München installiert werden.32
Ob das ausreicht, um Akzeptanz für die Büschl-Hochhäuser zu erreichen?
„Hochhausstopp“. So heißt der Verein, der von MDL Robert Brannekämper (CSU, auch Vorsitzender des BA Bogenhausen) und dem früheren SPD-Stadtrat (1973 bis 1996) Wolfgang Czisch, gegründet wurde. Brannekämper sprach von einer „echten Todsünde“, dass der Entwurf der Büschl-Hochhäuser ohne jeden städtebaulichen Wettbewerb als „Masterplan“ präsentiert wurde. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung unter Elisabeth Merk offenbare einen „Kontrollverlust“ gegenüber dem Investor, der Büschl Unternehmensgruppe. Brannekämper verwies auch auf die kritischen Punkte Ressourcenverbrauch und Klimaschutz beim Hochhausbau. Für Czisch wird die in der Hochhaus-Studie geplante Ausweisung von „Hochhaus-Erwartungszonen“ zu Dammbrüchen führen.
Czisch und Brannekämper sind Mitglied im Münchner Forum, jedoch sei der Verein Hochhausstopp von diesem unabhängig. Mitglieder sind derzeit die früheren SPD-MdL Rainer Volkmann und Max von Heckel, die Mitglieder des BA Laim, Josef Mögele und Margit Maier (beide SPD) und dem Chef der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung, Bernd Schreiber als Privatperson.33
Wettbewerb gefordert. Die grüne Fraktionsvorsitzende Anna Hanusch forderte am 15.9.2021 erneut einen Wettbewerb wegen der beiden Hochhäuser – und einen neuen Hochhaus-Entscheid (siehe oben). Der Fraktionsvorsitzende von SPD/Volt, Christian Müller, forderte nun ebenfalls einen städtebaulichen Wettbewerb und störte sich an den beiden „Fiesel-Aufzügen“ des neuen Herzog & de Meuron-Entwurfs. Die symbolisierten für Investor Ralf Büschl das „M“ für München, dessen Sprecher im Übrigen jeden Wettbewerb ablehnte: „Wir gehen fest davon aus, dass es für die beiden geplanten Hochhäuser im Paketpost-Areal keine zusätzlichen Realisierungswettbewerbe geben wird.“ Büschls Knebelung für die Stadt läuft über eine (völlig ungeklärte) kulturelle oder sportliche Nutzung der Paketposthalle: Zu deren Finanzierung brauche man das hohe Baurecht mit 1100 Wohnungen und 3000 Arbeitsplätzen, das durch den von der Stadt beschlossenen Bebauungsplan genehmigt worden sei. Die Grünen im Stadtrat sind für einen neuen Bürgerentscheid, die SPD ist dagegen, ebenso die CSU.34
Jemand wie Büschl wusste natürlich von vornherein genau, welches Faustpfand die Nutzung der denkmalgeschützten Paketposthalle gegenüber der Stadt bedeutete. Und die Stadtverwaltung fiel darauf herein: Büschls „Masterplan“ von Herzog & de Meuron wurde gekürt ohne städtebaulichen Wettbewerb. Und sie genehmigte eine massive Bebauung, die eine so gut wie hundertprozentige Versiegelung auf einer Fläche von rund 87.000 qm schaffen wird.
Höhensimulation durch Fesselballons. Am 30.9.2021 von 7.30 bis 9 Uhr werden zwei Fesselballons mit vier Meter Durchmesser in 155 Meter Höhe über dem Standort der beiden geplanten Büschl-Hochhäuser eine Vorstellung der Höhensituation darstellen. Die Stadt hat diese Simulation organisiert, die vom Münchner Forum angeregt und im Stadtrat von den Gegnern der Büschl-Hochhäuser ÖDP/München-Liste und Freie Wähler beantragt worden war.3536
126 Gutachter. So viele Bürgerinnen und Bürger werden am Gutachten zu den Büschl-Hochhäusern beteiligt sein. Investor Ralf Büschl gibt sich im Vorfeld zuversichtlich. Der SoBoN-Anteil von 40 Prozent werde übertroffen. Die frei vermarktbaren Flächen seien nötig, um die 100 Millionen Euro aufzubringen, die zur Inbetriebnahme der Paketposthalle nötig seien. Das Gutachtergremium wird auf vier Planungszellen aufgeteilt und sitzt vier Tage lang in Vorträgen. Zum Thema „Höhe der Hochhäuser“ werden die Büschl-Investorenseite die Pro- und ein Vertreter des Münchner Forums die Kontra-Position darstellen.37
Doch ein Ratsbegehren? Die Fraktion ÖDP/München-Liste forderte zu den Büschl-Hochhäusern ein Ratsbegehren: Dadurch hätte der Stadtrat die Möglichkeit, Fragestellungen an die Bürger zu vermitteln. Angesichts des Hochhaus-Entscheides von 2004 sollte die Münchner Bevölkerung erneut befragt werden. Fraktionschef Tobias Ruff hielt es für ein Märchen, dass Hochhäuser zu mehr bezahlbarem Wohnraum führen würden. Auch die Fraktion Grüne/Rosa Liste befürwortete eine neue Entscheidung. SPD/Volt lehnte eine Entscheidung anhand ihrer Höhe ab. SPD-Fraktionsvorsitzender Christian Müller erwähnte u. a. die Beachtung von energetischen und ökologischen Standards und eine möglichst geringe Versiegelung.38
Alle genannten Gründe sprechen gegen die Büschl-Hochhäuser.
Ausstellung in Nymphenburg. Im Geranienhaus des Nymphenburger Schlosses zeigten das Münchner Forum, die Initiative Altstadtfreunde und der Bürgerdialog Online die Ausstellung „München von oben herab“ mit 25 Schautafeln (8. bis 21.10.2021: https://www.von-oben-herab.com/)) Die Initiatoren kritisieren den Bau von Hochhäusern aus ökologischen und ökonomischen Gründen. Wolfgang Czisch vom Münchner Forum stellte die Frage: „Welches Problem soll in München eigentlich durch Hochhäuser gelöst werden?“ Ein paar mächtige Investoren planten immer mehr Projekte in München. Deshalb fragte sich Kurator Robert Hölzl: „Wollen die Bürger und das Rathaus denen wirklich das Feld überlassen?“39
Der Kreisvorstand des BDA München-Oberbayern, Rainer Hofmann, einer der Kuratoren der Ausstellung, schrieb in einem offenen Brief des BDA vom 17.10.2021 von den Bedenken und übte Kritik am „Alleingang eines Projektentwicklers“. Hofmann bejahte auch das Bürgergutachten und forderte einen fairen, demokratischen Hochhaus-Wettbewerb.40
Bürgerentscheid und Ratsbegehren. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen/Rosa Liste, Anna Hanusch, kündigte am 19.10.2021 ein von der Stadt initiiertes Ratsbegehren zu den Büschl-Hochhäusern an, auch um das Bürgerbegehren zu konterkarieren. SPD-Fraktionsvorsitzender Christian Müller wollte die Frage zunächst ausschließlich im Stadtrat klären lassen, will nun aber das BürgerInnengutachten abwarten. OB Dieter Reiter will im Fall eines unklaren Bildes des Gutachtens über ein Ratsbegehren sprechen, das der Investor Ralf Büschl vorgeschlagen hatte. CSU-Chef Manuel Pretzl will ein Ratsbegehren im Fall eines erfolgreichen Bürgerbegehrens. Die Linke/Die Partei sprach sich gegen die beiden Hochhaustürme aus. ÖDP/München-Liste hatte schon ein Ratsbegehren gefordert. FDP-Fraktionschef Jörg Hoffmann hielt ein Ratsbegehren für unnötig. München braucht seiner Ansicht nach Hochhäuser: Deshalb sollen Büschls Pläne vorangetrieben werden, bevor die Initiatoren des Bürgerbegehrens die nötigen Unterschriften gesammelt haben.41
Streit in der Münchner CSU. Bezirks-Vizechef Josef Schmid sah MdL Robert Brannekämper (CSU) auf einem völligen Irrweg; dieser vertrete eine „Extremposition“. München müsse in die Höhe bauen, wenn es seine Grünflächen erhalten wolle. Der Münchner CSU-Vorsitzende und bayerische Justizminister Georg Eisenreich hielt die Gründung einer Bürgerinitiative nicht für ungewöhnlich. Der Vorsitzende der CSU-Stadtratsfraktion, Manuel Pretzl, beurteilte die Kritik an der Stadtratsfraktion als verfehlt, die Argumente der Initiatoren des Bürgerbegehrens als gestrig. Pretzl verstieg sich zu der Aussage, dass die beiden Büschl-Türme ökologisch vorbildlich seien. CSU-Stadtrat und Investor Hans Hammer von der Hammer AG (vgl. z. B. Georg-Kronawitter-Platz) nahm die Vorwürfe von Brannekämper einer zu großen Wirtschaftsfreundlichkeit der CSU-Fraktion im Stadtrat „mit großer Befremdung“ auf.42
Büschl: Hochhausgegner sind „Querdenker“. Investor Ralf Büschl griff im Hochhausstreit MdL Robert Brannekämper (CSU) und die Hochhausgegner vom Münchner Forum an: „Bevor diese Querdenker noch mehr Aufregung und Unwahrheiten in unsere Stadt tragen und ein Bürgerbegehren initiieren, könnte ich mir vorstellen, dass der Stadtrat selbst die Zügel in die Hand nimmt und über unsere Planungen und diese Chance für München abstimmen lässt.“ Er versuchte, die Stadtplanung unter Druck zu setzen und drohte, mit dem zugesagten Baurecht ein Gewerbegebiet auf das Paketpostareal zu bauen.43 – Robert Brannekämper entgegnete: „Wenn jemand die Nerven verliert, dann teilt er eben so aus.“44
Die Stadtplanung hat es selber verpeilt. Zur Erinnerung: „Im Oktober 2019 hat der Stadtrats-Ausschuss für Stadtplanung und Bauordnung dem Masterplan für die Bebauung grundsätzlich zugestimmt und eine Überarbeitung beziehungsweise Weiterentwicklung angeregt.“45
Wieso hat sich die Stadt in diese Notlage gebracht? 1100 Wohnungen und 3000 Arbeitsplätze waren der Köder – und das Lockmittel die undefinierte, irgendwie kulturelle Nutzung der Paketposthalle. Ende 2019 begann im Stadtrat das Planungsverfahren auf Basis des „Masterplans“ von Herzog & de Meuron unter Zustimmung der drei großen Fraktionen von SPD/Volt, CSU und Grüne/Rosa Liste. Im September 2021 beantragte ÖDP/München-Liste ein Ratsbegehren. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anna Hanusch, war dafür. Investor Ralf Büschl nahm das Ergebnis des Bürgergutachtens schon voraus und äußerte: „Die Menschen, auch die Teilnehmer des Bürgergutachtens, wollen mehr Freiraum und haben kein Problem mit Hochhäusern…“ Im neuen Bebauungsplan wurden der Büschl Unternehmensgruppe ein Baurecht für 240.000 qm eingeräumt. Als „Begründung“ dienten 100 Millionen Euro, mit denen Büschl die Paketposthalle einer (weitgehend unbestimmten) Nutzung zuführen will. Büschl: „Ohne Türme kann niemand die Halle für die Öffentlichkeit entwickeln.“43
Der Investor spielt Monopoly: Hochhäuser gegen Paketposthalle. Wem gehört die Stadt? Anscheinend in München den Investoren.
Dezember 2021: Was der OB so meint. Im SZ-Interview setzte OB Dieter Reiter einem möglichen Bürgerbegehren das Bürgergutachten entgegen: Hier würden die Teilnehmer erst geschult, um das Gutachten auszuformulieren, und dann verlangten die Grünen mittendrin einen Bürgerentscheid. „Ich habe überhaupt keine Lust darauf und auch keinen Anlass, über Dinge, die der Stadtrat nach einer Bürgerbeteiligung entscheiden kann, noch einmal die Bürger zu befragen.“46
Glücklicherweise kann ein Bürgerbegehren auch gegen den Wunsch eines Oberbürgermeisters durchgeführt werden.
Dezember 2021: 126 Bürger entscheiden. Anfang 2022 (es war dann im Februar) soll OB Dieter Reiter das „Bürger*innengutachten Paketpost-Areal“ überreicht bekommen, später soll dann die Öffentlichkeit informiert werden. 126 Bürger und Bürgerinnen wurden ausgewählt (von wem auch immer), eingearbeitet (von wem auch immer). Ralf Büschl versprach zuletzt, die Paketposthalle für kulturelle und sportliche Nutzungen zugänglich zu machen, von den geplanten 1100 Wohnungen mehr geförderte zu bauen. Seine zwei Hochhäuser mit 150 Meter, so seine Argumentation, seien für die Querfinanzierung der Wohnungen nötig. Und mit ihnen hätte München ein neues Wahrzeichen.47
Darunter tut es Büschl nicht: Er geriert sich als selbstloser Architektur-Philanthrop und nun auch als Münchens neuer Wahrzeichen-Schöpfer. Gleichzeitig verstärkt er den Druck auf die Stadt durch den Einstieg als Investor in das Großmarkthallen-Projekt. Außerdem hatte ihm nach dem Kauf des Areals im Jahr 2018 das Planungsreferat (warum auch immer) ein extrem hohes Baurecht zugestanden.
