Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Dawonia

D
Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Aktualisiert 29.7.2023

Intro: Ein Investorenkonsortium unter Führung der Patrizia Alternative Investments GmbH kaufte am 8.4.2013 für 2,45 Mrd. Euro die GBW AG von der BayernLB. Seit Januar 2019 firmiert die frühere GBW-Gruppe unter Dawonia Real Estate GmbH & Co. KG als Tochter der Patrizia AG.

Zur Historie: Am 13.7.1936 wurde die Wohnungsbauträgerfirma „Bauträger AG des bayerischen Handwerks“ gegründet, die 1940 gemeinnützig wurde und in Gemeinnützige Bayerische Wohnungsbaugesellschaft (GBW) umbenannt wurde. Der Münchner Stadtrat beschloss in den sechziger Jahren den Bau von 48.000 Sozialwohnungen; Die GWB errichtete Großsiedlungen am Rand Münchens, u. a. im Hasenbergl. 1966 wird die Bayerische Landesbank Großaktionärin der GBW, später das Viertel an der Berliner Straße in Schwabing. 2007 übernahm die GBW AG die Wohnungsunternehmen der Konzernmutter Bayerische Landesbank und
firmierte um zur GBW Gruppe. Sie erhöhte den Wohnungsbestand von 9000 auf 33.000.1 Durch die Bankenkrise 2008/2009, aber auch durch eigene große Fehlinvestitionen (z. B. Kauf der Hypo Alpe Adria im Jahr 2007) musste die BayernLB vom bayerischen Staat mit zehn Milliarden Euro gerettet werden.

Bericht der GBW AG im September 2002: Das gute Geschäftsjahr 2000 konnte im Jahr 2001 wiederholt werden. Vorstandsvorsitzender Helmut Fenk konstatierte ein stagnierendes Angebot an Wohnungen mit steigendem Mietpreisniveau und folgerte daraus eine höhere Nachfrage nach Wohnungseigentum. Aktuell baut die GBW AG das Projekt „Löwenzahn“ mit 97 Eigentumswohnungen in München-Harthof (44 im München-Modell). Der Verkauf beim Projekt „Fliedergarten“ in Neuried mit 37 Reihenhäusern und 17 Eigentumswohnungen begann, ebenso beim Starnberger „Am Georgenbach“ mit 28 Eigentumswohnungen. In Garmisch-Partenkirchen und in München an der Hamburger Straße und der Riesenfeldstraße werden ältere Wohnanlagen abgerissen und neu gebaut. Am Ackermannbogen baut die GBW AG 32 und an der Cosimastraße rund 120 geförderte Mietwohnungen.2

August 2008: Erste Warnung vor GBW-AG-Verkauf. MdL Heinz Kaiser (SPD) informierte, dass die durch den Kauf der Hypo Alpe Adria Group u. a. in finanziellen Schwierigkeiten steckende Bayerische Landesbank (BayernLB) seit 2007 einen Käufer für ihre Wohnungsbau-Tochter GBW AG sucht. Im August 2007 wurde das Vorhaben wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage erst einmal gestoppt. Die BayernLB hält 92 Prozent an der GBW AG. Diese hatte 2008 einen Börsenwert von rund 800 Millionen Euro und besaß etwa 32.000 Wohnungen. Der BayernLB-Vorstand Rudolf Harnisch äußerte gegenüber Kaiser, dass ein Verkauf „jetzt und auf absehbare Zeit“ nicht mehr geplant sei. Ein Verkauf könne aber nicht restlos ausgeschlossen werden. Kaiser erinnerte die BayernLB an die wichtige Aufgabe der GBW AG, preiswerten Wohnraum zur Verfügung zu stellen und forderte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) auf, einem Verkauf nicht zuzustimmen. Herrmann erwiderte daraufhin, er unterstütze die Position von BayernLB-Vorstand Harnisch.3

Juli 2009: GBW-Verkauf droht. Die in finanzielle Turbulenzen geratene BayernLB hat über ihre Tochter GBW AG in München über 10.000 Wohnungen, dazu in Bayern weitere 24.000. Die BayernLB musste, wie oben erwähnt, mit einen Kredit von zehn Milliarden Euro des Freistaats vor dem Konkurs bewahrt werden. Sie beteuerte, dass es „aktuell keine Verkaufsabsichten“ gäbe. OB Christian Ude und der Münchner Mieterverein warnten dagegen vor einem möglichen Verkauf.4
Der Verkauf an die Patrizia AG erfolgte dann im April 2013 für 2,45 Milliarden Euro: Das waren in etwa 72.000 Euro pro Wohnung.

Stadtrat will GBW-Mieter schützen. Im September 2009 appellierte der Münchner Stadtrat einstimmig an die Staatsregierung, die Interessen der Mieter zu wahren. Mieter über 60 Jahren sollten lebenslang vor Eigenbedarfs- und Verwertungskündigungen geschützt werden, alle anderen für 15 Jahre. Ein Umwandlungsverbot soll ebenfalls für 15 Jahre gelten, Luxussanierungen untersagt werden. Die Münchner Stadtrats-CSU sprach sich für einen Verkauf an eine Gesellschaft der öffentlichen Hand aus. Die BayernLB teilte OB Christian Ude mit, dass derzeit ein Verkauf nicht aktuell sei, aber für 2013 geplant werde. Die SPD will eine „Explosion der Mieten“ verhindern: Vermieter sollen nur noch die tatsächlichen Kosten auf die Miete umlegen dürfen. Im CSU-Programm steht, dass mehr Menschen Wohneigentum erwerben sollen. Die FDP sieht nicht die Mieter, sondern die Vermieter benachteiligt und tritt für eine Vereinfachung des Mietrechts ein. Die Linke fordert einen verbindlichen Mietspiegel, eine Erhöhung öffentlicher Gelder für den sozialen Wohnungsbau und ein Grundrecht auf eine menschenwürdige Wohnung.5

April 2010: Mieterverein appelliert an GBW AG. Die Vorsitzende des Mietervereins München, Beatrix Zurek, ist auch Stadträtin der SPD. Sie appellierte an die GBW AG, mit ihren Mietern Verträge abzuschließen, um überzogene Erhöhungen und Luxussanierungen auszuschließen.6

August 2010: GBW AG baut „Leo 250“. An der Leopoldstraße 250 baut die GBW AG 73 Wohnungen zwischen 40 und 120 qm nach dem einkommensorientierten Modell. Sie wird in den nächsten zwei Jahren 400 weitere geförderte Wohnungen in München bauen. 144 Wohnungen werden am Fröttmaninger Haidpark gebaut, an der Welfenstraße in Au-Haidhausen 90 einkommensorientierte Wohnungen und 16 Wohnungen nach dem München Modell. In den „Nymphenburger Höfen“ auf dem ehemaligen Löwenbräu-Gelände baut die GBW AG 48 preisgünstige Wohnungen.7

