Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Großmarkthalle

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Aktualisiert 4.7.2023

Mai 2010: Mindestens 100 Millionen Euro. Das Sendlinger Großmarkt-Areal soll komplett umgeplant werden. Die Bürogebäude und Produktionshallen sollen abgerissen werden: Hier sind teure Eigentumswohnungen, Geschäfte und Büroflächen geplant. An der Schäftlarnstraße wird auf dem alten Lkw-Parkplatz die neue Großmarkthalle gebaut. Die frei werdende, denkmalgeschützte Großmarkthalle mit Nebengebäuden soll saniert werden und den Händlern des bisherigen Viehhof-Areals zur Verfügung stehen. Dort wären wiederum Wohnungen und Büros geplant. 100 Millionen Euro sind eingeplant, vermutlich mit der doppelten Summe ist zu rechnen. Bis 2012 ist ein Finanzierungskonzept geplant: Die neue Großmarkthalle soll bis 2015 fertig werden. Private Investoren werden noch gesucht.1
Ergänzung im Juni 2021: „Mit einer Inbetriebnahme einer neuen Großmarkthalle ist aufgrund der Baurechtsschaffung voraussichtlich 2030 zu rechnen.“ (Aus: Wikipedia)

Privater Investor. Der von 2012 bis Juli 2018 amtierende Kommunalreferent Axel Markwardt (SPD) wollte ursprünglich die Großmarkthalle in Eigenregie der Stadt München für 160 Millionen Euro neu bauen. Die damalige rot-schwarze Stadtregierung beschloss aber eine Investorenlösung, die 2017 entschieden wurde. Die neue Großmarkthalle in Sendling wird von einem privaten Investor, dem Umschlagzentrum Großmarkt München (UGM), so ausgebaut, dass 15-mal mehr Arbeitsplätze dort sein werden als heute, wo etwa 400 Beschäftigte dort tätig sind. Insgesamt werden in der Halle 1500 Mitarbeiter arbeiten, in den Büros darüber 3000 neue Beschäftigte plus die Bewohner von 1600 Wohnungen. Das wird entsprechend mehr Verkehr verursachen. Der BA Sendling forderte deshalb die Möglichkeit eines späteren Gleisanschlusses und einen massiven Ausbau des ÖPNV. Der riesige Baukörper ist bis zu 68 Meter hoch: Deshalb befürchten die Lokalpolitiker auch eine Verschattung.2

Großmarkthalle im Stadtrat gebilligt. Auf dem 26 Hektar großen Gelände soll ein privater Investor die neue Großmarkthalle errichten, dazu neue Gewerbeflächen und Wohnungen.3

Neubauten auf dem Planungsgebiet von 26 Hektar: Großmarkt-Areal, Neue Markthalle mit Bürokomplex, Viehhof-Areal, Neubau Volkstheater für fast 140 Mill. Euro am Viehhof, hierher kommen auch noch 600 Wohnungen, Interimsquartier Gasteig. 1600 städtische Wohnungen für etwa 3000 Bewohner mit Läden und Gewerbe. An der Schäftlarnstraße entsteht ein bis zu 68 Meter hohes Gebäude mit zwei unter- und drei überirdischen Stockwerken für den Großmarktbetrieb und dessen Verkehr. Darüber ein Bürokomplex mit 55.000 qm für 3000 Beschäftigte. Anfang April 2020 kündigte eine Bürgerinitiative „Großmarkt-Areal“ wegen des zunehmenden Verkehrs und Lärms Widerstand an.4

BI „Großmarktareal mitgestalten“ informiert. Am 24.9.2020 informierte die neue BI, die mehr Bürgerbeteiligung fordert, mit 50 bis 60 Mitwirkenden in der Veranstaltung „Sendling setzt Segel“ auf der Alten Utting. Der Neubaukomplex hat oberirdisch über 200.000 qm; seine Büroblöcke haben bis zu 68 Meter Höhe. Am 24.9. wird Architekt Frederik Werner vom Büro Henn den Bau erklären. Der Münchner Matthias Castorph, Professor in Kaiserslautern, wird über städtebauliche Ziele (und ihre Verfehlungen) reden. Der Münchner Architekt und Verleger Franz Schiermeier wird über die Funktionen des Großmarkts für Stadthygiene und Daseinsvorsorge sprechen – und über die Gefahr, ihn in private Hände zu übergeben.5