Bürgerbegehren, Ratsbegehren. Der Widerstand gegen Büschls gigantische Pläne wuchs, ob mit oder ohne Bürgergutachten. Der Verein HochhausSTOPP von MdL Robert Brannekämper (CSU) und dem Vorsitzenden des Münchner Forums, Wolfgang Czisch (SPD) gegründet, sammelt die Opponenten zur Vorbereitung eines Bürgerbegehrens gegen die Büschl-Hochhäuser. Für Brannekämper sind Hochhäuser „städtebauliche Todsünden“: Er kritisierte insbesondere, dass der „Masterplan“ von Herzog & de Meuron von der Stadt ohne städtebaulichen Wettbewerb akzeptiert wurde. Büschl forderte als Reaktion auf das Bürgerbegehren von der Stadt inzwischen ein Ratsbegehren (siehe Oktober 2021). Die Grünen – damals noch in der Opposition -, forderten vor der Wahl im März 2020 ein Ratsbegehren: Jetzt traten sie dafür ein, dass der Stadtrat entscheiden soll.47
Ein Hochhaus kommt selten allein. MdL Robert Brannekämper (CSU) ist Architekt, Vorsitzender des CSU-Kreisverbands Bogenhausen und war 18 Jahre im Münchner Stadtrat u. a. für das Thema Stadtplanung zuständig. Er will ab Frühjahr 2022 mit seinen Mitstreitern Unterschriften für ein Bürgerbegehren sammeln. Für Brannekämper sind Hochhäuser unter dem Aspekt Ökologie schlechter als der herkömmliche Wohnungsbau. Das liegt u. a. auch bei Gebäuden über 60 Meter Höhe an den Brandschutzvorschriften. Hinzu kommt eine Beeinträchtigung der Stadtsilhouette durch die beiden 155 Meter hohen Türme, die man praktisch von allen Seiten sehen könne. Ein Bürgerbegehren über eine bestimmte Höhe sei inzwischen juristisch zu diffizil, deshalb will man gezielt gegen die beiden Hochhäuser der Büschl Unternehmensgruppe vorgehen. Brannekämper hat die berechtigte Befürchtung, dass die beiden Hochhäuser weitere nach sich ziehen werden. Auch der Entwurf der geplanten Hochhausstudie lässt dies erahnen. Grünen-Fraktionsvorsitzende Anna Hanusch hält Höhen-Obergrenzen „absurd“, hält es aber auch für sinnvoll, die Bürger entscheiden zu lassen.48
Münchner Forum aktiv. Das Münchner Forum zeigte seine dritte Ausstellung mit dem Titel Schöne Aussichten – wollen wir das? vom 24.1. bis 2.2.2022 im Bürgersaal Fürstenried, die verschiedene Hochhaus-Projekte im 19. Stadtbezirk thematisiert. Es ist die Fortsetzung der Ausstellungen Zukunft Neuhausen im Trafo in Neuhausen und Von oben herab im Schloss Nymphenburg. Dazu organisierte das Münchner Forum am 25.1.2022 eine Podiumsdiskussion „Hochhäuser verändern den Münchner Südwesten“ und am 1.2.2022 einen Vortrag vom Architekten und Stadtplaner André Perret: „Auswirkungen der Hochhausstudie auf den Münchner Süden“. (Münchner Forum, PM, Schöne Aussichten – wollen wir das?, München, 6.1.2022)) – Der Arbeitskreis „Gestalt und Lebensraum“ präsentierte am 24.1.2022 Schautafeln zum Hochhausprojekt der Büschl Unternehmensgruppe mit dem Motto: „München – von oben herab“ und einer Podiumsdiskussion mit dem Hochhausgegner und BA-Vorsitzenden Ludwig Weidinger (CSU) und dem Hochhausbefürworter Alexander Aichwalder (Grüne).49 Der Verein HochhausSTOPP verwies auf die ungleich besetzten Positionen der Referenden (Auswahl: Planungsreferat) beim Bürgergutachten: Als Gegner waren genau vier zugelassen worden: Dr. Uli Walter vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und Dierk Brandt, André Perret und Moni Popp vom Münchner Forum. Der Verein HochhausSTOPP gab bekannt, dass die Vorbereitungen für ein Bürgerbegehren weitgehend getroffen seien.50
Die Büschl Unternehmensgruppe übernahm im November 2021 als Investor die Großmarkthalle. Wieder ein Schritt, die Stadt mehr von sich abhängig zu machen – und die Hochhäuser durchzusetzen. Außerdem sucht die Stadt derzeit auch noch einen Investor für den maroden Gasteig …
Zum BürgerInnengutachten PaketPost-Areal München: Dessen „Ergebnisse“ wurden am 11.2.2022 unter großer Begeisterung von OB Dieter Reiter und Stadtbaurätin Elisabeth Merk gefeiert. OB Dieter Reiter lobte die „seriöse und ausgewogene Information für die Teilnehmer, die von einem „neutralen Ausrichter“ organisiert wurde und in zwei Gruppen vom 5. – 8. und 12. – 15. Oktober 2021 ablief. Stadtbaurätin Elisabeth Merk lieferte ein reichlich nichtssagendes Zitat ab: „Bürgerbeteiligung auf Augenhöhe bedeutet die Bereitschaft auf beiden Seiten, sich auf Konsens zu fokussieren und trotzdem einen Dissens zuzulassen – zugunsten einer gemeinsamen Zieldefinition.“
Dabei sind im Gutachten meist keine konkreten Aussagen und auch keine konkreten Mehrheitsangaben verzeichnet, sondern „mehrheitlich“, „empfiehlt eine Mehrheit“, „die Mehrheit der Teilnehmenden“ etc.: „Eine Mehrheit der Gutachter*innen (…) befürwortet die beiden 155-Meter-Hochhäuser als wichtigen Teil des Masterplans“.51
Interessanterweise ist keinen der städtischen Informationen, aber auch nicht den Presseartikeln zu entnehmen, wie groß denn diese „Mehrheit“ ist.
Auf S. 73 wird auf die konkrete Geschossflächenzahl (GFZ) eingegangen: Masterplan = 269.400 m3 Geschossfläche, 87.500 m2 Grundstück inkl. Paketposthalle ergibt eine GFZ von 3,1; 67.500m3 = Grundstück ohne Paketposthalle ergibt eine GFZ von 4,0. „Das Münchner Forum kommt auf eine GFZ von 5 bis 6.“
Stadt und Büschl feiern. Vertreter der Stadt und der Büschl Unternehmensgruppe sowie natürlich Ralf Büschl persönlich feierten die Ergebnisse. OB Dieter Reiter (SPD) lobte die GutachterInnen, die offen gewesen seien „für eine Architektur, die innovativ ist und mehr Höhe wagt“. Münchens zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) nannte es „ein tolles Ergebnis“. Investor Ralf Büschl wertete das Gutachten als eine „deutliche Absage an das laute Geschrei der wenigen Gegner“. Dazu meinte MdL Robert Brannekämper (CSU), der mit seinem Verein HochhausSTOPP gerade einen Bürgerentscheid vorbereitet und im März mit dem Sammeln der Unterschriften beginnen will, das Gutachten sei eine „Farce“ und könne keine demokratisch legitimierten Instrumente wie eben diesen Bürgerentscheid ersetzen.52 Büschl hatte im Vorfeld ganz offen gedroht, wenn der „Masterplan“ nicht durchkomme, dann bleibe die Paketposthalle einfach leer. Da waren die GutachterInnen anscheinend beeindruckt.53 Der Fraktionsvorsitzende von SPD/Volt, Christian Müller (SPD), sah im Gutachten eine Entscheidung für bezahlbaren Wohnraum und großzügigere Grün- und Freiflächen sowie ein Votum für mutige Hochpunkte.54
Referentenauswahl des Referats für Stadtplanung und Bauordnung. Die 39 Referent*innen für das Bürgergutachten wurden vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung ausgewählt. Das Ergebnis in meiner Zusammenstellung:
Vertreter der Stadt (13): Stadtbaurätin Prof. Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk, LHM; Stadtdirektor Michael Hardi, Leitung Stadtplanung, LHM; Anna Hanusch, Vorsitzende des Bezirksausschusses 9 – Neuhausen-Nymphenburg; Gisela Karsch-Frank, Grünplanung, LHM; Sven von Braumüller, Allparteiliches Konfliktmanagement in München (AKIM); Stadtdirektorin Ulrike Klar, Leitung Stadtsanierung und Wohnungsbau LHM; Katharina Esch, Mobilitätsreferat LHM; Ulrich Schaaf, Stadtplanung, LHM; Hildegard Wich, Stadtplanung, LHM; Eva Jaeger, Stadtplanung, LHM; Ursula Koebele, Stadtplanung, LHM; Bianca Kornatowski, Stadtplanung, LHM
Vertreter des Investors (13): Ralf Büschl, Büschl Unternehmensgruppe; Pierre de Meuron, Herzog & de Meuron; Robert Hösl, Herzog & de Meuron; Axel Weber, Soda Group; Yessika Schmidt, Vössing Ingenieure (Verkehrsgutachten); Manuel Rasch, Möhler + Partner (Schallgutachten); Dr. Anna Braune, Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V. (DGNB); Stefanie Reuss, Transsolar Energietechnik GmbH; Lars Ruge, Vogt Landschaftsarchitekten AG; Christoph Helfrich, Vogt Landschaftsarchitekten AG; Dieter Grau, Ramboll Studio Dreiseitl; Hans-Georg Stocker, Backstage Kulturzentrum; Stilla Graf, Systematica s.r.l.; Peter Eisenlauer, Eisenlauer Architektur & Stadtplanung
Kritiker (4): Dierk Brandt, Planungsgruppe 504; André Perret, Architekt und Stadtplaner; Dr. Monika Popp, Department für Geographie der Ludwig-Maximilians-Universität München; Dr. Uli Walter, Landesamt für Denkmalschutz
Undefiniert (9): Alexandra Wagner, Allmann Sattler Wappner Architekten GmbH; Andrea Gebhard, mahl·gebhard·konzepte; Regula Lüscher, Senatsbaudirektorin des Landes Berlin a.D.; Patrick Gmür, Steib Gmür Geschwentner Kyburz Partner AG (Vorstellung Hochhauskonzept Zürich); Prof. Joachim Jürke (Jürke Architekten); Martin Augenstein, Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur und Transformation, TU München; Andrea Betz, Diakonie München und Oberbayern; Jochen Mündlein, Diakonie München und Oberbayern; Franz Sagerer, Behindertenbeirat München
Fazit: Von insgesamt 39 Referenten kamen 13 Referenten von der Stadt und 13 Referenten vom Investor (= 66 Prozent).
Wie sagte Gerhard Polt: „Ich brauch keine Opposition, ich bin schon Demokrat!“
Wie hoch sind sinnvolle Gebäude? Darum ging es in dem Gespräch mit dem Hochhaus-Spezialisten Thomas Auer, Professor für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen an der TUM. Seine Thesen: Ein Hochhaus schneidet schlechter ab als eine Blockrandbebauung. Die Nachteile kommen vom Platzbedarf für Aufzüge, Fluchttreppen, Lüftung und weiterer Technik. „Wenn es in großen Hochhäusern von über 100 Metern Höhe eine Batterie mit acht Aufzügen und mehr im Inneren gibt, dann ist es erschreckend, wie wenig nutzbare Fläche um diesen Erschließungskern herum noch bleibt. Je höher man geht, desto ineffizienter wird die Geschossfläche.“ Es bleibt auch nicht unbedingt mehr Fläche am Boden frei, weil das gesamte Grundstück als mehrgeschossige Tiefgarage unterbaut werden muss. Dies kostet wiederum viel Beton und damit viel CO2. Vom Baurecht her gilt jeder Bau über sechs Geschosse als Hochhaus, weil die Feuerwehr nicht mehr über Leitern löschen kann. Ab 60 Meter gelten verschärfte Regeln für Brandschutz und Fluchtwege. „Was tragen Hochhäuser zur Nachhaltigkeit bei? Und da muss ich sagen: nichts.“ Für Auer sind drei Türme mit je 60 Meter Höhe besser als ein Turm mit 180 Meter. Hinzu kommen Probleme mit Fallwinden, Reflexionen der Glasfassaden.55
Auch das Problem der Verschattung existiert: siehe die Simulationen im Zusammenhang mit den Büschl-Hochhäusern an der Paketposthalle.
CSU will Ratsentscheid. CSU-Fraktionsvorsitzender Manuel Pretzl ist schon lange für Hochhäuser über 100 Meter in München und sprach sich nun für ein Votum der Bürger noch im Herbst 2022 aus. Pretzl will nicht über die Büschl-Hochhäuser abstimmen lassen, sondern einen generellen Entscheid zu Hochhäusern. Er sieht für sie drei Areale: den Beginn der A 9/Nürnberg und der AA94/Passau und die Achse Hauptbahnhof – Laim – Pasing.