Angeblich keine aktuellen Verkaufsverhandlungen. Die GBW-Gruppe hat aktuell in Bayer über 33.000 Mietwohnungen, davon ein Drittel gefördert. In München hat sie über 10.000 Mietwohnungen. Verkaufsverhandlungen durch die BayernLB finden laut Vorstandsvorsitzenden Ernst Holland derzeit nicht statt. Die GBW AG hat auch im Krisenjahr 2009 ihr Ergebnis mit einem Gewinn von 21,2 Millionen Euro verbessern können.7

GBW AG: „Deutsche Baugeschichte“. In der Bayerischen Staatszeitung stand zum 75-jährigen Gründungstag ein kurzer historischer Abriss. Nach offiziellen Angaben fehlten 1935 in Bayern 1,2 Millionen Wohnungen. 1936 startete die Bauträger A.G. des bayerischen Handwerks ein Bauprogramm. 16 Wohnungsunternehmen des Handwerks wurden gegründet: Sie bauten im Nationalsozialismus Volkswohnungen, Wehrmachtsbauten, Heime für die Hitlerjugend etc. 1940 bis 1945 herrschte ein Bauverbot für Zivilbauten. Die Bauträger AG baute in erster Linie Kasernen und Behelfsunterkünfte für Ausgebombte – und ein Gefangenenlager in Kempten. 1940 beantragte sie die Gemeinnützigkeit und hieß dann Gemeinnützige Bayerische Wohnungsgesellschaft AG (GBW AG). Bis Kriegsende baute die GBW AG 904 Wohnungen. Von 1950 bis 1958 waren es 4422 Wohnungen. zwischen 1956 und 1966 wurde auch der Bau von Eigenheimen forciert. 1960 plante der Münchner Stadtrat den Bau von 48.000 Sozialwohnungen. Die GBW AG baute im Rahmen des Programms über 1000 Wohnungen am Hasenbergl. Mitte der 70er Jahre baute die GBW AG Siedlungen wie z. B. an der Berliner Straße in München. 2007 übernahm die GBW AG die Wohnungsunternehmen der Konzernmutter BayernLB: Die Zahl der Wohnungen stieg von 9000 auf rund 33.000.8

April 2013: Die GBW AG wird verkauft. Im April 2013 kaufte ein von der Patrizia Alternative Investments geführtes Konsortium für 2,453 Milliarden Euro 92 Prozent der GBW AG mit rund 32.000 Wohnungen und mehr als 80.000 Bewohnern von der Bayerischen Landesbank (siehe unten). Die Patrizia AG war eine Kapitalsammelstelle für 27 Investoren, die vornehmlich in den europäischen Steuerparadiesen Luxemburg und Niederlange sitzen. Ein geschlossener Immobilienfonds garantierte den Investoren Anonymität: Dieser setze sich zusammen aus Versicherungen, Sparkassen, Pensionskassen und Versorgungswerken von Apothekern, Ärzten und Rechtsanwälten. Die Patrizia AG selbst hatte nur 2,36 Prozent des Kaufpreises eingebracht – und muss nun für eine entsprechende Rendite sorgen.9

Oktober 2013: GBW-Mieten steigen. Im April 2013 verkaufte die BayernLB (respektive der zuständige damalige Finanzminister Markus Söder, CSU) die GBW AG mit rund 32.000 Wohnungen an ein Konsortium unter der Führung der Augsburger Patrizia AG. Söder sprach von einem ausgehandelten garantierten „Höchstmaß an Sicherheit für die Mieter“. Die Geschäftsführerin des Mieterbunds Bayern, Monika Schmid-Balzert, bescheinigte dagegen der Patrizia AG, sich nicht von anderen „Immobilienhaien“ zu unterscheiden. In ganzen Wohnblocks der GBW AG in Bayern wurden die Mieten um 15 bis 20 Prozent erhöht. Zwar wurde eine Sozialcharta vereinbart, aber mit energetischen und anderen Modernisierungen lässt sich die Miete kräftig erhöhen: Dann können vielfach die Mieter ihre Mieten nicht mehr bezahlen. Mieter können auch Wohnungen selbst kaufen: Die kosten dann in Lagen wie München-Milbertshofen stolze 4000 Euro pro Quadratmeter. Der Mieterverein rechnet mit dem Verkauf von Hunderten Wohnungen durch die Patrizia AG in den nächsten Jahren. – In Baden-Württemberg hat die Patrizia AG im Februar 2012 etwa 21.000 Wohnungen der Landesbank-Tochter Südewo für 1,4 Milliarden Euro gekauft: Seither wurden über 1000 Wohnungen weiterverkauft. Und auch hier registrierte der Mieterbund Baden-Württemberg, dass die Patrizia AG die Mieten „massiv“ erhöht hat.10

November 2013: Dementi der EU. Ein Sprecher des damals zuständigen EU-Kommissars Joaquin Almunia äußerte, die BayernLB habe selbst den Verkauf vorgeschlagen. Der Freistaat hätte entgegen den Aussagen Söders die GBW AG erwerben können. Söder sprach daraufhin von „einem Sturm im Wasserglas“; es habe keine Alternative zum Verkauf gegeben. Der Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, sagte, Ministerpräsident Horst Seehofer und Söder hätten „die bayerische Bevölkerung belogen“. Der Mieterbund sah sich bestätigt, dass die Staatsregierung die GBW AG hätte kaufen können.11

Zum Verkauf der GBW AG. Die Bayerische Landesbank (BayernLB) war u a. durch die Übernahme der österreichischen Bank Hypo Alpe Adria in finanzielle Bedrängnis gekommen. Die Deutsche Kreditbank (DKB), eine Tochter der Bayerischen Landesbank (BayernLB), hatte bereits 2012 ihre DKB Immobilien AG mit 25.000 Wohnungen an den Hamburger Investor TAG Immobilien AG verkauft.9 Der damalige bayerische Finanzminister und heutige Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte dann letztlich den dubiosen Verkauf der GBW AG, die im Eigentum der Bayerischen Landesbank mit über 32.000 Wohnungen und mehr als 80.000 Bewohnern war, zu verantworten. Söder hatte behauptet, die EU hätte die durch den Bankencrash hoch verschuldete Bayerische Landesbank zu diesem Schritt gezwungen: Dies wurde zuerst durch den Sprecher des damals zuständigen EU-Kommissars Joaquin Almunia im November 2013 dementiert (siehe oben) und durch neue Informationen 2018 eindeutig widerlegt.
Im Oktober 2012 startete die BayernLB den Verkaufsprozess für die GBW AG. Bayerische Städte wie München und Nürnberg hatten eine Kaufgemeinschaft für die GBW-Wohnungen gebildet und wollten zudem einen besseren Mieterschutz garantieren: vergebens.12 Ein Investorenkonsortium unter Führung der Patrizia Alternative Investments GmbH kaufte am 8.4.2013 für 2,453 Mrd. Euro die GBW AG von der BayernLB.9 Der Preis pro Wohnung: etwa 72.000 Euro.

