Aktualisiert 19.7.2023
Juni 2021: Grunderwerbsteuergesetz geändert. Wenn ein Investor eine Immobilie übernimmt, indem er die Gesellschaftsanteile kauft, entfällt bislang die Grunderwerbsteuer, solange der Investor unter 95 Prozent erwirbt. (Meist übernahmen Drittinvestoren die restlichen fünf Prozent.) Und nach fünf Jahren konnten die restlichen Anteile an den Hauptinvestor übergehen. Besonders bei teuren Immobilienprojekten führte dieses Share-Deal genannte Modell zu hohen Steuerausfällen. Zum 1.7.2021 wird dies durch ein Gesetz modifiziert: Die Obergrenze wurde von 95 auf 90 Prozent abgesenkt; der Alteigentümer muss zu mindestens 10,1 Prozent beteiligt bleiben; die Mindesthaltefrist wurde von fünf auf zehn Jahre verlängert, die Haltefrist auf 15 Jahre verlängert.1
Juni 2021: Das Ende vom Kleingewerbe. Ein alter Gewerbehof an der Schleißheimer Straße, Milbertshofener-, Korbinian- und Wallensteinstraße war u. a. Sitz der Fahrradwerkstatt R 18, deren Träger die Evangelische Jugend München ist. Die R 18 wird von kirchlichen und städtischen Fördermitteln und seinen Fahrradverkäufen finanziert. Aber das Areal wurde am 1.5.2021 verkauft und muss geräumt werden. „Die Werkstatt R18 Fahrradservice ist seit Jahrzehnten eine erfolgreiche Einrichtung der beruflichen Jugendhilfe. Bisher war die Werkstatt R18 Fahrradservice in einem Areal am Wallensteinplatz 2 in München Milbertshofen. Dieses Areal ist verkauft worden und wird nun mit Wohnungen bebaut.“2 Da das Areal im Erhaltungssatzungsgebiet Milbertshofen liegt, hatte sich der Kommunalausschuss entschieden, das Vorkaufsrecht auszuüben: Doch dann hat der neue Käufer die Abwendungserklärung unterschrieben. Die Mieter waren dadurch geschützt, die Gewerbebetriebe nicht. Die Fahrradwerkstatt hatte bisher acht Euro pro Quadratmeter bezahlt: Ein Makler bot eine Gewerbefläche zu unerschwinglichen 17 Euro an. Zum 31.12.2021 muss die Werkstatt ausgezogen sein.3
Nachtrag Februar 2022: Die Fahrradwerkstatt R 18 gibt es seit 1985. Träger ist die Evangelische Jugend München. R 18 finanziert sich zu 50 Prozent aus kirchlichen und städtischen Fördermitteln und aus Fahrradverkäufen sowie wenigen Spenden. Hier arbeiten fünf Sozialarbeiter, Pädagogen, Therapeuten und zwölf Jugendliche, die ihren Berufsabschluss machen können. Mitte 2022 muss R 18 ausziehen.4
Nachtrag Juni 2022: Bis Ende 2022 bleibt R18 am Milbertshofener Wallensteinplatz, ab Frühjahr 2023 ist R18 auf dem ehemaligen Diamalt-Gelände in Allach.5
Nachtrag Juli 2023: Die Miete in Allach ist etwa zweimal so hoch wie in Milbertshofen: R 18 ist deshalb auf höhere Spenden und eine höhere Förderung durch die Stadt angewiesen.6
Juni 2021: Immobilienpreise steigen weltweit. Das zeigt eine Studie von Knight Frank. Die Nachfrage übersteigt das Angebot, dazu verteuern sich Baugrundstücke und Baumaterialien. Familien haben in vielen Ländern kaum eine Möglichkeit, eine Immobilie zu erwerben. Hinzu kommen internationale Finanzinvestoren und Pensionsfonds sowie Privatanleger, die nach Finanzanlagen suchen und im Immobiliensektor landen. BlackRock und JP Morgan überbieten lokale Bewerber um 20 bis 30 Prozent, wenn sie oft ganze Siedlungen kaufen.7
