Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Promi-Architektur

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Aktualisiert am 20.5.2023

Ich habe bei meiner Nolympia-Webseite zusammengetragen, welche Architekturbüros sich u. a. in finstersten Diktaturen an Großaufträgen für Sportstätten beteiligt haben. So planten Herzog & de Meuron für die Olympischen Sommerspiele 2008 in China das Nationalstadion Peking (das so genannte „Vogelnest“) mit 91.000 Plätzen, für das 42.000 Tonnen Stahl verbaut wurden. [1] Die großen Architekturbüros haben Hunderte von Beschäftigten, die entlohnt werden wollen: Da baut man dann schon auch in Diktaturen.
Es ist interessant, dass in München anscheinend immer öfter prominente Architekten engagiert werden, um Bauprojekte durchzubekommen.

Siemens-Forum von Richard Meier. Stararchitekt Richard Meier aus den USA baute das Siemens-Forum am Oskar-von-Miller-Ring 20, das 1999 eröffnet wurde. Als die neue Siemens-Hauptverwaltung 2016 eröffnet wurde (Henning Larsen Architects), wurde das Siemens-Forum unter dem Namen OSKAR vermietet.

Hochhäuser von Herzog & de Meuron. Investor Ralf Büschl will mit den Herzog & de Meuron-Hochhäusern an der Paketposthalle die Kritik an der überbordenden Nutzung zum Schweigen bringen. Die emeritierte Professorin für Städtebau an der TUM, Sophie Wolfrum, nannte die Entwurfsidee von Herzog & de Meuron für die beiden Hochhäuser einen „klugen Schachzug des Investors“: „Der Schachzug ‚Big Name‘ wirkt.“ [2]
Dazu aus Wikipedia, Herzog & de Meuron: „Für den Pharmaziekonzern Roche entwarfen Herzog & de Meuron in Basel ein Hochhaus von 154 Metern. Dessen Gebäudeform sollte an die Doppelhelix erinnern. Das Projekt wurde von Roche zurückgezogen. Ein neuer Entwurf für das Bürogebäude, das nunmehr 178 Meter erreichen sollte, wurde am 17. Dezember 2009 von Roche bekanntgegeben. Dieser sogenannte Roche-Turm, ebenfalls von Herzog & de Meuron entworfen, wurde 2015 fertiggestellt. (…) Ein zweiter, 205 Meter hoher Roche-Turm wurde seit 2017 erbaut und im September 2022 fertiggestellt. Auch der Entwurf für diesen Turm stammt von Herzog & de Meuron. Ende 2020 wurde bekannt, dass statt „drei kleinerer Büroturme mit max. 130 Metern Höhe, Roche mit einem neuen einzelnen Turm liebäugelt“. Bereits in der Planung war das Hochhausprojekt umstritten. Nicht nur wegen der städtebaulichen Auswirkungen, sondern auch aus denkmalpflegerischen Gründen und nicht zuletzt weil der gewaltige Hochhauskomplex mit dem dritten Roche-Turm als visuelle Machtdemonstration des weltgrößten Pharmakonzerns empfunden wird.“

Kolbergerstraße 5: Für die von Euroboden aus dem Denkmalschutz heraus prozessierte alte Walmdach-Villa wird das Neubauprojekt mit neun Wohnungen und 600 qm Wohnfläche vom Stararchitekten David Chipperfield geplant. [3]

Schusterbauerhaus, Riem: Das denkmalgeschützte Bauernhaus aus dem Jahr 1850 liegt am Stockerweg 11 und ist das älteste Haus Riems. Euroboden hat es gekauft. Der Architekt Peter Haimerl (u. a. Konzerthaus in Blaibach) übernahm die Planung. [4]

Sir Norman Foster engagiert. Am Georg-Kronawitter-Platz sollen das alte Postgebäude und das Parkhaus abgerissen werden: Für die zwei neuen Kopfbauten wird Stararchitekt Sir Norman Foster engagiert. Die beiden Kopfbauten sollen 28 Meter hoch werden, die rückspringenden Dachgeschosse erreichen 28 Meter. Eine dreigeschossige Tiefgarage mit 360 Pkw-Stellplätzen wird dem Verkehrsplaner Tobias Steurer zufolge den Pkw-Verkehr um 50 Prozent erhöhen. [5]

