Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Glockengießerei Oberascher

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Auf dem Gelände der früheren Kunst- und Glockengießerei Gebrüder Oberascher in der Mitterhoferstraße 7 in Laim hatten Rudolf und Rupert Oberascher ihre Glockengießerei 1899 gegründet. Der Ursprung ihrer Gießerei lag in Salzburg, wo 1618 eine fürstbischöfliche Hofgießerei gegründet wurde.
Die Stadt München hatte ihnen dann Anfang 1900 den Auftrag erteilt, das Glockenspiel im Rathaus mit 43 Glocken zu gießen. Die Glocken der Frauenkirche und des Alten Peter wurden ebenfalls bei Oberascher gegossen. 1952 wurde dort die letzte Glocke hergestellt. 1956 wurde nach dem Tod von Rudolf Oberascher die Produktion beendet. Bis heute produziert dort ein metallverarbeitender Betrieb.
Nun sind die existenten Produktionsgebäude in der Mitterhoferstraße 7 gefährdet. Die 1909 errichtete Villa und die auf dem rückwärtigen Grundstück liegende Glockengießerei sollten auf Wunsch des BA unter Denkmalschutz gestellt werden; dies wurde zuerst für die Villa abgelehnt. Nun soll sie für einen Neubaukomplex abgerissen werden: Die Stadt selbst will 75 Wohnungen Für Flüchtlinge und Gewerbeeinheiten bauen. Auch die Glockengießerei selbst, zwischen 1906 und 1907 von Xaver Heininger erbaut, hat laut Behörde keine Denkmaleigenschaft.12

April 2014: Unbekannte zerstören Denkmal. Das Gebäude der alten Glockengießerei Oberascher steht seit März 2017 auf Wunsch des BA unter Denkmalschutz. Als fast gleichzeitig die nicht unter Denkmalschutz stehende benachbarte Fabrikanten-Villa trotz vehementer Proteste aus Laim im Frühjahr 2017 abgerissen wurde, ist auch der markante hölzerne Glockenturm des Gießereigebäudes abgesägt worden. Die LBK dementiert, hierfür eine Erlaubnis erteilt zu haben. Die Untere Denkmalschutzbehörde erfuhr vom Abriss des Glockenturms und erteilte eine Baueinstellungsanordnung, um den Rest des Gebäudes erhalten zu können.

Aufteilung. Das Areal Mitterhoferstraße 7 ist dreigeteilt, wie die Geschäftsführer der Nunn-Gruppe für Wohnbau, Bernd Nunn und Thomas Feye, erklärten. Die Nunn-Gruppe hatte von den Oberascher-Erben zwei Parzellen gekauft: die eine mit der Fabrikanten-Villa, auf der zweiten auf dem südlichen Grundstück in Richtung Schäuffeleinstraße soll eine fünfstöckige Wohnbebauung im Auftrag des Sozialreferats errichtet werden für 75 Wohneinheiten mit Werkstätten und Lernräumen für Flüchtlinge. Diese Parzelle hat Nunn an die Strabag verkauft. Das Areal mit der Glockengießerei gehört der Heimbau Bayern, die erklärte: „Zur Glockengießerei wollen wir keine Stellungnahme abgeben.“ (Später wird sich herausstellen, dass der Eigentümer Heimbau Bayern selbst den Glockenturm abbrechen ließ.) Bernd Nunn verneinte eine Beteiligung am Abbruch des Glockenturms. Für Josef Mögele (SPD) vom BA 25 Laim stand fest, „dass die Glockengießerei erhalten wird“. Er schlug langfristig eine „bürgerschaftliche Nutzung“ vor.3

Mitschuld der Stadt. Der BA Laim wehrte sich gegen Vorwürfe, nicht genug für die Glockengießerei und die Fabrikantenvilla getan zu haben. Der BA habe in Kooperation mit Historischem Verein und Historischem Archiv das Landesamt zu einer neuerlichen Untersuchung bewegen können. 2014 war der BA bei den ersten Fällungen vor Ort. Dann hat das Sozialreferat einen der Investoren beauftragt, ein Mischkonzept mit 75 Wohnungen für Flüchtlinge und Werkstätten zu entwickeln. Der BA hat gegen die massive Baudichte, aber auch gegen den Abriss der Villa protestiert. Den Abriss des denkmalgeschützten Glockenturms habe eine Nachbarin beobachtet und die Stadt informiert. Eine Einsicht in die diesbezügliche Korrespondenz verweigerte die Stadt dem BA. BA-Vorsitzender Mögele äußerte: „Wir wollen, dass die Glockengießerei erhalten wird und auf das Grundstück auf keinen Fall so ein riesiges Bauvorhaben gepflastert wird.“4

Januar 2018: Hoffnung auf Museum. Ein Anwohner hat dem BA Laim vorgeschlagen, im Werkstattgebäude an der Mitterhoferstraße 7 ein Glockenmuseum einzurichten, wenn der Mietvertrag des Metallbetriebs abgelaufen ist. Das Münchner Stadtmuseum zeigte sich sehr kooperativ, weil es selbst historische Glocken im Bestand hat.5