Juni 2021: Das halbe Gehalt für die Miete. Das ist das Schicksal von fast der Hälfte aller Haushalte in deutschen Großstädten: 49,2 Prozent von rund 8,4 Millionen Haushalten in Städten über 100.000 Einwohnern. Dies hat eine Untersuchung der Berliner Humboldt Universität im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung ergeben. Als akzeptabel gelten 30 Prozent des Einkommens für Miete. Bezahlbare Wohnungen fehlen zunehmend auch in kleineren Großstädten.8
Juni 2021: Ladenmieten nicht mehr ganz so extrem. Das Marktforschungsinstitut des IVD untersuchte die Ladenmieten des 1a Geschäftkerns (Innenstadt Fußgängerzone), des 1b-Geschäftkerns (Innenstadt wie Sendlinger Straße und Sonnenstraße), des 1a Nebenkerns (von Schwabing bis Pasing) und des 1b Nebenkern (z. B. Ausfallstraßen). Im 1. Halbjahr 2021 sind sie um etwa 20 Prozent gesunken. Z. B. in der 1a-Lage bei 80-qm-Läden von 410 auf 300 Euro, bei 200 qm-Läden von 320 auf 230 Euro. Durch die Corona-Pandemie sank der Tourismus. Die Eigentümer von Ladengeschäften werden nun wieder verstärkt selbst die Renovierung übernehmen müssen.9
Juni 2021: Die Preise kennen nur eine Richtung. Unabhängig von der Corona-Pandemie gehen die Preise weiter nach oben, wie der Gutachterausschuss der Stadt München am 28.6.2019 in seinem neuen Bericht wieder feststellte. Für Neubauwohnungen lag 2020 der Quadratmeterpreis in durchschnittlicher Wohnlage bei fast 9000 Euro, in guter Wohnlage bei etwas unter 10.000 Euro. (2010: etwa 4500 Euro bzw. 3800 Euro) Die jährliche Preissteigerung lag für Neubauwohnungen bei plus 6,9 Prozent, für Weiterverkäufe bei plus neun Prozent. Der Gesamtumsatz der verkauften Immobilien lag in München bei 13,9 Milliarden Euro (plus 18 Prozent). Auch der Bodenrichtwert für Gewerbebauten ist enorm gestiegen. Für „höherwertiges Gewerbe“ liegt er inzwischen bei 15.900 Euro pro Quadratmeter. In Freiham kostet der Quadratmeter landwirtschaftliche Fläche inzwischen 50 Euro (plus 65 Prozent). Der Vorsitzende des Gutachterausschusses, Albert Fittkau, äußerte, soviel Zuckerrüben oder Maiskolben könne ein Bauer gar nicht anbauen, dass sich dieser Preis amortisiere. Bei Wohnungen hat man früher mit einer akzeptablen Amortisationszeit von unter 30 Jahren gerechnet: Bei den derzeitigen hohen Münchner Preisen würde es ohne Instandhaltungskosten und Kreditzinsen 50 Jahre dauern.10
- https://www.gesetze-im-internet.de/grestg_1983/__6.html [↩]
- https://www.r18retten.de/ [↩]
- Kramer, Lea, Mehr als nur eine Panne, in SZ 5.6.2021 [↩]
- Kramer, Lea, Bald ist Schluss mit dem Schrauben, in SZ 8.2.2022 [↩]
- EPD, Rettung für Fahrradwerkstatt R18, in SZ 1.6.2022 [↩]
- Treitinger, Miriam, Neuer Name, neue Räume, in SZ 12.7.2023 [↩]
- Hulverscheidt, Claus, Hauspreise steigen weltweit rasant, in SZ 15.6.2021 [↩]
- Öchsner, Thomas, Wer unter hohen Mieten leidet, in SZ 15.6.2021 [↩]
- Krass, Sebastian, Wo die Mieten sinken, in SZ 25.6.2021 [↩]
- Krass, Sebastian, Jeder Quadratmeter ist kostbar, in SZ 29.6.2021 [↩]