Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Hohenzollernkarree

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Aktualisiert 26.6.2023

Erstverkauf des Hohenzollernkarrees. 230 Mietparteien wohnen in Schwabing im Karree zwischen Herzogstraße (Nr. 92 – 106), Erich-Kästner-Straße (Nr. 16 – 24), Clemensstraße (Nr. 85 – 95a) und Fallmerayerstraße (Nr. 19 – 23), das 1935 bis 36 erbaut wurde und aus 23 Häusern besteht. Sein Innenhof hatte 1998 einen Preis der LH München bekommen hat. Die Bayerische Beamtenversicherung hat Anfang 2014 die Anlage an die Luxemburger Tochter Patrizia Real Estate für 54,65 Millionen Euro der Augsburger Patrizia AG verkauft. Der Immobilienkonzern wollte umgehend neue Balkone anbauen. Im März 2014 fand in der Schwabinger Kreuzkirche eine Infoveranstaltung des Münchner Mietervereins mit 200 Mietern des Hohenzollernkarrees statt. Die Vorsitzende Beatrix Zurek informierte über den Verkauf. Umgehend wurde eine Anzeige in der SZ geschaltet: „Hohenzollernkarree, Verkaufsstart Mai 2014.“ Beim BA Schwabing-West war bereits Mitte Februar 2014 ein Bauantrag für Balkonanbauten an den Innenseiten eingegangen. Aber am 1.3.2014 war in München das Umwandlungsverbot in Erhaltungssatzungsgebieten in Kraft: Wenn Miethäuser in Eigentumswohnungen umgewandelt werden, brauchen die Eigentümer dafür eine Erlaubnis der Stadt. Und das Hohenzollernkarree liegt seit 10.2.2014 im Erhaltungssatzungsgebiet „Hohenzollernstraße und Hohenzollernplatz“. Insofern wunderte sich Zurek, dass ein Sprecher der Patrizia im Januar 2014 bestätigt hatte, die Wohnungen „an Mieter, Selbstnutzer oder private Kapitalanleger“ zu verkaufen. Der Mieterverein riet den Mietern ab, neue Verträge zu unterschreiben und riet ihnen, gegen den Anbau von Balkonen die Einspruchsfrist von einem Monat einzuhalten. Die Mieter wollen nun Mitte April eine Mietergemeinschaft gründen.
Ein Mieter aus einer Laimer Anlage der Patrizia informierte die Versammlung, dass die Patrizia 2007 die dortige Anlage gekauft hatte. 2013 wurde modernisiert, das Dach ausgebaut, eine neue Heizung installiert und im Innenhof eine Tiefgarage errichtet. Im Sommer 2013 wurden die ersten Wohnungen verkauft: Inzwischen sind 95 Prozent der Wohnungen in Eigentum umgewandelt. [1]

Der Termin-Trick. 2016 hat die Max-Emanuel Immobilien GmbH das Hohenzollernkarree für 65 Millionen Euro von der Patrizia AG gekauft, die den Klageweg vermeiden wollte. Der neue Investor unterschrieb eine Abwendungserklärung, da das Karree in einem Erhaltungssatzungsgebiet liegt. Am 27.12.2018, vier Tage vor dem Stichtag mit einer neuen gesetzlichen Regelung im Mietrecht, bekamen die 230 Mietparteien des Hohenzollernkarrees ein 24-seitiges Schreiben des Investors per Boten zugestellt mit der Ankündigung von Sanierungsarbeiten, die im Dezember 2019 beginnen sollen. In ihm hat die Max-Emanuel-Immobilien GmbH den 230 Mietern geplante Modernisierungen mit Mieterhöhungen bis zu 163 Prozent angekündigt. Die Kosten werden mit elf Prozent auf die Miete umgelegt: Diese wird sich damit für viele Mieter verdoppeln. [2]
Das wird noch juristische Folgen gaben, siehe unten. Seit den siebziger Jahren gab es die Regelung, dass elf Prozent der Modernisierungskosten dauerhaft auf die Miete umgelegt werden können: Das war ein Mittel, um zum Beispiel Einbauten von Bädern und Zentralheizungen zu fördern. Diese Spezialität der Mieterhöhung wurde aber immer mehr von Investoren missbraucht, um Mieter loszuwerden. Deshalb wurde ab 1.1.2019 eine Neuregelung im Mietrecht eingeführt: Es können nur noch acht Prozent bzw. maximal 3 Euro auf die Miete umgelegt werden. Deshalb ist es kein Zufall, dass z. B. auch die GBW AG am 27.12.2018 Briefe an ihre Mieter zu Sanierungsarbeiten verschickt hat. Mit der sogenannten BLUS-Sanierung bezeichnete die GBW AG das Karree Brabanter und Luxemburger Straße, Ungerer- und Stengelstraße.

