Aktualisiert 21.7.2022
Kronawitter und die Hochhäuser. Der frühere OB Georg Kronawitter (SPD, 1972 – 1978 und 1984 – 1993) nahm 1992 an einer Dreitages-Tour von Stadträten, Architekten, Verwaltung und Journalisten nach Paris, Hamburg, Köln und Frankfurt teil. Er sah für Hochhäuser auch in München eine Zukunft: Sie sollten aber nicht wie „Eckzähne“ im Stadtbild sein sondern eine moderne Skyline bilden. Infrage kämen für Kronawitter Neu-Riem, das Gaswerk-Gelände am Georg-Brauchle-Ring und Bereiche an den Bahngleisen zwischen Hauptbahnhof und Pasing.1
Kronawitters Initiative. Kronawitter hatte 2004 – gegen den amtierenden OB Christian Ude und fast alle Parteien des Stadtrats -, einen Bürgerentscheid initiiert: Es sollen im Stadtgebiet und auch in den Randgebieten keine Hochhäuser über 100 Meter Höhe (Orientierung an den Türmen der Frauenkirche) gebaut werden.
Der Krieg im Vorfeld. Kronawitter erlebte den geballten Widerstand seines Nachfolgers Christian Ude, seiner Partei SPD und aller Rathausfraktionen.
So war z. B. am 9.11.2004 in der SZ in der städtischen Rubrik „Die Stadt informiert“ eine Gegenüberstellung der Positionen von Kronawitters „Initiative-Unser-München“ mit ihrem Bürgerbegehren versus die Position des Stadtrats aufgeführt.
Die Initiative will die geplanten Hochhäuser „Isar-Süd“ mit bis zu 148 Meter Höhe verhindern. – Der Stadtrat sagt Nein zum Hochhaus-Bürgerbegehren und zum Planungsstopp für die Siemens-Hochhäuser.
Die Initiative will das Hochhaus-Projekt des Süddeutschen Verlags stoppen. – Der Stadtrat fordert: keinen Planungsstopp.
Die Initiative fordert, dass Hochhäuser mit dem Stadtbild verträglich sein müssen und die Höhe der Frauentürme nicht überschreiten. – Der Stadtrat ist dagegen und verweist auf das Hypo-Hochhaus mit 114 Metern.2
Am 12.11.2004 verkündete OB Christian Ude in einer ganzseitigen Anzeige in der SZ: „Wir lassen uns nicht klein machen. Bitte gehen Sie zur Abstimmung und stimmen Sie mit NEIN.“ Als Argumente wurden genannt: Viele Firmen sind nur in München geblieben, weil sie Zentralen und Firmensitze realisieren konnten. Attraktive Gewerbebauten sind wichtig, damit sich auswärtige Firmen hier ansiedeln, wie es gerade in den letzten Jahren geschehen ist.“ (Und bis heute; WZ)
Ein Bündnis München – Stadt mit Zukunft unterzeichneten u. a. OB Ude, die Stadtratsfraktionen von SPD und Die Grünen/Rosa Liste, FDP. Dazu Verein CityPartner München, Bayerischer Hotel- und Gaststättenverband München, IHK München und Oberbayern, Handwerkskammer von München und Oberbayern, IG Bau, Agrar, Umwelt, Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten GEW, ver.di, IG Bergbau, Chemie, Energie, DGB München.
Am 13.11.2004 wurde eine ganzseitige Anzeige in der SZ geschaltet: „München ist eine weltoffene Stadt … Gehen Sie am 11. November zur Wahl und stimmen Sie mit NEIN gegen das Bürgerbegehren.“ Zwölf Prominente wurden für die Nein-Seite aufgeboten.
