Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Baugenossen­schaften München

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Aktualisiert 13.9.2023

Die Idee des genossenschaftlichen Wohnungsbaus (wie auch des genossenschaftlichen Bankenwesens) geht auf Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818 -1888) zurück. Am 28.10.1871 wurde die Baugenossenschaft München von 1871 eG gegründet: Sie ist die älteste bestehende Wohnungsbaugenossenschaft Deutschlands.1

Zum Teil überschneiden sich die Begriffe Baugemeinschaft und Baugenossenschaft.

Oktober 1992: SPD will Baugenossenschaften fördern. 1871 wurde in München die „Bau- und Spargenossenschaft Arbeiterheim“ gegründet. In den 20er Jahren erlebten Baugenossenschaften einen Aufschwung. Ab dem Wohnungseigentumsgesetz von 1954 kamen sie ins Hintertreffen. Im Jahr 1992 wohnte jeder 20. Münchner Mieter in einer Genossenschaftswohnung: Man leistet gewisse Anfangszahlungen und erwirbt einen Anspruch auf eine lebenslange Wohnung: soweit eine verfügbar ist. So sind z. B. bei der „Baugenossenschaft Arbeiterheim Pasing“ mit 500 Mitgliedern bei Aufnahme als eine Art Bewerbung 1000 DM fällig: Wird eine Wohnung zugeteilt, werden noch einmal 3000 DM fällig.2

Juni 1994: Wogeno gegründet. Nach dem Schweizer Wogeno-Modell aus dem Jahr 1982 wurde 1993 in München die Wogeno gegründet, eine Wohngenossenschaft für selbstverwaltetes Wohnen. Die Wogeno kauft und baut Häuser auf Grund und Boden im Erbbaurecht, die genossenschaftlich verwaltet werden. Jedes Mitglied bezahlt einen Anteil von 3000 DM oder ein Vielfaches und hat damit Anspruch auf eine Wohnung, sofern eine verfügbar ist. Jeder Mieter erwirbt einen Anteil von 15 Prozent an seiner Wohnung, die in der Regel unkündbar ist.3 Stand heute: „Die WOGENO ist eine genossenschaftliche Dachorganisation für vielfältige und lebendige Wohnprojekte. Seit ihrer Gründung 1993 hat sie 21 Häuser mit rund 580 Wohneinheiten erworben oder neu gebaut. Das Genossenschaftsprinzip ermöglicht Mitgliedern aller Einkommensschichten ein spekulationsfreies und selbstbestimmtes Wohnen. Gemeinsam mit den Mitgliedern planen und realisieren wir weitere ökologisch und sozial geprägte Neubauvorhaben.“4

Wohnforum saniert Altbauten. Die gemeinnützige Gesellschaft Wohnforum München hatte 1995 als erstes Wohngebäude die Orleansstraße 65a saniert und modernisiert. Ihr zweites Projekt war der Altbau Brudermühlstraße 10. Das über hundert Jahre alte Vorderhaus ist fertiggestellt, das Rückgebäude wird im Herbst 1995 fertig. Hier lagen die Sanierungskosten bei 2000 DM pro Quadratmeter, beim Dachausbau bei 2800 DM. Die Mieten liegen bei 8,70 DM in den größeren und bei 9,50 DM in den kleineren Wohnungen. Weitere Projekte sind die Müllerstraße 16/16a und ein Haus an der Limesstraße. Gesellschafter des Wohnforums sind Kommunal- und Sozialreferat der Stadt, Caritas, Arbeiterwohlfahrt, Katholischer Männerfürsorgeverein und Paritätischer Wohlfahrtsverband.5

Juni 1996: SPD für Genossenschaftsbau. Hierfür sollen eigene Flächen ausgewiesen werden. Die SPD-Stadtratsfraktion fordert eine Heruntersubvention der Quadratmeterpreise auf 600 DM. Die soziale Funktion von Genossenschaftswohnungen besteht darin, preisgünstige Wohnungen in Selbstverwaltung anzubieten: Deshalb müssen Baugrundstücke günstiger überlassen werden.6

2002: Münchner Genossenschaften schließen Warteliste. Die aktuell 42 Münchner Wohnungsgenossenschaften verwalten über 40.000 Wohnungen. 2002 haben fast alle Genossenschaften ihre Warteliste geschlossen. Beim Bauverein Giesing eG standen 500 Interessenten auf der Warteliste. Beim 1909 in München gegründeten Verein für Volkswohnungen eG standen 400 Vormerkungen an. Dessen geschäftsführender Vorstand Hans Reichl stellte fest: „Der private Wohnungsbau ist mittlerweile völlig zum Erliegen gekommen.“7