Da viele Mieter noch bei dem früheren Eigentümer Bayerische Beamtenversicherung gearbeitet haben, werden nach internen Schätzungen 80 Prozent der Mieter die neuen Mieten nicht mehr verkraften. Die Max-Emanuel Immobilien GmbH ließ ihre Hausverwaltung Adix Immobilien GmbH in München antworten, dass der Investor seine rechtlichen Möglichkeiten für eine Umlage nicht ausgeschöpft habe, kein Mieter nach der Renovierung mehr als 40 Prozent seines Haushaltseinkommens für Miete aufwenden müsse, Steigerungen der Baukosten nicht berücksichtigt und mögliche gesetzliche Mieterhöhungen mit den Modernisierungskosten verrechnet würden. Damit wollte der Investor angeblich sicherstellen, dass kein Mieter infolge der Modernisierungskosten seine Wohnung aufgeben müsse. Der Mieterverein München sah die Ankündigung der Modernisierung nicht als zeitnah an, sondern nur als Mittel, das alte Mietrecht vor dem Termin 1.1.2019 anwenden zu können. Die Lage in einem Erhaltungssatzungsgebiet nutzt den Mietern auch nichts, da Modernisierungen ausgenommen sind. Allerdings sind hier Luxussanierungen und Umwandlungen in Eigentumswohnungen auf zehn Jahre untersagt: D. h. ab 2026 kann die Max-Emanuel Immobilien GmbH in die Umwandlung in Eigentumswohnungen einsteigen. Klar dürfte sein, dass eine derart lang gestreckte Umbauzeit gewollt ist – und viele Mieter durch den Baulärm und Baudreck ausziehen werden. [3]

Musterfeststellungsklage vom Mieterverein. Die Mieten würden sich durch die Modernisierungen in vielen Fällen fast verdoppeln. Beispiel Ehepaar O: 77 qm für bisher 763 Euro kalt, nachher 1492 Euro (plus 729 Euro). Mieterhöhung nach neuem Mietrecht: plus 230 Euro. Beispiel Mieterin M.: bisher 395 Euro kalt, nachher 1040 Euro (plus 645 Euro). Mieterhöhung nach neuem Mietrecht: plus 147 Euro. Beispiel Mieterin S: derzeit 715 Euro kalt; nachher 1411 Euro.
Am 10.4.2019 hat der Mieterverein München eine Musterfeststellungsklage beim OLG München eingereicht. Das OLG soll die Frage klären, ob ein Vermieter eine Modernisierung ankündigen kann, die nach mehr als zwei Jahren durchgeführt wird, nur um den Stichtag 1.1.2019 zu umgehen, ab dem durch eine Mietrechtsänderung u. a. nicht mehr elf Prozent auf die Miete umgelegt werden kann, sondern nur noch acht Prozent auf maximal sechs Jahre bzw. maximal drei Euro. Der Vermieter des Hohenzollernkarrees wollte ab Ende 2019 zunächst die Fundamente für die Balkone bauen lassen; erst ab März 2021 würden die eigentlichen Bauarbeiten beginnen. Ein Urteil des Amtsgerichts München hat festgelegt, dass die Ankündigung einer Modernisierung und ihr Beginn nicht mehr als sechs Monate auseinander liegen dürfen. Deshalb, so folgerte der Mieterverein, gelte für das Hohenzollernkarree das neue Mietrecht. [4]

