Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Hinterhöfe

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Titelbild: © Wolfgang Zängl / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Hinterhof-„Sanierungen“. Im Hinterhof der Müllerstraße 11 wuchs kein Grashalm, keine Pflanze, kein Baum. Jetzt hat der Hinterhof einen Preis beim jährlichen „Wettbewerb Hof- und Vorgartenbegrünung“ der Stadt bekommen. Seit 1977 gibt es das Förderprogramm der Stadt für Entsiegelung und Begrünung von Hinterhöfen, aber auch für die Begrünung von Dächern und Fassaden. Mehr als 950 Projekte wurden bisher vom Baureferat mit über 20 Millionen DM gefördert.1

Herzogstraße 84: LBK genehmigt acht Studenten-Apartments im grünen Hinterhof. Der idyllische Hinterhof dient der Herzogstraße 84 und der Apianstraße 8. Hier hat die LBK den Neubau eines fünfgeschossigen Rückgebäudes mit acht Studentenappartements genehmigt, oder besser „durchgewunken“. Der Baukörper würde sich „in die rückwärtige Bebauungsstruktur“ einfügen, „ausreichende Belichtung und Belüftung“ seien gewährleistet, das Vorhaben ist „planungsrechtlich zulässig“.2

Der BA Schwabing-West hat das Bauvorhaben einstimmig abgelehnt. Der Vorsitzende des BA Schwabing West, Walter Klein (SPD), will deswegen dem Chef der LBK, Cornelius Mager, einen Protestbrief schreiben. Das Wohngebäude liegt zwischen drei Kommunwänden, neun große Bäume würden gefällt, die acht Parkplätze werden auf einem Grundstück in der Nähe ausgewiesen.2 Der Hinterhof dient 29 Parteien der Herzogstraße 84 und der Apianstraße 8 als Naherholungsgebiet. Er wurde vor langer Zeit vom Verein Urbanes Wohnen ausgezeichnet. Die Bewohner wollen nun auch den BN einschalten.3

Dazu aus dem Kommentar von Thomas Kronewiter in der SZ: „Nicht erst seit gestern haben Investoren diese Hinterhöfe als Nachverdichtungspotenzial entdeckt, nicht nur in Schwabing, sondern in vielen hippen Stadtbezirken wie in Haidhausen und im Glockenbachviertel. Dann werden marode Rückgebäude plattgemacht oder oberirdische Garagen abgebrochen und unter die Erde verbannt, darüber neue und teuer vermietbare Apartments errichtet. Der nun bekannt gewordene Fall an der Ecke Herzog- und Apianstraße fällt in diese Kategorie und setzt doch neue Maßstäbe. Da nutzt die Lokalbaukommission jedweden Ermessensspielraum aus, akzeptiert Überschreitungen von Abstandsflächen, um dem offenkundig übergeordneten Ziel – der Schaffung neuen Wohnraums – gerecht zu werden. Die Nachbarn sollen es schlucken, ihr gestörtes Rechtsempfinden wird zur Seite geschoben. (…) Die Behandlung des Bauantrags an der Herzog-/Apianstraße öffnet der Hinterhof-Zerstörung Tür und Tor – in Münchens ohnehin schon am dichtesten bewohnten Stadtbezirk. Wie schade! Gerade dort wird jedes Hinterhof-Plätzchen, wird jeder Baum gebraucht.“4

Breisacher Straße 5: Im Hinterhof der Breisacher Straße 5 in Haidhausen stehen u. a. drei Linden, eine Robinie, eine Kastanie, ein Ahorn: Drei von den mehr als hundert Jahre alten Bäumen sollen für einen dreistöckigen Neubau gefällt werden. Nach Angaben der LBK wurde der erste Bauantrag zurückgezogen; der zweite beinhaltet ein Rückgebäude mit fünf Wohnungen und einer Gewerbeeinheit. Laut LBK gelte der Grundsatz: Baurecht bricht Baumrecht. Stadtrat Tobias Ruff (ÖDP) regte an, dass die Stadtverwaltung mit dem Eigentümer über eine Ablöse des bestehenden Baurechts gegen eine Geldzahlung verhandeln solle. Der Eigentümer hat das Haus von der Stadt München gekauft, einige Wohnungen energetisch sanieren lassen und die Mieten drastisch erhöht.5
Fällung beschlossen. Der Kampf der Bewohner Breisacher Straße 3 und 7 und des BA Au-Haidhausen war umsonst: Der Planungsausschuss des Stadtrats hat am 2.12.2020 der Fällung einer Robinie und zweier Linden zugestimmt, nachdem die LBK diese als „bauplanungs- und bauordnungsrechtlich zulässig“ beurteilt hat. Die LBK wird dem Bauantrag und den Fällungen zustimmen. Der Leiter der LBK, Cornelius Mager, wies darauf hin, dass beim Verkauf des damals im Besitz der Stadt befindlichen Grundstücks 2012 an den heutigen Eigentümer das Baurecht schon genehmigt war und dessen Ablösung Millionen Euro kosten würde. Mager äußerte zum Kampf der Bewohner der Breisacher Straße 3 und 7 (mit Hinterhöfen ohne Bäumen) gegen die Fällung von drei alten Bäumen im Hinterhof der Breisacher Straße 5 zynisch: „Es zeigt sich, der Baum in Nachbars Garten ist immer der schönste.“67
Wieso ist eigentlich nie ein Beamter an solchen städtischen Verkäufen und Baum-Freveleien schuld?
Nachtrag Juli 2021:
Der BA Au-Haidhausen hat einen Bürgerantrag aufgegriffen und einstimmig an die Stadt appelliert, den Bau des Rückgebäudes zu verhindern und die Bäume zu retten: ein nahezu aussichtsloses Unterfangen, da die LBK dem Bau genehmigt hatte. Stadträtin Brigitte Wolf (Die Linke) schlug vor, dem Hauseigentümer das Baurecht abzukaufen: auch dieser Antrag wurde vom BA aufgegriffen.8

Hohenzollernkarree. Die Max-Emanuel Immobilien GmbH hat das Areal 2016 vom Immobilienkonzern Patrizia AG gekauft und will in den grünen Innenhof mit Spielplatz und vielen lauschigen Ecken ein mehrstöckiges Gebäude mit etwa 40 Wohnungen und Tiefgarage bauen.9

Etc.etc.

  1. Etscheid, Georg, Es grünt so grün, wenn Stadtoasen blühen, in SZ 11.5.2001 []
  2. Draxel, Ellen, Bedrohte Ruhezone, in SZ 24.6.2019 [] []
  3. Draxel, Ellen, Aufruhr in der grünen Oase, in SZ 2.8.2020 []
  4. Kronewiter, Thomas, Unverzichtbare Rückzugsorte, in SZ 2.8.2019 []
  5. Korsche, Johannes, Stäbler, Patrick, Gefährdet, in SZ 25.11.2020 []
  6. Krass, Sebastian, Stäbler, Frank, Die Zeichen stehen auf Fällung, in SZ 3.12.2020 []
  7. Stäbler, Patrick, Wider die Gentrifizierung, in SZ 15.12.2020 []
  8. Stäbler, Patrick, Appell ans Öko-Gewissen, in SZ 27.7.2021 []
  9. Kleber, Irene, Geht’s noch dichter? Schwabing steht auf gegen die Hinterhof-Zerstörung, in abendzeitung-muenchen.de 17.10.2020 []
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