Die Grünen votierten für ein Bürgerbegehren. Die SPD mit ihrem OB Dieter Reiter möchte den Stadtrat entscheiden lassen. Im Münchner Stadtrat verfügt aber die Fraktion Grüne/Rosa Liste und CSU/Freie Wähler über die Mehrheit. MdL Robert Brannekämper und der Verein HochhausSTOPP wollen dagegen ein Bürgerbegehren vorbereiten und ab April 2022 dafür Unterschriften sammeln.56 – Der Verein HochhausSTOPP braucht über 35.000 Unterschriften zur Einleitung eines Bürgerentscheids. Brannekämper warnte bei einer allgemeinen Formulierung der Hochhausfrage, dass dann „alle Grenzen fallen und wir bald über Bauvorhaben mit 250 Meter diskutieren“. Investor Ralf Büschl trat für ein Ratsbegehren ein, allerdings nur zur Frage der Büschl-Hochhäuser. Eine stadtweite Ablehnung von Hochhäusern würde dann auch seine Hochhäuser betreffen. Die SPD mit Fraktionsvorsitzenden Christian Müller sieht die Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger schon durch das Bürgergutachten als gegeben an. OB Reiter erneuerte seine Aussage, dass „der aktuelle Stadtrat auch ohne neuerliches Ratsbegehren solche Entscheidungen je nach Einzelfall treffen kann und soll“.57
Sebastian Krass kommentierte in der SZ: „In der CSU ist der Konflikt zwischen der Stadtratsfraktion, die generell für Hochhäuser offen ist und das Paketpost-Projekt befürwortet, und einer traditionell orientierten Gruppe um Brannekämper zwar seit langem bekannt, doch nun wird er befeuert. Noch interessanter wird es, wie es den Grünen ergeht. Sie sind seit Jahren auf einem Schlingerkurs unterwegs: Einerseits stützen sie das Paketpost-Projekt, andererseits sind sie dafür, die Bürgerinnen und Bürger noch einmal über Hochhäuser abstimmen zu lassen. (…) Nun müssen die Grünen sich einer Debatte stellen, die seit Kurzem mehr in den Vordergrund rückt: dass Hochhäuser von mehr als 100 Metern zwar städtebaulich interessant sein können, aber keine klimagerechte Form des Bauens sind. Denn je höher Gebäude werden, umso niedriger wird die Flächeneffizienz wegen der steigenden Sicherheitsanforderungen, kurz gesagt: mehr Beton für weniger Nutzen.“58
Münchner Forum: Masterplan überarbeiten.. In einer Stellungnahme zum BürgerInnengutachten vom 24.3.2022 konstatiert das Münchner Forum im BürgerInnengutachten wenig Begeisterung für die Hochhäuser und unbeantwortete zentrale Fragen. Die Folgerung des Münchner Forums aus dem Gutachten: „Der Masterplan für das Paketpost-Areal muss wesentlich überarbeitet werden.“
Zur Stellungnahme: hier
Der langjährige Vorsitzende des Münchner Forums, Wolfgang Czisch (SPD), gab am 24.3.2022 zum BürgerInnengutachten ein Statement ab. Daraus verkürzt einige Aussagen: 1. „Die Stadt hat keine eigenen städtebaulichen Ideen zu diesem Schlüsselgrundstück … Die fehlende Bürgerbeteiligung wurde durch das Bürgergutachten ersetzt, erstellt von 112 zufällig ausgewählten Personen, das den irreführenden Titel trägt: erarbeitet von den Bürgern und Bürgerinnen der Landeshauptstadt München.“ – „Die Stadt hat sich einem profitorientierten Investor ausgeliefert.“ – 2. Es war nicht Aufgabe des Gutachtens, „den Masterplan im Hinblick auf seine Einbettung in Neuhausen oder in die Gesamtstadt zu beurteilen.“ Hierzu fehlte auch die von Merk angekündigte „Stadtbildverträglichkeitsuntersuchung“. „Die Stadt hat – im Auftrag des Investors – die Bürger zumindest teilweise instrumentalisiert. – 3. Einwände der Bürgergutachter wie „undemokratisches Verfahren“ und „rückwärtsgewandt“ werden ignoriert.“ – „Auch die Empfehlungen der Bürger-Gutachter sind konträr zu den Vorstellungen im Masterplan.“
Antrag von ÖDP und München-Liste vom 25.3.2022: CO2-Fußabdruck für die geplanten „Büschl-Türme“ gefordert. Der Stadtrat soll einen vollständigen CO2-Fußabdruck für die zwei 155 Meter-Hochhaustürme in Beton- und Stahlbauweise auf dem Paketpost-Areal erhalten. Es soll der CO2-Fußabdruck von Mietwohnungen in Holzbauweise gegenübergestellt werden. Für uns steht fest: Der Klima- und Mieterschutz muss Vorrang haben vor Luxus-Hochhäusern.“
Warnung vor den Büschl-Hochhäusern. „Denkmalnetz Bayern warnt vor Hochhaus-Euphorie in München„. So lautete ein Statement von denkmalnetzbayern.de vom 28.3.2022. „Die Hochhausstudie dient in ihrer aktuellen Fassung der Spekulation und nicht den Bürgern Münchens. Sie verharmlost die negativen Auswirkungen von Hochhäusern auf die Stadt, ignoriert die topographische Lage Münchens weitgehend und zieht die Möglichkeit, keine weiteren Hochhäuser zu bauen, erst gar nicht in Erwägung. Nicht nur, dass die Bodenpreise in den ausgewiesenen Kategorien 4 und 5 explodieren werden. Die Stadt München sorgt mit dieser Studie auch dafür, dass es für Investoren flächendeckend noch lukrativer wird, Gebäude überteuert zu kaufen und abzubrechen für sogenannte ‚Überhöhungen‘ (Kategorie 2) oder ‚Quartierszeichen‘ (Kat. 3). Der immer wieder geforderte, angebliche Mehrwert, den Hochhäuser bieten müssten, um ihre Dominanz im Stadtbild zu rechtfertigen oder zu heilen, ist in Wahrheit ein neoliberaler Ablasshandel im Städtebau.“ – Die denkmalgeschützte Paketposthalle prägt die städtebauliche Situation vor Ort. „Die geplanten 155 m hohen massiven Wolkenkratzer werden dieses hochrangige Denkmal geradezu lächerlich klein erscheinen lassen. Sie werden deren Ingenieurkunst (auch real) in den Schatten stellen. Das städtebauliche Modell, das man zum Zwecke der Überprüfung anfertigte, zeigt den Maßstabsbruch deutlich. Aber nicht nur die Halle selbst sehen wir als Denkmal bedroht, ebenso die umliegenden Denkmäler und Ensembles.“ Erwähnt werden u. a. die Gewofag-Siedlung in Neuhausen von Hans Döllgast aus den 1920er Jahren, die denkmalgeschützte Wohnanlage für Postbedienstete (1928-29) von Robert Vorhoelzer und Walther Schmid und das 1,8 km entfernte Schlossensemble Nymphenburg. „Die AG München im Denkmalnetz Bayern fordert: Die Stadt München ist aufgerufen, die fachlichen(!) Stellungnahmen des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, der Schlösser- und Seenverwaltung und des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege ernst zu nehmen und den Masterplan Paketposthalle nicht weiterzuverfolgen. Der Versuch, den Plänen des Investors mittels des Bürgergutachtens zum Erfolg zu verhelfen, wird vom Denkmalnetz Bayern scharf kritisiert, zumal fraglich bleibt, inwieweit die 120 Bürger objektiv informiert wurden und inwieweit sie mit professioneller PR-Arbeit zum gewünschten Ergebnis geführt wurden.“
Ergänzung vom 8.5.2023: Drohende Auswirkungen auf das Kulturerbe und seine internationale Wahrnehmung
Werden die Untersuchungen nicht verbessert und entsprechend die Planungen korrigiert, könnte sich künftig also neuzeitliche Architektur in einer Weise in dieses Blick-Gefüge hineindrängen, die die historische Schlossanlage, ihre baukünstlerische Aussage und ihre Denkmalbedeutung erheblich beeinträchtigt. Die auf der mangelhaften Untersuchung basierende Hochhausplanung ist daher in dieser Form abzulehnen und eine erneute Untersuchung zu fordern, die auch dem Vergleich mit anderen bundesweiten und internationalen Anlagen und den dort angesetzten Qualitätsmaßstäben Stand hält. Schloss und Park Nymphenburg stellen ein Kulturdenkmal von internationalem Rang dar. Eine Entwertung stellt eine schwere Hypothek auch für dessen künftige Vermittlung und seine internationale Anerkennung dar.59
Zum Thema aus einem von der SZ unveröffentlichten Leserbrief von Wolfgang Jean Stock: Die Argumente des Experten Prof. Thomas Auer von der TU München sind „eine schallende Ohrfeige für den Investor und die von ihm beauftragten Architekten“. Deren Parolen wie z. B. „Nachhaltigkeit“ haben sich „in Luft aufgelöst“. Das Gutachten ist gemäß Stock „ohne Belang“. Es ist eine „bloße Bündelung von Meinungsäußerungen“. Stock: „Ich war dreißig Jahre lang oft genug in Preisgerichten zu Architektur und Stadtentwicklung (im Inland wie im benachbarten Ausland), um nicht zu wissen, wie massiv und geschickt Investoren für ihre kommerziellen Interessen auftreten können … Das ‚Gutachten‘ war für Stadtrat und Stadtverwaltung ein bequemer Ausweg, sich weiterhin vor der politischen Verantwortung zu drücken. Es ist ja beschämend, wie sich OB Reiter und Stadtbaurätin Merk von Anfang an verhalten haben.“
„Was braucht München?“ Das ist der Titel eines Beitrags von Wolfgang Jean Stock in der Bauwelt 7/2022 (www.bauwelt.de 1.4.2022). Stock beschreibt das Vorgehen des Investors Ralf Büschl, der das Areal von 87.000 qm mit der Paketposthalle im Sommer 2018 von der Post kaufte und die Promi-Architekten Herzog & de Meuron einen Masterplan“ entwickeln ließ: Umfassung der Paketposthalle mit sechsgeschossigen Wohnblöcken und zwei 155 Meter hohen Türmen mt Mischnutzung. Stock erwähnt verdienstvolle Projekte in München (z. B. Sammlung Goetz und Sanierung der „Fünf Höfe“), verweist aber gleichzeitig auf ihr zwiespältiges „Alterswerk“ (etwa die klobigen Basler Roche-Türme). „Ihre Münchner Hochhäuser stellen modische Figuren dar. Zunächst mit konkav eingezogenen Fassaden (‚bauchfrei‘ spöttelte Niklas Maak in der FAZ), erst recht nach der Überarbeitung mit zwei schräg gestellten Außenaufzügen. Mehr als das Lob ‚München sollte etwas wagen‘ fällt denn auch den Befürwortern der Türme nicht ein. Auf der Gegenseite hat sich eine Phalanx von Gegnern gebildet. Abgesehen davon, dass die Planung auf einer örtlichen Bürgerversammlung abgestraft wurde, lehnen das Landesamt für Denkmalpflege wie der Landesdenkmalrat die Hochhäuser ab, weil vom Schloss Nymphenburg aus die historischen Sichtachsen massiv gestört würden. Das Münchner Forum protestiert gegen die Türme aus ökologischen, typologischen und stadträumlichen Gründen. Der BDA München-Oberbayern schließlich fordert statt der freihändigen Investorenplanung einen städtebaulichen Wettbewerb …“ Investor Büschl arbeitet „mit Zuckerbrot und Peitsche“: Er lockt mit der kulturellen und sozialen Nutzung der Paketposthalle, droht aber bei Nichtgenehmigung der Türme mit dem ausschließlichen Bau von Gewerbeflächen. Der Stadtrat hatte sich im Oktober 2019 mit dem Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan eine Falle gestellt. Nach Kritik aus der Fachwelt wurde ein „Bürgergutachten“ initiiert. „Das ‚Gutachten‘ hat sich auch der dubiosen Umstände wegen als eine nicht repräsentative Meinungsbildung erwiesen, ja als ein Partizipationstheater, mit dem die Stadtspitze von ihrer versäumten Verantwortung ablenken wollte. Wenige Tage später wurde die Planung von Herzog & de Meuron in der ‚SZ‘ regelrecht zerpflückt. Thomas Auer, Professor für klimagerechtes Bauen an der TU München, sagte etwa auf die Frage, was Hochhäuser zur Nachhaltigkeit beitragen können: „nichts“.“ Stock fordert nun „einen Oberbürgermeister, der sich wenigstens einmal für Architektur als Kulturleistung interessiert und nicht vor einem Investor kuscht. Außerdem eine Stadtbaurätin, die sich eindeutig für den geforderten Wettbewerb ausspricht. Und schließlich einen Stadtrat, der sich vor einer so bedeutenden städtebaulichen Entscheidung nicht drückt und zugleich einsieht, dass die ‚Demokratie als Bauherr‘ (Adolf Arndt) auf fachlich legitimierte Grundlagen angewiesen ist. Ohnehin droht die neue Münchner Initiative ‚Hochhausstopp‘ mit einem Bürgerbegehren.“
Ratsbegehren oder nicht, Wettbewerb oder kein Wettbewerb. Der Stadtrat debattierte am 30.3.2022 kontrovers: Ein Ratsbegehren ist möglich, ebenso doch noch ein städtischer Wettbewerb. Die in dieser Frage neue grün-schwarze Mehrheit könnte ein Ratsbegehren einleiten. SPD, CSU und FDP kritisierten den „Masterplan“ von Herzog & de Meuron. Das Planungsreferat hält den ersten Entwurf der Büschl-Hochhäuser für gelungener als den zweiten mit den Schrägaufzügen. Die Fraktion ÖDP-München-Liste kritisierte das Bürgergutachten: Die Teilnehmern hätten Informationen nicht erhalten oder einseitige bekommen, so Dirk Höpner (München-Liste) und erwähnte die Punkte Manipulation und Gefällifjeitsgutachten. DPD-Fraktionsvorsitzender Christisan Müller nannte dies „eine Frechheit“. Das Planungsreferat versucht derweil, die Pläne für die Büschl-Hochhäuser mit den Empfehlungen des Bürgergutachtens in Übereinstimmung zu bringen.60
Klarheit durch Ratsbegehren? Investor Ralf Büschl will ein schnelles Ratsbegehren und drängte den Stadtrat, den Weg dazu „sehr zügig“ freizumachen. Dieser hat sich am 30.3.2022 mehrheitlich für eine Abstimmung geäußert: Die Tendenz geht aber zum Herbst 2022. Dies fand das Missfallen des Investors Büschl, der gern auch deswegen ein schnelles Ratsbegehren will, um das Bürgerbegehren der Initiative HochhausSTOPP auszubremsen, das erst ab April 2022 Stimmen sammeln will. Deren Bürgerbegehren wird sich zudem allgemein mit dem Hochhausbau in München befassen, währen der Investor Büschl darauf drängt, ausschließlich über seine Hochhäuser an der Paketposthalle abzustimmen. Falls dessen Pläne scheitern, drohte er ganz offen damit, nach dem – vom Planungsreferat genehmigten – Baurecht nur große Gewerbegebäude ohne Wohnungen zu errichten. Ob die Paketposthalle dann überhaupt noch irgendwie öffentlich genutzt würde, blieb offen. Büschl lehnte auch einen offenen städtebaulichen Wettbewerb glatt ab, der über eine Gestaltung der Hochhausfassaden hinausgehe.61
Mai 2022: Infostand HochhausSTOP. Info vom Team HochhausSTOP: „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, der Auftakt für die Infostände in der Münchner Innenstadt steht an! Hierbei wollen wir die Bürger über unsere Positionen zum Thema HochausSTOP informieren und für unsere gemeinsame Sache durch Unterschriften gewinnen. Am Freitag, 13.05.2022 ab 12:00 Uhr findet der erste Infostand für den Hochhausstopp in der Rosenstraße 1-5 (beim Sport Schuster, 80331 München) statt.