Dazu der ab 1.1.2019 geltende entsprechende Paragraph 559 aus dem BGB [5]:
§ 559 Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen
(1) Hat der Vermieter Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b Nummer 1, 3, 4, 5 oder 6 durchgeführt, so kann er die jährliche Miete um 8 Prozent der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen.
(2) Kosten, die für Erhaltungsmaßnahmen erforderlich gewesen wären, gehören nicht zu den aufgewendeten Kosten nach Absatz 1; sie sind, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln.
(3) Werden Modernisierungsmaßnahmen für mehrere Wohnungen durchgeführt, so sind die Kosten angemessen auf die einzelnen Wohnungen aufzuteilen.
(3a) Bei Erhöhungen der jährlichen Miete nach Absatz 1 darf sich die monatliche Miete innerhalb von sechs Jahren, von Erhöhungen nach § 558 oder § 560 abgesehen, nicht um mehr als 3 Euro je Quadratmeter Wohnfläche erhöhen. Beträgt die monatliche Miete vor der Mieterhöhung weniger als 7 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, so darf sie sich abweichend von Satz 1 nicht um mehr als 2 Euro je Quadratmeter Wohnfläche erhöhen.
(4) Die Mieterhöhung ist ausgeschlossen, soweit sie auch unter Berücksichtigung der voraussichtlichen künftigen Betriebskosten für den Mieter eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Eine Abwägung nach Satz 1 findet nicht statt, wenn
1. die Mietsache lediglich in einen Zustand versetzt wurde, der allgemein üblich ist, oder
2. die Modernisierungsmaßnahme auf Grund von Umständen durchgeführt wurde, die der Vermieter nicht zu vertreten hatte.
(5) Umstände, die eine Härte nach Absatz 4 Satz 1 begründen, sind nur zu berücksichtigen, wenn sie nach § 555d Absatz 3 bis 5 rechtzeitig mitgeteilt worden sind. Die Bestimmungen über die Ausschlussfrist nach Satz 1 sind nicht anzuwenden, wenn die tatsächliche Mieterhöhung die angekündigte um mehr als 10 Prozent übersteigt.
(6) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

Oktober 2019: Verhandlung vor dem OLG. Am 15.10.2019 wurde die Klage vom Mieterverein München gegen die Max-Emanuel Immobilien GmbH verhandelt. Am 27.12.2018 hatten die 230 Mietparteien im Hohenzollernkarree die Modernisierungsankündigung erhalten. Es sollte u. a. durchgeführt werden: Wärmedämmungen, Fenster- und Wohnungstürenaustausch, Einbau von Rollläden, Balkonanbauten. Als Baubeginn wurde Dezember 2019 genannt. Als Folge sollten die Mieterhöhungen bis zu 163 Prozent betragen. Die juristische Situation, wie schon mehrfach ewähnt: Bis 31.12.2018 konnten elf Prozent der Modernisierungskosten auf die Mieter umgelegt werden; danach nur noch acht Prozent, höchstens aber drei Euro pro Quadratmeter. Deshalb kam die Ankündigung der Max-Emanuel Immobilien GmbH noch auf den letzten Drücker am 27.12.2018. Dabei sollten die Arbeiten erst zwei Jahre später beginnen. Der Richter am OLG führte deshalb aus, dass die angekündigte Mieterhöhung nicht nach altem Recht erfolgen kann. Eine Revision wurde zum BGH zugelassen. [6]

Das Urteil vom Oberlandesgericht. Am 15.10.2019 versuchte der Vorsitzende Richter noch einen Vergleichsversuch: ob eine Beschränkung auf drei bis vier Euro möglich wäre. Der Rechtsanwalt der Klägerin Max-Emanuel Immobilien GmbH, Wolfgang Stürzer, lehnte dies ab und forderte sechs Euro. Dann befragte das Gericht den Architekten und studierte die Pläne. Der Vorsitzende Richter Nikolaus Stackmann sprach dann das Urteil: Die Mieterhöhung kann nicht nach dem altem Recht bis 31.12.2018 erfolgen, da der Planungsstand im Dezember 2018 dies nicht rechtfertige. Die Kosten des Verfahrens muss die Klägerin tragen; der Streitwert wird auf 250.000 Euro festgesetzt. Das Urteil gilt für 145 Mietparteien, die im Klageregister eingetragen sind. [2]