Offizielle Begründung für den Verkauf: die EU. Im bayerischen Finanzministerium entwickelte man vor dem Kauf der GBW AG einen großen Widerstand. Es sei nicht im Interesse des Freistaats, Mehrheitseigentümer bei einem Wohnungsunternehmen zu sein, dessen Rendite noch dazu gering war, stand in einer ministeriellen Notiz vom März 2011 für Söders Vorgänger als Finanzminister, Georg Fahrenschön (CSU). Dazu würde man sich eine politische „Problembeteiligung“ schaffen als „Ansprechpartner für 34.000 Mieter in Bayern“.12 Im November 2011 wurde Söder Finanzminister. Im Januar 2012 stand in einem ministeriellen Vermerk, ein Mangel an Mietwohnungen sei aktuell in Bayern „nicht ersichtlich“, außerdem würde der soziale Wohnungsbau „bislang sehr gut durch Private wahrgenommen“. Und schließlich gäbe es noch die angeblichen Einwände der EU.12 Nachdem der bayerische Staat die BayernLB mit den zehn Milliarden Euro retten musste, hätte der Staat nicht die GBW-Wohnungen kaufen dürfen, um die Rettung nicht zu gefährden.

Oktober 2016: GBW/Dawonia/Patrizia „modernisiert“. Die einfachen Wohnblöcke am Seydlitzplatz in Moosach sind aus den fünfziger und sechziger Jahren. Hier wohnen keine begüterten Mieter. Nun saniert die Hausherrin, die GBW AG, großzügig. Im Verkaufsprospekt heißt die Ecke nun „An der Gärtnerei“. Der Prospekt bildet moderne Fassaden ab, dazu einen Neubau auf dem ehemaligen Garagenhof plus Aufstockungen. Zwei Lofts dort oben sollen jeweils knapp eine Million Euro kosten. Für die (Noch-)Mieter sieht es aus wie bei bekannten Entmietungen. Das Ehepaar Vossen darf seinen Balkon nicht mehr betreten: Das Geländer und die Fliesen sind weg. Das Bad wurde nach Wochen fertig: Die Vossens bekamen von der GBW AG einen Eimer als Ersatz für die Toilette angeboten und sind sich sicher, dass sie ausziehen sollen. Lina V. hat bis Juni 2016 hier gewohnt, ist inzwischen entnervt mit ihrem Kind ausgezogen und hat ein Baustellen-Protokoll geführt:
11. + 12.4.2016: Kein Wasser, nur Gemeinschaftsbad im 3. Stock, Toilette verstopft, keine Heizung, kein Bad, keine Toilette, keine benutzbare Küche, eine offene Wohnung. Die Campingtoilette im Gang sollte alle zwei Tage geleert werden: Sie wurde bisher nur am 15.4.2016 geleert. 18. + 19.4.2016: Kein Wasser, Küche eine Woche zu früh demontiert. Etc.
Die GBW AG antwortete auf Anfrage des BR, dass die Sanierungsmaßnahmen Unannehmlichkeiten mit sich brächten. „Den Vorwurf der systematischen Entmietung weisen wir entschieden zurück.“ Die BayernLB antwortete dem BR, dass ein externer Wirtschaftsprüfer über die Einhaltung der Sozialcharta wache. Den Prüfberichten seien keine Verstöße dagegen zu entnehmen. Monika Schmid-Balzert vom Mieterbund, Landesverband Bayern: „Die Mieter sind da ganz schrecklichen Situationen ausgesetzt, das ist völlig untragbar. Ich muss nur leider sagen, wir hatten so etwas befürchtet.“13

Oktober 2016: „Nachdem die Mieten für viele Bewohner stark gestiegen sind und laut dem Münchner Mieterverein Menschen systematisch aus den Wohnungen gedrängt würden, um sie hochpreisig neu zu vermieten oder zu verkaufen, wurde der umstrittene Verkauf der GBW-Wohnungen im Oktober 2016 erneut Thema einer Debatte im Bayerischen Landtag.“ (Wikipedia) Die LH München kaufte nach Angaben von OB Dieter Reiter für „einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag“ GBW-Wohnungen.9

Brief von Vestager: Wie es wirklich war. Am 19.6.2018 wurde ein Brief der amtierenden EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager an den GBW-Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags bekannt. Die Trennung von den GBW-Anteilen habe die BayernLB „selbstständig entschieden“. Die Frage der Notwendigkeit des Verkaufs habe sich für die EU-Kommission „zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens gestellt“. Der Verkauf der GBW-Anteile an den Freistaat Bayern wurde seitens der EU-Kommission „nicht zwingend ausgeschlossen“, damit „wäre auch der Freistaat als Käufer in Betracht gekommen“. Vestager teilte schriftlich weiter mit, dass „der Verkauf der Wohnungsgesellschaft GBW auf Wunsch der BayernLB erfolgte und der Freistaat Bayern die Wohnungsgesellschaft GBW aus dem Besitz der Bayerischen Landesbank hätte kaufen können“.
Der damalige EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Aluminía hatte einen Brief an Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) geschrieben, der laut Eingangsstempel am 13.12.2013 in der Staatskanzlei eintraf. Darin wies der EU-Kommissar nur darauf hin, dass es kein „überhöhtes Angebot seitens der öffentlichen Hand geben dürfe“. Dagegen hatte der damalige Finanzminister Markus Söder (CSU) im Januar 2012 erklärt: „Die EU-Kommission verbietet, dass der Freistaat die Wohnungen kauft.“ Der Vorwurf lautete deshalb jetzt, dass Söder damals die Öffentlichkeit getäuscht habe. SPD, Grüne und Freie Wähler äußerten am 7.6.2018, Söder wollte nie die Wohnungen der GBW AG in staatlicher Hand behalten, wie er behauptete; außerdem habe er den Mieterschutz von 85.000 Mietern geopfert und einen Milliardenschaden für die bayerischen Steuerzahler verursacht. Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann äußerte: Söders Falschspiel ist mit Bekanntwerden dieses Schreibens offiziell aufgeflogen.“ Es sei ihm lediglich „um die Rettung einer von der CSU in den Dreck gefahrenen Bank“ gegangen.1415169