Wieder Büro Chipperfield. Die Bayerische Versorgungskammer wird an der Richard-Strauss-Straße das ehemalige Siemens-Hauptgebäude abreißen und ihre Zentrale auf 20.000 qm bauen. Geplant ist ein Ensemble mit einem 50 Meter hohen längeren Gebäudekomplex und zwei Türmen mit 64 und 196 Metern Höhe. Die Pläne kommen von David Chipperfield Architects. [6]

Schon wieder Büro Chipperfield. Bauherr Signa Real Estate von René Benko hat einen Wettbewerb für das Karstadt-Areal zwischen Hauptbahnhof und Stachus ausgeschrieben, den das New Yorker Büro David Chipperfield gewonnen hat. Vorsitzender des Preisgerichts war Ludwig Wappner von Allmann Sattler Wappner. Platz zwei belegte das dänische Büro BIG Bjarke Ingels Group, Platz drei das norwegische Büro Snohetta. [7]

Chipperfield und René Benko bzw. Signa. Für den IZ-Autor Christoph von Schwanenfeld ist Chipperfield“ein Schlüsselspieler im Team Benko. Der Brite ist dem österreichischen Immobilienmilliardär verbunden, seit er in Innsbruck das innerstädtische Einkaufszentrum Kaufhaus Tyrol entworfen hat.“ Das 2010 eröffnete Kaufhaus von Benko in Innsbruck gilt durch die Chipperfield-Architektur mit der Fassade mit geknickten Strukturen als Integration in eine historische Innenstadt. Seitdem kooperiert das Büro Chipperfield laufend mit Signa. „Ganz nebenbei profitiert Signa zudem vom kulturellen Kapital, das die Marke Chipperfield gerade in Deutschland darstellt. (…) Derzeit bearbeitet Chipperfield für Signa außer dem Karstadt-Projekt am Hermannplatz etwa den Elbtower in Hamburg sowie das Mixed-Use-Projekt Schützenstraße in München – die Revitalisierung des Karstadt-Warenhauses zwischen Hauptbahnhof und Karlsplatz mit angeschlossener Mixed-Use-Bebauung. 2016 war Chipperfield außerdem Jury-Vorsitzender beim Wettbewerb für die Alte Akademie in München. [8]

Und schon wieder Büro Chipperfield. Als Bundeskanzler Olaf Scholz noch Erster Bürgermeister in Hamburg war, wurde von Signa als Bauherrin der Elbtower mit 245 Meter und Promi-Architekt David Chipperfield in die Wege geleitet. Von Größenwahn und Phallus-Symbol wurde in Hamburgs Bevölkerung geredet, eine Abgeordnete von Die Linke sprach vom „Olaf-Scholz-Gedenkturm“, der sich zwar nicht in die Stadtsilhouette einfügt, aber in den Geldbeutel des Investors Signa. Der Turm mit 100.000 Quadratmeter Geschossfläche auf 64 Stockwerken kostet vermutlich an die 700 Millionen Euro. Wie in München, Düsseldorf und Berlin hat Signa über seine Beteiligung an GKK diverse weitere wertvolle Immobilien in Hamburg, die zumeist über luxemburgische Signa-Ableger verwaltet werden. Die Baugenehmigung für den Scholz-Turm soll an 30 Prozent vermietete Fläche gekoppelt sein: Sie wurde im März 2022 erteilt. Im Jahr 2025 soll das Bauwerk fertiggestellt sein. [9]

Im Zwielicht. Der Erweiterungsbau der Kunsthalle in Zürich stammt vom Büro Chipperfield: und soll vor allem die umstrittene Sammlung des Rüstungsunternehmers Emil G. Bührle aufnehmen.  Dieser verdiente sein Vermögen u. a. durch Geschäfte mit dem NS-Staat. Dazu gelten einige Werke der Sammlung als NS-Raubkunst. [10]

Architekt Hans Kollhoff zum eingeflogenen „genialen Architekten“: „Niemand will dieses Architektengenie, außer den sensationshungrigen Medien, die eine desinteressierte Masse bei Laune halten müssen, und dem global driftenden spekulativen Kapital, dem der konkrete Ort und das Glück der Menschen, die dort leben, egal ist.“ [11]