Pro und contra. In der Information zum Bürgerentscheid am 21.11.2004 kritisierte die Initiative-Unser-München den 146 Meter hohen „Vierkantbolzen“ (Uptown Munich) und die „Jahn-Doppelscheibe Highlights“ am Mittleren Ring und die spärliche Information durch Stadtrat und Verwaltung, wies auf aktuell mehr zwei Millionen Quadratmeter Leerstand bei Büroflächen hin. Der Stadtrat versprach, die Altstadt von Hochhäusern frei zu halten, diese nur außerhalb des Mittleren Rings zu bauen, vereidigte die beiden neuen Siemens-Hochhäuser in Obersendling und das geplante Hochhaus des Süddeutschen Verlags in Steinhausen. Das große Angebot an Büroflächen sichere niedrige Mieten für Gewerbebetriebe.
Bürgerentscheid 21.11. 2004. Der Entscheid kam am 21.11.2004 zur Abstimmung. Bei 21,9 Prozent Wahlbeteiligung waren 50,8 Prozent (101.780) für die Begrenzung, 49,2 Prozent (98.725) dagegen.3 Damit mussten die geplanten Hochhäuser von Siemens (113 und 146 Meter) und das SZ-Bürohochhaus in Steinhausen (143 Meter) umgeplant werden.45 Ude äußerte, es sei ein Fehler gewesen, dass die Stadt kein eigenes Ratsbegehren gegenüber Kronawitters Bürgerbegehren gestartet hatte.6
SPD gegen Bürgerentscheid. Am Samstag, den 16.7.2022 hält die Münchner SPD ihren Parteitag ab. Der Vorstand hat einen drei Seiten langen Antrag vorgelegt, in dem die SPD Höhengrenzen ablehnt und hält es statt der Höhe für wichtiger, wie viel bezahlbarer Wohnraum entsteht und wie ökologisch ein Gebäude ist. Ein Bürgerentscheid wird abgelehnt. Auch die Münchner Jusos lehnen diesen ab. Juso-Chef Benedict Lang: „Ein solcher Bürgerentscheid mobilisiert nur die, die gegen Hochhäuser sind.“ Die SPD unterstützt die (bisher nur im Entwurf vorgelegte) Hochhausstudie des Planungsreferats. Außerdem habe es zum Paketpostareal eine Bürgerbeteiligung inform des Bürgergutachtens gegeben.7
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat z. B. die Referentenliste mit zwei Drittel mit Befürwortern besetzt: soviel zum Thema Objektivität und Beteiligung.
Nachtrag: Zwölf Prozent der Delegierten (nämlich 12 von 100) haben am 16.7.2022 gegen Hochhäuser gestimmt. Bei den Büschl-Hochhäusern hatte die SPD bereits zugestimmt. Einen Ratsentscheid lehnte die SPD ebenfalls ab. Die Hochhaus-Kritiker waren u. a. Gerd Baumann (warf der SPD „Diskussionsverweigerung“ und die Verwendung von Büschls „Propaganda-Fotos“ vor) und der frühere MdL Rainer Volkmann (warf seiner Partei vor, München zur Hochhausstadt zu machen). Die SPD-Mehrheit war der Ansicht, der Stadtrat habe das Mandat, Hochhäuser zu genehmigen. Ein Ratsbegehren, so der Münchner SPD-Vorsitzende Christian Köning, würde die Debatte darüber weder befrieden noch beenden.8
Vgl. auch: Hochhäuser München, Paketposthalle
- Dürr, Alfred, Kronawitter will mit München hoch hinaus, in SZ 14.9.1992 [↩]
- Die Stadt informiert: Darum geht es beim Hochhaus-Bürgerentscheid, in SZ 9.11.2004 [↩]
- https://www.muenchen.info/wahlen/wahlneu/wahl2004/hochhausentscheid/index.html [↩]
- Maximal 100 Meter, in SZ 31.10.2020 [↩]
- Hochhausverbot in München, in spiegel.de 22.11.2004 [↩]
- Effern, Heiner, Verblüffende Parallelen, in SZ 20.10.2021 [↩]
- Hertel, Christina, Hochhaus-Debatte in München: SPD will Bürgerentscheid ablehnen, in abendzeitung-muenchen.de 14.7.2022 [↩]
- Effern, Heiner, SPD will Hochhäuser generell zulassen, in SZ 18.7.2022 [↩]