Bisherige Infostände: Mittwoch 18.5.2022 ab 14 Uhr; Freitag, 20.5.2022 14 bis 18 Uhr, jeweils Rosenstraße 1-5; So, 29. Mai. 2022, 11:00 – 13:00; Corso Leopold, Leopoldstraße / Ecke Franz-Joseph-Str., Leopoldstr. 21;
Mit freundlichen Grüßen
Team HochhausSTOP – München den Menschen – Hochhäuser begrenzen e.V.
1. Vorsitzender: Robert Brannekämper, MdL; 2. Vorsitzender: Wolfgang Czisch, Stadtrat a.D.
Vgl. auch: HochhausSTOPP, Paketposthalle München, Hochhäuser München
Nächste Infostände: Dienstag (31.05.) und Mittwoch (01.06.) von 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr am Rotkreuzplatz, sowie am Samstag (04.06.) von 09:00 Uhr bis 13:00 Uhr an der Passage am Schweizer Platz.
Bürgerversammlung in Neuhausen – Nymphenburg. Am 5.5.2022 fand die Bürgerversammlung mit etwa 200 Anwohnern statt. Stadtplaner und Architekt Dierk Brandt stellte den Antrag, den Masterplan für die Hochhäuser abzulehnen: Sie passten nicht in das Stadtbild, hätten eine viel zu hohe Baudichte und wegen des hohen Anteils an Beton und Stahl einen „extrem großen ökologischen Fußabdruck“. Brandt bezeichnete die Türme mit den Luxuswohnungen als „Ressourcenverschwendung“ und unzeitgemäß und forderte den Stadtrat auf, erneut über die Bebauung nachzudenken. Die Besucher klatschten bei Brands Antrag und nahmen ihn mehrheitlich an. Angeblich, so äußerte Hildegard Wich vom Planungsreferat, sei noch nichts endgültig entschieden, das Verfahren stehe „noch ganz am Anfang“.62
Beginn des Bürgerbegehrens. MdL Robert Brannekämper (CSU) und der frühere SPD-Stadtrat Wolfgang Czisch haben nach langer Vorbereitung am 13.5.2022 mit ihrer Initiative „HochhausSTOP“ das Bürgerbegehren gegen die Büschl-Hochhäuser gestartet, für das 35.000 Unterschriften nötig sind. Die roten Sonnenschirme mit dem Aufdruck HochhausSTOP stehen vor dem Apple-Store in der Fußgängerzone. Im Unterschriftentext steht: „Sind Sie dafür, dass die Stadt München alle rechtlich zulässigen Maßnahmen ergreift, damit in Neuhausen im Umfeld der Paketposthalle KEIN Hochhaus gebaut wird, das über 60 Meter hoch ist?“ Begründet wird das Bürgerbegehren u. a. so: „München ist aus gutem Grund keine Hochhausstadt!“ Gezeit wird auch eine Visualisierung der Beschattung durch die geplanten zwei Türme mit Auswirkungen auf das Areal nördlich von den Türmen an einem 21. Dezember mit Sonnen-Tiefstand. Czisch erinnerte bei der vorangegangenem Pressekonferenz im Ratskeller an das Bürgerbegehren des Alt-OB Georg Kronawitter, der 2003 äußerte: „München darf nicht Frankfurt an der Isar werden!“ Brannekämper äußerte: „Die Stadt lässt sich von Investoren vor sich hertreiben“ und kritisierte die Rolle des Planungsreferats.63 Für Brannekämper ist das von der Stadt mit großem Aufwand inszenierte Bürgergutachten „kein demokratisches Plebiszit“.64 Der Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion, Christian Müller, äußerte dazu: „Gute Architektur und Klimaneutralität bemessen sich nicht an der Höhe.“
Diese Aussage von Müller ist grundfalsch!
Was die Stadt tun könnte. Es wäre einfach, die Perspektive von Schloss Nymphenburg zu schützen, schreibt in einem Leserbrief an die SZ Axel Lehmann: „Die Stadt könnte die Bauhöhe mit einem Federstrich auf ein verträgliches Maß reduzieren, so wie sie es noch vor Kurzem bei anderen Hochhäusern in unmittelbarer Nähe des neuen Projekts gemacht hat.“ Warum tut sie dies nicht? „Weil der Projektentwickler verschiedene unwiderstehliche Köder ausgelegt hat“: nämlich Wohnungen und attraktive Veranstaltungen in der Paketposthalle. Die Hochhäuser sind u. a. überdimensioniert, „weil die vielen Quadratmeter Geschossfläche, die die Stadt dem Investor bereits in Aussicht gestellt hat, auf diese Grundstück kaum anders unterzubringen waren. (…) Die städtischen Entscheidungsträger haben sich in dieser Sache als so leicht beeinflussbar und wenig urteilsfähig erwiesen…“65
OB Ude kritisch. 2004 unterlag Christian Ude (SPD) seinem Vorgänger Georg Kronawitter (SPD) beim Hochhausentscheid knapp, aber dennoch. Im AZ-Interview bezeichnete Ude die Hochaus-Grenze von 100 Metern als „anachronistisch“. Aber beide damaligen Argumentationen von Hochhaus-Gegnern („leerstehende Bauruinen“) als auch Befürwortern („wirtschaftsfeindlich“) seien laut Ude übertrieben gewesen. Inzwischen verstünde er die Abwehr gegen Hochhäuser besser. Weltweit agierende Unternehmen hätten den fragwürdigen Anspruch, historisch gewachsene Städte zu dominieren. Außerdem benötigen Hochhäuser mit zunehmender Höhe mehr Fläche für Aufzüge und verursachen durch den Energiebedarf ökologische Probleme. Ude könne sich mit der Frankfurter Hochhaus-Silhouette „nicht wirklich anfreunden, auch im Bankenviertel nicht“. Ude tritt aber für einen neuen Bürgerentscheid ein, dessen Ausgang für ihn nicht absehbar sei.66
Mai 2022: Mit:Wirkung! Diskussionsabend der MVHS zum Thema: Das Paketpost-Areal – nicht nur eine Frage der Höhe. Dienstag, 24.2022, 19 – 21.30, Kultur im Trafo, Nymphenburger Str. 171a. Es diskutieren: Dierk Brandt, Architekt, Stadt- und Verkehrsplaner, Planungsgruppe 504, Münchner Forum; Ralf Büschl, Jurist, Vorsitzender der Geschäftsführung Büschl Unternehmensgruppe; Klaus Friedrich, Architekt BDA und Stadtplaner, Münchner Forum; Anna Hanusch, Architektin, Vorsitzende des Bezirksausschuss 9 und Stadträtin der LH München; Prof. Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk, Architektin, Stadtbaurätin, Landeshauptstadt München; Elke Wendrich, Innenarchitektin, Mitglied im Denkmalnetz Bayern, Gründungsmitglied der BI Gemeinsam für Schloss Nymphenburg und vom Verein HochhausSTOP, gemeinsam mit Dr.-Ing. (Architektur) Claus-Peter Echter, Stadtplaner und Soziologe, ehem. Präsident ICOMOS, Komitee zu den historischen Städten. Moderation:Michael Widl-Stüber, Miriam Speckan, MVHS. Anmeldung erforderlich
Zur Einladung: hier
Ergebnisse vom Diskussionsabend 24.5.2022. Ralf Büschl, Beiratsvorsitzender der Büschl-Unternehmensgruppe, äußerte vor etwa 50 Zuhörern in seinem Eingangsstatement: „Zwei richtig große oder mehrere kleinere Hochhäuser unter 100 Meter? Was ist Ihnen lieber?“ Und fuhr überraschenderweise fort: „Die Hochhäuser müssen nicht so hoch sein, wenn die Stadt sie nicht will.“ Er hält die zwei Hochhäuser mit 155 Meter für richtig, auch wenn sie teurer seien als mehrere der niedrigeren Hochhäuser. Nach wie vor werden von der Büschl Unternehmensgruppe 1100 Wohnungen und 3000 Arbeitsplätze geplant. Und an der von der Stadt genehmigten Baumasse hielt er auch an diesem Abend fest. Oder wie er später in kleinerer Runde äußerte: „Wenn man auf die zwei Hochhäuser draufdrückt, dann kommt die Bebauung an anderer Stelle automatisch hoch.“
Dabei sind Hochhäuser nun mal keine Hüpfburg…
Anna Hanusch war „immer noch überzeugt“ vom Herzog & de Meuron-Entwurf; das Paketpost-Areal sei „der richtige Ort, mehr Dichte zu wagen“. Ein Vertreter von Herzog & de Meuron hatte 2021 bei einer Grundstücksfläche von 87.500 qm eine Geschossflächenzahl (GFZ) von 3,08 genannt. Hierbei wurde die Paketposthalle als (überdachter) Quartiers-Freiraum berechnet. Dagegen bewertete der Stadtplaner Dierk Brandt die Halle als Gebäude und rechnete sie aus der Freifläche heraus. Dann zog er 20 Prozent der Grundstücksfläche für Wege, Plätze und Grünflächen ab und kam auf eine bebaubare Grundfläche von 54.000 qm. Damit läge die GFZ bei rund 250.000 qm Geschossfläche bei 4,6, während im Baugesetzbuch für die Kategorie „Urbanes Gebiet“ die GFZ bei 3,0 liegt. Stadtbaurätin Elisabeth Merk hielt solche Berechnungen beim derzeitigen Stand der Planungen für verfrüht. Für die Nutzung der Halle nannte Merk Crowdfunding, Genossenschaften oder Stiftungen. Da Büschl die Sanierung und öffentliche Nutzung der Halle von dem von ihm gewünschten Baurecht abhängig machen will, äußerte Merk, dies sei „keine Herangehensweise, die ein Referat oder der Stadtrat mitmacht“. Diese Äußerung lässt sich so interpretieren, dass sich die Stadt nicht erpressen lassen will.67
Der „Elbtower“ in Hamburg von René Benkos Signa. Hierzu schrieb Till Briegleb in der Bauwelt: „Ein riesiger Dinosaurierknochen als östlicher Abschluss der HafenCity, der so genannte Elbtower‘ aus der Designwerkstatt von David Chipperfield, erhielt jetzt nach viel öffentlicher Kritik an dem Projekt seine Baugenehmigung. Und diese neue Stadtkrone an den Elbbrücken formuliert nicht nur weiter das wachstumsgierige Wohlstandsversprechen, das seine ökonomische, ökologische, städtebauliche, soziale, kulturelle und politische Rückständigkeit durch aufwändige Marketing-Kampagnen vertuscht. Dieses Symbol für eine Stadtidee in Investorenhand wird mit Hilfe städtischer Akteure auch noch als ’nachhaltig‘ umetikettiert.
Der 245 Meter hohe Turm, für den geschätzte 80.000 Kubikmeter Beton verbaut werden, setzt allein durch die Herstellung des Zements das Äquivalent des Volumens von 32 Milliarden Luftballons an reinem CO2 in die Atmosphäre frei. Und für diese Leistung erhält das Projekt des österreichischen Problem-Investors René Benko von der Stadt Hamburg dann die dankbare Zertifizierung mit dem Platinum-Standard des Umweltzeichens der HafenCity. Diese Auszeichnung, die seit 2007 von der GmbH vergeben wird als Anreiz, den gigantischen Anteil der Bauwirtschaft am Vorglühen des Planeten vor dem Kollaps wenigstens in Hamburg zu reduzieren, ist ein weiteres Beispiel des Selbstlobes, das Grundsätzliches verschweigt.
In der Erläuterungsbroschüre zum Umweltzeichen, das die Nachhaltigkeit des gesamten HafenCity-Projektes belegen soll, kommt der Begriff „Beton“ als Umweltproblem zum Beispiel mit keinem Wort vor.“68
Juni 2022: Neue Ausgabe vom Münchner Forum Standpunkte: Paketpost-Areal: Kippen die Hochhäuser? München, 4.6.2022
Bürgerbegehren oder Ratsbegehren. Die Fraktion ÖDP/München-Liste will laut Fraktionschef Tobias Ruff ein Ratsbegehren einleiten mit der Frage: „Sind Sie dafür, dass die Stadt München die Höhe von Gebäuden auf 60 Meter begrenzt, um die Wohnungsnot nicht weiter zu verschärfen, die Münchner Stadtsilhouette nicht dauerhaft zu verschandeln und ein klimaneutrales Bauen zu ermöglichen?“ Im Unterschied zum Bürgerbegehren von HochhausSTOP will nicht nur gegen die Büschl-Hochhäuser vorgehen, sondern auch die Höhe auf 60 Meter beschränken. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anna Hanusch, wandte sich gegen diesen Vorschlag; man könne auch die Landtagswahl im Herbst 2023 für eine Abstimmung nutzen. Es solle die Höhenfrage, aber auch das Paketposthallen-Projekt zur Abstimmung stehen. SPD-Fraktionsvorsitzender Christian Müller wandte sich gegen den Eindruck, sine Fraktion sei gegen Hochhäuser; dies solle beim Parteitag Mitte Juli diskutiert werden. Die CSU-Stadtratsfraktion befürwortet ein Ratsbegehren.69
SZ-Interview mit Jacques Herzog. 1978 gründeten Herzog und Pierre de Meuron ihr Architekturbüro. Nach der Sammlung Götz, den Fünf Höfen und der Allianz-Arena wäre das Paketposthallen-Areal der Büschl Unternehmensgruppe (1100 Wohnungen, 3000 Arbeitsplätze, zwei Hochhäuser mit 155 Metern) ein weiteres Projekt von Herzog & de Meuron in München. Herzog äußerte sich im SZ-Interview zur Rolle der Architekten ähnlich wie bei Promi-Architekten üblich. Zur Frage nach Bauten von Herzog & de Meuron in China und Russland äußerte Herzog, es entstünde nur dort gute Architektur, „wenn das Gegenüber – die Auftraggeber – einen ernsthaften und kohärenten Dialog anbieten. Das haben wir so auch erlebt. (…) Und radikale Schönheit von Architektur entsteht häufig eben auch in den bei uns verpönten, undemokratischen Gesellschaften.“
Im SZ-Interview wurde u. a. das „Bürgergutachten“ thematisiert, das fehlende Grünflächen monierte. Herzog: „Das Ganze hat immer ein Preisschild. Die Rechnung muss am Ende für den Investor aufgehen, und daraus entstehen Vorgaben für uns. (…) Mit den Vorgaben, die wir haben, wäre mehr Grün nur über eine noch größere Verdichtung in die Höhe möglich.“
Der Investor könnte auch Baumasse zugunsten von Grünflächen streichen, aber: siehe Preisschild!