Klaus Ott schrieb dazu in einem Kommentar in der SZ zum GWB-Verkauf an die Patrizia AG: „Mieterhöhungen und Wohnungsverkäufe sind die Folge. Aber dafür soll nur die böse EU in Brüssel verantwortlich sein, nicht die Politik in Bayern. So hätten es Minister und Abgeordnete der CSU gern. Das ist so einfach wie falsch. Die Ursache für die Privatisierung der GBW ist hausgemacht. Es war der vom damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und anderen CSU-Politikern geförderte Größenwahn der Landesbank, der dazu führte, dass das staatliche Geldinstitut fast pleiteging und die GBW verkaufen musste. (…) Ministerpräsident Markus Söder, der sich als Finanzminister um den Verkauf der GBW kümmerte (…) hat erst gar nicht versucht, die GBW zu kaufen, sondern sich mit Sozialauflagen begnügt.“17

EU-Vorgabe war vorgeschoben. Die EU habe der bayerischen Landesregierung untersagt, selbst die GBW AG zu kaufen, lautete das Mantra aus hohen CSU-Regierungskreisen. Der damalige Finanzminister Markus Söder hatte im Januar 2012 erklärt: „Die EU-Kommission verbietet, dass der Freistaat die Wohnungen kauft.“12 Das stimmte so nicht. In einem vierseitigen Vermerk aus dem Finanzministerium vom 31.1.2012 stand: „Ein ausdrückliches Verbot des Anteilerwerbs durch den Freistaat hat die EU-Kommission nicht ausgesprochen.“12 Söder hatte sich dann bei der Patrizia AG für einen starken Mieterschutz eingesetzt (der sich im Nachhinein als gar nicht so stark herausstellte) und den Verkauf damit gerechtfertigt.
Verkauft wurden damit 8080 GBW-Wohnungen in München selbst, 2593 im Münchner Umland, 2984 in Nürnberg, 2242 in Erlangen, 1437 in Regensburg, 1299 in Landshut und weitere in 14 anderen Städte in Bayern. Die Käuferin Patrizia AG setzte bald Neubauten in die alten Anlagen und in Innenhöfe, modernisierte die Wohnungen und konnte so die Mieten über den Mietspiegel erhöhen.9

Die BLUS-Sanierung. Damit bezeichnete die GBW AG das Karree Brabanter und Luxemburger Straße, Ungerer- und Stengelstraße. Am 27.12.2018 bekamen die Mieter Briefe über künftige Sanierungsarbeiten – und deren Folgen. Die Mieterin F. bezahlte bisher monatlich 386,59 Euro, danach sollen es 993,65 Euro sein. Mieter O. bezahlte bisher 497,71 Euro, danach sollen es 1174,74 Euro sein. Ein ähnliches Vorgehen durch die GBW AG wie so oft: Der Balkon von Mieter O. wird abgerissen, danach bekommt er (bei einer 49-Quadratmeter-Wohnung) ZWEI Balkone. Der zweite Balkon kostet zusätzlich 127 Euro: Aber die GBW AG schrieb ihm, dass er durch diesen in den Genuss der Abendsonne komme. Auch Mieterin F. bekommt zu ihrer 48-Quadratmeter-Wohnung zwei Balkone.
Die GBW-Gruppe (von der Patrizia AG übernommen und später in Dawonia umgetauft), hat damit dasselbe Verfahren wie die Eigentümer des Hohenzollernkarrees gewählt.
Kleiner Exkurs: Seit Januar 2019 gibt es eine Gesetzesänderung bei Mieterhöhungen infolge von Modernisierungen. Die Miete darf höchstens um drei Euro pro qm innerhalb von sechs Jahren steigen, außerdem darf der Vermieter nicht mehr elf, sondern nur acht Prozent auf die Mieter umlegen. Kurz vor Jahresende 2018 hat die Max-Emanuel-Immobilien GmbH ihren Mietern im Hohenzollernkarree Modernisierungen und gleichzeitig drastische Mieterhöhungen angekündigt. Die Bauarbeiten im Hohenzollernkarree sollten aber erst im Jahr 2020 beginnen. Gegen die Mieterhöhungen klagte der DMB Mieterverein München.
Vgl.: Hohenzollernkarree

Ab 1.1.2019 hätte die Mieterhöhung durch Sanierung für die Mieterin F. gerade einmal bei 96 Euro und nicht bei 607,06 Euro betragen. Deshalb wurde von der GBW AG noch schnell im Dezember 2018 die Sanierung angekündigt. Die Vorsitzende des Mieterverein München, Beate Zurek, nannte das Vorgehen der GBW AGEntmietung pur“. Beim BLUS-Projekt war der erste Bauabschnitt im Dezember 2017 beendet, der zweite soll im April 2019 beginnen. (Hier ist die GBW AG also zeitnäher als die Max-Emanuel Immobilien GmbH, die Sanierungen in weiter Ferne angekündigt hatte.) Dann werden 104 Wohnungen modernisiert und acht neue durch Dachaufstockung gebaut. Die Dauer der Umbauarbeiten wird mit drei Jahren angegeben: Damit dürften viele Mieter aufgegeben haben. Ein Mieter bezeichnete die jahrelangen Bauarbeiten als „Sanierung am lebendigen Leib“.
Das ist auch der Sinn heutiger Modernisierungen. Die GBW Gruppe, Tochter der Patrizia AG, schrieb dann auch, dass Mitte 2020 der Verkauf der Wohnungen beginnt. Im ersten Bauabschnitt hätte ein Viertel der Mieter zugegriffen. Die GBW AG kündigte in ihren Briefen zugleich ihre Umfirmierung in Dawonia an.18

Von der GBW AG zur Dawonia. „Dawonia: Hier bin ich zu Hause“19. Seit Januar 2019 firmiert die frühere GBW-Gruppe unter Dawonia Real Estate GmbH & Co. KG. Am 19.12.2018 gab die GBW Gruppe den neuen Namen „Dawonia“ bekannt. Claus Lehner, Sprecher der GBW-Geschäftsführung: „Der Name GBW passt nicht mehr zu unserer aktuellen Unternehmensstrategie… Wir sind längst auch außerhalb Bayerns aktiv und seit vielen Jahren nicht mehr gemeinnützig.“20

