Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Truderinger Acker

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Aktualisiert 31.12.2022

Landwirtschaft raus, Wohnungen drauf. Bisher wurde das Areal mit rund 8,3 Hektar südlich der Truderinger Straße und westlich der Roßsteinstraße in Berg am Laim landwirtschaftlich und vom ESV München Ost als Fußballplatz genutzt: 6 Hektar gehören Privaten, der Rest der Stadt. Die Fußballer ziehen ums Eck. Das Areal soll mit rund 750 Wohnungen mit zum Teil achtstöckigen Gebäuden von den beiden Eigentümern, der Park Immobilien Projekt Truderinger Straße GmbH & Co. KG und einer Familie, bebaut werden. Die Stadtratsvorlage misst dem bisherigen Acker eine „sehr hohe bioklimatische Bedeutung“ bei. Das Planungsreferat kann sich auch „gegebenenfalls mehr als 750“ Wohnungen vorstellen. [1]

Einstimmiger Beschluss. Der Planungsausschuss des Stadtrats hat den Genehmigungsprozess zur Bebauung des Truderinger Ackers und des Fußballplatzes mit 750 oder mehr Wohnungen einstimmig beschlossen. Damit wird der Flächennutzungsplan geändert und ein Bebauungsplan aufgestellt. Was den Planungsausschuss begeisterte: Der bisher unterirdisch laufende Hachinger Bach soll offengelegt werden. Weniger gut kamen bei den Grünen die geplanten achtstöckigen Wohnhäuser an. Sie möchten außerdem weniger Autoverkehr zulassen und einen forderten einen Jugendtreff: Dies fand keine Mehrheit. [2]

Kritik am Konzept. Auf der Erörterungsversammlung zur Bebauung des Ackers an der Truderinger Straße in Berg am Laim gab es viele kritische Stimmen. Die Zahl des Investors von 860 Wohnungen solle auf die vom Planungsreferat zunächst genannte Zahl von 750 und die Geschossfläche von 80.000 qm reduziert werden. Der BA forderte nun einige Reduzierungen an der Ostkante und bei den Geschossen. Das 15-stöckige Hochhaus sollte auf acht Stockwerke reduziert werden. Der Vorsitzende des BA 14 Berg am Laim, Robert Kulzer (SPD), begrüßte grundsätzlich die Bebauung des Ackers, da damit auch drei neue Kitas und der Ausbau von Radwegen und Gehwegen geplant seien, ebenso die teilweise Offenlegung des Hachinger Bachs. [3]

Bund Naturschutz lehnt ab. Die BN-Kreisgruppe München lehnte die Bebauung ab. Der Vorsitzende Christian Hierneis kritisierte die Umwandlung des Ackers in Wohnbebauung als Verlust einer „unersetzbaren landwirtschaftlichen und klimarelevanten Fläche“. Der BN-Geschäftsführer Rudolf Nützel betonte die Bedeutung des letzten Ackers in Berg am Laim und warnte vor Hitzetagen und Tropennächten; dazu gäbe es durch die Wohnbebauung 3000 zusätzliche tägliche Fahrten. Bei Straßenerweiterungen seien die Alleebäume an der Truderinger Straße in Gefahr. Die Freilegung des Hachinger Baches sei bereits 2012 von der Stadt verbindlich geplant worden. [3]

Der BA Berg am Laim lehnt Neubaugebiet ab. Für das geplante Neubaugebiet der Büschl-Gruppe auf dem 6,8 Hektar großen Acker an der Truderingerstraße/Roßsteinstraße mit mehr als 800 Wohnungen wird die Bebauung vom BA abgelehnt. Nun hat auch der Planungsausschuss den eigentlich für März 2020 geplanten Billigungsbeschluss erneut verschoben auf 1.7.2020. Befürchtet werden Verschattungen, eine Störung der Frischluftzufuhr und Verkehrsprobleme. [4]

Stadtrat stimmt – natürlich – zu. Am 1.7.2020 stimmt der Stadtrat gegen massive Einwände der Bebauung des Ackers mit 820 Wohnungen zu. Die Anwohner befürchten Verschattung durch zwei Hochhäuser mit 47 und 26 Metern, unlösbare Verkehrsprobleme mit Schleichverkehr durch die Hansjakob- und Roßsteinstraße, Hitzestau und nicht zuletzt eine veränderte Sozialstruktur durch hohe Mieten in den oberen Etagen. [5] Dirk Höpner von der München-Liste wollte die Abstimmung bis zum Vorliegen eines Verkehrskonzeptes verschieben, er und Fabian Ewald (CSU) und Brigitte Wolf (Die Linke) waren die einzigen Gegenstimmen. Der neue BA-Vorsitzende Alexander Friedrich (SPD) stellte sich gegen die SPD-Stadträte und verwies auf den jetzt schon bestehenden täglichen Verkehrsinfarkt. [5]

Gewofag will einsteigen. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag will 200 schlüsselfertige Wohnungen aus dem Bauprojekt mit 820 Wohnungen am Truderinger Acker herauskaufen, das vom Investor Ralf Büschl mit einer lokalen Familie geplant wird. Die Gewofag würde dann genau den SoBoN-Anteil herauskaufen, an dem Investoren aufgrund der geringeren Rendite eher uninteressiert sind. [6]