Verein für Volkswohnungen: Abriss Andréestraße 8 bis 14 und Renatastraße 28 bis 34. Die 167 Wohnungen in dem 1915 errichteten Wohnkomplex gehören dem 1909 gegründeten Verein für Volkswohnungen eG (VfV). Die Häuser sollen in zwei Bauabschnitten abgerissen und durch Neubauten mit Tiefgarage ersetzt werden. Die dort wohnenden etwa 500 Mieter befürchten exorbitante Mietsteigerungen und bescheinigen den Häusern eine gute Bausubstanz. Der BA 9 Neuhausen – Nymphenburg hatte im Juni 2002 das Planungsreferat aufgefordert, sich um eine einvernehmliche Lösung zu bemühen. Die Genossenschaft antwortete den Bewohnern, es sei noch nicht entschieden, ob eine Generalsanierung oder ein Abriss komme. Die 1915 gebauten Häuser entsprächen nicht mehr einem modernen Wohnkomfort.8
Eine Bürgerversammlung im November 2002 im Neuhausener Trafo forderte die Stadt auf, den Abriss der Genossenschaftswohnungen Andréestraße 8 – 14 und Renatastraße 28 – 34 zu verhindern.9
Das Planungsreferat hat dann im Juli 2003 eine Anfrage des Vereins für Volkswohnungen auf Abriss positiv beantwortet: Die Genossenschaft darf abreißen und größere Wohngebäude mit Tiefgarage errichten. Es sei aber noch kein Bauantrag eingegangen.10 OB Christian Ude bestätigte die Entscheidung des Planungsreferats. MdL Rainer Volkmann (SPD) erwähnte in der Sitzung des BA 9 die Möglichkeit, zivilrechtlich nach dem Kündigungsschutzgesetz vorzugehen.11
Im Mai 2004 konnte über die neuen Mieten nur spekuliert werden. VfV-Vorstand Hans Hofmeister bot den Alt-Mietern reduzierte Mieten von etwa einem Drittel unter dem Mietspiegel-Niveau von aktuell 12,50 Euro an. Die Mieterinitiative mit 100 Bewohnern rechnete mit zwölf bis 15 Euro pro Quadratmeter – für die meisten unerschwinglich bei derzeit 3,50 Euro. In jedem Fall wurden die Mieter nicht wie in München üblich von Spekulanten vertrieben, sondern von der eigenen Genossenschaft.12
Im Mai 2005 war klar: Die 167 genossenschaftlichen Wohnungen werden abgerissen. Der Vorstand des Vereins für Volkswohnungen präsentierte Architekturmodelle von Studenten und kündigte an, im Juni 2005 einem Architekten den Auftrag für die Planung des etwa 30 Millionen Euro teuren Projekts zu geben. Die Wohngebäude bekommen ein zusätzliches Stockwerk und sollen 35 Prozent mehr Wohnraum haben. Die neuen Mieten würden 100 bis 200 Prozent über den alten Mieten liegen. 2006 soll der erste Bauabschnitt beginnen: der Abriss des „Südhofs“, dem nach etwa zehn oder 15 Jahren der Abriss des „Nordhofs“ folgen soll. Die Mieter des Südhofs sollen laut dem Bewohner-Sprecher Helmut Eder mit „massiven Drohungen“ zum Auszug genötigt werden. Der Verein für Volkswohnungen hatte zu der Zeit 1521 Wohnungen in München und will die Bewohner der Andrée- und Renatastraße in den Neubau oder in andere Objekte umsiedeln.
Zur Begründung des VfV mit dem angeblich schlechten Zustand und veralteten Grundrissen äußerte Hans Kuttenberger, der seit über 50 Jahre dort wohnte: „Da müsste man halb München abreißen.“13
Auf den Fotos in den Münchner Tageszeitungen sehen die Häuser in der Andrée- und Renatastraße absolut intakt und architektonisch interessant aus: Zeitzeugen eben, die in jedem Fall zu sanieren gewesen wären. Ich weiß, wovon ich spreche: Ich erhalte seit den siebziger Jahren unser altes Firmengelände in der Frohschammerstraße 14 in Milbertshofen.
Zum Abriss intakter Bausubstanz: Hier sei wieder an das Buch von Daniel Fuhrhop erinnert: Verbietet das Bauen! Am unökologischsten ist der Abriss von intakten Gebäuden: Und die Bauwirtschaft verbraucht etwa 30 Prozent der deutschlandweit verbrauchten Energie und produziert etwa 60 Prozent des deutschen Abfallvolumens.

Januar 2003: Dankl-Block geht an Wohnungs-Genossenschaften. Der „Dankl-Block“ mit 134 Wohnungen an der Oberländer- und Danklstraße war im Eigentum der MEAG, der Immobilien-Tochter der Münchner Rück. Beworben haben sich vier Wohnungsbau-Genossenschaften: Verein für Volkswohnungen eG (zwei Häuser), Münchner Kleinwohnungsbau eG (vier Häuser), Wogeno (ein Haus), Industrie- und Wohnungsbau Gemeinschaft (ein Haus). Die Heimbau Bayern Bau- und Verwaltungs-GmbH (zwei Häuser) ist ein ehemals gemeinnütziges Wohnungsunternehmen und wurde durch einen anderen Partner ersetzt. Das Bieterverfahren war bis 16.8.2002 terminiert und wurde von der MEAG bis 15.11.2002 verlängert. Am 1.1.2003 gingen die Häuser auf die fünf Erwerbergesellschaften über. Aktuell verfügen die Wohnungs-Genossenschaften über 33.000 Wohnungen (fünf Prozent des Gesamtbestandes).14

wagnis“ baut am Ackermannbogen. Die wagnis e.G. (Wohnen und Arbeiten in Gemeinschaft – natürlich, innovativ, selbstbestimmt) ist ein Wohnungsbau-Genossenschaftsprojekt der Stadt und wurde im Juli 2000 gegründet. Im Oktober 2003 hatte wagnis e.G. über 300 Mitglieder. Am 9.10.2003 wurde im nordöstlichen Teil am Ackermannbogen von wagnis der Grundstein gelegt für 92 Wohnungen. Die vier Baukörper vom Architekturbüro A2 in Freising heißen Ostblock, Rialto, Rigoletto und ZehnVorne und haben ein Bauvolumen von 19,5 Millionen Euro. Auch für den dritten Bauabschnitt am Ackermannbogen hat sich wagnis als Bauherr für 40 bis 60 Wohnungen beworben.15

Genossenschaften mit Wartezeiten. Im Mai 2006 gab es in München rund 40 Wohnungsgenossenschaften, deren Zielpublikum unterschiedlich war und von denen nur wenige aktiv neue Bauten errichteten. Die Genossenschaft Oberwiesenfeld vermietete bevorzugt an Staatsbedienstete. Der Bauverein Giesing stellt für neue Interessenten nur kleine Wohnungen bis 45 qm zur Verfügung. Die Wohngenossenschaft München West eG hatte eine Wohnanlage auf der Theresienhöhe gebaut und verfügte 2006 über 3363 Wohnungen (2021: 3441). Der Verein für Volkswohnungen plant einen Abriss und Neubau in Neuhausen (siehe oben) Jüngere Gründungen sind Wogeno, Wagnis und Frauen-Wohnen. Demnächst gibt es die GIMA: die „Genossenschaftliche Immobilienagentur“, die u. a. Altbauten vor Spekulanten retten will und Eigentümern von Mietshäusern zur Verfügung steht, wenn diese ihr Haus in eine eG (eingetragene Genossenschaft) überführen möchten.16

Wogeno-Wohnmodell. Der Vorstand Christian Stupka beschrieb die Neuerungen: Kellerabteile werden zugunsten eines „Toberaums“ für Kinder kleiner geplant. Im Erdgeschoss kann ein Gemeinschaftsraum mit Küchenzeile genutzt werden. Ein Gästeappartement ermöglicht Übernachtungen. Eine Senioren-WG hat kleine separate Einheiten und eine Gemeinschaftsküche. Eine Büroeinheit mit technischer Infrastruktur ist parzellierbar.17