Zum fehlenden städtebaulichen Wettbewerb für das riesige Paketposthallen-Areal äußerte Herzog, er wüsste nicht, „ob ein Wettbewerb ein besseres Resultat gebracht hätte. Wir haben auch kein schlechtes Gewissen deswegen.“ Der „Masterplan“ von Herzog & de Meuron sei mittels einem „breit abgestützten Workshop-Verfahren“ und einer Fachjury, dem Planungsreferat und unter Beteiligung des Stadtrats zustande gekommen. „Das kann man durchaus mit einem Wettbewerbsverfahren vergleichen.“
Falsch. Keine Konkurrenz!
Zur Feststellung vom TU-Professor für nachhaltiges Bauen, Thomas Auer, dass Hochhäuser abhängig von ihrer Höhe mehr Kohlendioxid produzieren und weniger Nutzfläche haben, äußerte Herzog ausweichend, die Technologie mache „enorme Fortschritte… Aber Höhe generell zu tabuisieren finde ich problematisch.“70
Münchner Architekt wirbt für Hochhäuser. Fabian Ochs erklärte im Interview der Abendzeitung, er hätte gehofft, dass nah dem Bürgergutachten die Diskussion um die Büschl-Hochhäuser an der Paketposthalle beendet sei. Die Hochhausdiskussion „schreckt in München übrigens sehr viele Investoren ab…“
Gut so!
Ochs hält ein Bürger- und ein Ratsbegehren für den völlig falschen Weg: „Die Büschl-Hochhäuser sind sehr schön und würden einer Stadt wie München gut stehen.“ Im Übrigen hält Ochs (entgegen den Aussagen vieler Experten; WZ) es für „eine falsche Legende, absolut unseriös, dass Hochhäuser nicht nachhaltig und ökologisch sind“. Außerdem ermöglichten sie eine höhere Dichte: „Wenn man rund um den Stadtrand regelmäßig Hochhäuser setzen würde, könnten theoretisch etwa doppelt so viel Münchner hier leben.“
Wer will das? Und welche Konsequenzen hätte dies? Das wäre noch grauenvoller als der Ist-Zustand.
Laut Ochs kommt der Widerstand von einer Minderheit, „die gute PR macht und besonders laut ist“.
Laut sind eigentlich die Stadtspitze und die Stadtverwaltung – und zwar PRO Hochhäuser, und mit viel medialer Unterstützung.
Ochs zieht den Hut vor Büschl, „dass er das Projekt an der Paketposthalle weiter durchzieht … Das Büschl-Projekt würde auch die einzigartige Paketposthalle aufwerten. Je höher, desto besser, denn umso eleganter wirkt das, bis etwa 200 Meter.“71
SPD gegen Bürgerentscheid. Am Samstag, den 16.7.2022 hält die Münchner SPD ihren Parteitag ab. Der Vorstand hat einen drei Seiten langen Antrag vorgelegt, in dem die SPD Höhengrenzen ablehnt und hält es statt der Höhe für wichtiger, wie viel bezahlbarer Wohnraum entsteht und wie ökologisch ein Gebäude ist. Ein Bürgerentscheid wird abgelehnt. Auch die Münchner Jusos lehnen diesen ab. Juso-Chef Benedict Lang: „Ein solcher Bürgerentscheid mobilisiert nur die, die gegen Hochhäuser sind.“ Die SPD unterstützt die (bisher nur im Entwurf vorgelegte) Hochhausstudie des Planungsreferats. Außerdem habe es zum Paketpostareal eine Bürgerbeteiligung inform des Bürgergutachtens gegeben.72
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat z. B. die Referentenliste mit zwei Drittel mit Befürwortern besetzt: soviel zum Thema Objektivität und Beteiligung.
Nachtrag: Zwölf Prozent der Delegierten (nämlich 12 von 100) haben am 16.7.2022 gegen Hochhäuser gestimmt. Bei den Büschl-Hochhäusern hatte die SPD bereits zugestimmt. Einen Ratsentscheid lehnte die SPD ebenfalls ab. Die Hochhaus-Kritiker waren u. a. Gerd Baumann (warf der SPD „Diskussionsverweigerung“ und die Verwendung von Büschls „Propaganda-Fotos“ vor) und der frühere MdL Rainer Volkmann (warf seiner Partei vor, München zur Hochhausstadt zu machen). Die SPD-Mehrheit war der Ansicht, der Stadtrat habe das Mandat, Hochhäuser zu genehmigen. Ein Ratsbegehren, so der Münchner SPD-Vorsitzende Christian Köning, würde die Debatte darüber weder befrieden noch beenden.73
Zusammenfassung der AZ-Hochhausdebatte. ((Hochhaus-Debatte: Ihre Fragen, in Abendzeitung München 25.7.2022))
Robert Brannekämper: Er hinterfragte den Begriff „urbane Dichte“. Schwabing und Haidhausen sind gute Vorbilder, Hochhäuser nicht. Sie treiben die Preisspirale beim Boden weiter nach oben, dazu steigen Bau- und Betriebskosten mit zunehmender Gebäudehöhe exponentiell. „In Hochhäusern entstehen unerschwingliche Luxuswohnungen und überteuerte Büroflächen mit guter Aussicht.“ Bim Projekt Paketposthalle wird die fast vollständige Flächenversiegelung für Tiefgaragen und Nebenanlagen verschwiegen. Sinnvoller wäre das „Bauen im Bestand“: kein Abriss, sondern Sanierung und Umwidmung. Die Mehrheit der Münchner will keine Wolkenkratzerskyline; München darf kein Frankfurt an der Isar werden.
Fabian Ochs: Die urbane Dichte lässt sich mit der Geschossflächenzahl bemessen. Ein sechsstöckiger Block liegt bei 2.15, ein 110-Meter-Hochhaus bei 4.14. Wenn ein Hochhaus die dreifache Fläche ermöglicht, liegt der Grundstücksanteil bei einem Drittel.
Reichlich unlogisch: Da der Quadratmeterpreis bei Baugrund bei einem Hochhausprojekt natürlich schon beim Verkauf im Hinblick auf die hohe GFZ schon wesentlich höher liegt.
Christian Köning: Die SPD legt Wert auf bezahlbaren Wohnraum und wird Hochhausprojekten nur zustimmen, wenn dieser dort in hohem Maß verwirklicht wird.
Katrin Habenschaden: München soll nicht zu einer Hochhausstadt werden, aber sich auch nicht durch willkürliche Höhengrenzen einschränken lassen. Beim Projekt Paketposthalle soll das Quartier weitgehend autofrei werden. Ein sparsamer Umgang mit Ressourcen im Bausektor wird immer wichtiger. Die CO2-Emissionen dort sind riesig. München braucht mehr bezahlbaren Wohnraum. Die Grünflächen müssen geschützt werden. „In die Höhe zu gehen statt in die Breite, ist deshalb ein ökologischer Ansatz.“
Oje: gemischte EDV-Satzbausteine aus dem grünen Parteiprogramm ohne fundierten Hintergrund. Wie wäre denn der Ansatz keine Arbeitsplätze nach München mehr zu verschleppen. (Allein bei der Paketposthalle werden 3000 neue Arbeitsplätze geplant!)
SZ-Interview mit dem Generalkonservator. Mathias Pfeil ist seit 2014 Generalkonservator und damit Chef des Bayerischen Landesamts für Denkmalschutz. Er äußerte zur denkmalgeschützten Paketposthalle, es sei ärgerlich, dass für diese noch gar keine Nutzung feststehe. „Aus Sicht des Denkmalschutzes spricht gegen Hochhäuser an diesem Standort die Nähe zu Nymphenburg. Dort gibt es noch ein relativ ungestörtes barockes Ensemble, das hat auch einen emotionalen Aspekt. Und die Sichtachse in Richtung Stadt würde durch die Türme gestört.“74
Wolfgang Jean Stock im Münchner Feuilleton: „Es ist ja kein Wunder, dass die Debatte über die geplanten Hochhäuser auf dem Paketpost-Areal seit nunmehr drei Jahren so heftig geführt wird. Bei diesem Projekt bündeln sich alle Probleme aktueller Stadtentwicklung: Städtebau und Stadtbild, Denkmalschutz, Dominanz von Investoren, Schwäche der kommunalen Politik, Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Im Kern geht es bei der Debatte um die Frage, wer die Entwicklung bestimmt: ein Investor – oder die Bürgerschaft. (…)Welchen Ausweg aus der beim Paketpost-Areal verfahrenen Situation gibt es? Die Stadt muss vom „Masterplan“ des Investors mitsamt den leeren Versprechungen für die Nutzung der Paketposthalle Abschied nehmen und einen städtebaulichen Wettbewerb ausschreiben –ganz so, wie es der renommierte BDA Bund Deutscher Architektinnen und Architekten München-Oberbayern fordert. Wenn dann alternative Entwürfe vorliegen, kann der Stadtrat unter Beteiligung der – wohl gemerkt – betroffenen Bevölkerung eine Entscheidung treffen, die nicht zuletzt das Stadtbild respektiert. Kurzum: Der Planungsprozess muss endlich vom Kopf auf die Füße gestellt werden.“75
München braucht anscheinend Hochhäuser. Die Süddeutsche Zeitung kündigte im September 2022 ihre Veranstaltung SZ im Dialog Braucht München Hochhäuser? an, die am 24.10.2022 von 19 bis 20.30 stattfinden wird. Anscheinend besteht bei solchen Hochhaus-Diskussionen ein Zwangsverhältnis von mindestens drei Befürwortern zu einem Gegner. Befürworter sind Investor Ralf Büschl, Stadtbaurätin Elisabeth Merk und Architektin Karin Schmid (vom Büro o3 Arch, das die neue Münchner Hochhausstudie verfasst). Als einsamer Gegner fungiert MdL Robert Brannekämper (CSU), Mitinitiator von HochhausSTOP.
Grünflächenzuwachs durch Geschoßflächenzuwachs. Die Büschl-Planer haben einen „Quartierspark“ mit etwa 10.000 qm auf dem 87.000 qm großen Grundstück freigeschaufelt: ein bisschen Grün zwischen Hochbauten. Dafür sollen zwei neue Hochhäuser mit 53 und 65 Meter Höhe plus die Erhöhung von zwei Wohnblöcken von sechs auf sieben Geschoße entstehen. Eines von ihnen wird in der heute fast schon unvermeidlichen Holz-Hybrid-Bauweise gebaut.
Das ist heute der neueste Schrei der scheinbar nachhaltigen Bauweise: quasi ein Gebäude wie ein Plug-in-Hybrid-SUV.
Stadtbaurätin Elisabeth Merk rät zur Vorlage des modifizierten „Masterplans“ vom Büro Herzog & de Meuron bei der Stadtgestaltungskommission. Die Zielmarke von 20 qm Freifläche pro Einwohner in Neubaugebieten werde nach wie vor nicht eingehalten: Zudem werden hier die begrünten Dachflächen der Wohnblocks als Freiflächen gezählt. Unklar ist weiterhin die Verwendung der Paketposthalle. Architekt Jacques Herzog erwähnte einen „überdachten öffentlichen Raum“ mit 3000 Plätzen für Kultur und Veranstaltungen, aber mehr als ein grobes Nutzungskonzept existiert bis heute nicht.76
Wie bemerkte Investor Büschl schon im Mai 2022: „Wenn man auf die zwei Hochhäuser draufdrückt, dann kommt die Bebauung an anderer Stelle automatisch hoch.“67 Oder wenn man eine Grünfläche freilegt: Dann baut man zwei neue Hochhäuser und erhöht Wohnblöcke um ein Geschoß.
September 2022: Kein Ratsbegehren zu den Büschl-Hochhäusern. Grüne und CSU konnten sich nicht auf eine Fragestellung zu einem gemeinsamen Ratsbegehren zu den Hochhäusern an der Paketposthalle einigen. Im Oktober 2022 soll das Büschl-Projekt nun im Stadtrat auf die Tagesordnung kommen. Laut CSU-Fraktionsvorsitzendem Manuel Pretzl würde eine grundsätzliche Fragestellung wie eine Höhenbeschränkung zu sehr in die Gestaltungshoheit der Stadt eingreifen und sei deshalb unzulässig: Deshalb wollte die CSU nur über die Büschl-Hochhäuser abstimmen lassen. Die Fraktion SPD/Volt lehnt ein Ratsbegehren sowieso ab.77. Laut Münchner SPD-Chef Christian Köning ist der Verzicht auf ein Ratsbegehren „sehr vernünftig“: Man hätte sich die Debatte der letzten Monate sparen können.78
Auch Stadtbaurätin Elisabeth Merk lehnt ein Ratsbegehren strikt ab. Für Merk sei das „Bürgergutachten“ mit 112 Teilnehmern „bereits eine klare und konsequente Positionierung der breiten Öffentlichkeit“.77.
Es ist genau umgekehrt: Mit der Scheindemokratie eines mehr oder weniger zufälligen und völlig unrepräsentativen „Bürgergutachtens“ mit 112 Teilnehmern wollen Merk und ihr Planungsreferat eine tatsächliche Bürgerbefragung umgehen.
Wie oben schon erwähnt: Von insgesamt 39 Referenten kamen 13 Referenten von der Stadt und 13 Referenten vom Investor (= 66 Prozent).