Der „Elbtower“ aus der Designwerkstatt Chipperfield. Zu ihm schrieb Till Briegleb in der Bauwelt: „Ein riesiger Dinosaurierknochen als östlicher Abschluss der HafenCity, der so genannte Elbtower‘ aus der Designwerkstatt von David Chipperfield, erhielt jetzt nach viel öffentlicher Kritik an dem Projekt seine Baugenehmigung. Und diese neue Stadtkrone an den Elbbrücken formuliert nicht nur weiter das wachstumsgierige Wohlstandsversprechen, das seine ökonomische, ökologische, städtebauliche, soziale, kulturelle und politische Rückständigkeit durch aufwändige Marketing-Kampagnen vertuscht. Dieses Symbol für eine Stadtidee in Investorenhand wird mit Hilfe städtischer Akteure auch noch als ’nachhaltig‘ umetikettiert.
Der 245 Meter hohe Turm, für den geschätzte 80.000 Kubikmeter Beton verbaut werden, setzt allein durch die Herstellung des Zements das Äquivalent des Volumens von 32 Milliarden Luftballons an reinem CO2 in die Atmosphäre frei. Und für diese Leistung erhält das Projekt des österreichischen Problem-Investors René Benko von der Stadt Hamburg dann die dankbare Zertifizierung mit dem Platinum-Standard des Umweltzeichens der HafenCity.“ [12]

SZ-Interview mit Jacques Herzog. 1978 gründeten Herzog und Pierre de Meuron ihr Architekturbüro. Nach der Sammlung Götz, den Fünf Höfen und der Allianz-Arena wäre das Paketposthallen-Areal der Büschl Unternehmensgruppe (1100 Wohnungen, 3000 Arbeitsplätze, zwei Hochhäuser mit 155 Metern) ein weiteres Projekt von Herzog & de Meuron in München. Herzog äußerte sich im SZ-Interview zur Rolle der Architekten ähnlich wie bei Promi-Architekten üblich. Zur Frage nach Bauten von Herzog & de Meuron in China und Russland äußerte Herzog, es entstünde nur dort gute Architektur, „wenn das Gegenüber – die Auftraggeber – einen ernsthaften und kohärenten Dialog anbieten. Das haben wir so auch erlebt. (…) Und radikale Schönheit von Architektur entsteht häufig eben auch in den bei uns verpönten, undemokratischen Gesellschaften.“
Im SZ-Interview wurde das „Bürgergutachten“ thematisiert, das fehlende Grünflächen monierte. Herzog: „Das Ganze hat immer ein Preisschild. Die Rechnung muss am Ende für den Investor aufgehen, und daraus entstehen Vorgaben für uns. (…) Mit den Vorgaben, die wir haben, wäre mehr Grün nur über eine noch größere Verdichtung in die Höhe möglich.“
Der Investor könnte auch Baumasse zugunsten von Grünflächen streichen, aber: siehe Preisschild!
Zum fehlenden städtebaulichen Wettbewerb für das riesige Paketposthallen-Areal äußerte Herzog, er wüsste nicht, „ob ein Wettbewerb ein besseres Resultat gebracht hätte. Wir haben auch kein schlechtes Gewissen deswegen.“ Der „Masterplan“ von Herzog & de Meuron sei mittels einem „breit abgestützten Workshop-Verfahren“ und einer Fachjury, dem Planungsreferat und unter Beteiligung des Stadtrats zustande gekommen. „Das kann man durchaus mit einem Wettbewerbsverfahren vergleichen.“
Falsch. Keine Konkurrenz!
Zur Feststellung vom TU-Professor für nachhaltiges Bauen, Thomas Auer, dass Hochhäuser abhängig von ihrer Höhe mehr Kohlendioxid produzieren und weniger Nutzfläche haben, äußerte Herzog ausweichend, die Technologie mache „enorme Fortschritte … Aber Höhe generell zu tabuisieren finde ich problematisch.“ [13]

Chipperfield plant Apple-Bau. Das neue Apple-Bürogebäude Karl in der Karlstraße wird vom Büro David Chipperfield geplant. 2000 Ingenieurinnen und Ingenieure arbeiten am Standort München, dem größten Entwicklungsstandort von Apple in Europa: Der Konzern hat hier über eine Milliarde Euro investiert. [14]