April 2010: Junge Genossenschaften. Wogeno, Wagnis und Frauen-Wohnen haben etwa 2300 Mitglieder, rund 500 Wohnungen im Bestand und circa 400 Wohnungen in Planung. Wogeno: 1300 Mitglieder, Suche nach neuen Grundstücken. Ein Ableger ist die Genossenschaftliche Immobilienagentur (GIMA), die zwischen Hausverkäufern, Mietern und Vermietern vermittelt. – Wagnis: etwa 820 Mitglieder, aktuell weitere 50 Wohnungen am Ackermannbogen geplant. Pro Quadratmeter müssen 900 Euro eingezahlt werden. Frauen-Wohnen: Frauen bauen für Frauen. Anlage in der Messestadt Riem, Anlage im Westend geplant.18

November 2016: Zwischenbericht Baugenossenschaften München. Eine Cluster-Wohnung hat private Wohneinheiten und Rückzugsräume sowie Gemeinschaftsräume wie Koch- und Wohnbereiche oder auch Gäste-Apartments. Ein Beispiel hierfür aus München sind neun Cluster-Wohnungen auf dem Domagk-Gelände von Wagnis Art an der Fritz-Winter-Straße. München stellt 20 bis 30 Prozent der städtischen Neubaugebiete für Baugenossenschaften zur Verfügung. Wagnis hat inzwischen 1400 Mitglieder. In die Genossenschaft kauft man sich mit einem Kapitalanteil ein, der bei einem Auszug rückerstattet wird. Der Genossenschafter ist zugleich Eigentümer und Mieter. Der Idealzustand: Räume können der jeweiligen Lebenssituation angepasst werden, Alt hilft Jung und umgekehrt. Es erinnert an das frühere Wohngemeinschaftsmodell, das oft funktioniert, aber genauso oft nicht funktioniert hat. Allerdings war damals der Druck auf den Wohnungsmarkt durch Luxussanierung und Umwandlung in Eigentumswohnungen nicht so stark wie heute.19

Genossenschaftswohnungen Freiham: keine Bewerbung (1). Die LH München fördert Baugenossenschaften als Mittel, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. In Freiham wollte sie 20 bis 40 Prozent ihrer Flächen an Genossenschaften verkaufen, die dort etwa 1000 Wohnungen errichten sollten. Für einen ersten Bauabschnitt waren sechs Grundstücke eingeplant: von 2.9 Millionen (36 Wohnungen) bis 13,6 Millionen (147 Wohnungen). Die „Münchner Mischung“ hätte eine Mischung aus EOF-Wohnungen (einkommensorientierte Förderung), Wohnungen nach dem München-Modell (Mieter mit mittlerem Einkommen) und Konzeptionellem Mietwohnungsbau (KMB) ergeben. Die Stadt verkauft zum gängigen Verkehrswert; dazu dürfen für den Zeitraum von 60 Jahren die Wohnungen nicht in Eigentum umgewandelt werden, und die Mieten liegen innerhalb des Mietspiegels. Diese Vorgaben sollten mäßigend auf die Grundstückspreise wirken: Inzwischen sind diese für Genossenschaften zu hoch. Anfang 2016 lag der Quadratmeter Geschossfläche noch bei 940 Euro. In der Freihamer Ausschreibung waren schon 1420 Euro angesetzt. Christian Stupka berät neu gegründete Genossenschaften bei der Stattbau München GmbH und rät diesen inzwischen ab, bei solchen Preisen zu kaufen, da die Insolvenz drohe. Außerdem sind wegen des Münchner Baubooms die Angebote der Baufirmen inzwischen bis 40 Prozent höher als in den bisherigen Kostenberechnungen vorgesehen. Laut OB Dieter Reiter darf die Stadt Grundstücke nicht unter Wert respektive Verkehrswert verkaufen. Das Bewertungsamt soll nun die Grundstückspreise neu überprüfen. Im Planungsreferat will man zusammen mit Wohnungs- und Bauministerium überprüfen, ob die Bayerische Gemeindeordnung dies erlaube.20

Genossenschaftswohnungen Freiham: keine Bewerbung (2). Die SPD-Stadtratsfraktion will die Freihamer Grundstücke für Genossenschaften neu ausschreiben und den Wohnungsmix so verändern, dass der Konzeptionelle Mietwohnungsbau (KMB) von 42,5 auf 25 Prozent sinkt. Die Differenz soll dem München Modell zugerechnet werden. Dadurch sollen die Grundstückspreise niedriger werden. Außerdem möchte die SPD den Bodenpreis vom spekulativen Grundstücksmarkt entkoppeln.21

Wogeno mit Aufnahmestopp. Ende 2018 hatte die Wogeno an die 6000 Mitglieder, von denen 1200 bei ihr wohnten. 2016 bis 2018 kamen 2500 neue Mitglieder hinzu. Die Wogeno hat aktuell600 Wohnungen vermietet, 140 sind im Bau und schon vergeben. Nun hat die Wogeno einen Aufnahmestopp verfügt, auch um den bürokratischen Aufwand tu senken. Christian Stupka von der GIMA unterteilt die Münchner Genossenschaften in drei Sparten. Die alten Bestandsgenossenschaften nehmen schon länger keine Mitglieder auf. Die jüngeren, aber etablierten sind Wogeno, Wagnis und Frauenwohnen. Wagnis hat noch keinen Aufnahmestopp. Die ganz jungen sind z. B. Kooperative Großstadt, Zinwo und Progeno, die gerade erste Wohnbauten errichten.22

Gründung der GIMA. 2006 wurde die Genossenschaftliche Immobilienagentur München eG (GIMA München eG) gegründet, der im August 2020 schon 33 Wohnungsunternehmen angehören, davon 28 Genossenschaften. Die Stadt München vergibt Flächen nur noch im Erbbaurecht, da Grundstücke unbezahlbar geworden sind: Damit kann die Stadt Grundstücke z. B. in 80 Jahren verkaufen. Diese Befürchtung ist real geworden, da im Fall der Privatisierung von Post und Bahn die daran hängenden Wohngenossenschaften die Grundstücke zu marktüblichen Preisen kaufen mussten. Damit mussten auch die Mieten drastisch erhöht werden.23

Pro-SEM-Bündnis. Ein „Pro-SEM“-Bündnis gründete sich im Januar 2019: u. a. mit der früheren Stadtbaurätin Christiane Thalgott, ihrem früheren Stadtdirektor Stephan Reiß-Schmidt und dem Vorstand der Genossenschaftlichen Immobilienagentur München eG (GIMA), Christian Stupka.24
„Pro SEM“-Sprecher Christian Stupka äußerte: „Mit der SEM gibt es keine Bodenspekulation.“25
Man könnte nun meinen, dass die Stadt diese Bodenspekulation selbst betreibt. Es sollte auch ergänzt werden, dass Stupka nicht neutral agiert: Er ist Vorstand der 2006 gegründeten Genossenschaftlichen Immobilienagentur München eG (GIMA) mit inzwischen 33 Wohnungsunternehmen, davon 28 Genossenschaften. Von Baugenossenschaften hört man kein wachstumskritisches Wort, keine Kritik am bedingungslosen Schaffen von immer mehr neuen Arbeitsplätzen in München. Und auch Baugenossenschaften und sozialer agierende Unternehmen als die üblichen Investoren haben ein primäres Ziel: so viel zu bauen wie möglich.