Münchner Forum: Fakten-Check Hochhäuser.79 Verkürzt daraus einige Thesen für und Argumente gegen Hochhäuser:
1. „Wer keinen Platz hat, muss in die Höhe bauen“. „Aufzüge, Kabel-, Leitungs- und Lüftungsschächte verkleinern die Flächengewinne allerdings deutlich. Um ein Hochhaus sollte auch deutlich mehr Freifläche eingeplant werden als um niedrigere Bauten, da vor allem bei mehreren hohen Gebäuden sonst dunkle Hochhaus-Schluchten entstehen würden, in denen die Lebensqualität aufgrund der Verschattung und Verdunklung, aber auch aufgrund der Fallwinde, die an diesen Gebäuden entstehen, unangemessen niedrig wäre. Will man die negativen Effekte auf umliegende Gebäude vermeiden, muss man also viel Platz um ein Hochhaus lassen.“ (S. 1) – „Dichte alleine macht aber noch kein lebenswertes Quartier und zu hohe Dichten können für Probleme sorgen. Für das Paketpostareal hat der Stadtplaner Dierk Brandt berechnet, wie dicht das Grundstück überbaut werden soll, und erklärt, warum das Überschreiten städtebaulicher Erfahrungs- und Orientierungswerte zum Problem wird. Lesen Sie dazu mehr in den Standpunkten 4./5./6.2022 ‚Paketpost-Areal: Kippen die Hochhäuser?‘: Was sagt uns der Masterplan?“ (S. 2)
2. „Hochhäuser reduzieren den Flächenfraß!“ „Nur weil mehr Geschossfläche entsteht, heißt das nicht, dass sie sich für Nutzungen eignet, die ansonsten besonders zur Versiegelung von Stadt und Landschaft beitragen. Bei renditegetriebenen Großprojekten ist außerdem zwischen den Häusern oft so wenig Platz eingeplant, dass kein grünes, sondern ein hochgradig versiegeltes Quartier entsteht. Der massive Unterbau von Hochhäusern ist zudem ein besonders großer Eingriff in den Bodenhaushalt.“ S. 2f)
3. „Angebot und Nachfrage: mehr bezahlbaren Wohnraum gibt es nur mit Hochhäusern!“ „In Deutschland gilt ein Bauwerk baurechtlich als Hochhaus, wenn der Fußboden der obersten Etage mindestens 22 Meter über dem Grund liegt. Ab dieser Höhe gelten heutzutage besondere Brandschutzanforderungen, z.B. automatische Löschanlagen oder Sicherheitstreppenhäuser, speziell ausgerüstete Feuerwehraufzüge, Fluchttreppenhäuser oder brandsichere Materialien. Ab einer Höhe von 60 m werden die Vorschriften noch einmal deutlich strenger. Dazu kommt der technische Aufwand, besonders hohe Häuser bauen zu können: die technische Erschließung eines Hochhauses und die Aufzüge oder Belüftungsanlagen reduzieren die Fläche, die pro Geschoss genutzt werden kann, deutlich und machen das Bauen von Hochhäusern extrem kostspielig. Der Preis, eine bestimmte Geschossfläche im Hochhaus, vor allem aber im Wolkenkratzer, zu realisieren, ist also deutlich höher als in Bauformen unterhalb der Hochhausgrenze. Die hohen Bau- und Betriebskosten müssen durch höhere Preise wieder erwirtschaftet werden[8]. Halten wir also fest: Bau und Betrieb von Hochhäusern sind überdurchschnittlich teuer.“ (S. 3)
Hinzu kommt: Das Problem mit den Bodenpreisen. „Die Ausweisung von Bauflächen für Hochhäuser und vor allem für die besonders hohen Wolkenkratzer kann Bodenspekulation antreiben: je mehr Geschossfläche auf einer bestimmten Grundfläche gebaut werden kann, desto mehr Geld können Investor*innen aus dem Boden ziehen. Der Wert des Bodens, auf dem besonders hoch gebaut werden kann, steigt demnach weiter.“ (S. 3f)
„Hochhäuser sind nachhaltig!“ „Nein. Zwar gibt es inzwischen entsprechende Zertifikate für Hochhäuser, sie besagen jedoch nur, dass ein zertifiziertes Gebäude gegenüber üblichen Hochhäusern nachhaltiger ist. Dazu kommt, dass der Begriff ’nachhaltig‘ (anders als zum Beispiel ‚bio‘) nicht geschützt ist und so zum Greenwashing einlädt. Fakt ist, dass Hochhäuser ab aktuell 60 Metern einen sehr großen ökologischen Fußabdruck haben: die aufwändige technische Erschließung und die dadurch bedingten Geschossflächenverluste, der Brandschutz und der Betrieb der Gebäude sorgen für einen großen Energie- und Materialverbrauch und schränken die Verwendung klimaschonenderer Baustoffe, wie Holz, ein. Hochhäuser brauchen also besonders viel ‚graue Energie’“. (S. 4)
Fazit: „Ein paar Geschosse höher zu bauen, kann durchaus ein Beitrag zur Weiterentwicklung der Stadt sein. Ab einer gewissen Höhe verschwindet allerdings der Nutzen für die Allgemeinheit und das Pendel schwingt zugunsten der Investor*innen. Der Mehrwert von Wolkenkratzern für die Stadtgesellschaft ist in der Regel sehr gering, die Gefahren, die eine solche Entwicklung für Umwelt, Immobilienmarkt und soziales Gefüge bedeuten kann, dagegen beträchtlich. Was die Immobilienpreise betrifft, ist die Frage, wie wir mit Bodenwertsteigerungen und Renditen umgehen, für die Stadtgesellschaft existentiell und entscheidend.“ (S. 6)
Keine Opposition im Stadtrat. Die CSU-Fraktion wollte keine Fragestellung zu Hochhäusern für das Stadtgebiet, sondern die Frage auf die Büschl-Hochhäuser beschränken. Umgekehrt die Grünen- Fraktion, die sich auf den Hochhausentscheid 2004 bezog. Unverständlicherweise äußerte der grüne Fraktionschef Dominik Krause, es habe mit dem Bürgergutachten bereits eine umfassende Bürgerbeteiligung gegeben. So gab es keinen Stadtratsbeschluss für ein Ratsbegehren. Dirk Höpner von der München-Liste äußerte dazu: „Entweder sind die Stadtratsmitglieder der CSU und der Grünen komplett unfähig, oder sie haben für uns alle ein Laien-Theaterstück aufgeführt.“ Die Büschl Unternehmensgruppe interpretierte diese Unfähigkeit gegen ihre Hochhaus-Pläne als Unterstützung ihrer Planung.80
Laimer Historiker gegen Hochhäuser. Der historische Verein Laim bittet die Stadt, die Hochhäuser an der Paketposthalle nicht umzusetzen. Die zwei 155 Meter hohen Türme „verschandeln nicht nur das Stadtgebiet, sondern erzeugen auch für Laim neue und extrem hohe Verkehrsströme“. Die Verkehrsströme laufen in beiden Richtungen über die Friedenheimer Brück und damit über Laim. Dazu wird die Sichtachse vom Nymphenburger Schloss gestört. Die Wohnungen in den Hochhäusern werden für Normalverdienende nicht bezahlbar sein und die Wohnungsnot nicht lindern. Die Hochhäuser erhöhen die Versiegelung und Asphaltierung der Flächen. Die Beschattung reicht weit über 250 Meter. Der Hochhausbau ist durch seinen Bedarf an Beton und Stahl nach Meinung von Fachleuten energetisch „der absolute Wahnsinn“. Andere Investoren werden an anderen Stellen ähnliche Projekte durchsetzen wollen.81
Kleine Büschl-Bonbons. Ursprünglich sollten die ganzen rund 87.000 qm des Paketpostareals komplett unterbaut werden. Das war dann auch dem sehr gut gesinnten BA zu viel Versiegelung. Nun präsentierte Investor Ralf Büschl einen „Quartierspark“, wobei dieser ebenfalls unterbaut werden sollte. Dazu soll das neungeschossige Verwaltungsgebäude an der Arnulfstraße erhalten bleiben. Der BA forderte für den Park Großbäume und eine Verbindung zur Postwiese sowie mindestens die Hälfte ohne Unterbauung bzw. ohne Tiefgarage. Hier kam vom BA schwache Kritik an den neu geplanten zwei Hochhäusern mit 65 und 57 Metern auf, wie die BA-Vorsitzende Anna Hanusch (Grüne) formulierte: „Wir haben Probleme mit dem zweiten Hochpunkt.“
Also keine Probleme mit den beiden 155-Meter-Kolossen und dem neu geplanten 67-Meter-Hochhaus, das der BA als „notwendig und auch an dieser Stelle grundsätzlich schlüssig“ erachtet!
Aussage des BA: Durch die Umplanungen würde „die klare Struktur des Masterplans verwässert.“82
Der Bezirksausschuss 9 Neuhausen – Nymphenburg als treuer Vertreter von Herzog & de Meurons Masterplans: sozusagen His Masters Voice.
Die Büschl-Hochhäuser als „Wolkenkuckucksheime“. Am 24.10.2022 fand die SZ-Debatte „Braucht München Hochhäuser?“ statt. Wie immer gingen die Verfechter der Büschl-Hochhäuser auf Nummer sicher. Beim Bürgergutachten waren die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung eingeladenen Referenten zu zwei Drittel pro und nur zu einem Drittel kritisch. Beim SZ-Gespräch gab es ein Verhältnis drei Befürworter zu einem Kritiker: Investor Ralf Büschl, Architektin Karin Schmid (büro 03arch, das die neue Hochhausstudie verfasst) und Stadtbaurätin Elisabeth Merk gegen MdL Robert Brannekämper (CSU). Letzterer äußerte die Befürchtung, dass die Büschl-Hochhäuser als Dammbruch wirkten: weitere Projekte an anderen Stellen würden folgen, „weil die Investoren dann die Stadtplanung und den Stadtrat vor sich hertreiben“. Investor Büschl beteuerte, „das München, so wie wir es lieben, bleibt erhalten, in der Innenstadt“. Denn seine Hochhäuser lägen außerhalb des Mittleren Rings; außerdem sei sein Projejt mit 1100 Wohnungen und 3000 Arbeitsplätzen „eine Chance für München“. Stadtbaurätin Elisabeth Merk wehrte sich gegen den von Brannekämper ewähnten Dammbruch: „Der Stadtrat lässt sich nicht treiben von namhaften Architekten und Investoren. Er hat die Planungshoheit.“
Vgl. dazu: Promi-Architektur. Außerdem dient die sogenannte „Hochhausstudie“ vom büro 03arch dazu, neue Standorte für Hochhäuser in Planungssicherheit zu überführen. Prof. Karin Schmid vom ausführenden büro 03arch führte aus, dass man in der Hochhausstudie nicht nur Zonen festgelegt habe sondern auch Qualitätskriterien. Sie verstieg sich zu der Aussage: „Das Stadtbild gerhört uns allen.“83
Ob Frau Schmid das wohl selber glaubt? Es kann sein, dass die kommende Wirtschaftskrise die im wahrsten Sinn des Wortes „Wolkenkuckucksheime“ von Investor Büschl und anderen Investoren stoppt. In dem Zusammenhang wird auch interessant, wie es angesichts der Vorwürfe der Wiener Korruptionsstaatsanwaltschaft mit René Benko und seiner Signa weitergeht.
Zitate aus der SZ-Diskussion vom 24.10.2022:
Investor Ralf Büschl will zeigen, „dass Hochhäuser nachhaltig baubar sind, in Holz-Hybrid-Bauweise“.
Das gilt natürlich mitnichten für Büschls zwei 155-.Meter-Türme, die aus Brandschutzgründen bis oben voll sein müssen mit Stahlbeton. Aber auch seine 60-Meter-Türme dürften – schon aus Kostengründen -, voll sein mit Beton und Stahl.
Architektin Karin Schmid, Mitverfasserin der Hochhausstudie: „Wir diskutieren ja nicht um unendlich viele Hochhäuser, sondern um exponierte einzelne Gebäude, die einen Stadtraum markieren und so einen positiven Beitrag leisten können.“
Die Hochhausstudie von Schmids büro arch03 soll den Hochhausbau in München fördern und konkrete Standorte vorschlagen. Der positive Beitrag besteht im Gewinn der Investoren.
MdL Robert Brannekämper (CSU): „Die Halle ist der Ausgangspunkt, aber was soll da rein? Es gibt ein paar nette Animationen, aber das ist dann auch alles.“
((Alle Zitate: Krass, Sebastian, „Ich bin keine Heuschrecke, ich bin aus Fleisch und Blut“, in SZ 26.10.2022))
Stadtrat uneins. Am 26.10.2022 diskutierte der Stadtrat erneut über die Bürgerbefragung. Die Fraktion ÖDP/München-Liste wäre mit jeder Form von Befragung einverstanden. Grünen-Fraktionssprecher Dominik Krause äußerte: „Wir halten pauschale Höhengrenzen nicht mehr für zeitgemäß.“ Die Grünen würden gern die Münchner grundsätzlich dazu befragen. CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl war für eine Bürgerbefragung mit einer konkreten Frage. SPD-Fraktionsvorsitzender Christian Müller stellte fest, es gäbe Entscheide aus der Bürgerschaft, die irgendwann überholt seien: „Platte Befragungen sind aus unserer Sicht nicht der richtige Weg.“84
Abgesehen von der Diffamierung einer Bürgerbefragung als „platt“ ist Müller dann gar keine Befragung lieber!