Der Preis des Wachstums. 820 Wohnungen auf dem Truderinger Acker mit 86.000 qm, die Bebauung des Bogner-Geländes an der St.-Veit-Straße 4 mit Wohnungen auf dem 12.000 qm großen Areals: Nun forderte der BA 14 Berg am Laim ein neues Alten- und Service-Zentrum (ASZ), auch die Kinderbetreuung müsste ausgebaut werden und eine fünfte Grundschule würde benötigt. [7]
Nachtrag Dezember 2020: Dem widersprach das Planungsreferat: Die bestehenden Schulen werden ausgebaut. Das Neubaugebiet am Truderinger Acker ist seit Juli 2020 durch einen städtischen Billigungsbeschluss entschieden. [8]
Nachtrag Februar 2021: Das Areal mit 12.000 qm wurde von der Immobilienfirma UBM für 55 Millionen Euro gekauft, die dort Wohnungen bauen will. [9]
Nachtrag März 2021: UBM wird mit der österreichischen Firma Austrian Real Estate (ARE) das bisherige Firmenareal mit 28.000 qm der Spedition Ascherl an der Baubergerstraße 34 in Moosach entwickeln. [10]

Klimanotstand ausgerufen. Der BA Berg am Laim hatte Ende 2019 mit einer Mehrheit von SPD, Grünen und ÖDP einen Antrag des damaligen BA-Vorsitzenden Robert Kulzer (SPD) angenommen: „Berg am Laim erklärt den Klimanotstand und erkennt damit die Eindämmung der Klimakrise und ihrer schwerwiegenden Folge als Aufgabe von höchster Priorität an.“ [11] Ein Jahr später musste Kulzer feststellen, dass es kaum Chance gäbe, die Investoren für ein ökologisches Bauen auf dem Truderinger Acker zu interessieren. [12]
Kleine Notiz: 86.000 qm bisherige landwirtschaftliche Fläche werden durch ein Investorenprojekt mit 820 Wohnungen (und ein paar Grünflecken) versiegelt. Auch kein Beitrag zum Klimaschutz.

Büschl verkauft 200 Wohnungen an Gewofag. 820 Wohnungen will die Büschl-Gruppe an der Truderinger Straße bauen: Davon müssten nach den Vorgaben der SoBoN 40 Prozent (328 Wohnungen) gefördert entstehen. 200 Wohnungen werden vom Bauträger an die städtische Gewofag verkauft. Damit braucht die Büschl Unternehmensgruppe nur noch 128 Wohnungen nach SoBoN ausweisen. [13]

Keine Nachhaltigkeit. Der BA Berg am Laim wollte das neue Viertel weitgehend nachhaltig und klimaneutral gestaltet wissen. Das Planungsreferat sah hier für die Bauausführung kaum Spielraum; die Verträge mit dem Investor seien abgeschlossen. Bezüglich der SoBoN gäbe es einen ökologischen Kriterienkatalog, der z. B. Tropenholz und PVC verbietet. Eine Verwendung nachhaltiger Baustoffe könne nicht vorgeschrieben werden, und die Gewofag kaufe die 200 Wohnungen schlüsselfertig. Das Truderinger Feld soll bis 2030 bebaut sein. [14]

Juli 2021: Hochhäuser in Berg am Laim? Im Entwurf der Münchner Hochhausstudie von 03 architekten ist das Areal Baumkirchner Straße bis Schatzbogen als Zone III klassifiziert: Neue Gebäude können 150 Prozent höher sein als die benachbarten. In Ausnahmefällen werden Hochhäuser mit 80 Metern erlaubt. Nun haben für das Neubaugebiet mit 820 Wohnungen an der Truderinger Straße/Roßsteinstraße/Schwanhildenweg und Hachinger Bach 03 architekten den 1. Preis gewonnen. (DE-81673 München 04/2018 Ergebnis) Aus der Beurteilung durch das Preisgericht: „Die Höhenentwicklung des Gebäudes mit 15 Geschossen an diesem Ort wird im Preisgericht kontrovers diskutiert, ebenso die etwas zu rigide und geschlossene Gebäudeausführung entlang des Hachinger Baches.“ [15] [16] [17]

In Berg am Laim wird es enger. Die Bürgerversammlung in Berg am Laim: wird erstmals geleitet von Alexander Friedrich (SPD), da sein Vorgänger Robert Kulzer (SPD) in das Planungsreferat gewechselt ist. Aktuell hat Berg am Laim etwa 47.700 Bewohner. Bis 2040 hat das Referat für Stadtplanung und Bauordnung einen Zuwachs von 14 Prozent auf 54.350 Bewohner vorgesehen. Mit dazu beitragen wird der „Truderinger Acker“ mit 820 Wohnungen und rund 2000 Bewohnern. Der BA hat diese Größenordnung wegen dem ungenügenden Ausbau der sozialen Infrastruktur abgelehnt, auch Anwohner protestierten. [18]