Eröffnung verschoben. 2027 sollte die neue Großmarkthalle ihren Betrieb aufnehmen: Daraus wird 2030. Investor UGM gab sich erstaunt. Geschäftsführer Hans Buchhierl sieht bei der Stadt die Schuld an der Verzögerung, da diese durch die drei Jahre für die Baurechtsbeschaffung entstanden sei; die Bauzeit würde nach wie vor sieben Jahre betragen. Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) zufolge wollte der Investor die Folgen der Corona-Pandemie bezüglich der Wirtschaftlichkeit der Büroflächen überprüfen. Frank gilt als aktive Propagandistin der privaten Investorenlösung und hatte 2017 einen Umzug in die neue Großmarkthalle bis 2021 angekündigt.6

Privater Investor von privatem Investor gesucht? Die Firma Umschlagzentrum Großmarkt München (UGM) sollte als privater Investor den Neubau der Großmarkthalle plus darüber gebautem Bürogebäude durchziehen. Nun, Anfang Dezember 2020, wird im Münchner Stadtrat diskutiert, wann die UGM einen Investor findet, warum UGM noch keine Gutachten u. a. zu Lärm und Verkehr in Auftrag gegeben hat, warum so viel mehr Büroflächen (65.000 qm) als vom Stadtrat geplant (55.000 qm) vorgesehen sind. Das Planungsreferat forderte erst einmal Kommunalreferat und Investor zum Abschluss des Erbpachtvertrages auf. Das Kommunalreferat verwies darauf, dass der Investor angesichts der Corona-Pandemie das ganze Projekt kritisch geprüft und erst im Oktober 2020 erklärt habe, es weiterzutreiben. Geschäftsführer Hans Buchhierl erklärte Anfang Dezember 2020, dass UGM weitere Investoren suche. Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) hat aufgrund des mangelhaften Bauzustands bis 2027 an die 30 Millionen Euro für die Überbrückung in der alten Halle eingestellt.7
Wetten dass …? Die UGM bald draußen ist und ein externer Investor die maximalen Profite aus dem aufgeblähten (und reichlich hässlichen) Bauprojekt herausholt.

Chronologie der gescheiterten Pläne. Der bisherige Betreiber der Hallen, UGM, hatte 2018 einen Plan vorgestellt, das Areal in Erbpacht zu übernehmen und die Neubauten für den Großmarkt zu errichten: Zur Querfinanzierung sollte ein Bürokomplex mit bis zu 70 Meter Höhe für 2000 bis 3000 Arbeitsplätzen auf dem Areal entstehen. Anfang 2019 hat der Stadtrat zugestimmt. 2020 hat UGM das Vorhaben erst einmal gestoppt, um eine Bewertung der Machbarkeit und der Wirtschaftlichkeit vorzunehmen. Eine neue Geschäftsführung des UGM stellte fest, dass die finanziellen Mittel nicht ausreichten und leitete dann Gespräche mit einem Investor ein, dessen Name aber nicht bekannt gegeben wurde. Nicht einmal OB Dieter Reiter wusste angeblich, wer es war. (Später stellte es sich heraus, dass es sich um die Büschl Unternehmensgruppe handelt.) Laut Frank müssten 2022 über 10 Millionen Euro und bis 2024 insgesamt rund 30 Millionen Euro in die maroden Gebäude gesteckt werden. Vor 2030 wird eine neue Großmarkthalle nicht in Betrieb gehen. OB Dieter Reiter forderte nun bis März 2022 konkrete Aussagen.8

Konzept von 2016. Stadträtin Brigitte Wolf (Die Linke) verwies auf ein vom Kommunalreferat vor fünf Jahren erstelltes Konzept für den Neubau der Großmarkthalle durch die Stadt selbst, das von der damaligen rot-schwarzen Koalition verworfen wurde: Sie wählte stattdessen das Investorenmodell im Erbbaurecht. Auch die grüne Fraktionsvorsitzende Anna Hanusch bedauerte das Ende dieses Konzeptes. Der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Alexander Reissl (CSU) nannte als Grund für das Ende der eigenen Pläne angeblich befürchtete Nachteile für die Händler.9