Max-Emanuel Immobilien GmbH lrgt Revision ein. Die Max-Emanuel-Immobilien GmbH hat Revision zum BGH eingelegt. [7]
Der DMB Mieterverein München hatte eine Musterfeststellungsklage gegen die Mieterhöhungsankündigung vom 27.12.2018 eingereicht. Diese erfolgte vier Tage vor der Gesetzesänderung, nach der Mieterhöhungen in dieser Höhe nach dem Stichtag 31.12.2018 nicht mehr zulässig sind. Das OLG München hat am 15.10.2020 geurteilt, dass die mit Schreiben vom 27.12.2018 angekündigte Mieterhöhung nicht nach dem bis zum 31.12.2018 geltenden Recht erfolgen kann. Es sind nur Mieterhöhungen zulässig, die das ab dem 1.1.2019 gültige Mietergesetz erlaubt, da die Bauarbeiten nicht vor 2020 beginnen sollen. Es waren sechs Bauabschnitte vorgesehen, die sich bis Juni 2023 hinziehen sollten. „Die veranschlagte Zeit für die Baugrundertüchtigung sei mit 15 Monaten sehr lang, ohne dass dafür ein fachlicher Grund ersichtlich sei. Daher dränge sich der Verdacht auf, dass die Bauertüchtigung nur vorgeschoben sei, um den wahren Baubeginn im Jahr 2021 zu verschleiern.“ [8]
Die Max-Emanuel-Immobilien GmbH hat am 20.10.2019 Revision beim BGH in Karlsruhe eingelegt. Die Verhandlung wurde für den 18. März 2021 angesetzt.

Neubau-Pläne: Die Max-Emanuel Immobilien GmbH hat 2017 Pläne für einen 14 Meter hohen Bau im Innenhof des Karrees eingereicht, der vom Planungsreferat „tendenziell positiv“ beurteilt wurde. Am 6.5.2020 wurde ein neuer Bauantrag eingereicht mit 40 Wohnungen, der vom Planungsreferat wegen Überschreitung des zulässigen Baurechts abgelehnt wurde. Dann wurde im September 2020 ein neuer modifizierter Antrag mit einigen Wohnungen weniger nachgereicht. [9]
In dem grünen Innenhof mit 6200 qm war ein dreistöckiges Bauwerk mit 40 Wohnungen (42 bis 85 qm) geplant: Damit war das zulässige Baurecht überschritten, und die LBK hat zur Rücknahme der Pläne geraten. Anfang 2021 folgte eine geringfügig modifizierte Planung mit 35 Wohnungen in einem Gebäude mit vier Geschossen und einer Erweiterung der Tiefgarage auf 184 Stellplätze. Hierzu wären auch schwerwiegende Eingriffe in den alten Baumbestand nötig. Der BA lehnte auch die neuen Pläne ab.

Gentrifizierung. Derzeit sind von 230 Wohnungen 160 unbefristet vermietet, 70 stehen leer oder sind bis September 2021 vermietet. Die Hausverwaltung Adix Immobilien hat die Mieter über Abfindungsprämien informiert, sofern ein Auszug bis März 2021 erfolgt. [9]
Anmerkung: Wir kennen eine Mieterin persönlich, die ihre Wohnung gegen eine stattliche Abfindung im Oktober 2020 aufgegeben hat.

Erhaltungssatzung. Die Wohnungen des Karrees können derzeit nicht in Eigentums- oder Luxuswohnungen umgewandelt werden, da das Karree in einem Erhaltungssatzungsgebiet liegt. Der Erwerb war 2016: Zehn Jahre später, 2026 werden diese Klauseln unwirksam; damit könnte eine Umwandlung in Eigentumswohnungen erfolgen.
Der BA Schwabing-West möchte jede Bebauung ablehnen, um den grünen Innenhof zu erhalten. Der BA befürchtete auch die sukzessive Entmietung: Speziell an weibliche Mieter hatte die Max-Emmanuel Immobilien GmbH Schreiben mit dem Vorschlag von Abfindungsprämien gerichtet. [9]

