Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Aberlestraße 10

A
Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Sendlinger Handwerkshaus. Das etwa 130 Jahre alte klassizistische Kleinhaus, ein aufwendig gebautes Handwerkshaus, stand unter Denkmalschutz; Konstruktion und Grundriss waren größtenteils original. Das Gebäude stand leer, war verwahrlost, aber sanierungsfähig. Der Eigentümer wollte es abreißen, um ein großes Wohngebäude zu errichten. Der BA und die Bürgerversammlung in Sendling waren klar dagegen. Prof. Dr. Dr. Enno Burmeister war ein hochangesehener Experte für Denkmäler und von 1988 bis 2000 Münchner Heimatpfleger. Im Fall Aberlestraße 10 war er als Gutachter für den Eigentümer tätig und erklärte, die Aufwendungen für eine baudenkmal- und nutzungsgerechte Instandsetzung seien für den Eigentümer unzumutbar. Er plädierte für den Abriss, da das Haus durch die benachbarten Bauten rechts und links wie ein ausgestelltes Museumsstück wirke. Das Landesamt für Denkmalpflege und der stellvertretende Münchner Heimatpfleger wollten das Haus genau wegen dieser unterschiedlichen Häuserstruktur bewahren.1

Abriss. Im März 1996 bedauerte der Sprecher des Sendlinger BA-Bauausschusses, Ludwig Gautsch (SPD), den Abriss des denkmalgeschützten Hauses Aberlestraße 10: Dieses Haus hat die Identität des Viertels repräsentiert.2

Aberlestraße: Sendlinger Hof. Auf den beiden Grundstücken Aberlestraße 10 und 12 entstehen auf 2380 qm Grund im Erdgeschoss drei Läden und darüber 80 Ein- bis Vierzimmer-Eigentumswohnungen und 89 Tiefgaragenstellplätze. Das Projekt kostete etwa 36 Millionen DM. Bauherr ist die Areal Immobilien GmbH in Passau; weitere Bauprojekte von ihr liegen aktuell auch in Bogenhausen, Haidhausen und demnächst in Sendling und Schwabing.3

Stadtplanung verärgert BA Sendling. Der BA hatte im Januar 1999 beim Referat für Stadtplanung und Bauordnung nachgefragt, warum ein Baum an der Aberlestraße 10 gefällt wurde, obwohl er nicht zur Fällung freigegeben war; als Ersatz wurde ein kleiner Baum gepflanzt. Eine Sachbearbeiterin antwortete, dass der alte Baum im Bereich der geplanten Tiefgarage stand und eine Erhaltung nicht möglich gewesen sei. Darauf merkte der BA an: „Jetzt steht ja wieder ein Baum im Bereich der angeblichen Feuerwehrzufahrt.“4

Kritik an Burmeister. Es wurde bekannt, dass Burmeister auch in weiteren Fällen als bezahlter Gutachter für die Eigentümer von denkmalgeschützten Bauwerken aufgetreten war. Burmeister betonte, er sei in Oberbayern der einzige von der IHK für solche Gutachten zugelassene Sachverständige.5
Weitere Beispiele:

Bodenseestraße 6-8 in Pasing: Hier stand ursprünglich ein Pasinger Bauernhaus aus der ersten Hälfte des 19 Jahrhunderts, das unter Denkmalschutz stand. Enno Burmeister erstellte für den Eigentümer ein Gutachten, worauf das Kleinhäusleranwesen aus der Denkmalschutzliste entfernt wurde. Das Baurecht auf dem Grundstück war hoch. Die Abrissgenehmigung erteilte das Planungsreferat auf Weisung der Regierung von Oberbayern. Die grundsätzliche Genehmigung des Neubaus wurde 1997 erteilt: Der Architekt war Burmeister selbst. Im Dezember 2000 wurde das historische Anwesen von Baggern abgeräumt. Ab März 2001 wird mit dem Neubau begonnen: Vier Geschäfte im Erdgeschoss, sechs Büros im 1. und 2. Stock, im 3. Stock und im Dachgeschoss entstehen 16 Eigentumswohnungen. Der offizielle Denkmalschützer wurde zum Denkmalabreißer.6

Pienzenauerstraße 27 in Bogenhausen: Der BA Bogenhausen wehrte sich energisch gegen den Abriss der nach dem Ersten Weltkrieg erbauten Villa, ebenso das Landesamt für Denkmalpflege, für das die Villa ein wichtiges Beispiel für die Münchner Baukunst war. Dessen Generalkonservator Michael Petzet hatte noch am 17.3.1995 den Abriss abgelehnt und auf ein Gutachten von Burmeister verwiesen, der festgestellt hatte, dass das bestehende Baurecht nur zulasten des Natur- und Denkmalschutzes gehe. Auch hier war Burmeister als Gutachter für den Eigentümer tätig: Sein privates Gutachten führte schließlich zum Einknicken der Stadtverwaltung und zum Abriss. Gegenüber der SZ äußerte Prof. Burmeister: „Auch der Heimatpfleger muss von etwas leben.“7

Unser langjähriger ökologischer Mitstreiter Prof. Rüdiger Disko, der eigentliche Initiator von Ausstellung und Buch Grün kaputt und in der Pienzenauerstraße ansässig, schrieb dazu in einem Leserbrief: „Ohnmächtig sehen wir Bürger in Bogenhausen und anderen Wohngebieten zu, wie die Stadt selbst durch großzügigste Auslegung des Baurechts den Spekulanten in die Hände arbeitet … Er hat dem ohnehin geschwächten Denkmalschutz und dem mehrheitlichen Interesse der Bürger schwersten Schaden zugefügt.“8

  1. Assmann, Ingrid, Denkmalschutz contra Wohnungen, in SZ 2.11.1995; Grill, Michael, Ein Heimatpfleger, der für die Abrissbirne kämpft, in SZ 28.11.1997 []
  2. Assmann, Ingrid, Bezirksausschusspolitik im Visier, in SZ 28.3.1996 []
  3. 80 neue Wohnungen im „Sendlinger Hof“, in SZ 3.9.1998; In Sendling entstehen 80 neue Wohnungen, in SZ 2.10.1998 []
  4. Neuer Baum am alten Platz? in SZ 18.5.1999 []
  5. Grill, Michael, Neue Vorwürfe gegen den Kreisheimatpfleger, in SZ 2.12.1997 []
  6. Flessa, Andreas, Abschied vom Unikat in SZ 11.12.2000 []
  7. Grill, Michael, Ein Heimatpfleger, der für die Abrissbirne kämpft, in SZ 28.11.1997 []
  8. Disko, Rüdiger, Infame Methode des Heimatpflegers, in SZ 27.12.1997. Vgl. auch: Grill, Michael, „Ich sehe das nicht als Gratwanderung“, in SZ 30.1.1998 []
Objekt-Nr. 31660

Datenschutzhinweis: Um die Karte anzuzeigen, muss Ihre IP-Adresse dem Kartendienst mitgeteilt werden. Klicken Sie hier, wenn Sie damit einverstanden sind.

Moloch München Eine Stadt wird verkauft
Objekt-Nr. 31660

Datenschutzhinweis: Um die Karte anzuzeigen, muss Ihre IP-Adresse dem Kartendienst mitgeteilt werden. Klicken Sie hier, wenn Sie damit einverstanden sind.

Nicht angemeldet > Anmelden