November 2021: Büschl regiert durch. Mit CA Immo zerstört und bebaut die Büschl Unternehmensgruppe den Eggarten (2000 Wohnungen), mit der Eckpfeiler-Immobiliengruppe das Kirsch-Gelände (1300 Wohnungen), den Truderinger Acker (820 Wohnungen), zwei Hochhäuser an der Paketposthalle plus Nebengebäude (1100 Wohnungen, 3000 Arbeitsplätze) usw. Bei den Hochhaus-Plänen droht Ralf Büschl ein Rats- oder Bürgerentscheid.
Nun steigt er in die Großmarkthalle als Investor ein. Nachdem die rot-schwarze Stadtratskoalition 2018 eigene Baupläne der Stadt gestoppt hatte, wollte das Umschlagzentrum Großmarkt München (UGM) investieren – und übernahm sich. Das aufgeblähte Projekt umfasste nicht nur eine notwendige Markthallenerneuerung, sondern 65.000 qm Bürofläche (2000 bis 3000 Arbeitsplätze). Nun stieg Büschl ein und machte sich dadurch noch unabkömmlicher. Sein Druckmittel zur Durchsetzung der Büschl-Hochhäuser wird noch stärker.10

Büschl braucht und will keinen Wettbewerb. Münchens Großinvestor Ralf Büschl will seit Langem keinen städtebaulichen Wettbewerb für seine Hochhäuser auf dem Paketpost-Areal. Nun stieg er Anfang November 2021 in das vor sich hin dümpelnde Großmarkthallen-Projekt ein, übernahm die Anteile des UGM und verkündete in einer nichtöffentlichen Sitzung des Großmarkthallen-Beirats, dass er auch hier – mit dem Sachzwang Zeitnot – keinen Architektur-Wettbewerb will und dass das Großprojekt bei den Büros des Oberbürgermeisters und seiner zwei Stellvertreterinnen koordiniert werden soll. Die Planer von Büschl haben die Verkehrsflächen reduziert und dadurch Platz für eine bislang nicht geplante Nutzung für Wohnen und Hotel frei gemacht. Die Büschl Unternehmensgruppe teilte mit, dass das Kommunalreferat im ersten Quartal 2022 einen Zwischenbericht mit Terminplanung vorlegen wird. Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) lobte den „renommierten Investor“. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen (und künftige Baureferentin), Anna Hanusch, sieht den Zwischenbericht als Entscheidungshilfe, ob die Stadt das Großmarkthallen-Projekt dem Investor überlässt oder es in Eigenregie betreiben wird. Stadtrat Stefan Jagel (Die Linke) übte Kritik am Investoren-Modell: „Wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt und unter Druck gesetzt, keinen Wettbewerb zu machen.“ Richard Progl (Bayernpartei) verwies auf den Beschluss der damaligen rot-schwarzen Koalition aus dem Jahr 2018, das Projekt in fremde Hände zu geben; die neue Großmarkthalle wäre schon fertig, wenn die Stadt sie selbst gebaut hätte.11 Zur Erinnerung: Bereits 2016 stellte die Stadt den ersten Entwurf für eine neue Großmarkthalle vor.12
Heiner Effern kommentierte dazu in der SZ: „Routiniert wie er ist, hält er der Stadtpolitik neben einem garantierten Zeitraum für die Fertigstellung noch ein zweites Leckerli vor die Nase: Zu den bisher geplanten Büroflächen sollen nun auch viele, in der Stadt stets ersehnte Wohnungen entstehen. (…) Nicht das Planungsreferat soll das Sagen haben, sondern bei den Bürgermeister-Büros soll das Projekt anhängig sein. . (…) Das Risiko, sich dem Unternehmer, dem auch noch ein zweites wichtiges Areal wie die Paketposthalle gehört, zu sehr auszuliefern, ist enorm hoch.“13
Deshalb macht Büschl auch noch das Projekt Großmarkthalle. Damit die Stadt so abhängig von ihm wird, dass sie auch seine Hochhäuser durchwinken muss.
Die Vorgänge um die Büschl-Hochhäuser und jetzt das Büschl-Projekt Großmarkthalle – vorbei an der Stadtplanung sowie an städtebaulichen Wettbewerben -, offenbart auch ein seltsames Demokratieverständnis. Man könnte fast vermuten: gar keines. Wem gehört die Stadt München? Den Investoren & Co. Und warum? Weil die Stadt alles dafür tut.
Moloch München – Eine Stadt wird verkauft.