Modifizierte Pläne. Im Sommer 2020 hatte die Max-Emanuel Immobilien GmbH den ersten Bauantrag im Planungsreferat abgegeben. In den 6200 qm großen grünen Innenhof soll ein Wohngebäude mit drei Geschossen und ausgebautem Dach für 40 Wohnungen gebaut werden. Die LBK wies auf eine Überschreitung des Baurechts hin: Nun lag ein zweiter Bauantrag für 35 Wohnungen und einem Ausbau der bestehenden Tiefgarage auf 184 Stellplätze vor mit einer Bausumme von 14 Millionen Euro. Die Hausverwaltung Adix schickte seit Mai 2020 den Mietern Schreiben über mögliche Abfindungsprämien. Laut Adix ging die Max-Emanuel Immobilien GMBH von einem für sie positiven Urteil vor dem BGH aus. Aktuell waren von den 230 Wohnungen nach Kenntnis des BA rund 160 unbefristet vermietet, der Rest stand leer oder war befristet bis September 2021 vermietet. Die Wohnungen könnten so laut BA teurer vermietet werden. Ab 2026 wäre die zehnjährige Umwandlungsfrist abgelaufen, und der Verkauf als Eigentumswohnungen könnte beginnen. [10]

Das BGH-Urteil. Am 18.3.2021 erklärte der BGH die von der Max-Emmanuel Immobilien GmbH am 27.12.2018 angekündigten Modernisierungen zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt und die damit verbundenen Mieterhöhungen gemäß dem alten Mietrecht für zulässig. Modernisierungen müssen laut Gesetz drei Monate vorher angekündigt werden, es gäbe aber keine Höchstfrist. Es bräuchte auch keinen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Modernisierungsankündigung und dem Beginn der Arbeiten. Der Anwalt des Münchner Mietervereins hatte in der Verhandlung noch vor „Vorratsankündigungen“ gewarnt. [11] Der Geschäftsführer des Mietervereins, Volker Rastätter, deutete an, dass weitere juristische Schritte geprüft würden. [12]

Bebauungsplan gefordert. Die Stadtratsfraktion Die Linke beantragte die Aufstellung eines Bebauungsplans für das Hohenzollernkarree, um den grünen Innenhof mit 6200 qm vor einer Bebauung mit Luxuswohnungen zu schützen. Der Investor hat inzwischen nach einer von der LBK abgelehnten ersten Version des Bauantrags wegen Überschreitung des zulässigen Baurechts eine überarbeitete Zweitversion eingereicht. [13]

Planungsreferat befürwortet „Nachverdichtung. Am 15.9.2021 wurde dem Planungsausschuss des Münchner Stadtrats eine Beschlussvorlage des Planungsreferates vorgelegt, in der den Plänen für die Bebauung des 6200 qm großen Innenhofes zugestimmt wird. Die LBK würde den vierstöckigen Bau mit 35 Wohnungen genehmigen, wenn 13 davon unter die Sozialbindung fallen. 13 Bäume, ein Viertel des Bestandes, würden gefällt, neun müssten neu gepflanzt werden. Als Begründung wird wieder einmal der dringende Bedarf an Wohnraum genannt; dadurch sei laut LBK die Bebauung des grünen Innenhofes „grundsätzlich städtebaulich vertretbar“. Die Vorsitzende des BA 4 Schwabing-West, Gesa Tiedemann (Grüne), führte dagegen die aktuelle Klimapolitik der LH München und den Bedarf an grünen Flächen an. Durch die Innenhofbebauung werden die Durchlüftung und die Kühlungsfunktion gemindert. Dazu hat durch die Planungen des Investors bereits zwei Drittel der bisherigen Mieter ihre Wohnungen im Hohenzollernkarree aufgegeben, wie BA-Mitglied Rudi Knauss (Die Linke) anmerkte. [14]