Eggarten-Bebauung mit 2000 Wohnungen. CA Immo und Büschl hatten 2019 eine raffinierte Vorgehensweise gewählt, um ihr Eggarten-Projekt gegen Widerstände durchzusetzen: Genossenschaften sollen mit der Hälfte der zu bauenden 2000 Wohnungen bedacht werden. Christian Stupka von der Organisation der Genossenschaften (GIMA)berichtete, dass er mit den Investoren bereits die Bodenpreise ausgehandelt habe.26
Stupka tritt seit längerem wie ein Wohnbau-Investor auf und vertritt kompromisslos den Wohnungsbau unter allen Umständen. Genossenschaften der GIMA werden von CA Immo und Büschl mit der Hälfte der zu bauenden Wohnungen bedacht: Dies diente als eine Art Türöffner für das umstrittene Eggarten-Projekt, das seither so gut wie sakrosankt ist. Aber auch Genossenschaftswohnungen zerstören Natur, versiegeln den Boden und heizen das Wachstum weiter an. Und auch Baugenossenschaften haben ein primäres Ziel: so viel bauen wie möglich.

Die Zerstörung des Eggartens mit genossenschaftlicher Beteiligung. CA Immo und die Büschl Unternehmensgruppe haben sich 2019 mit der Genossenschaftlichen Immobilienagentur (GIMA) auf eine gemeinsame Bebauung geeinigt: Das Baurecht für 1000 Wohnungen fällt an CA Immo/Büschl, 1000 Wohnungen gehen an die GIMA, die sich auf 40 bis 60 Jahre der Preisregulierung unterwirft. Der Stadtrat wird mit klarer Mehrheit der Zerstörung des Eggartens und dem Bau von 2000 Wohnungen für 5000 weitere Bewohner zustimmen.27
Die Genossenschaftliche Immobilienagentur (GIMA) ist quasi der Türöffner für das Gesamtprojekt: 1000 Wohnungen an die beiden kommerziellen Immobilienkonzerne, 1000 Wohnungen an die Genossenschaften. Der genossenschaftliche Wohnungsbau ist sakrosankt und wird nicht infrage gestellt. Aber auch ein genossenschaftlicher Wohnungsbau ist Wohnungsbau und braucht Platz, schafft Hoffnungen auf bezahlbaren Wohnraum in München. Von der wertvollen Natur des Eggartens wird kaum etwas übrig bleiben: Und weitere 21 Hektar werden versiegelt und sorgen für die Aufheizung des Stadtklimas. Zum Vergleich: Der Eggarten hat 21 Hektar und ist halb so groß wie die Theresienwiese mit 42 Hektar.

Neugründung einer Baugenossenschaft. Sieben gemeinnützige Institutionen haben in München am 20.10.2020 die Wohnbaugenossenschaft der Wohlfahrtspflege München eG (WWM) gegründet: Arbeiter-Samariter-Bund Regionalverband München/Oberbayern e. V., Katholischer Männerfürsorgeverein München e. V., Paritätischer Wohlfahrtsverband, Landesverband Bayern e. V., Frauenhilfe München gemeinnützige GmbH, Gemeinnützige Paritätische Kindertagesbetreuung GmbH Südbayern, Paritätische Sozialpsychiatrisches Zentrum München gGmbH und Regenbogen Wohnen gGmbH. „Es ist das erklärte Ziel der Genossenschaft, sich im Jahr 2021 um ein entsprechendes Grundstück der Landeshauptstadt München zu bewerben, um bereits im Jahr 2022 mit der Realisierung der ersten 60 Wohneinheiten beginnen zu können.“28 Die WWM strebt einen Baubeginn 2022 an. Der Wohnraum mit 60 Wohnungen zwischen 30 und 75 qm und Baukosten von etwa 8,5 Millionen Euro soll 2023 bezugsfertig sein. Die Mieten werden zwischen 10,50 und 13,50 Euro pro Quadratmeter liegen.29

Drohender Abriss in Ramersdorf. Ausgerechnet der Gemeinnützige Wohnungsverein München 1899 will seine Wohnanlage an der Führichstraße (18-66) und der Weiskopfstraße (1, 3, 5, 7, 39, 41, 43) in Ramersdorf abreißen und die zweigeschossigen Gebäude durch vier- bis fünfgeschossige ersetzen. Mit den Neubauten sollen etwa 134 Wohnungen entstehen. Frei werdende Häuser sollen nicht mehr renoviert und nicht mehr an Mitglieder vermietet werden.
„Der Gemeinnützige Wohnungsverein München 1899 e. V. ist als Verein wohnungsbaugenossenschaftlich organisiert und gilt als älteste und zweitgrößte Wohnungsbaugenossenschaft von München. In 10 Wohnanlagen, die in München verteilt sind, verfügt der ‚Wohnungsverein‘ aktuell über etwa 3000 Wohnungen.“ (Aus Wikipedia)
Das Landesamt für Denkmalpflege schreibt zum Ensemble Wohnanlage am Loehleplatz: „Die Baukörper sind, besonders aus dem Anfang der Bautätigkeit noch vor dem Ersten Weltkrieg, mittels abwechslungsreicher Dachformen, Gauben, Zwerchhäusern, Erkerbauten, Loggien und Putzdekor reich gegliedert und dabei sowohl symmetrisch wie asymmetrisch zusammengeordnet. Die um einen Hof geschlossene Blockbebauung wird ebenso aufgelockert wie die Folgen von Reihenhäusern.“ (Zur Stellungnahme vom Landesamt für Denkmalpflege)30