EU-weite Ausschreibung nötig? Durch die Übernahme das UGM durch die Büschl Unternehmensgruppe aus Grünwald stellte sich für das Kommunalreferat in einer Beschlussvorlage für den 31.3.2022 nun die Frage, ob dieses Bauprojekt europaweit ausgeschrieben werden muss. Den zweiten Teil der Beschlussvorlage wird Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) am 27.4.2022 dem Stadtrat vorlegen. Zur Rekapitulation: 2019 hatte der Stadtrat die Vergabe eines städtischen Grundstücks an die UGM in Erbpacht beschlossen (siehe oben). Seit 2020 herrschte mehr oder weniger Stillstand. Im Oktober 2021 forderte OB Dieter Reiter einen Plan vom Kommunalreferat bis Ende des ersten Quartals 2022, wie es weitergehen solle. Kurz danach, im November 2021, gab Büschl bekannt, dass seine Unternehmensgruppe das UGM kaufen wird. Statt Büroflächen sollten nun auf dem Dach der Großmarkthalle Wohnungen entstehen. Frank sieht durch den Einstieg der Büschl Unternehmensgruppe vier zu erledigende Problembereiche, u. a. neue Erbbaurechtsverhandlungen, neues Baurecht durch ein (langwieriges) Bebauungsplanverfahren, einen städtebaulichen Vertrag und dann die eigentliche Bauphase. Hinzu kommt der Konflikt zwischen der Wohnbebauung und dem Lärm der Großmarkthalle mit dem Lieferverkehr darunter.14
Dazu aus einem Kommentar von Sebastian Krass in der SZ: In der Sitzung des Kommunalausschusses am 31.3.2022 bzw. in der Vollversammlung sollte der Stadtrat „die Investorenlösung für den Neubau abblasen und das Projekt zurück in die Hände der Stadt legen.“ Die neue Rechtslage der eventuellen EU-weiten Ausschreibung „schafft ein Prozessrisiko und damit eine bedenkliche Unsicherheit. (…) Zudem müssten die Verbbaurechtsverhandlungen mit dem Investor neu starten. (…) Beim Großmarkt kommt hinzu, dass der Zeitdruck die Verhandlungsposition der Stadt schwächt.“15

Heller & Partner: alles zulässig. Die Büschl Unternehmensgruppe hatte im November 2021 die UGM übernommen. Zur Prüfung einer eventuell nötigen EU-Ausschreibung äußerte Stephan Heller der von Büschl eingeschalteten Agentur Heller & Partner im Namen der Firma Büschl: „Wir haben sorgfältig geprüft. Nach unserer Einschätzung ist unsere Firmenübernahme zulässig.“ Und zu den von Büschl geplanten Wohnungen auf dem Areal der Großmarkthalle sagte Heller: „Wir glauben, dass dieser Standort Wohnungen gut vertragen kann. (…) Aus unserer Sicht sind alle rechtlichen Fragen gut lösbar. Unkalkulierbare Risiken gehen wir natürlich nicht ein.“16

Investor oder nicht Investor. Die Fraktionsvorsitzende von Grünen/Rosa Liste, Anna Hanusch, äußerte am 31.3.2022 im Stadtrat ihre Zweifel, ob man einem privaten Investor das Projekt Großmarkthalle übergeben solle. Sie hält die Grundsatzentscheidung der damaligen rot-schwarzen Koalition zugunsten des Bauherrenmodells immer noch für falsch. Nach dem Scheitern der UGM hat Büschl das Unternehmen übernommen und wollte die Stadt mit der Planänderung ködern, auf dem Dach keine Büroflächen, sondern Wohnungen zu errichten. Am 27.4.2022 wird der Stadtrat entscheiden, ob ein Investor oder die Stadt selbst die Pläne weitertreibt. Außerdem warte man noch auf das Rechtsgutachten des Kommunalreferats zur Frage der europaweiten Ausschreibung. Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) vertritt nach wie vor vehement die Investorenlösung. Das Neubau-Grundstück sei bis 2034 an die UGM verpachtet, somit hätte die Stadt keinen Zugriff.
Vermutlich hat die Büschl Unternehmensgruppe genau aus diesem Grund die UGM übernommen: Entweder man kann die Stadt damit blockieren und die eigenen Pläne durchsetzen – oder eine horrende Ablöse des Pachtvertrages kassieren.
Investor Ralf Büschl sieht alle rechtlichen Fragen als gut lösbar an. Die Zahl der Wohnungen will er nicht in der Öffentlichkeit, sondern mit der Stadt diskutieren. Die Fertigstellung bis 2030 sieht er auf „sportlichem Weg“ als machbar an.17
Dazu aus einem SZ-Kommentar von Tom Soyer: „Inzwischen wird offenbar auch schon der Sinn einer öffentlichen Ausschreibung dadurch unterlaufen, dass diese Ausschreibung sich nicht um Chancengleichheit schert und maßgeschneiderte Elemente enthält für die Büschl-Gruppe: Die spezielle Wohnbau-Gewerbe-Kombination der bisherigen Büschl-Entwürfe ist da ebenso bereits zugrunde gelegt für Bewerber wie eine millionenschwere Ablösungsklausen für die bestehenden Hallen, die genau jenem einen Investor in die Karten spielt.“18