HochhausSTOPP sammelt weiter. Bis jetzt wurden etwa 18.000 Unterschriften gegen die Büschl-Hochhäuser gesammelt, gab MdL Robert Brannekämper (CSU) bekannt. Rund 35.000 Unterschriften werden für einen Bürgerentscheid gebraucht. Gesammelt wird von den Hochhaus-Gegnern u. a. zweimal in der Woche am Rotkreuzplatz und einmal am Romanplatz, damit München keine „Wolkenkratzer-Metropole“ wird.85
Greenwashing. Nach harscher Kritik am hohen Versiegelungsgrad hat Investor Ralf Büschl neben den zwei Hochhäusern etwas Grünflächen sowie einen „Quartierspark“ vorgesehen. Die Unterstützerin der Büschl-Hochhäuser, Stadtbaurätin Elisabeth Merk, hatte noch die Idee eingebracht, in eineinhalb Kilometer Umkreis Grünflächen aufzuwerten, um die Versiegelung zu kompensieren. Dies hat der Bund Naturschutz überprüft – mit negativem Ergebnis: „Fehlendes Grün ist nicht kompensierbar.“ Die infrage kommenden Grünanlagen könnten aufgrund der starken Nutzung nicht mit zusätzlichen Bäumen bepflanzt werden, Verbesserungen für die Bevölkerung seien hier nicht erreichbar.86
Büschl-Hochhäuser aus Hamburger Sicht. In der ZEIT hat Kerstin Bund einige Aspekte zur Münchner Hochhausdebatte gesammelt. Sie erinnerte an das Zitat von MdL Robert Brannekämper (CSU), dass es mit den Hochhäusern wie mit den Schwammerln sei: „Wo mal ein Schwammerl ist, kommen bald andere nach.“ Und: „Die Hochhäuser verändern das Gesicht von München.“ Die neun Millionen Touristen, die jährlich nach München kommen, „kommen doch nicht, weil es hier ausschaut wie in Dubai“. Laut Brannekämper führten die beiden Büschl-Hochhäuser zum Ansteigen der Bodenpreise und damit zum Anheizen der Bodenspekulation: „Je mehr Geschossfläche auf einer bestimmten Grundfläche gebaut werden darf, desto mehr Geld kann ein Investor aus dem Boden ziehen.
Ralf Büschl empfing die Zeit-Journalistin in einer Gründerzeitvilla in Bogenhausen. Neben den üblichen Werbefloskeln für seine Hochhäuser schwärmte Büschl von den beiden sich kreuzenden Schrägaufzügen (inzwischen schon wieder eliminiert). Die Gegner seiner schönen Hochhäuser kämpften in Wirklichkeit gegen das Wachstum in München. Und äußerte: „Visionen brauchen Macher.“ (Hier erinnere ich – etwas ungern -, an den Hamburger Helmut Schmidt, der sagte, wer Visionen habe, solle zum Arzt gehen.) Der nächste Besuch galt der Münchner Stadtbaurätin Elisabeth Merk, der nach eigenem Eingeständnis die Hochhauspläne gut gefallen. Sie ließ die Kritik an den Büschl-Hochhäuser an sich abperlen: „Vor jedem größeren Bauvorhaben läuft es ähnlich ab. Die Mahner beklagen den Untergang des Städtebaus, die Verfechter preisen den Fortschritt.“ Und außerdem: „Hochhäuser können einen Beitrag zu bezahlbarem Wohnraum leisten.“87
Erstaunlich, dass Hochhäuser mit den höchsten Baukosten überhaupt zu bezahlbarem Wohnraum beitragen sollen: wenn nicht gleichzeitig teuerster Wohnraum mit verkauft wird. Büschl sagt selbst, die 550 Sozialwohnungen müssen mit 550 teuersten Wohnungen gegenfinanziert werden. Und die Sozialwohnungen dienen natürlich als Türöffner für das ganze Projekt Paketposthalle.
Januar 2023: Hochhaus-Bürgermeister und Hochhaus-Bürgermeisterin im Vormarsch. Der sich vielfach selbst als Hochhaus-Befürworter geoutete OB Dieter Reiter (SPD) darf vermutlich – von Ministerpräsident Markus Söders (CSU) Gnaden-, zu einer dritten Amtszeit antreten.88
Ob die dritte Amtszeit wohl so erfolgreich – oder noch viel erfolgreicher! – wird wie schon die erste und die zweite???
Auch die zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) forderte jetzt mehr Hochhäuser – ausgerechnet als Referentin beim Münchner „Immobilienforum 2023„. Habenschaden kritisierte die Verhinderungshaltung, hier speziell „den öffentlichen Umgang mit dem Hochhausprojekt an der Paketposthalle“. (Das Bürgergutachten“ vom Februar 2022 bezeichnete Habenschaden damals als „tolles Ergebnis“; die weitere Planung werde „wesentlich auf den Empfehlungen aus dem Gutachten“ basieren.89
Zur Erinnerung: Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hatte die 39 Referenten des Bürgergutachtens ausgewählt: darunter 26 Befürworter der Büschl-Hochhäuser!
Für Habenschaden ist die Hochhausfrage „eine Metapher für Gesellschaft und Politik generell: was trauen wir uns eigentlich noch in unserer Stadt?“, noch dazu, wo laut Habenschaden München „in vielen Bereichen im Hintertreffen“ sei.90
Habenschaden konstatiert quasi den drohenden Untergang der Stadt – und könnte eigentlich gleich der Allianz für München beitreten, die für weiteres grenzenloses Wachstum eintritt. Da die dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) hier sicher nicht nachstehen will, hat die Agentur Heller & Partner die Stadtspitze da, wo sie auch ihr Klient, die Büschl Unternehmensgruppe, haben will. Inzwischen scheint es so, dass es in der Hochhausfrage egal ist, ob SPD oder Grüne den Oberbürgermeister oder die Oberbürgermeisterin stellt.
Vgl.: Heller & Partner, Hochhäuser München, HochhausSTOPP
Mehr Denkmalschutz gefordert. Der BA Neuhausen – Nymphenburg forderte, das Nymphenburger Schloss gesamtheitlicher zu betrachten und nicht nur die zentrale Mittelachse. Der BA betonte auch die Wichtigkeit der Klima-Neutralität beim Hochhausbau. Für Elke Wendrich vom Denkmalnetz Bayern stellt der Bau der beiden Büschl-Hochhäuser eine „Beschädigung“ und „unverträgliche Beeinträchtigung“ des Nymphenburger Schlosses dar.91
Anhörung Paketposthalle: Montag 13.2.2023, 19:00 – 21:30. Freiheitshalle, Rainer-Werner-Fassbinder-Platz 1, 80636 München. Planungsunterlagen werden ausgelegt vom 9. Februar 2023 mit 9. März 2023 an folgenden städtischen Dienststellen zur Einsicht bereitgehalten: -Referat für Stadtplanung und Bauordnung, Blumenstraße 28 b (Hochhaus), Erdgeschoss, Raum 071, Montag mit Freitag von 6 Uhr bis 18 Uhr. Bei der Bezirksinspektion West, Landsberger Straße 486 (Montag, Mittwoch, Freitag von 7.30 bis 12 Uhr, Dienstag von 8.30 bis 12 Uhr und 14 bis 16 Uhr, Donnerstag von 8.30 bis 15 Uhr). – Stadtbibliothek Neuhausen, Nymphenburger Straße 171b (Dienstag bis Freitag von 10 bis 19 Uhr und Samstag von 10 bis 15 Uhr). – Erstes Halbjahr 2023: Erörterungsveranstaltung geplant. Die Deutsche Post wird 2023 ihre Flächen räumen.92
Die Anhörung: Hohe Hochhäuser, skeptische Anwohner. Am 13.2.2023 traf sich eine „höchst überschaubare“ Zuschauerzahl zur Diskussion: Stadtplaner und Architekten warben für die Büschl-Türme. Robert Hösl vom Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron war in München schon für die Fünf Höfe und die Allianz Arena zuständig und soll jetzt die Büschl-Türme und das Projekt Paketposthalle bewerben. Seine Grafiken zeigten den Münchner Flächenfraß nach außen und ließen Hösl folgern, München müsse als „vertikale Stadt“ nach oben wachsen. Die zwei 155 Meter hohen Büschl-Türme wären mit der Paketposthalle die Chance für ein „sinnvolles Ensemble“. Ulrich Schaaf ist im Planungsreferat für das Büschl-Projekt Paketposthalle zuständig und zeigte Simulationen der Türme aus Stadtperspektiven. Die Büschl-Türme sind gut sichtbar vom Alten Peter, besser noch vom Olympiagelände und eben auch vom Nymphenburger Schloss. Wichtige Fragen aus dem Publikum blieben unbeantwortet: Welche Schatten werfen die Türme? Wie wirken die Fallwinde? Welchen ökologischen Fingerabdruck hinterlassen die beiden Türme? Hösl verwies lediglich auf ausstehende Gutachten. Zur weiteren Nutzung der Paketposthalle äußerte die im Planungsreferat Zuständige für Freiflächen und Freiräume, Gisela Karsch-Frank: Sport, Spiel, Galerien, Konzerte, Übungsräume etc. (Also das seit Längerem bekannte vage Kultur-Gulasch; WZ) Die städtische Juristin Hildegard Wich kündigte einen Satzungsbeschluss im Stadtrat für Ende 2025 an.93
Über die Fassade der Türme und die Schrägaufzüge soll im Mai 2023 in der Sitzung der Stadtgestaltungskommission beraten werden. Der schon länger als Befürworter der Büschl-Hochhäuser auftretende Chef des Backstage, Hans-Georg Stocker, lobte die „ursprünglich supertolle Idee für das Areal der Paketposthalle“ und beklagte das „Generationenproblem“: „Die Jungen sind mehr für die Hochhäuser als die Älteren. Das verstehe ich nicht von den Älteren. Die Jungen werden doch mit den Türmen leben.“
Das könnte man auch so verstehen: Die Älteren sterben eh demnächst weg, also sollen sie gefälligst den Mund halten beim großartigen Projekt Paketposthalle.
Stadträtin und BA-Vorsitzende Anna Hanusch (Grüne) lobte wie üblich das Projekt Paketposthalle: „Das ganze Projekt bedeutet eine Entsiegelung, keine Versiegelung.“94
Das ist schwer verständlich angesichts der riesigen Tiefgarage mit maximal 4000 Stellplätzen und der nahezu kompletten Versiegelung des Areals. ((https://www.abendzeitung-muenchen.de/muenchen/neue-bilder-so-koennten-die-tuerme-zur-paketposthalle-ausschauen-art-879639))
Und dann gab es noch eine Art Bonbon für die Münchnerinnen und Münchner: Am 7.3.2023 startete online ein Ideenwettbewerb für die Nutzung der Paketposthalle.
Ob den wohl wieder Heller & Partner leitet? (Nein.)
Zum Streit um die Paketposthalle. Architekturkritiker Wolfgang Jean Stock hat in der FAZ u. a eine kurze Chronologie angeführt. 2018 hatte die Büschl Unternehmensgruppe das 87.000 qm große Areal mit der Paketposthalle gekauft und schaltete umgehend das Büro Jacques Herzog und Pierre de Meuron ein. Diese haben in München im Lauf der Jahre einige Projekte realisiert: die Sammlung Goetz (1992), die „Fünf Höfe“ (2001) und die Allianz-Arena (2005). Ihren „Masterplan“ von 2019 bezeichnete Stock als „Enttäuschung“, der in der Bürgerschaft und in der Fachwelt „für Erschrecken“ sorgte, aber von der Politik und in der Presse „überwiegend begrüßt“ wurde. Stock sieht bei diesem Projekt viele Probleme aktueller Stadtentwicklung gebündelt: Stadtbild-Pflege, Denkmalschutz, Investoren-Dominanz, Fehler der Kommunalpolitik, Mangel an bezahlbarem Wohnraum.
Gleichzeitig attestiert Stock dem „Alterswerk“ von Herzog & de Meuron Schwächen. Schon die Doppeltürme für den Basler Pharmakonzern Roche hätten eine Warnung sein können. Die beiden Münchner Doppeltürme wurden im Zweitentwurf noch mit zwei schrägen Außenaufzügen versehen. Auf der Gegnerseite versammeln sich von der Verschattung betroffene Anwohner; das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege und der Landesdenkmalrat sehen die Sichtachsen vom Schloss Nymphenburg gestört. Hinzu kommt das 1968 gegründete Münchner Forum und die Initiative HochhausSTOPP.
Investor Ralf Büschl hingegen „arbeitet mit Zuckerbrot und Peitsche“: Er deutet eine kulturelle Nutzung der denkmalgeschützten Paketposthalle an (deren Sanierungskosten im Übrigen so unklar sind wie die Frage, wer diese trägt). Und er droht mit dem ausschließlichen Bau von Gewerbeflächen vulgo dem Wegfall von Wohnungsbau. Dies hätte ihm die Stadt durch einen (heute fast als mutwilligen Akt zu bezeichnenden) genehmigten Bebauungsplan ermöglicht. Ein weiterer Akteur ist der OB Dieter Reiter (SPD), dem Stock ein „offenkundiges Desinteresse“ und „magere Sachkenntnis“ bescheinigt. Daneben schwärmt die zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) von angeblich ökologischen Hochhäusern. Inzwischen fordert der Architektenverband BDA München – Oberbayern einen städtebaulichen Wettbewerb, durch den die Stadt ihre Planungshoheit wiedergewinnen könnte. Stock hofft auch, „dass der Büschl-Planung angesichts steigender Baukosten und zunehmender Sensibilität für die Klimafolgen des Bauens faktisch schon die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundlagen entzogen sind“.95
März 2023 – diesmal ein angesichts der Bedeutung längerer Beitrag:
Alle für Büschl, Büschl für alle (1). Neue Initiative von der Büschl Unternehmensgruppe, diesmal mit Hamburger Lobbyisten. „Alle für die Halle für alle.“ Die Paketposthalle wird von Urbanista (Leitung: Julian Petrin) aus Hamburg (begleitet von der LH München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung) als Bonbon inszeniert (und ist in Wirklichkeit ein Saurer Drops, ein Faustpfand, um die zwei Büschl-Hochhäuser mit 155 Meter durchzusetzen). Ein mediales Großaufgebot flankiert die Pläne der Büschl Unternehmensgruppe: Es wird eine speziell für die Paketposthalle entwickelte Zeitung als Postwurfsendung an 28.000 Haushalte verteilt, dazu gibt es eine großflächige Plakataktion und Aufrufe in den Social Media.96
„München bekommt einen neuen Freiraum – und was für einen“, steht in der Mitmachbroschüre. Das Partizipations-Spektakel läuft auf vollen Touren: „… kostenlose Nutzungen für die Stadtgesellschaft … Platz für deine Ideen … Was wünscht du dir für die Halle?“ Statt gelber Post-It-Zettel können die Bürger qua Internet Ideen vier Wochen lang einreichen, die einer Fachjury vorgestellt werden.