CSU protestiert gegen Planungsreferat. Ein Hauptstreitpunkt ist das geplante Hochhaus am Eingang der Bebauung. Der Stadtrat hatte das Projekt im Sommer 2020 trotz der Kritik aus Berg am Laim genehmigt. Die Stadtteil-CSU wies nun die Bürger darauf hin, dass bis 8.10.2021 eine Stellungnahme abgegeben werden kann. Der CSU-Stadtrat und stellvertretende Vorsitzende des BA, Fabian Ewald, verwies auf die vergeblichen Versuche des BA, das Projekt auf ein „verträgliches Maß“ zu reduzieren: „Leider ignoriert das Planungsreferat fast alle Forderungen aus dem Stadtteil.“ [19]

Einsprüche bis 8.10.2021. Bebauungs- und Flächennutzungsplan wurden öffentlich ausgelegt. Fabian Ewald (CSU), forderte die Bürger des Stadtbezirks auf, Kritik zu üben. Der BA wollte das Neubaugebiet auf ein verträgliches Maß verkleinern, ist aber gescheitert, so Ewald: „Leider ignoriert das Planungsreferat fast alle Forderungen aus dem Stadtteil.“ [20]

820 Wohnungen in zwei Jahren. So sieht der Plan des Investors Büschl Unternehmensgruppe aus. Für 2000 Bewohner wird das Areal geplant, dazu sollen Kitas und ein kleines Geschäftszentrum gebaut werden. Am Südwestrand soll ein 15-stöckiges Hochhaus mit 47 Metern errichtet werden. Daneben ist eine Wiese, die vom Katholischen Siedlungswerk München GmbH (KSWM) der Erzdiözese München und Freising gepachtet wurde. Hier wünschen sich Anwohner seit vielen Jahren, dass der Hachinger Bach wieder frei fließen soll. Der Kirche gehören einige umliegende Grundstücke. Bei der LBK liegt hierfür ein Antrag auf Vorbescheid für den Neubau von Wohnungen vor. Der Sprecher des Projektentwicklers Büschl Unternehmensgruppe, Stefan Heller von Heller & Partner, äußerte: „Der genaue Zeitplan des Vorhabens an der Truderinger Straße hängt davon ab, wann Baurecht entsteht.“ [21]

820 Wohnungen. Das Stadtklima und das Verkehrsaufkommen waren ein Thema im Planungsausschuss des Stadtrats: Trotzdem wurde die Bebauung des Truderinger Ackers durch die Eigentümerfamilie Rothenfußer und der Büschl Unternehmensgruppe, die von ihr 50 Prozent gekauft hat, durchgewunken. Hier soll es 30 Prozent geförderte und zehn Prozent preisgedämpfte Wohnungen geben: Die Büschl Unternehmensgruppe hat 200 geförderte Wohnungen an die städtische Gewofag verkauft. Hier soll auch ein Hochhaus mit 15 Stockwerken entstehen vom büro 03.arc: das pikanterweise die Hochhausstudie für die Stadt verfasst und sich damit quasi das Baurecht selbst einplant. [22]

Fußnoten und Quellen

  1. Winkler-Schlang, Renate, Angst vor einer neuen Lawine, in SZ 2.10.2017
  2. Dürr, Alfred, Bauen auf dem Acker, in SZ 8.12.2017
  3. Winkler-Schlang, Renate, Acker-Bau reduzieren, in SZ 23.8.2018
  4. Neubaugebiet muss auf den Prüfstand, in SZ 29.5.2020
  5. Raff, Julian, Krass, Sebastian, Das große Pflügen, in SZ 2.7.2020
  6. Krass, Sebastian, Innovativer Immobiliendeal, in SZ 1.10.2020
  7. In die Jahre gekommen, in SZ 13.10.2020
  8. Start lehnt fünfte Grundschule ab, in SZ 18.12.2020
  9. Bogner verkauft Firmenzentrale, in SZ 2.2.2021
  10. Kramer, Lea, Wohnen statt nähen, in SZ 31.3.2021
  11. Raff, Julian, Symbolisches trifft auf Süffisantes, in SZ 4.12.2019
  12. Raff, Julian, Licht und Schatten, in SZ 17.11.2020
  13. Günstig wohnen auf dem Truderinger Acker, in SZ 20.1.2021
  14. Kramer, Lea, Weder nachhaltig noch klimaneutral, in SZ 27.5.2021
  15. https://www.competitionline.com/de/beitraege/158741
  16. https://www.immobilienreport.de/architektur/03-Architekten-Quartier-Truderinger-Straße.php
  17. Kramer, Lea, Wuchtiges in der Gartenstadt, in SZ 8.7.2021
  18. Kramer, Lea, Über den Acker zum Bach, in SZ 16.7.2021
  19. Kramer, Lea, Aufruf zum Einspruch, in SZ 25.9.2021
  20. Kramer, Lea, Aufruf zum Einspruch in SZ 21.9.2021
  21. Kramer, Lea, Ackern am Acker, in SZ 1.3.2022
  22. Krass, Sebastian, Stadt schafft Baurecht für mehr als 2000 Wohnungen, in SZ 10.11.2022
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