Stadtwerke wollen das Areal nutzen. Die SWM haben in einem Papier Interesse am Areal der Großmarkthalle bekundet. Direkt gegenüber besitzt die SWM bereits den Grund des Heizkraftwerks Süd. OB Dieter Reiter (SPD) und die dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) waren im Gegensatz zum Stadtrat informiert. Dieser wird am 27.4.2022 mit dem Vergabeprozess beginnen. Für die SWM ist das Areal „eine sehr attraktive Fläche in der Innenstadt“ für benötigte Flächen durch die Verkehrs-, Energie und Wärmewende. SPD-Fraktionsvorsitzender Christian Müller bemängelte das späte Interesse der SWM. Die Stadt kann auch an ihr Tochterunternehmen SWM das Areal nicht direkt vergeben, da zwei Hallen bis 2037 an die UGM (heute Büschl-Gruppe) verpachtet sind, die eine Abstandszahlung von bis zu 8,9 Millionen Euro erhalten würde. Die CSU-Fraktion war gegen den Einstieg der SWM, Die Linke/Die Partei und ÖDP/München-Liste möchten den Neubau wieder durch die Stadt organisiert sehen.19

Stadtrat beschließt Ausschreibung. Am 27.4.2022 beschloss der Stadtrat mit großer Mehrheit eine europaweite Ausschreibung des Baus der Großmarkthalle. Damit folgte er der nichtöffentlichen Beschlussvorlage des Kommunalreferats (siehe oben). Der Neubau soll bis 2030 fertiggestellt sein. Die europaweite Ausschreibung wurde durch den Einstieg der Büschl Unternehmensgruppe bei der UGM nötig, die eine direktvergabe verunmöglicht. Der Bayerische Fruchthandelsverband präferiert weiterhin einen Neubau durch die Stadt, ebenso die Stadtratsfraktionen von Die Linke/Die Partei und ÖDP/München-Liste. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anna Hanusch will bei der privaten Partnerschaft bleiben, ebenso Alexander Reissl (CSU) und Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU), die den städtischen Eigenbau als „untaugliche Halle“ abqualifizierte. Richard Progl (Bayerpartei) zufolge wäre die neue Großmarkthalle mit dem ursprünglichen Plan der Stadt als Bauherrin bereits seit zweieinhalb Jahren fertig.20
Heiner Effern machte in der SZ eine kurze Rückschau. Am 20.5.2010 (!) beschloss der Stadtrat den Neubau der Großmarkthalle an der Schäftlarnstraße: CSU, Grüne, Linke und ÖDP erzwangen gegen die SPD die Neubaupläne. 2017 legte das Kommunalreferat einen Entwurf vor, der ein Kostenvolumen von 160 Millionen Euro vorsah. SPD und CSU lehnten diesen ab. Dann wurde ein privater Investor gesucht und (vermeintlich) in der UGM gefunden, in die sich dann die Büschl-Gruppe Ende 2021 eingekauft hat.21