Neuer Bau an der Metzgerstraße. Das leere Grundstück Metzgerstraße 5a ist nur 168 Quadratmeter groß. Die GWG organisierte ein Bieterverfahren für ein genossenschaftliches Wohnprojekt. Den Zuschlag erhielt die Wohnbaugenossenschaft Kooperative Großstadt31, die bereits in Riem (San Riemo) und Freiham (Freihampton) aktiv ist. An der Metzgerstraße 5a soll ein Gemeinschaftswohnhaus mit ca. 730 qm Geschoßfläche entstehen. Das Areal wurde 2020 gekauft, der Bau soll 2024 fertiggestellt sein.32

Neubauten. Auch die älteren Wohnungsbaugenossenschaften leiden natürlich unter den hohen Grundstückspreisen. Trotzdem erfolgen einige Neubauten. Die Postbaugenossenschaft München und 0berbayern eG hat im August 2020 einen Neubau im Prinz-Eugen-Park fertiggestellt.33 Die Baugenossenschaft München 1871, die älteste deutsche Wohnungsgenossenschaft, hat im August 2020 einen Bauantrag für ein nachzuverdichtendes Grundstück in der Blumenau gestellt.34

Verunsicherung in Moosach. Die Baugenossenschaft Hartmannshofen wurde 1919 als „Kleinhausbau- und Siedlungs-Genossenschaft der Unteroffiziere des Beurlaubtenstandes“ gegründet und errichtete erste Einfamilienhäuser in Hartmannshofen. 2021 plante sie den Abriss der vier dreigeschossigen Wohngebäude Bautzener Straße 6a, 12a, 18a und 26 mit 36 Wohnungen und Neubauten mit sieben Geschossen und etwa 76 Wohnungen. Die Bewohner der abzureißenden Gebäude erfuhren nur durch Zufall von den Plänen ihrer Baugenossenschaft, als dies auf der Tagesordnung des BA 10 Moosach stand. Sie möchten, dass die Bauten erhalten und saniert werden und verglichen das Verhalten der Baugenossenschaft mit „gierigen Investoren“, die auch jahrelang nicht mehr investiert hätten. Der Geschäftsführende Vorstand der Baugenossenschaft Hartmannshofen, Klaus Berghofer, beschrieb seine Motivation zu Abriss und Neubau, dass München mehr Wohnraum brauche – „auch gegen die Interessen einzelner Betroffener“.35

Älteste Genossenschaft baut auch. Die Baugenossenschaft München von 1871 ist Deutschlands älteste Wohnungsgenossenschaft (siehe oben). In ihrer Anlage in der Blumenau an der A 96 werden etwa 100 neue Wohnungen durch Aufstockung und Neubau entstehen. Der Vorstand teilte mit, er sei hierzu auch durch die Aktivitäten von neu gegründeten Genossenschaften ermutigt worden.36

Wabenarchitektur. In der Messestadt Riem baut Architekt Peter Haimerl für die Wogeno an der Den-Haag-Straße ein „Wabenhaus“, das Ende 2022 fertiggestellt sein soll. Die Wohnräume sind nicht rechteckig, sondern sechseckig und bereits an Wogeno-Mitglieder vergeben. Die Wohnform sollte experimentell sein; mit „Clusterwohnen“ soll ein Gemeinschaftsgefühl entstehen. Dazu gehört auch eine geplante große Wohngemeinschaft. Für die schrägen Wände gibt es einen Katalog mit Sonderelementen. Die 15 Wohnungen im Wabenhaus  sind nicht barrierefrei: Deshalb wurden 15 weitere „normale“ Wohnungen in einem Gartenhaus geplant. 37

Baugenossenschaften in Schwierigkeiten. Baukosten und Baukreditzinsen stiegen seit Jahresbeginn stark. Gleichzeitig haben sich die ökologischen Anforderungen an Bauten in München erhöht. Dazu kam, dass das Bundeswirtschaftsministerium im Frühjahr 2022 die energieeffiziente Neubau-Förderung eingestellt hat. Deshalb fehlten dem Münchner Mietshäuser-Syndikat eine Million Euro in der Kalkulation für ein Baufeld im Kreativquartier an der Dachauer Straße: Im Juni 2022 musste das Grundstück an die Stadt zurückgegeben werde. Auf einem Areal daneben musste die junge Baugenossenschaft Wabe Zwo ein Projekt mit der Postbaugenossenschaft aufgeben. Im neuen Stadtteil Neufreimann (vulgo Bayernkaserne) hat die Stadt drei Grundstücke für Genossenschaften bzw. Mietshäuser-Syndikate im Erbbaurecht auf 80 Jahre ausgeschrieben: Nur vier Interessenten meldeten sich. Wogeno und Wagnis lehnten ab, da sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so extrem entwickelt hätten. Ein weiteres Problem stellt der Konzeptionelle Mietwohnungsbau (KMB) in München dar: für Mieter, die zu viel für geförderte Wohnungen verdienen, aber nicht auf dem „freien“ Wohnungsmarkt mieten können. Bei Neufreimann war hierfür ein Anteil von 42,5 Prozent KMB-Wohnungen vorgesehen mit einer Höchstmiete von 13,50 Euro. Hier hätte Wogeno eine Einlage von 2000 Euro pro qm Wohnfläche verlangen müssen. D. h. eine 100-qm-Wohnung hätte eine Einlage von 200.000 Euro bedeutet – plus eine Kaltmonatsmiete von 1350 Euro. Wogeno verlangt aber maximal eine Einlage von 1000 Euro. Dann wäre aber eine Miete von 15 bis 16 Euro nötig geworden: für KMB-Wohnungen nicht erlaubt.
In Freiham haben Kooperative Großstadt, Progeno und Stadtwerkschaft den Zuschlag für ein Baufeld mit 200 Wohnungen erhalten. Aktuelle Wirtschaftsberechnungen führten aber zur Überlegung, das Grundstück zurückzugeben.38