November 2018: Bürgerversammlung. Hier wurde von den Laimer Bürgern auch Kritik an der Stadt geäußert, die durch den massiven Neubau zur Vernichtung von raren Grünflächen beitrage; außerdem wurde der Bedarf für weitere Einrichtungen von Flüchtlingen bezweifelt. BA-Vorsitzender Josef Mögele: „Wir haben hier ein Ensemble, das man zerklopft hat, und ich bin als Bezirksausschuss-Vorsitzender verpflichtet, mich im Sinne der Laimer darum zu kümmern.“ 13 Anträge zum Erhalt der Glockengießerei werden gestellt und alle angenommen. Vorgeschlagen wurde u. a., dass die drei Investoren mit der Stadt ein Gesamtkonzept für das Areal entwickeln oder dass die Stadt das ganze Areal kauft. Viele Laimer verwiesen auf die unerträgliche Verdichtung mit Bauten und den Wegfall von Grünflächen.6

Dezember 2018: Gerichtsprozess. Vor dem Münchner Verwaltungsgericht begegneten sich Eigentümer und Denkmalschützer. Geklagt hatte die Heimbau Bayern GmbH, nachdem das Landessamt für Denkmalpflege 2017 die Glockengießerei auf die Denkmal-Liste gesetzt hatte. (Dies wurde von ihr 1988 noch verweigert.) Heimbau Bayern hat selbst den Glockenturm abbrechen lassen, angeblich aus Sicherheitsgründen und um ein Loch im Dach zu schließen. Angeblich geschah dies nicht zur Vorbereitung des Komplettabrisses, man habe ja bis 2031 an einen Metallbetrieb vermietet, wie der Anwalt erklärte. Dazu seien die historischen Gussgruben zerstört, Schornsteine und Schmelzöfen fehlten, und nichts deute mehr auf eine Glockengießerei hin. Der Vertreter des Landesamtes für Denkmalpflege betonte die Münchner Tradition der Glockengießerei, deren wenige Relikte geschützt werden müssten. Das Gericht beschloss die Einschaltung eines Fachgutachters.7

September 2019: Ende eines Denkmals. Das Gericht hat entschieden: Auch die Glockengießerei ist kein Denkmal mehr, da keine ausreichende historische Substanz mehr vorhanden sei. Der Sprecher des Verwaltungsgerichts verwies auf sechs Stellungnahmen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, von denen fünf negativ waren. Erst 2017 hat das BLfD die Bedeutung des Bauwerks als Glocken-Fertigungsstätte gewürdigt. Der vom Gericht bestellte Sachverständige sah keinen Hinweis mehr auf eine Gießerei, geschweige denn auf eine Glockengießerei. Einem Sprecher des Planungsreferats zufolge wären nach diesem Urteil ein Abbruch und ein Neubau zulässig. Planungsreferat und Landesamt werden eine Berufung prüfen.
Ein weiterer Entscheid: Der städtische Bau für Flüchtlinge an der Mitterhofer-/Schäufeleinstraße, der von der Mitterhofer Projekt GmbH geplant wird, darf so erst einmal zunächst nicht weiterbetrieben werden, da der Lärmschutz zum Metallbetrieb nicht ausreiche.8

Original-Modell vom Glockenspiel entdeckt. Der Lebensgefährte der verstorbenen Hermine Oberascher verständigte den Historischen Verein Laim, dass auf dem Dachboden der Fabrikantenvilla das Original-Modell des Glockenspiels vom Münchner Rathaus lagerte. Inzwischen ist das Modell im Eigentum des Historischen Vereins.9

Massive Neubauten. Die alte Glockengießerei verschwindet inzwischen fast neben dem fünfgeschossigen Bau an Schäufelein und Mitterhofstraße. Diesen hatte die Stadt 2020 genehmigt, zum Unwillen des BA Laim. Bauherr ist die Mitterhofer Projekt GmbH & Co. KG, Mieterin ist die Stadt München, die dort 29 Wohnungen und 36 Appartements für Geflüchtete nutzen will.10

  1. Schlaier, Andrea, Ein Klang verhallt, in SZ 29.11.2016 []
  2. muenchenwiki.de []
  3. Schlaier, Andrea, Kurzer Prozess, in SZ 1.4.2017 []
  4. Schlaier, Andrea, Ein Abriss hallt nach, in SZ 10.4.2017 []
  5. Schlaier, Andrea, Das Haus des guten Klangs, in SZ 17.1.2018 []
  6. Schlaier, Andrea, Zeugin aus guten Tagen, in sueddeutsche.de 21.11.2018 []
  7. Raff, Julian, Eine Frage des Bewahrens, in SZ 18.12.2018 []
  8. Schlaier, Andrea, Sturmläuten für ein Denkmal, in SZ 25.9.2019 []
  9. Seipel, Christina, Juwel der Stadtgeschichte, in SZ 30.4.2020 []
  10. Seipel, Christina, Das letzte Stündlein läuten hören, in SZ 15.9.2021 []
Objekt-Nr. 31220

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