Baumgärtner will einen Umzug. Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) rückte jetzt vom Büschl-Plan mit Großmarkthalle plus Huckepack-Wohnungen ab. Baumgärtner bezeichnete das 26 Hektar große Grundstück als „Filetgrundstück in städtischem Eigentum“, auf dem man viel bezahlbaren Wohnraum schaffen könne. Damit stellte er sich gegen Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU), die für die Großmarkthalle zuständig ist und einen Neubau an der Schäftlarnstraße befürwortet. Ihr Referat hatte einen europaweiten Wettbewerb für den Großmarkt-Neubau ausgeschrieben, dessen erste Ergebnisse Ende Juli 2022 im Stadtrat nichtöffentlich diskutiert werden sollen. Als Interessenten gelten die Büschl Unternehmensgruppe und die Stadtwerke München, die dort eventuell einen Busbahnhof planen. Baumgärtner wird das Problem haben, einen Alternativ-Standort für die Großmarkthalle im Münchner Stadtgebiet zu finden. Er deutete Überlegungen mit dem Messegelände Riem oder Langwied im Münchner Westen an. Peter Bigelmaier vom Immobilienberater Colliers hält es für möglich, die Großmarkthalle auf einem neuen Standort in fünf Jahren zu errichten. Auf dem bisherigen Areal in Sendling könnte Wohnbaurecht geschaffen werden: Da stünde schon die Büschl Unternehmensgruppe bereit, die mit der Übernahme der UGM ein Erbbaurecht über 15 Jahre hat und sich dieses notfalls ablösen lässt.22

CSU gegen CSU-Wirtschaftsreferenten. Die Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) soll erbost gewesen sein über den Vorschlag ihres Kollegen Baumgärtner, einen Großmarkt-Neubau am Stadtrand zu planen. Das Kommunalreferat hatte gerade seine europaweite Ausschreibung für den Bau der neuen Großmarkthalle an der Schäftlarnstraße abgeschlossen. (Aus der die Büschl Unternehmensgruppe als einziger Anbieter hervorgehen wird; siehe unten.) Frank will Ende Juli in Abstimmung mit dem Planungsreferat eine Entscheidungsempfehlung für den Münchner Stadtrat vorlegen. Auch CSU-Fraktionsvorsitzender Manuel Pretzl favorisiert die Vorgehensweise von Frank.23

Phoenix aus der Asche der Großmarkthalle. Am 28.7.2022 traf sich der Stadtrat zu einer nichtöffentlichen Sitzung. Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) benannte die Büschl Unternehmensgruppe als Interessenten für das Großmarkthallen-Projekt. Die Stadt würde an diese ein Grundstück auf dem Großmarkt-Areal in Erbbaurecht auf 60 Jahre abtreten und Büschl einen Großmarkt-Komplex plus Wohnungen darüber bauen. Allerdings kann die Stadt den Konzessionsvertrag nur auf 30 Jahre abschließen: Danach würde „die Verpflichtung zum Betrieb des Großmarkts“ entfallen, so Frank. Der Investor Büschl Unternehmensgruppe könne dann über Gebäude und Flächen frei verfügen, vulgo den Großmarkt auch schließen.
Laut Frank waren von sechs potentiellen Bewerbern auf der europaweiten Vergabeplattform zwei Bewerber übrig geblieben. Die Anwaltskanzlei, die im Auftrag der Stadt das Vergabeverfahren durchgeführt hat, überprüfte auch die Eignungskriterien selbst und erklärte die Büschl Unternehmensgruppe zur einzigen Bewerberin, welche die Kriterien erfülle. Unklar blieb eine mögliche Bewerbung der SWM. Fraglich sind die Fertigstellung bis 2030 und die Gestaltung der neuen Mietverträge zu niedrigen Konditionen.24
Ist das nicht merkwürdig: dass die mit der Ausschreibung beauftragte Anwaltskanzlei auch gleich den – einzigen – Sieger kürt?

Städtischer Werbetext für Büschl. Am 17.8.2022 trafen sich 30 bis 40 Händlerinnen und Händler der Großmarkthalle mit Ralf Büschl und seinem Geschäftsführer Frank Jainz, um die Pläne der Büschl Unternehmensgruppe vorzustellen. Viele Händler reagierten skeptisch bezüglich des Fertigstellungstermins 2030 und den versprochenen niedrigen Standmieten. Zudem seien viele der heute aktiven Händlerschaft bis dahin in Rente. Außerdem wurde Befürchtungen geäußert bezüglich der aufgestellten Kalkulation. Falls diese nicht aufgehe, könne Büschl die Stadt unter Druck setzen und etwa eine Senkung des Erbbauzinses oder eine Subvention der Standmieten verlangen. Das Kommunal- und das Planungsreferat sollen bis zur Stadtratssitzung im Januar 2023 die Rahmendaten zusammentragen. Im Protokoll eines Jour fixe mit den Händlern schrieb das Kommunalreferat: „Aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit, der fachlichen Eignung und der nötigen Großmarktexpertise erfüllt die Büschl-Gruppe alle Anforderungen zur Umsetzung des Projekts Neubau Großmarkthalle.“25
Wohlgemerkt: Das steht nicht in einem Prospekt der Büschl Unternehmensgruppe für Investoren, sondern ein einem offiziellen Protokoll des Kommunalreferats. Es kann also so gut wie überhaupt nichts mehr schiefgehen!