Schwieriges Vererben. Im Juni 2018 gab es in der SZ einen Bericht über Wolfgang Fischer, damals 77 und seinem denkmalgeschützten Anwesen in der Nymphenburger Straße aus dem Jahr 1724: Sechs Wohnungen im Vorderhaus, Garage, Werkstatt. Die Makler überschwemmten seinen Briefkasten mit Hochglanzbroschüren, was er sich verbat. Fischer erbte das Haus von seiner Tante und sanierte es ab 2005. Er verlangte 12 Euro pro qm von seinen Mietern. Und für Makler verlangte er eine Milliarde Euro: Allein die Igel kosteten schließlich schon 100 Millionen Euro. Da sich das Zukunftsproblem Vererben stellte, verhandelte er seit 2014 mit der Wogeno, die das Anwesen bei seinem Tod für zwei Millionen Euro bekommen soll. Seine Mieter sollten Genossenschaftler werden mit lebenslangem Wohnrecht.39Stand September 2022: Die testamentarische Verfügung läuft demnächst aus. Fischer würde sie verlängern, aber die Wogeno zögert angesichts der aktuellen Preis- und Zinsentwicklung. Außerdem seien die Kosten für den Erhalt unbekannt. Laut Bodenrichtwert hat das Areal einen Wert von 16 Millionen Euro. Er könne jetzt an die Wogeno verkaufen mit einem lebenslangem Wohnrecht, hatte aber seiner Tante damals versprochen, das Haus nicht zu Lebzeiten zu verkaufen. Eine Lösung wäre die gemeinnützige Stiftung „Daheim im Viertel“. Die katholische Kirche kommt für Fischer anhand der von ihr verursachten Probleme mit bezahlbaren Wohnraum und sozialen Vermieten nicht infrage.40
Zur katholischen Kirche hat ein engagierter Kreis vom Ammersee um Prof. P. C. Mayer-Tasch ein Buch verfasst unter dem Titel: Die Rink-Villa – Eine süddeutsche Passion (München 1988), an dem ich mitwirken durfte. Um ihre im toskanischen Stil gebaute Villa in Dießen nach ihrem Tod zu retten, hatte Eleonore Rink sie der katholischen Kirche vermacht, die das historische Gebäude im Nullkommanichts abreißen ließ.

Staatliches Förderprogramm. Die KfW hat ein Programm für vergünstigte Darlehen (Zinssatz ab 1,05 Prozent) bis 100.000 Euro und fünf Jahren Laufzeit beim Einstieg in einer Genossenschaft gestartet. Für 15 Prozent der Kreditsumme kann ein Tilgungszuschuss beantragt werden. Damit sollen die etwa 2000 Wohnungsgenossenschaften unterstützt werde, in deren 2,2 Millionen Wohnungen etwa fünf Millionen Genossenschaftler wohnen. Laut GdW verlangten seine Mitglieder 2021 im Bestand etwa sechs Euro Miete pro qm, bei Neubauwohnungen 9,16 Euro.41

Mietshäuser-Syndikat, Freiburg/München. Das Mietshäuser-Syndikat entstand in den 80er Jahren in Freiburg als Folge der Hausbesetzungen. Das erste Haus in München war seit 2008 in der Ligsalzstraße 8 (Ligsalz8). Der Mietpreis betrug damals acht Euro und sorgte für Kritik. Bis heute ist der Preis aber gleich geblieben. Alle Mieter sind Mitglied im Hausverein, der wiederum Mehrheitsgesellschafter der GmbH ist, die Eigentümerin des Hauses. Die Mietshäuser Syndikats GmbH ist hier Minderheitsgesellschafter und hat ein Vetorecht bei Verkäufen: Damit kann sie einen Verkauf verhindern. Sie hatte im Sommer 2022 etwa 177 Projekte in Deutschland. Ihr einziger Gesellschafter ist der Mietshäuser Syndikats-Verein mit 1200 Mitgliedern (Einzelpersonen und Projekte). Das neue Projekt in München, ein Neubau, liegt in der Görzer Straße (Görzer128). Dafür wurde eine GmbH gegründet, die von Privatpersonen und einer Gemeinwohlbank Kredite bekam. Im Winter 2023 soll der Neubau bezugsfertig sein.42
Projekt Wörthstraße 8: Das Haus in Haidhausen aus dem Jahr 1984 hat 13 Wohnungen und drei Läden im Erdgeschoss. Eigentümer ist ein Geschwisterpaar, das altersbedingt verkaufen möchte, aber zu sozialen und fairen Bedingungen. Der Bodenrichtwert der Wörthstraße 8 liegt bei etwa 15.600 Euro/qm. Bei 450 qm Grund beträgt der Wert des Bodens schon 7,02 Millionen Euro. Durch das Entgegenkommen der derzeitigen Eigentümer werden wohl etwa fünf Millionen Euro Kaufpreis fällig. Mietpreise von derzeit ab sieben Euro/qm sind dann nicht mehr möglich, eher in Richtung elf bis zwölf Euro. Die Mietergemeinschaft hat sich an das Mietshäuser-Syndikat gewandt. Die Kaufsumme muss über Direktkredite von Privaten zu einem niedrigen Zinssatz erfolgen. Zur Startfinanzierung von drei Millionen Euro fehlt noch viel Geld. Im Mai 2023 soll der Kauf erfolgen. Das Mietshäuser-Syndikat hatte Anfang 2023 etwa 180 Projekte in Deutschland: u. a. 33 in und um Berlin, 29 in und um Freiburg, 14.43
Nachtrag Mai 2023: Die Hausgemeinschaft sucht Interessenten, die ihr einen Direktkredit geben, allerdings für weniger Zinsen als Banken zahlen. Bisher wollen 108 Menschen helfen; 1,9 Millionen Euro sind zusammengekommen.44 – Die Eigentümer-Schwester erklärte sich bereit, ihre Hälfte an eine Stiftung zu überschreiben. Dem Eigentümer-Bruder dauerte inzwischen der Prozess zu lang: Er bot seine Haushälfte wieder auf dem Immobilienmarkt an. Von den 13 Parteien verließen daraufhin drei das Projekt Wörthstraße 8. Im Stadtrat hatten im März 2023 die Fraktionen SPD/Volt und Grüne/Rosa Liste ein Fördermodell zur Unterstützung von Mieterinitiativen gefordert (Arbeitstitel „Wörth 8“). Die Hausgemeinschaft hat inzwischen fast zwei Millionen Euro gesammelt.45
Vgl. auch die entsprechende Webseite: woerth8.de
Nachtrag August 2023: Der Verein Wörth 8 muss für den Verkauf der zweiten Haushälfte 4,5 Millionen Euro aufbringen, mit Nebenkosten 5,3 Millionen Euro. Der Feriensenat des Stadtrats genehmigte etwas über eine Million Euro, ließ sich dafür aber die Belegrechte für fünf geförderte Wohnungen auf 80 Jahre einräumen. Sofern die jetzigen Mieter bleiben, erhält die Stadt eine jährliche Ablösung. OB Dieter Reiter (SPD) nannte das Ganze einen „guten Deal“ für die Stadt.46