Die Drohung: Natürlich nur, falls gleichzeitig die Büschl-Hochhäuser genehmigt werden.
Alle für Büschl, Büschl für alle (2). Nicht nur die Münchner Stadtplanung wurde eingebunden: Auch für den Freistaat Bayern hat die Büschl Unternehmensgruppe einen Lockvogel parat. In zehn Jahren muss die Staatsoper saniert werden, und schon hat Investor Büschl eine Lösung parat: Im Untergeschoss der Paketposthalle könnte die Oper ein Interimsquartier bekommen. Stadtbaurätin Elisabeth Merk, Fan der Büschl-Hochhäuser seit der ersten Stunde, ist begeistert: „Sollte die Orchesteridee Wirklichkeit werden, würde ich das sehr begrüßen.“97. Merk: „Nun sind die Münchner*innen aufgerufen, das Projekt Paketposthalle zu ihrem Projekt zu machen…“96 Merk hofft auch, das Büschls Paketposthalle „eine überregionale Wirkung“ bekommt, „dass die Leute sich fragen: Was macht München da?“98
Ganz einfach: Moloch München – Eine Stadt wird verkauft.
Dazu wird das frühere Gulasch an potentiellen Nutzungen angeboten: Seniorentreffs, Gruppen, Vereine, Outdoor-Sportler, … Stadträtin und BA-Vorsitzende Anna Hanusch (Grüne), auch sie von Anfang an Fan der zwei Büschl-Hochhäuser, ist begeistert: „Das ist eine wahnsinnig tolle Halle. Wenn man drin war, will man sie nur noch offen erleben.“97
Die Drohung: Natürlich nur, falls gleichzeitig die Büschl-Hochhäuser genehmigt werden.
„Der Ladenhüter“. So bezeichnete die Halle der Kulturredakteur der Abendzeitung, Robert Braunmüller: „Die Paketposthalle ist ein Klotz am Bein der hochprofitablen Vermarktung des Geländes an der Friedenheimer Brücke. Seit Jahren versuchen die Investoren, ihren Ladenhüter mit bunten Simulationen der Landeshauptstadt oder dem Freistaat anzudrehen: als Konzertsaal, Musikhochschule, Gasteig-Interim oder Ersatz für den Gasteig – damit am Isarhochufer Platz für Luxusinvestments frei wird.“99
Die Drohung: Natürlich nur, falls gleichzeitig die Büschl-Hochhäuser genehmigt werden.
Alle für Büschl, Büschl für alle (3). Die Finanzierung der Paketposthalle geht laut Büschl Unternehmensgruppe nur mit den Einnahmen aus der Vermietung der Hochhäuser (wobei vermutlich der Großteil der Wohnungen sowieso als Eigentum verkauft werden). Laut Büschl soll die Halle vor 2030 nutzbar sein.97
Die Drohung: Natürlich nur, falls gleichzeitig die Büschl-Hochhäuser genehmigt werden.
Alle für Büschl, Büschl für alle (4). Ralf Büchl hat laut eigener Aussage die Organisation der Halle der Stadt angeboten, die aber abgelehnt habe. Kultur-Allrounder Michi Kern ist an der Zwischennutzung des Gasteig („Fat Cat“) beteiligt, in Obersendling am „Sugar Mountain“, beim ehemaligen Kaufhof am Stachus („Lovecraft“), will/soll nun im Auftrag von Büschl die Organisation der Paketposthalle übernehmen. Kern freut sich, „gemeinsam mit Urbanista und der BÜSCHL Unternehmensgruppe dieses wagemutige Vorhaben vorantreiben zu können“.96
Um die dauerhafte Nutzung sicherzustellen, soll diese auch im städtebaulichen Vertrag mit der Stadt festgeschrieben werden. Zum zeitlichen Ablauf: Die Deutsche Post zieht 2024 aus der Halle aus. Das Baurecht für die Büschl Unternehmensgruppe soll 2024 oder 2025 vom Stadtrat beschlossen werden. Um 2030, vermutlich später, könnte die Nutzung der Halle beginnen.98
Die Drohung: Natürlich nur, falls gleichzeitig die Büschl-Hochhäuser genehmigt werden.
Alle für Büschl, Büschl für alle (5). Ralf Büschl verkaufte 2019 die Hälfte seines Unternehmens an den Kölner Immobilienentwickler Bauwens. Der Immobilienmanager schrieb dazu: „Als größtes Zukunftsprojekt steht die Entwicklung der Paketposthalle an der Friedenheimer Brücke an, die Büschl 2018 erworben hat. Auf dem 8,7 Hektar großen Areal mit dem denkmalgeschützten Bauwerk ist ein neues Quartier zum Wohnen und Arbeiten geplant. Auch Hochhäuser sind dort möglich. (…) Bauwens bringt in den Zusammenschluss Baukapazitäten ein, die überall knapp in Deutschland sind. Man werde die Büschl-Projekte als Generalunter- und -übernehmer selbst realisieren, wird Patrick Adenauer, geschäftsführender Gesellschafter von Bauwens, zitiert.“100
Kleine Anmerkung am Rand: Sollte die Halle um 2030 in Betrieb gehen, wäre Büschl (*1957) dann Mitte 70. Ist nicht anzunehmen, dass Büschl nach Erteilung der Baugenehmigung für das Paketposthallen-Areal mit den zwei umstrittenen Hochhäusern das gesamte, nun „baureife“ Projekt, an den nächsten Investor verkauft?
Alle für Büschl, Büschl für alle (6). Hoffnung gegen die Übernahme des Paketpost-Areals und die monopolartige Durchsetzung von Büschls zwei Hochhaustürmen mit 155 Meter Höhe macht die Bürgerinitiative HochhausSTOP. Und ein Ende der Büschl-Hochhäuser bedeutet ja nicht das Ende einer kulturellen Nutzung der Paketposthalle, im Gegenteil. Also bitte unterschreiben!
Das Leben ist kein Wunschkonzert, auch nicht für Investoren.
Alle für Büschl, Büschl für alle (7). Stolze 32.000 Auflage hat die Hochglanzbroschüre „Alle für die Halle – Deine Ideen für die Paketposthalle“. Dazu wurde die Friedenheimer Brücke zu plakatiert mit Büschl-Hallen-Plakaten. Büschl braucht möglichst viele Rückmeldungen, um den „Ladenhüter Paketposthalle“ endlich an Stadt und Staat abschieben zu können. Im vertraulichen DU wird so getan, als ob die Büschl Unternehmensgruppe den Ladenhüter an die Bevölkerung übergeben will. Eine kleine Auswahl vom Büschl Wunschkonzert: „Platz für Deine Ideen … Was wünschst Du Dir für die Halle? … Schnapp Dir die Themen und teile Deine Vorschläge! … Wenn Dir die Bühne gehören würde … Welche kostenlosen Angebote wünscht Du Dir für die Halle? … Gib Deine Stimme ab! …
Das Ganze wird als (von der Büschl Unternehmensgruppe bezahlte) Initiative von urbanista bezeichnet, und – selbstverständlich: „Begleitet von Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung„. Herausgeber ist die PI Nymphenburg Entwicklungs GmbH & Co. KG, eine Büschl Untergruppierung in Nördliche Münchner Straße 16, 82031 Grünwald. (Im Stichwort Grünwald findet sich das ganze Büschl-Unternehmenskonglomerat, steuersparend zum Hebesatz von 240.)
Vgl. auch: Partizipations-Spektakel
Bebauung Paketposthalle: das reinste Ökoparadies. So stellt es zumindest die LH München unter „Aktuelles – Beteiligungsprozess Paketposthalle“ dar.101. Unter Freiraum und Klimaanpassung steht u. a.: „Schaffung und Sicherung von vielfältig nutzbaren, hochwertigen öffentlichen und privaten Grün- und Freiflächen, -Schaffung von gemeinschaftlich und vielfältig nutzbaren Freiflächen in den Innenhöfen und auf den Dachflächen, – intensive Durchgrünung des Gebiets mit ausreichend dimensionierten Standorten für Großbaumpflanzungen, -Förderung der Biodiversität, Erhaltung und Schaffung von Trockenbiotopen mit Vernetzung im Bereich südlich der Paketposthalle, – Verbesserung der bioklimatischen Situation und Berücksichtigung des Schwammstadt-Prinzips, -Sicherung einer Ost-West-gerichteten Grün- und Wegeverbindung südlich der Paketposthalle in Richtung Hirschgarten“. Außerdem: „Berücksichtigung der Belange des Klimaschutzes z. B. durch flächensparende Kfz-erschließung“ (damit ist vermutlich die riesige, mehrgeschossige Tiefgarage gemeint).
Weiters: „Zur Starkregenversorge, aber auch für Regenwasserrückhalt, Verdunstung und Versickerung soll das Schwammstadt-Prinzip angewendet werden.“
Da haben die Autoren doch scheinbar elegant einen Begriff der aktuellen Urbanitäts-Diskussion einfließen lassen: Dabei ist das Paketpost-Areal wohl das am meisten versiegelte Areal in ganz München. Man nennt dieses ökologische Gesundbeten: Greenwashing.
HochhausSTOP demonstriert. Seit elf Monaten sammelt die Initiative um den CSU-MdL Robert Brannekämper und dem ehemaligen Münchner SPD-Stadtrat Wolfgang Czisch Unterschriften für einen Bürgerentscheid gegen die geplanten Hochhäuser bei der Paketposthalle. Am 3.4.2023 protestierte ihre Initiative HochhausSTOP am Marienplatz gegen die Büschl-Hochhäuser. Auf einem Plakat stand: „Herr Büschl, wenn Sie München etwas schenken wollen, warum erpressen Sie dann?“ Die vorgeschlagene Nutzung als Interimsspielstätte für die bayerische Staatsoper hält Brannekämper für illusorisch, da eine Halle im Untergrund der Halle Unsummen kosten würde. Czisch und er forderten die Stadt auf, die Entwicklung des Quartiers selbst in die Hand zu nehmen. „Der Investor macht die Stadtplanung, die Stadt dackelt hinterher“ sagt Brannekämper. Laut HochhausSTOP habe man die Hälfte der für einen Bürgerentscheid nötigen 33.000 Unterschriften gesammelt.102
Erwartbar wertvolle Ideen. 1200 Ideen von teilnehmenden Münchnern erbrachte der Mitmach-Beteiligungsevent des Hamburger Büros urbanista, der Initiative This is really Happening und der Büschl Unternehmensgruppe. Die exotischen Vorschläge (Projekt „Weiß“, Baum mit Aussicht, tropischer Dschungel, Katzen-Café etc.
blieben in der Minderheit. Die Favoriten-Ideen kommen meist aus dem Gastro-Bereich: Techno-Club, Rooftop-Bar, Repair-Café, Konzerthalle … Ende Mai 2023 darf abgestimmt werden, dann prüft eine Jury die Vorschläge, und dann kommt ein Designcamp.103
Der Pseudo-Wettbewerb hatte drei Ziele: Mitbürger zum Mitmachen anzuregen, ein demokratisches Verfahren vorzugaukeln – und das Projekt Paketposthalle wieder in die Medien zu bringen.
Warnung von Denkmalschützern. Hier am 8.5.2023 unter: https://kunstgeschichte.org/verband/rote-liste/schloss-nymphenburg/
Neuer Entwurf, wieder ohne Schrägaufzüge. Das Büro Herzog & de Meuron hat es gegeben, das Büro Herzog & de Meuron hat es genommen: Schon sind im dritten Entwurf die (vermutlich extrem teuren) Schrägaufzüge wieder weg, vom real anwesenden Pierre de Meuron persönlich eliminiert. Und schon war die 27-köpfige Stadtgestaltungskommission am 9.5.2023 mit großer Mehrheit (nur zwei Gegenstimmen) die neuen Pläne für die Büschl-Hochhäuser angenommen. Stellvertretend für die Hochhausfreunde äußerte die euphorisierte Stadträtin Anna Hanusch (Grüne): „Hochhäuser können eine Bereicherung für die Stadt sein, und dieses Projekt hat das Potential, das auch zu schaffen.“ Auch Investor Ralf Büschl ist „absolut überzeugt“. (Das war er beim letzten Entwurf auch.) Stadträtin Brigitte Wolf (Die Linke) sprach von einer „städtebaulich völlig übertriebenen Setzung an dem Ort“ und nannte das von der Stadt eingeräumte Baurecht als „viel zu hoch“. Für Burkhard Körner vom BLfD stellen die Büschl-Türme „eine sehr schwere Beeinträchtigung“ von Denkmälern und des Stadtbildes dar. Der Stadtrat will bis 2025 den Beschluss für das nötige Baurecht fassen. Die Büschl-Hochhäuser werden von einer größten Rathauskoalition unterstützt: Grüne/Rosa Liste, SPD/Volt, CSU, Freie Wähler, FDP/Bayernpartei. Der Verein HochhausStop sammelt weiter Unterschriften für sein Bürgerbegehren.104
Details zur Bebauung. In der SZ hat Sebastian Krass Informationen zum Quartier gemacht: – Die Büschl-Gruppe will für die 3000 Arbeitsplätze und 1100 Wohnungen über zwei Milliarden Euro bis zur Fertigstellung 2031 investieren. – Bei der Sitzung am 9.5.2023 präsentierte Robert Hösl von Herzog & de Meuron Maßnahmen zur Reduktion des bei Hochhäusern extrem anfallenden CO2: So sollen statt reinen Stahlbetondecken ein Holz-Beton-Verbundsystem verbaut werden, das soll zwölf Prozent CO2 einsparen. Massivholzdecken sollen nochmal 26 Prozent CO2 einsparen. (Was wohl der Brand