Büschl plant um. Als einzige Investor für die Großmarkthalle (und damit einer entsprechenden Gestaltungsmacht) ist nach einer europaweiten Ausschreibung die Büschl Unternehmensgruppe übrig geblieben. Größere Büro- und Wohnungsflächen, kleinerer Großmarkt: Das wird wohl das Konzept der Büschl Unternehmensgruppe. Laut Planungsreferat könnten 57.000 bis 67.000 qm Wohnfläche (600 bis 700 Wohnungen) entstehen: davon die Hälfte gefördert bzw. preisgedämpft und einer Bindungsfrist von 40 Jahren. Da Grund und Boden der Stadt gehören, dürften hier nur preisregulierter Wohnraum entstehen: „Die 50 Prozent frei finanzierter Wohnungen sind ein Zugeständnis an den Investor, der mit dem Großmarkt-Projekt Geld verdienen will.“ Für Büronutzung plant die Büschl Unternehmensgruppe maximal 46.000 qm ein (das entspricht etwa 2500 Arbeitsplätze). Nicht mehr eingeplant sind heutige 220.000 qm Geschossfläche für den Großmarkt. Hier geht die Verwaltung von maximal 80.000 qm aus. Die Büschl Unternehmensgruppe wird bis 14.6.2023 ein Angebot für die Bebauung vorlegen, über das der Stadtrat nach der Sommerpause entscheiden wird. Der Erbbaurechts-Vertrag soll über 60 Jahre laufen. Der neue Großmarkt soll dann voraussichtlich 2030 fertiggestellt sein, danach käme der Bau von Wohnungen und Büroraum. Wieder erhebt sich (wie beim Investorenprojekt Gasteig) die Frage, ob die Büschl Unternehmensgruppe den nötigen hohen dreistelligen Millionenbetrag überhaupt aufbringen kann.26

Büschl steckt zurück. Die Pläne der Büschl-Unternehmensgruppe für die Großmarkthalle werden abgespeckt. Angekündigt waren 600 bis 700 Wohnungen und Büroraum für rund 2500 Beschäftigte auf dem Dach der Großmarkthalle. Nun bleibt eine reine Großmarkthalle übrig. Als Gründe nennt der Investor die Inflation, gestiegene Baukosten und die Vorgabe der SoBoN (50 Prozent vergünstigte Wohnungen, gefördert bzw. preisgedämpft). Das Planungsreferat will die neuen Pläne schnell prüfen und dem Stadtrat vorlegen. Die Fraktion ÖDP/München-Liste fordert eine Neuausschreibung. Die grüne Fraktion war überrascht: Sie hatte auch nie die Investorenlösung bevorzugt.27
Sebastian Krass stellte in der SZ angesichts der nichtgehaltenen Versprechungen bei der Großmarkthalle die anderen München-Projekte Eggarten und Paketposthalle von Ralf Büschl in Zweifel: „Nun muss er sich die Frage gefallen lassen, wie viel seine Versprechungen bei anderen Projekten wert sind.“28