Unbezahlbare Genossenschaftswohnungen. Im Jahr 2022 sind die Baukosten immens gestiegen, die Baukreditzinsen haben sich in etwa vervierfacht, und die Nebenkosten steigen unaufhörlich. Laut Gima stiegen die Baukosten in eineinhalb Jahren von 2800 Euro auf 4000 Euro pro qm. Die erhöhten Kostenfaktoren führten zum Rücktritt von Münchner Baugenossenschaften u. a. in Freiham (betrifft 130 von insgesamt 500 Genossenschafts-Wohnungen) und einem Baufeld in Neu-Freimann (früher: Bayernkaserne, Rückgabe eines Baufelds mit 200 Wohnungen). Deshalb beantragte die grün-rote Fraktion im Rathaus einen Teuerungsausgleich für den KMB in zweistelliger Millionenhöhe. Bei diesem liegt die Kaltmiete bei 13,50 Euro (demnächst 14,50 Euro).47

Stadt subventioniert. Mit einem „Nothilfeprogramm“ in Höhe von 270 Millionen Euro unterstützt die Stadt München Genossenschaften, die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und private Bauträger. 37 Projekte mit etwa 2500 günstigen Wohnungen, vornehmlich im Kreativquartier, in Neufreimann und Freiham, sollen dadurch gerettet werden.48 Seit der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg steigen die Baupreise rasant: Im August 2022 lagen sie 16,5 Prozent über dem Vorjahresniveau. Das zwang einige Baugenossenschaften, ihre Projekte zu überdenken.49

Flexibles San Riemo. Das Genossenschaftshaus San Riemo der Genossenschaft Kooperative Großstadt in Riem mit 28 Wohnungen wurde zwischen 2017 und 2020 von der AG Summacumfemmer/Leipzig und dem Büro Juliane Greb/Gent errichtet. Das Architektenpaar Florian Fischer und Ehefrau Reem Almannai hat die Kooperative mitgegründet und das „Nukleuswohnen“ erfunden. Die Grundrisse der Wohnungen lassen flexible Wohnungsgrößen zu: Wohnräume können der Nachbarwohnung zugeschlagen werden.50

Wohnbaugenossenschaften als Lösung? In der SZ sprach sich Bernd Kastner angesichts der Wohnungsnot für die Gründung von Baugenossenschaften aus. Auch das im Freiburger Häuserkampf in den 80er Jahren entstandene „Mietshäusersyndikat“ sei ein gutes Modell. (200 dieser Projekte mit dem Motto „Die Häuser denen, die drin wohnen“ gibt es bereits). Kastner fordert, dass die öffentliche Hand diese Selbsthilfeorganisationen stärker unterstützen sollte. Das Geld dazu könne beispielsweise aus einer Abschöpfung der Spekulationsgewinne auf dem Immobilienmarkt kommen. Denn „es gibt kein Grundrecht auf maßlosen Profit“. Mit dem Geld könnte die öffentliche Hand auch Flächen und Häuser von Privaten kaufen und sie an gemeinwohlorientierte Akteure weiterreichen. In Deutschland leben rund 5 Millionen Menschen in Häusern der 2000 Wohnbaugenossenschaften. Es wäre gut, solche Initiativen massiv zu fördern.51

Konzeptioneller Mietwohnungsbau (KMB) wird unterstützt. Vor zehn Jahren hat der Stadtrat den Konzeptionellen Mietwohnungsbau (KMB) eingeführt. Er dient jenen, die für eine Sozialbauwohnung zu viel und für die üblichen Mieten zu wenig verdienen. Nach dem Modell vergibt die Stadt ein Grundstück, das ihr gehört, im Erbbaurecht auf 80 Jahre zum einheitlichen Festpreis. Den Zuschlag bekommt der Bewerber mit dem überzeugendsten Konzept – das können städtische Wohnungsgesellschaften, aber auch Baugenossenschaften oder ein privater Investor sein. Für jeden gilt: 60 Prozent der Wohnungen müssen an Beschäftigte in Mangelberufen vergeben werden, und es dürfen maximal 14,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter verlangt werden. Wegen der erhöhten Baukosten sind nun verschiedene Genossenschaften aus den Projekten ausgestiegen. Im März hat der Stadtrat einen befristeten Steuerungsausgleich beschlossen. Es sollen 270 Millionen zur Verfügung stehen. Davon sollen 37 Projekte – vorwiegend im Kreativquartier, in Freiham und Neu-Freimann (mit insgesamt rund 2500 KMB-Wohnungen) profitieren. Der städtische Teuerungsausgleich soll an die Baukostensteigerung gekoppelt werden, dabei ist ein Sockelbetrag von 1300 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche geplant.52

In sechs Jahren: zwei Milliarden Euro. Soviel zahlt die LH München an die VMW, einem Zusammenschluss von 59 Organisationen wie Genossenschaften, Vereine, Kapitalgesellschaften und städtische Wohnungsbaugenossenschaften. Die Durchschnittsmiete lag 2020 bei 7,54 Euro/qm, aktuell liegt sie bei 7,85 Euro. Der Dachverband VdW gab an, dass im aktuellen Mietspiegel der LH München die Nettokaltmiete bei 14,58 liegt, knapp 25 Prozent mehr im Vergleich zu 2019. Bei Erstbezug liegt der qm bei 21,62 Euro, bei Wiedervermietung bei 19,10 Euro.53

Bezahlbares Wohnen noch schwieriger. Der GdW vertritt etwa 3000 Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften und warnt angesichts der gestiegenen Zinsen, der hohen Inflationsrate sowie langfristigen Auswirkungen der Corona-Pandemie und schärferen Vorgaben für den Klimaschutz vor einer nie dagewesenen Krise des bezahlbaren Wohnens. Der Präsident der GdW, Axel Gedaschko, stellte fest, die Unternehmen könnten deswegen „nicht mehr in bezahlbaren Wohnungsbau investieren“.54

Vgl. auch: Gemeinnütziger Wohnungsverein München 1899; GIMA München; „Gemeinschaftliches Bauen in München“ auf muenchen.de