Dawonia reißt lieber ab. Schönfeldstraße 14: ein Wohnhaus mit 80 Wohnungen aus dem Jahr 1961, deren Sanierung sich laut Dawonia-Konzern nicht mehr lohnt und das deshalb abgerissen werden soll. Im April 2010 kündigte die Dawonia eine Modernisierung an, die immer wieder verschoben wurde. Im Januar 2019 verschob die Dawonia diese ganz: offiziell: wegen gestiegener Baukosten. Die Dawonia Management GmbH kündigte dann den Abriss im Februar 2020 an – unter dem Betreff „Geplanter Neubau“. Eine Modernisierung sei „unter Berücksichtigung sozialer, ökologischer und ökonomischer Gesichtspunkte auf Dauer nicht umzusetzen“.21
Da kämen einem direkt die Tränen: soziale, ökologische Gründe. Wenn man nicht wüsste, dass die ökonomischen Gründe ausschlaggebend sind: weil sich ein Neubau lukrativer vermieten – oder verkaufen – ließe.
Volker Rastätter, der Geschäftsführer des Mietervereins München, äußerte dazu: „Wir sind äußerst verwundert, dass die Dawonia, Ex-GBW, nun abermals versucht, ein Haus abzureißen, dessen Altmieter durch die Sozialcharta geschützt sind.“21 Rastätter bezog sich auf die Dawonia-Anlage in der Nimmerfallstraße in Pasing. Denn gemäß der Vereinbarung vom Mai 2013 hatte sich die damalige GBW AG in einer Sozialcharta verpflichtet, Kündigungen wegen Eigenbedarfs oder „nicht angemessener wirtschaftlicher Verwertung“ erst ab 2023 auszusprechen. Rastätter: „Die Dawonia fällt immer wieder durch ihr mieterunfreundliches Verhalten auf. Wir appellieren an sie, sich endlich wie ein verantwortungsvoller Vermieter zu verhalten.“21
Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein ist Ombudsmann von Dawonia und wurde in dieser Eigenschaft wegen des Falls Schönfeldstraße 14 am 24.2.2020 angeschrieben. Die jetzige Antwort, so Mietersprecher Rudolf Schairer, war nicht hilfreich: „Das Schreiben ergeht sich in Plattitüden. Es besteht quasi kein Bezug zu meiner Anfrage.“ Beckstein schrieb u. a., es sei „nicht zu Verstößen gegen die Sozialcharta gekommen“; die Dawonia würde auch weiterhin die Sozialcharta einhalten.22
Nachtrag Juni 2021: Dawonia will abreißen. Bei dem Dawonia-Wohnhaus in der Schönfeldstraße 14 wurde die Sanierung gestoppt: Nun soll es abgerissen werden.23
Nachtrag April 2023: 2010 hat Dawonia die Modernisierung der Schönfeldstraße 14 angekündigt, 2015 eine erneute Prüfung der Sanierung. 2017 wurde ein Bauantrag bei der Stadt eingereicht. Dawonia-Chef Claus Lehner kündigt die Sanierung für Sommer 2018 an. 2019 verlautbarte, dass die gestiegenen Baukosten zu extremen Mieterhöhungen führen würden. Im Februar 2020 war für Dawonia dann eine Modernisierung unmöglich geworden: deshalb soll im dritten Quartal Abriss und Neubau beginnen. Nun sollen 59 Wohnungen mit etwa 7000 qm entstehen.
Rudolf Schairer, ein ehemaliger Mieter der Schönfeldstraße 14, sieht in der Politik der Dawonia „das Streben nach maximale Rendite“. Der Bodenrichtwert der Immobilie sei in den zehn Jahren umfasst das Dreifache gestiegen – von 7500 Euro pro Quadratmeter auf heute 21.000 Euro. Es habe nicht einmal eine „rücksichtslose Entmietung“ gegeben. Es sei eher die „leise Art“, wie man das Haus leer bekomme. Die immer wieder angekündigte Renovierung habe nie stattgefunden. Immer wieder seien die Mieter vertröstet worden. Im Februar 2020 sei dann der Abriss und Neubau angekündigt worden. Inzwischen steht das Haus weitgehend leer. Laut Dawonia habe man mit „fast allen“ Mietern sozial verträgliche einvernehmliche Lösungen gefunden. Laut Schairer sind einzelne Wohnungen auch zu sehr hohen Preisen – 1250 Euro für 33 qm – angeboten worden. Die Zukunft der Schönfeldstraße 14 ist weiterhin unklar. Man weiß nicht, wann die Dawonia abreißen will und ob Miet- oder Eigentumswohnungen entstehen sollen. Es gibt aber bereits Neubauskizzen für das Gebäude. Danach sollen 59 Wohnungen auf gut 7000 qm entstehen. Der vermutete Preis liegt bei 25 Euro pro Quadratmeter. Schairer berichtete, die Dawonia habe ihm vor einem Jahr 60.000 Euro als „Ausgleichsleistung“ für den Auszug geboten. Er habe gepokert und eine noch bessere Abfindung erhalten, sei aber zur Verschwiegenheit verpflichtet worden.. Ihn loszuwerden, habe sich die Dawonia etwas kosten lassen. 24

Nimmerfeldstraße, Oktober 2021: Doch Abriss. Der Vorgänger der Dawonia, die GBW AG, wollte 2017 die Wohnanlage Nimmerfallstraße mit 75 stark renovierungsbedürftigen Wohnungen für 25 Millionen Euro an die Stadt München verkaufen (das waren 333.333 Euro pro Wohnung). Die Stadt wollte 18 Millionen Euro bezahlen. Die GBW AG reduzierte auf 22 Millionen Euro, wollte aber gleichzeitig einen sozial verträglichen Auszug der Mieter organisieren und dafür drei Millionen Euro verlangen (macht wieder 25 Millionen Euro). Die Stadt lehnte dankend ab. Im Herbst 2021 sind nur noch wenige Mieter in den Bestandsgebäuden. Die Dawonia wird alle Altbauten abreißen und 76 Wohneinheiten mit 5950 qm Wohnfläche und 78 Tiefgaragenstellplätze bauen. Laut Dawonia entstehen dadurch etwa 2700 qm mehr Wohnraum.25
Mit diesem „Argument“ lässt sich die halbe Stadt München abreißen.
Nachtrag April 2023:
Der Grundstückswert hat sich von 2012 bis 2022 fast verdreifacht. Inzwischen hat die Stadt die Wohnanlage für 30 Millionen von der Dawonia gekauft, um dort zu bauen: Der Preis lag damit 15 Prozent über dem aktuellen Grundstückswert.26