  1. Dürr, Alfred, Schönheitskur für den Bauch von München, in SZ 29.5.2010 []
  2. Lotze, Birgit, Hoch und dicht, in SZ 25.3.2020 []
  3. Stadtrat schiebt Großprojekte an, in SZ 9.4.2020 []
  4. Effern, Heiner, Krass, Sebastian, Es wird spannend im Süden, in SZ 14.4.2020 []
  5. Lotze, Birgit, Fremdkörpergefühl, in SZ 23.9.2020 []
  6. Effern, Heiner, Krass, Sebastian, Zoff um die neue Großmarkthalle, in SZ 5.12.2020 []
  7. Effern, Heiner, Krass, Sebastian, Große Halle, große Probleme, in 10.12.2020 []
  8. Krass, Sebastian, Reiter stellt Ultimatum für Neubau der Großmarkthalle, in SZ 28.10.2021 []
  9. Krass, Sebastian, Bau in Eigenregie oder mit Investor? in SZ 29.10.2021 []
  10. Krass, Sebastian, Büschl greift nach der Großmarkthalle, in SZ 6.11.2021 []
  11. Krass, Sebastian, Wie die neue Großmarkthalle aussehen soll, in SZ 24.11.2021 []
  12. Hertel, Christina, Großmarkt: Neuer Investor ist fix – Büschl übernimmt!, in Abendzeitung 24.11.2021 []
  13. Effern, Heiner, Großmarkthalle  – Chance und Risiko, in SZ 24.11.2021 []
  14. Krass, Sebastian, Neue Probleme bei der Großmarkthalle, in SZ 29.3.2022 []
  15. Krass, Sebastian, Zurück in die Hände der Stadt, in SZ 31.3.2022 []
  16. Steinburg, Eva von, Neustart für die Großmarkthalle in Sendling? in abendzeitung-muenchen.de 30.3.2022 []
  17. Krass, Sebastian, Ein gewagtes Projekt, in SZ 1.4.2022)

    Eine Fehlkalkulation? Die Büschl-Unternehmensgruppe hat Ende 2021 zu Teilen das Umschlagzentrum München (UGM) übernommen und plant nun den Neubau der Großmarkthalle. Nun schritt das Kommunalreferat aufgrund eines in Auftrag gegebenen nicht-öffentlichen Rechtsgutachtens ein. Da das UGM in München als Großmarkt eingeführt war, hätte der Neubau direkt an das UGM vergeben werden können. Nun gehört das UGM zu Büschl: Damit muss der Neubau europaweit ausgeschrieben werden.  Am 27.4.2022 wird der Stadtrat über die Vergabe entscheiden. Falls sich weitere Investoren für das Projekt interessieren, könnte eine öffentliche Ausschreibung vor Gericht eingeklagt werden. Nun steht die Stadt vor der Situation wie 2017: Damals war der Neubau in städtischer Hand vorgesehen. Die rot-schwarze Koalition hatte sich damals für das Investorenmodell entschieden. Der Zeitdruck wird beträchtlich. Ein interessierter Neuinvestor sollte laut Kommunalreferat einen Mindestumsatz der letzten drei Jahre von 150 Millionen Euro nachweisen können, vollendete Großprojekte von 200.000 qm Geschossfläche, Erfahrung mit Großmärkten. Falls sich niemand bewirbt, könnte wiederum die Stadt „freihändig“ vergeben werden. Die Zeitdauer dieser neuen Ausschreibung könnte bis zu 16 Monate dauern. Das UGM hat Flächen bis zu zehn Jahren gepachtet. Falls die Büschl Unternehmensgruppe diese Flächen vorher freigibt, bekommt sie über das Kommunalreferat bis zu 8,9 Millionen Euro, die ein potentieller Investor tragen müsste. ((Krass, Sebastian, Alles auf Anfang, in SZ 23.4.2022 []

  18. Soyer, Tom, Zu wichtig für Privatisierung, in SZ 25.4.2022 []
  19. Effern, Heiner, Hoben, Anna, Krass, Sebastian, Stadtwerke interessieren sich für Großmarkthalle, in SZ 26.4.2022 []
  20. Hoben, Anna, Ausschreibung für Münchens größten Marktplatz, in SZ 28.4.2022 []
  21. Effern, Heiner, Schwer verdauliches Desaster, in SZ 28.4.2022 []
  22. Krass, Sebastian, Soll die Großmarkthalle an den Stadtrand ziehen?, in SZ 21.7.2022 []
  23. Krass, Sebastian, CSU sagt Nein zu Umzugsplänen für Großmarkthalle in SZ 22.7.2022 []
  24. Krass, Sebastian, Nur ein Investor bleibt im Rennen um die Großmarkthalle, in SZ 29.7.2022 []
  25. Krass, Sebastian, Händler zweifeln an Plänen für neue Großmarkthalle, in SZ 19.8.2022; Hervorhebung WZ []
  26. Krass, Sebastian, Der Großmarkt soll schrumpfen, in SZ 27.1.2023 []
  27. Effern Heiner, Krass, Sebastian, Wohl doch keine neuen Wohnungen am Großmarkt, in SZ 28.6.2023 []
  28. Krass, Sebastian, Ein Schlag für die Glaubwürdigkeit, in SZ 28.6.2023 []
Objekt-Nr. 31600

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