  1. https://baugen1871.de/wir-ueber-uns.html ;Siehe auch unter Oktober 2021 []
  2. Neff, Berthold, Genossenschaften wieder fördern, in SZ 31.10.1992 []
  3. Fischer, Katalin, Der Spekulation den Boden entziehen, in SZ 21.6.1994 []
  4. Link: https://www.wogeno.de/home.html, abgerufen 16.3.2021 []
  5. Münster Thomas, Preisgünstig Wohnungen modernisiert, in SZ 11.9.1995 []
  6. Genossenschaftsbau liegt der SPD am Herzen, in SZ 28.6.1996 []
  7. Habit, Stefan, Letzte Hoffnung Genossenschaft, in SZ 4.5.2002 []
  8. Schmidt, Wally, Genossen versprechen sozialverträgliche Lösung, in SZ 19.9.2002 []
  9. Schmidt, Wally, Nachbarn fürchten um ihre Wohnqualität, in SZ 11.11.2002 []
  10. Angst vor der Mietenexplosion, in SZ 3.7.2003 []
  11. Wohnungsabbruch bleibt umstritten, in SZ 21.8.2003 []
  12. Kastner, Bernd, Der Feind auf meinem Flur, in SZ 21.5.2004 []
  13. Schmidt, Wally, 500 Menschen sind zum Umzug gezwungen, in SZ 10.5.2005 []
  14. Holzamer, Hans-Herbert, Mieter können Genossen werden, in SZ 24.1.2003 []
  15. Vögele, Gabi, Genossen feiern zwischen Ostblock und Rialto, in SZ 10.10.2003 []
  16. Kastner, Bernd, Geschlossene Gesellschaften, in SZ 12.5.2006 []
  17. Stupka, Christian, Lebendige Nachbarschaft statt Monostruktur, in SZ 20.8.2009 []
  18. Kastner, Bernd, Der Trend zum Miteinander, in SZ 6.4.2010 []
  19. Lutz, Christiane, Unsere neue Großfamilie, in SZ 23.11.2016 []
  20. Hoben, Anna, Genossenschaften kapitulieren vor Grundstückspreisen, in SZ 20.6.208; Hoben, Anna, Die Stadt muss dem Markt trotzen in SZ 20.6.2018 []
  21. Effern, Heiner, Neue Chance für Genossenschaften, in SZ 5.7.2018 []
  22. Hoben, Anna, Genossen machen dicht, in SZ 7.2.2019 []
  23. Hoben, Anna, Eine Kleinstadt ohne Spekulanten, in SZ 5.8.2020 []
  24. Hutter, Dominik, Krass, Sebastian, Stroh, Kassian, SEM: Ein Projekt, das provoziert, in sueddeutsche.de 27.1.2020; Krass. Sebastian, Stroh, Kassian, Hutter, Dominik, SEM im Münchner Norden und Nordosten – ein Überblick, in sueddeutsche.de 13.8.2020 []
  25. Sobotta, Jerzy, Aus heiterem Himmel, in SZ 14.7.2020 []
  26. Sobotta, Jerzy, Der Eggarten ist Chefsache, in SZ 1.10.2019 []
  27. Krass, Sebastian, Ein Novum im Norden, in SZ 20.7.2020 []
  28. https://www.paritaet-bayern.de/nc/weitere-inhalte/service/fachinformationen/fachinformation/news/wohnbaugenossenschaft-der-wohlfahrtspflege-muenchen-eg-hat-sich-gegruendet/ []
  29. Kastner, Bernd, Der Druck wächst, in SZ 9.11.2020 []
  30. Grundner, Hubert, Idyll auf Abruf, in SZ 19.11.2020 []
  31. https://kooperative-grossstadt.de/ []
  32. https://kooperative-grossstadt.de/metzgerstrasse/; Kramer, Lea, Zuschlag für die Kooperative Großstadt in SZ 26.1.2021 []
  33. https://www.prinzeugenpark.de/wohnen/akteure-wohnen/baugenossenschaft-des-post-und-telegrafenpersonals-4.html []
  34. https://www.baugen1871.de/wir-ueber-uns.html)) Meist muss die Stadt hier helfen, indem sie im Erbbaurecht Grundstücke ergibt. ((Wilke, Justus, Die große Lust am Bauen, in SZ 26.2.2021 []
  35. Naujokat, Anita, „Wie gierige Investoren“, in SZ 6.10.2021 []
  36. Kastner, Bernd, Geschäftsziel Solidarität, in SZ 28.10.2021 []
  37. Gerdom, Ilona, Wohnen wie Biene Maja, in SZ 9.12.2021 []
  38. Krass, Sebastian, Die neue Not beim Wohnungsbau, in SZ 23.8.2022 []
  39. Hoben, Anna, Das Haus soll leben nach dem Tod, in SZ 13.6.2018 []
  40. Hoben, Anna, Der nette Vermieter droht zu scheitern, in SZ 27.9.2022 []
  41. Preuss, Roland, Genossen wohnen günstiger, in SZ 5.10.2022 []
  42. Meschede, Laura, „Bei uns bleiben die Mieten gleich“, Wo Miethaie nicht mitmachen dürfen, in Abendzeitung 18.10.2022; Weißmüller, Laura, Ans Ganze denken, in SZ 21.1.2023 []
  43. Kastner, Bernd, Aus Mietern werden Eigentümer, in SZ 25.1.2023 []
  44. Hertel, Christina, Diese Mieter kaufen ihr Haus, in Abendzeitung 2.5.2023 []
  45. Stäbler, Patrik, Dann kaufen wir das Haus halt selbst!, in SZ 5.5.2023 []
  46. Stäbler, Patrik, Millionen-Zuschuss für Mieter, in SZ 24.8.2023 []
  47. Krass, Sebastian, Millionen für Genossenschaften in SZ 9.11.2022 []
  48. Hilfe für Genossenschaften, in SZ 8.2.2023 []
  49. Hertel, Christina, 270 Millionen für Wohnbau-Unternehmen, in abendzeitung.muenchen.de 7.2.2023 []
  50. Weißmüller, Laura, Das atmende Haus, in SZ 25.2.2023 []
  51. Kastner, Bernd, Weg vom Markt in SZ 20.4.2023 []
  52. Steinbacher, Ulrike, Ein Rettungsschirm für bezahlbare Wohnungen in SZ 16.5.2023 []
  53. Dürr, Alfred, Wohnen für 7,85 Euro pro Quadratmeter, in SZ 24.6.2023 []
  54. Baupreise steigen etwas langsamer, in SZ 11.7.2023 []
Synonym verwendet:
Wohnbaugenossenschaften, Baugenossenschaften
Moloch München Eine Stadt wird verkauft

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