Zur Erinnerung, weil dies gern vergessen wird: Dawonia gehört der Augsburger Großimmobilienfirma Patrizia. Aus der Dawonia-Webseite: „Übernahme der GBW-Gruppe durch ein von der PATRIZIA Immobilien AG geführtes Investorenkonsortium. 2019: Aus der GBW Gruppe wird die Dawonia.27

Ausspekuliert“ gegen Dawonia. Die Mieteraktivisten von Ausspekuliert werfen Dawonia vor, auch in Corona-Zeiten die Mieten zu erhöhen, wie am Ackermannbogen in den ehemaligen GBW-Häusern. Eine Familie habe im Februar 2020 ein erstes Schreiben zur Mieterhöhung bekommen, im April und Mai Erinnerungsschreiben und am 2.7.2020 eine Klageandrohung. Dawonia erklärte, die Mieterhöhungen im Februar 2020 seien noch vor Corona erfolgt. Man habe keine Rückmeldung der betreffenden Familie erhalten.28

Dawonia baut und modernisiert. Dawonia erweitert das Quartier zwischen Schleißheimer Straße und Linkstraße um 250 neue Wohnungen (davon 90 gefördert). Vier neue Punkthäuser werden an die bestehenden Hochhäuser angebaut (Architektenbüro Querkraft). Fünf weitere entstehen neu westlich, mit einer Tiefgarage mit 320 Stellplätzen. Die Bewohner von etwa 130 Wohnungen an der Schleißheimer Straße 501 bis 507 sollen modernisiert werden; im Gefolge werden die Mieten steigen. Der ehemalige Vorsitzende der örtlichen Mietergemeinschaft, Dieter Huber: „Ständig gibt es Mieterhöhungen, aber nichts davon wurde in die Häuser reinvestiert.“29

Von der GBW AG zur Dawonia. Das Dawonia-Quartier „Hasenbergl“ heißt nun: „Am Dülferanger“.29
Und Raider heißt jetzt Twix …

Auszug aus der Krumbacherstraße 6 und 6a. Als Dawonia bekannt gab, die Schwabinger Immobilie aus den fünfziger Jahren sanieren zu wollen, sagte der BA Schwabing-West bereits 2018 „eine echte Mietervertreibung“ voraus. Der erste Bauantrag vom Dezember 2019 wurde zurückgezogen, der zweite kam im Herbst 2020, der im Juli 2021 genehmigt wurde. Eine Sprecherin schrieb dazu, die Dawonia als Eigentümerin stehe in der Verantwortung, „unsere Bestände den technischen Erfordernissen und den heutigen Wünschen der Wohnungssuchenden anzupassen – auch zum Wohle unserer jetzigen Mieter“. Nun ist von den 18 Dawonia-Mietern in der Krumbacherstraße 6 und 6a gerade mal einer übrig geblieben. Und die Wohnungen wurden zwischenzeitlich in Eigentumswohnungen umgewandelt. Die Dawonia schrieb dazu, wegen der besseren Bewirtschaftung sei es sinnvoll, „kleinere Bestände zu veräußern“.30
Nachtrag April 2023: Der Verkauf der Wohnungen zu Preisen von etwa 14.000 Euro hat begonnen. Der Mieter Lukas Kohlbeck war 2016 dort eingezogen (14,50 Euro pro qm). Durch den Umbau zog er mit Freundin in eine Ersatzwohnung der Dawonia um: Auch dieses Haus wurde inzwischen laut Mitteilung des Sozialreferats in Eigentumswohnungen aufgeteilt. Ein Mieter in der Krumbacher Straße 6 berichtet, wie er seine von der Dawonia übernommenen Wohnung aufgeben musste: „Man muss wegen einer Modernisierung umziehen, und dann schwebt das Damoklesschwert wieder über einem.“31

Demo gegen Dawonia. Am 23.4.2022 fand eine Demo von betroffenen Dawonia-Mietern und „Ausspekuliert“ im Münchner Norden mit 50 bis 70 Teilnehmern statt. Ein betroffener Mieter sprach von „Da won i a nimmer lang“. Bei einer Dawonia-Wohnanlage aus den 1980er Jahren mit rund 170 Wohnungen am Nordfriedhof entfiel 2021 die Sozialbindung. Über Jahrzehnte wurde nichts in die Anlage investiert. Nun wurden die Mieten um 15 Prozent erhöht, und Dawonia hat dazu eine Modernisierungsankündigung verschickt. Laut „Ausspekuliert“ werden die Mieten bis zu 200 Euro steigen; die Heizkosten reduzierten sich gerade einmal um rund 15 Euro. Ausspekuliert nannte dies einen „Deckmantel der Nachhaltigkeit“. Dawonia nannte es dagegen „Beiträge zum Klimaschutz“. In der Nähe haben sich bei einer Dawonia-Anlage die Kaltmieten nach einer Modernisierungsankündigung vor einigen Jahren nahezu verdreifacht: Das bezeichnete der Mieterbund als „rigorose Entmietung auf legalem Weg“.32

Dawonia verkauft. Im April 2013 verkaufte der damalige Finanzminister Markus Söder (CSU) die bayerische Wohnungsgesellschaft GBW an ein Konsortium privater Investoren (siehe oben). Damals musste der Freistaat die Landesbank vor der Pleite retten (siehe oben). Die GBW hatte bei ihrem Verkauf 2013 über 8000 Wohnungen in München. Dawonia verlangt hier für die 2023 verbliebenen 6200 Wohnungen im Durchschnitt 10,83 Euro pro qm. 2023 kommen nach zehn Jahren das Ende der Sozialcharta und der Wegfall des Sonder-Kündigungsschutzes.33

„Bayerischer Wirtschaftskrimi“. Etwa 1330 ehemalige Wohnungen der Dawonia sind heute wieder im Besitz der Stadt, die diese für 380 Millionen Euro gekauft hat (285.714 Euro pro Wohnung). OB Dieter Reiter (SPD) hält die Privatisierung der GBW für „einen Skandal“. Er kritisierte auch Markus Söder, der hatte damals versprochen, die anstelle der GBW getretene BayernHeim GmbH des Freistaates werde bis 2025 10.000 neue bezahlbare Wohnungen bauen. Anfang des Jahres waren es gerade einmal 200, und 800 seien im Bau: Alleine von der Dawonia hat die Stadt inzwischen mehr Wohnungen gekauft. Söder, der mit der GBW nichts mehr zu tun haben will, ist zu einem Interview mit der SZ nicht bereit.34