Nachverdichtung zulässig. Die LBK hatte bereits 2017 einen bis Mai 2022 gültigen Vorbescheid ausgestellt: Der 6200 qm große, grüne Innenhof kann von der Max-Emanuel-Immobilien GmbH mit einem vierstöckigen Wohnbau zugebaut werden, sofern von den 35 neuen Wohnungen 13 der Sozialbindung unterliegen. Insgesamt können zum Bestand von 230 Wohnungen durch Neubau und Aufstockung 80 weitere Wohnungen gebaut werden. Die Stellvertreterin von Stadtbaurätin Elisabeth Merk, Jaqueline Charlier, betonte, man könne ein in Aussicht gestelltes Baurecht nicht wieder wegnehmen. Die Stadträte im Planungsausschuss beschlossen die Aufstellung eines sektoralen Bebauungsplans für die Blockrandbebauung und die Forderung, dass 40 Prozent geförderter Wohnraum entstehen müsse. Eigentümer können laut Baugesetzbuch durch solche Nutzungseinschränkung Entschädigung verlangen: Dieses Risiko wollte die Stadtverwaltung eingehen. Die seit spätestens 2018 ausgeübte Taktik der Max-Emanuel-Immobilien GmbH war insoweit erfolgreich, als inzwischen zwei Drittel der bisherigen Mieter – angesichts von Unsicherheit und Umbau-Lärm und –Dreck oder durch Abfindungen -, nicht mehr im Hohenzollernkarree wohnen. [15]

Stadt soll Investoren retten. Der derzeitige Eigentümer, die Max-Emanuel Immobilien GmbH, hat fünf Eigentümer: drei Mitglieder der Bogenhausener Kanzlei BLL, nämlich Rechtsanwalt Joseph Braun und die Steuerberater Stefan Leberfinger und Christoph Ludwig (je 16,7 %), der Investor und TV-Akteur Georg Kofler (35 %) und Christiane zu Salms (15 %). Nun steht ein Verkaufsangebot an die Stadt über rund 200 Millionen im Raum. (Zur Erinnerung: 2013 verkaufte die Bayerische Beamten Lebensversicherung das Hohenzollernkarree für 54,65 Millionen an die Patrizia AG, die es 2015 für 65 Millionen Euro an den aktuellen Investor Max-Emanuel Immobilien GmbH verkaufte. Ende 2022 lag der Preis bei 200 Millionen Euro, er hat sich also in neun Jahren ungefähr vervierfacht.) Die Kanzlei BLL vertritt die Eigentümergemeinschaft und erklärte, genauso wie OB Dieter Reiter (SPD), man könne nichts sagen; das Kommunalreferat wusste von nichts. Inzwischen stehen von den 230 Wohnungen viele leer oder sind zwischenbelegt. Die Wohnblöcke sind E + 3 1/2 und können nach oben ausgebaut werden: Laut LBK-Aussage von 2021 könnten noch um die 80 neue Wohnungen entstehen. Der BA hatte den Denkmalschutz eingeschaltet, der die Anlage als „prüfwürdig“ ansah: schlecht für private Investoren. Vermutlich erfolgte deshalb das Angebot an die Stadt München. Aber ähnlich wie beim Rischart-Projekt in der Buttemelcherstraße 16 wachsen die Preise pro Wohnung ins Unermessliche: 230 Wohnungen für 200 Millionen Euro macht pro Wohnung um die 870.000 Euro: unrenoviert. [16]
Der endgültige Kaufpreis lag dann bei 125 Millionen Euro, siehe unten.