Nachhaltigkeit“ in Saudi-Arabien. Till Briegleb berichtete in der SZ über die Planungen der Diktatur von Saudi-Arabien zu einer Megastadt namens Neom, die nichts weniger als eine Lösung für heutige „Lebens- und Umweltkrisen“ der Welt darstellen soll. Zentral soll eine Bandstadt namens The Line entstehen:  ein einziges Gebäude mit 170 Kilometer Länge, 500 Meter Höhe und 200 Meter Breite. 500 Milliarden Öl-Dollar will Herrscher Mohammed bin Salman investieren, u. a. in 500 Meter hohe Wolkenkratzer. Alle Materialien für Neom müssen von weit her antransportiert werden, ebenso Arbeitskräfte und Gerätschaften. Neun Millionen Einwohner müssen mit Entsalzungsanlagen versorgt werden. Etc. Der australische Architekturprofessor Philip Oldfield schätzt den Kohlendioxid-Ausstoß auf mindestens 1,8 Milliarden Tonnen. Der Stamm der Huwaitat wird gewaltsam aus seiner angestammten Heimat vertrieben
Internationale Promi-Architekten und ihre Büros stehen Schlange, um mitmachen zu dürfen; so etwa das Büro der verstorbenen Zaha Hadid, Thom Mayne von Morphosis, Ben van Berkel von UN Studios, Francine Houben von Mecanoo (nicht mehr dabei), Norman Foster (war im Beratergremium, trat nach dem Mord am Journalisten Khashoggi 2018 zurück), Rem Koolhaas, David Adjaye, Delugan Meissl, „ökologische“ Büros wie Lava aus Stuttgart und Massimiliano Fuksas. Letzterer forderte in Interviews Nachhaltigkeit ein, verkörpert aber laut Till Briegleb „sehr deutlich die herrschende Doppelmoral in jener gefeierten Architektenszene, der es am Ende doch nur um die Selbstdarstellung als Künstler von Weltruhm geht“. Wolf D. Prix vom Wiener Büro Coop Himmelb(l)au, hatte ja schon früher geäußert, lieber für Autokraten zu bauen, da hier nicht so aufs Geld geachtet wird. Er äußerte im Dezember 2022 im Standard zu Neom: „“Wir arbeiten nun für einen anderen Autokraten und sitzen mit all jenen, die gesagt haben, dass sie für Russland nicht mehr arbeiten wollen, Schulter an Schulter in Saudi-Arabien. Dort planen wir alle an der 170 Kilometer langen Linearstadt Neom.“ Die Promi-Architekten haben Verschwiegenheitsverträge unterzeichnet. Der Hamburger Professor Eckart Woertz kommt zu dem Schluss: „Noem wird die totale Überwachungsstadt. Und die Überwachungsmittel befinden sich in den Händen eines absolut autoritären Regimes. Wer möchte dorthin, um auf Schritt und Tritt fotografiert und gescannt zu werden? Liberalität braucht Privatheit. Die wird es dort nicht geben.“ [15]

Vgl.: Isar Valley; Promi-Architektur

Fußnoten und Quellen

  1. http://www.nolympia.de/kritisches-olympisches-lexikon/sport-architekten/
  2. Krass, Sebastian, Hochfliegende Pläne, in SZ 5.1.2021
  3. Kronewiter, Thomas, Gelungene Überraschung, in SZ 18.9.2013
  4. Winkler-Schlang, Renate, In die Neuzeit katapultiert, in SZ 27.11.2013
  5. Raff, Julian, Firsthöhe setzt Akzente, in SZ 2.10.2020
  6. Graner, Nicole, Bagger, Bauten und Bedenken, in SZ 25.2.2021
  7. Effern, Heiner, Das ist die neue Achse Münchens, in SZ 8.2.2022
  8. Schwanenflug, Christoph von, René Benkos Traumfabrik, in iz.de 15.12.2022
  9. Burghardt, Peter, Der Scholzturm, in SZ 13.4.2022
  10. Pfaff, Isabell, Wunden schließen, in SZ 22.4.2022
  11. Kollhoff, Hans, Architekten. Ein Metier baut ab, Springe 2022, S. 33
  12. Briegleb, Till, Zwischen Anspruch und Wirklichkeit, in bauwelt.de 11/2022
  13. Alle Zitate: Weissmüller, Laura, Krass, Sebastian, „Das Ganze hat immer ein Preisschild“, in SZ 1.7.2022
  14. Martin-Jung, Helmut, Apple setzt auf München, in SZ 29.9.2022
  15. Briegleb, Till, Im größten Bordell der Welt, in SZ 22.3.2023
Moloch München Eine Stadt wird verkauft

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