Konzernbilanz 2021. In der Dawonia Real Estate GmbH & Co. KG steht, die „anhaltend hohe Nachfrage nach Immobilien“ brachte „attraktive Verkaufspreise“ mit sich.26 – Der Dawonia-Wohnungsbestand ist laut Patrizia-Jahresabschlüssen 2014 bis 2022 von 32.000 im Jahr 2013 auf jetzt 27.000 gesunken; die Gewinne lagen zwischen 24 und fast 35 Millionen Euro (bei 5,1 Prozent Anteil). Der Dawonia-Wohnungsbestand hat seinen Wert von 2,6 Milliarden Euro im Jahr 2013 auf 5,4 Milliarden Euro in 2022 fast verdoppelt.35

Die Leiden der Dawonia-Mieter. Hunderte von Mietern, die früher in einer der 8000 GBW-Wohnungen in München lebten, können von Schwierigkeiten berichten, die sie nach der Privatisierung hatten – u. a. wegen Modernisierungsankündigungen, Bauarbeiten und Mieterhöhungen So sind etwa an der Ecke Rheinstraße und Mainzer Straße in einer Wohnanlage im Erhaltungssatzungsgebiet die Häuser in einzelne Eigentumswohnungen aufgeteilt worden. Inzwischen hat der Bereich seinen Status als Schutzgebiet verloren, da die Kaufkraft der Bewohner gestiegen ist. Auch in einem Haus in Neuhausen sei der Kündigungsschutz für alle jüngeren ehemaligen GBW Mieter jetzt ausgelaufen und das gesamte Anwesen mit 60 Mietwohnungen verkauft worden.36

Investoren-Versteckspiel. Die SZ hat versucht, das damalige Konsortium ausfindig zu machen, das die GBW von der BayernLB gekauft hat. Es bestand aus sage und schreibe 27 Investoren, deren Identität nur in wenigen Fällen bekannt wurde. Die Patrizia AG aus Augsburg mit 5,1 Prozent, die Sparkassen-Versicherung aus Stuttgart, die WKK Versicherung aus München, die Württembergische Gemeindeversicherung, das Versorgungswerk der Apotheker Westfalen-Lippe, das Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer in NRW, die Pensionskasse der Coop aus der Schweiz, etc. Die Patrizia AG selbst weigerte sich, Investoren zu benennen. Den oben aufgeführten sieben Unternehmen hat die SZ Ende März einen Fragenkatalog zu ihrem Investment, ihrem Verhältnis zu den Mietern und zu ihrer Mitverantwortung geschickt: Er blieb weitgehend unbeantwortet.35

Rendite am Ackermannbogen. Am Münchner Ackermannbogen wurden öffentlich geförderte Wohnungen errichtet. Die Stadt hatte 1997 eine so genannte Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) eingeleitet, um das Bauland (ehemaliges Bundeswehrgelände der Waldmann- und Stetten-Kaserne) günstig vom Bund zu erwerben. Es sollten möglichst viele Wohnungen für Menschen mit unterschiedlichen Einkommen errichtet werden; Bund, Freistaat (19 Millionen Euro) und die Stadt unterstützten das Vorhaben. 2250 Wohnungen wurden am Ackermannbogen schließlich gebaut, 47 Prozent davon im preisgünstigen Segment. Auch die damals noch staatliche GBW-Gruppe baute auf dem Gelände Miet- und Eigentumswohnungen, die aus dem Bayerischen Wohnungsbauprogramm über die sogenannte Einkommensorientierte Förderung (EOF) bezuschusst wurden: Die GBW bekam vom Freistaat zinsgünstige Darlehen und Zuschüsse.
Durch die „Fördersystematik“ konnten laut GBW-Geschäftsbericht 2004 für die Wohnanlage mit Sozialwohnungen an der Adams-Lehmann-Str. 83 bis 95 „die örtlich durchschnittliche Marktmiete“ verlangt werden. Der Unterschied zur Miete für Sozialwohnungen wurde vom Münchner Amt für Migration und Wohnen monatlich an die Mieter überwiesen. Die ersten Meter zahlten dort neun Euro Kaltmiete pro qm. Zu Beginn der Pandemie waren die Mieten bis auf 12,60 € gestiegen. In neugebauten EOF Wohnung liegt der Preis bei zehn Euro. Derzeit beträgt der Fördersatz bis zu vier Euro pro qm. Inzwischen hat die heutige Dawonia maximal zulässige Mietsteigerungen gefordert, die vor Gerichten verhandelt wurden. Im Münchner Stadtrat forderten Linke, Grüne und Rosa Liste, dass die Dawonia die Fördergelder für das Bauprojekt am Ackermannbogen zurückzahlen solle. Das Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr (damalige Ministerin Ilse Aigner, CSU) schrieb, dass eine hohe Miete kein Vergehen gegen die Förderrichtlinien des Freistaates sei. Der Vorschlag von OB Dieter Reiter (SPD), die Wohnungen selbst zu kaufen, wurde abgelehnt.37

Gemischte Bilanz. Die bayerische Staatsregierung hatte bei der Privatisierung mit der Patrizia AG eine Sozialcharta ausgehandelt, die für die Mieter in den damals 32.000 GBW-Wohnungen galt. Günther Beckstein (CSU), der ehemalige bayerische Ministerpräsident, wurde der Ombudsmann. In 150 bis 200 Fällen hat er sich um Mieterinnen und Mieter gekümmert, die mit in GBW bzw. später der Dawonia Probleme hatten. Seine Bilanz fällt nach zehn Jahren gemischt aus. Er wurde für sein Amt von der Patrizia bezahlt. Seiner ersten Zeit als Ombudsmann kamen etliche Beschwerden; diese wurden bis heute weniger. Die Mietkosten seien ein allgemeines Problem, das Wohngeld müsste dringend erhöht werden Mit dem Auslaufen der Sozialcharta hört auch Beckstein als Ombudsmann auf.38

München kauft 325 Wohnungen. Für Dawonia ist die LH München ein zuverlässiger Kunde. Erst kaufte die Stadt 2022 ein Grundstück an der Nimmerfallstraße in Pasing für über 30 Millionen Euro. Nun wollte Dawonia 84 Millionen Euro für 325 Wohnungen, verkaufte diese dann für 70 Millionen Euro. Die Wohnungen stammen noch aus der Zeit der GBW AG, die der Bayerischen Landesbank und damit dem bayerischen Staat gehört hat (siehe oben). Unter dem damaligen Finanzminister und heutigem Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) wurden etwa 32.000 GBW-Wohnungen (knapp 8000 davon in München) an die Augsburger Patrizia AG verkauft (bzw. eher verschleudert). Beim jetzigen Paket handelt es sich um die Anwesen Zietenstraße 1 – 20, Keferloher Straße 91 – 97 und Wallensteinstraße 20 – 27, 29 und 31. Insgesamt kauft die Stadt für die 70 Millionen Euro 13.690 qm.39
Die Stadt bezahlt also 5.113 Euro für den qm: wahrlich kein Schnäppchen für die einigermaßen heruntergewirtschafteten Gebäude.