Auf dem Münchner Immobilien-Basar. Die Stadtratsfraktionen von Grünen und SPD fordern den Ankauf der 230 Wohnungen – plus eventuelle Nachverdichtung. Die Investorengruppe Max-Emanuel-Immobilien GmbH soll für die 23 Gebäude mit rund 20.000 qm Geschossfläche zunächst 190 Millionen Euro verlangt haben: nun soll der Kaufpreis bei 125 Millionen Euro liegen: immer noch 6250 Euro pro qm. [17]
Eine respektable Entwicklung des Verkaufspreises: 2013 = 54,65 Millionen Euro, 2016 = 65 Millionen Euro, 2023 = 125 bis 200 Millionen Euro. SPD-Fraktionschef Christian Müller äußerte: „Mit dem Hohenzollernkarree würden wir uns ein großes Stück unserer Stadt zurückkaufen.“ (Könnte man auch so formulieren: und zwar von erfahrenen Spekulanten, siehe unten.) – SPD-Stadträtin Sibylle Stöhr äußerte zum geplanten Ankauf, er „setzt gleichzeitig der Spekulation an dieser Stelle ein Ende“. [18]
Das kann man auch anders sehen: Bei einem Verkauf an einen weiteren Investor und der folgenden Mieterverdrängung droht der Verlust der Erhaltungssatzung. Das ist dem Investor Max-Emanuel Immobilien GmbH sehr wohl bewusst.  Deren Eigentümer, die Bogenhausener Kanzlei BLL von Rechtsanwalt Joseph Braun und die Steuerberater Stefan Leberfinger und Christoph Ludwig mit je 16,7 % und die Investoren Georg Kofler (35 %) und Christiane zu Salms (15 %), hatten 2016 das Hohenzollernkarree für 65 Millionen Euro gekauft und verkaufen es 2023 für 125 bis 200 Millionen Euro an die Stadt: eine Gewinnspanne von 92 bis 307 Prozent. Was ist dies anderes als Spekulation? Von der Gewinnspanne gehen natürlich die Auszieh-Prämien für die Mieter ab (der Leerstand ist inzwischen beträchtlich) sowie diverse Planungskosten.

Die Stadt als Großkunde der Investoren? Immer mehr Immobilienbesitzer wollen der Stadt München Wohnungen verkaufen. 60 Kaufangebote mit etwa 2000 Wohnungen liegen ihr derzeit vor – bisher hatte die Stadt maximal fünf pro Jahr. Grund für diesen Wandel sind die hohen Zinsen und Baukosten, sowie die Inflation. Bisherige (meist überteuerte) Ankäufe der Stadt: Stammhaus der Bäckerei Rischart in der Buttermelcherstraße (Isarvorstadt), die Anlage in der Gernotstraße (Schleißheimerkarree), ein Grundstück in der Nimmerfallstraße in Pasing (vgl.: GBW bzw. Dawonia). Und nun gibt es das das Hohenzollernkarree in Schwabing. Im Oktober 2022 munkelte man, dass die Emanuel Immobilien GmbH (siehe oben) über 200 Millionen Euro haben wollte; nun sollen 125 Millionen Euro als Preis verhandelt werden. [19]

Zur Preisentwicklung: 2014 Bayerische Beamtenversicherung an die Luxemburger Tochter Patrizia Real Estate der Augsburger Patrizia AG für 54,65 Millionen Euro. 2016 kauft die Max-Emanuel Immobilien GmbH das Hohenzollernkarree für 65 Millionen Euro von der Patrizia AG und verlangte im Oktober 2022 rund 200 Millionen Euro. April 2023: Nun sind wohl „nur noch“ 125 Millionen Verhandlungsbasis. Die Kanzlei BLL beantwortete wie schon früher keine Medienanfragen hierzu. Eine Gesetzesänderung, die das Vorkaufsrecht wiederbeleben will, wird in Berlin diskutiert. Die vielen Kaufangebote könnten aber im Moment das fehlende Vorkaufsrecht kompensieren. [20] – Der Verkauf ist fix. Für 125 Millionen ist das Hohenzollernkarree mit 230 Wohnungen von der Stadt gekauft worden. Das teilte OB Dieter Reiter (SPD) auf einer Pressekonferenz vor Ort mit. Reiter hält das für „den einzig effektiven Weg, Mieter zu schützen“. Erneut stellte er die Forderung nach einem Vorkaufsrecht für Kommunen. Die SPD Fraktionschefin Anne Hübner bezeichnete die Frage, ob die Stadt das Problem der Wohnungsnot in den Griff bekommt, als „Schicksalsfrage der Sozialdemokratie“. ((Hoben, Anna, 230 Wohnungen für 125 Millionen Euro, in SZ 6.4.2023).
Der Deal ist kein Immobilien-Schnäppchen, sondern ein Spekulanten-Geschäft: 125 Millionen Euro. Das sind 543.478 Euro pro Wohnung.