Bewohner der Berliner Straße protestieren. 2022 schlossen sich 90 Bewohner (über zwei Drittel) des Areals Berliner Straße zusammen, da die Dawonia in ihrem „Berliner Quartier“ eine Wärmedämmung auf Kosten der Mieter einbauen will. In Kooperation mit dem Mieterverein errechneten die Mieter eine zulässige Mieterhöhung von 1,87 Euro pro qm; die Dawonia möchte aber 2,89 Euro. Die Mietergemeinschaft vermutet, dass die Dawonia keine öffentlichen Zuschüsse für die energetische Sanierung beantragt hat und unterstellt der Dawonia, weniger den Klimaschutz als die Entmietung von Mietern mit günstigen Altmietverträgen zu beabsichtigen.40

Vgl.: Patrizia AG

  1. Ein Stück deutscher Baugeschichte, in bayerische-staatszeitung.de 4.11.2001; Wikipedia; Steinbacher, Ulrike, Bauen gegen die Not, in SZ 6.4.2023 []
  2. Beitrag zur Entspannung, in SZ 3.9.2002 []
  3. SPD: Landesbank will Wohnungen verkaufen, in SZ 28.8.2008 []
  4. Tibudd, Michael, Ude fordert Mietgarantie für 10.000 Wohnungen, in SZ 29.7.2009 []
  5. Dürr, Alfred, Bielicki, Jan, Stadttrat stellt sich schützend vor die Mieter, in SZ 24.9.2009 []
  6. Kastner, Bernd, Die ewige Spirale nach oben, in SZ 22.4.2010 []
  7. Dürr, Alfred, Auch bezahlbarer Wohnraum bringt Profit, in SZ 26.8.2010 [] []
  8. Schuh, Claudia, Ein Stück deutscher Baugeschichte, in bayerische-staatszeitung.de 4.11.2011 []
  9. Gröh, Walter, Die Privatisierung der GBW, in heise.de 25.7.2018 [] [] [] [] [] []
  10. Lill, Tobias, Zehntausende Mieter klagen über Ausverkauf, in spiegel.de 30.10.2013 []
  11. BayernLB hätte GBW-Wohnungen offenbar nicht verkaufen müssen, in sueddeutsche.de 19.11.2013 []
  12. Ott, Klaus, GBW bringt Söder in Bedrängnis, in SZ 16.7.2018 [] [] [] [] []
  13. Gürkov, Claudia, Burkhart, Maximilian, Kerler, Wolfgang, Mieter am Limit: „Die wollen uns raushaben“, in br.de 12.10.2016 []
  14. Ott, Klaus, Wittl, Wolfgang, Söder gerät wegen GBW-Wohnungsverkauf in Bedrängnis, in sueddeutsche.de 7.6.2018 []
  15. Streit um GBW-Verkauf geht nach EU-Stellungnahme weiter, in welt.de 19.6.2020 []
  16. vgl. auch: Gürkov, Claudia, Burkhart, Maximilian, Kerler, Wolfgang, Neue Fragen und Ungereimtheiten zum GBW-Verkauf, in br.de 14.10.2016 []
  17. Ott, Klaus, Hausgemachte Wohnungsaffäre, in SZ 16.7.2018 []
  18. Hoben, Anna, „Sanierung am lebendigen Leib“, in SZ 9.1.2019 []
  19. Webseite: www.dawonia.de, abgerufen 20.12.2020 []
  20. https://www.dawonia.de/de/press-release/die-gbw-gruppe-heisst-ab-mitte-januar-2019-dawonia-~31 []
  21. Mühleisen, Stefan, Ausgeliefert, in SZ 31.3.2020 [] [] []
  22. „Plattitüden von Beckstein, in SZ 7.4.2020 []
  23. Kastner, Bernd, Hauptsache irgendeine Wohnung, in SZ 19.6.2021 []
  24. Kastner, Bernd, Rendite statt kleiner Miete in SZ 6.4.2023 []
  25. Czeguhn, Jutta, Auf Wiedersehen, in SZ 8.10.2021 []
  26. Krass, Sebastian, Ott, Klaus, Jetzt wird es richtig teuer, in SZ 8.4.2023 [] []
  27. Webseite Dawonia.de: https://www.dawonia.de/static/media/brandbook-master/files/assets/common/downloads/page0073.pdf []
  28. Draxel, Ellen, „Wie blanker Hohn“, in SZ 20.7.2020 []
  29. Sobotta, Jerzy, Zukunftsangst, in 29.8.2020 [] []
  30. Kramer, Lea, Die Fenster klappern, niemand stört’s, in SZ 5.4.2022 []
  31. Kramer, Lea, „Man fühlt sich schon verarscht“, in SZ 8.4.2023 []
  32. Hoben, Anna, „Da wohn i a nimmer lang“, in SZ 25.4.2022 []
  33. Kastner, Bernd, Rendite statt kleiner Miete, in SZ 6.4.2023 []
  34. Krass, Sebastian, Ott, Klaus, Jetzt wird es richtig teuer in SZ 8.4.2023 []
  35. Krass, Sebastian, Ott, Klaus, Ein gut geschütztes Geheimnis, in SZ 11.4.2023 [] []
  36. Kramer, Leo, „Man fühlt sich schon verarscht“, in SZ 8.4.2023 []
  37. Kramer, Lea, Wenn die Sozialwohnung immer teurer wird, in SZ 12.4.2023 Teil der SZ-Serie Zehn Jahre GBW-Verkauf []
  38. Ott, Klaus, „Achtet darauf, dass die Mieter ordentlich behandelt werden“, in SZ 13.4.2023. Alle Teile der SZ-Serie unter: www.sz.de/gbw []
  39. Effern, Heiner, Krass, Sebastian, Ein Schnäppchen für 70 Millionen Euro, in SZ 27.6.2023 []
  40. Meschede, Laura, Sanierung zulasten der Mieter, in Abendzeitung 18.7.2023 []
Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Nicht angemeldet > Anmelden