Kommunalausschuss wird/muss zustimmen. Am 15.6.2023 entscheidet der Kommunalausschuss über den Ankauf des Hohenzollernkarrees durch die Stadt mit 231 Wohnungen für 125 Millionen Euro (plus 6,9 Millionen Euro) von der Bogenhausener Kanzlei BLL (Josef Braun, Stefan Leberfinger, Christoph Ludwig) plus Georg Kofler und Christiane zu Salm. Wobei: Zu entscheiden gibt es da nicht mehr viel, da OB Dieter Reiter (SPD) und die Fraktion SPD/Volt den Kaufpreis bereits im April 2023 bekannt gemacht hatten und der Koalitionspartner Grüne/Rosa Liste zustimmen werde. Das städtische Bewertungsamt sieht den Kaufpreis als „angemessen“ an. Das Verkäufer-Konsortium hat inzwischen viele Mieter gegen Abfindung zum Auszug bewogen; deren Wohnungen wurden renoviert und wesentlich teurer weitervermietet. Inzwischen liegen die Mieten zwischen 5,60 und 30,60 Euro, im Durchschnitt bei 19,35 Euro. Durch Aufstockungen könnten laut Planungsreferat 7.000 bis 10.000 qm zugebaut werden. Die geplante und genehmigte Bebauung des Innenhofs wird wohl so nicht kommen. [21]

Fußnoten und Quellen

  1. Draxel, Ellen, Gemeinsam stark, in SZ 3.3.2014
  2. Hoben, Anna, Gericht untersagt drastische Mietsteigerungen, in SZ 16.10.2019
  3. Draxel, Ellen, „Auf Teufel komm raus“, in SZ 21.1.2019
  4. Hoben, Anna, Hohe Mieten vor Gericht, in SZ 11.4.2019
  5. Hervorhebung WZ
  6. Hoben, Anna, Urteil in München: OLG stoppt drastische Mieterhöhung, in sueddeutsche.de 15.10.2019
  7. Musterfeststellungsklage gegen die Max-Emanuel-Immobilien GmbH, in test.de 3.12.2020
  8. https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/Klageregister/Klagen/201902/KlagRE_2_2019_node.html
  9. Draxel, Ellen, Vom Regen in die Traufe, in SZ 19.8.2020
  10. Draxel, Ellen, Der nächste Streich, in SZ 2.2.2021
  11. Münchner Musterklage zu Mieterhöhungen scheitert in letzter Instanz, in sueddeutsche.de 18.3.2021
  12. Janisch, Wolfgang, Hoben, Anna, Musterklage zu Mieterhöhungen scheitert in letzter Instanz, in SZ 19.3.2021
  13. Draxel, Ellen, Nachverdichtung verhindern, in SZ 3.4.2021
  14. Draxel. Ellen, Dunkle Wolken über der Frischluftoase, in SZ 29.9.2021
  15. Draxel, Ellen, Krass, Stefan, Baurecht bindet die Stadt, in SZ 7.10.2021
  16. Krass, Sebastian, Neue Spekulationen um das Hohenzollernkarree, in SZ 21.10.2022
  17. Stadt soll Filetstück in Schwabing kaufen, in tz.de 4.3.2023
  18. Draxel, Ellen, Hoben, Anna, Stadt will Hohenzollernkarree kaufen, in SZ 4.3.2023
  19. Hoben, Anne, 230 Wohnungen für 125 Millionen Euro in SZ 6.4.2023
  20. Krass, Sebastian, Hilfe, das Haus muss weg in SZ 5.4.2023; Hertel, Christina, Milliarden-Grab oder sinnvolle Mieter-Rettung? Soll die Stadt Wohnungen kaufen? in abendzeitung-muenchen.de 5.4.2023; Karowski, Sascha, Schwabinger jubeln! OB Dieter Reiter verspricht: Stadt München wird Hohenzollernkarree kaufen, in merkur.de 7.4.2023
  21. Effern, Heiner, Krass, Sebastian, Historisches Wohnungsgeschäft, in SZ 14.6.2023
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