Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Mai 2021

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Mai 2021: Kritik am Entwurf für das Baulandmobilisierungsgesetz. BN-Vorsitzender Richard Mergner kritisierte den Entwurf für das neue Bundesgesetz, das den Paragraphen 13b im BauGB wieder einführt („Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren“). Dieser Paragraph war gegen den Protest von Umweltverbänden 2017 eingeführt worden und war bis 31.12.2019 gültig. Nun wird er im Entwurf vom 7.5.2021 wieder in Kraft gesetzt, im Gesetz vom 14.6.2021 verankert und soll bis Ende 2023 gelten. Randbereiche von Siedlungen können vereinfacht und ohne Umweltverträglichkeitsprüfungen bebaut werden: Damit wird der Flächenfraß und die Zersiedlung in den Außenbereichen beschleunigt.1 – Dadurch wird auch der Donut-Effekt verstärkt: In Kommunen und Kleinstädten veröden die Innenbereiche, und die Außenbereiche werden immer weiter mit Einfamilienhäusern und Gewerbegebieten zugebaut und damit auch zusätzliche Verkehrsströme erzeugt.2 – Die Grünen nannten den § 13b einen „Flächenfraß ohne Sinn und Verstand“.3

Mai 2021: „Wohnen in München IV“. Seit Längerem versucht das Sozialreferat, Belegrechte für Wohnungen im freien Bestand zu kaufen. Dies waren nur 120 im Zeitraum von 2007 bis 2011; von 2012 bis 2017 waren es sogar nur 50. Im 2017 vom Stadtrat beschlossenen Programm „Wohnen in München IV“ sollen nun auf diese Weise 100 Wohnungen pro Jahr mit zehn bis 15 Jahren Bindung gefunden werden.4 Abhängig von Wohnungsgröße und Dauer der Belegungsrechte können bis zu 46.500 Euro Prämie bezahlt werden. Dafür darf der Vermieter nur die Miete des Mietspiegels verlangen bzw. maximal 15 Euro.
Die Stadt kooperiert neuerdings mit Vonovia: Der größte deutsche Wohnungskonzern hat in München etwa 5500 Wohnungen und hat Belegrechte für 60 Wohnungen auf 25 Jahre eingeräumt.5

Mai 2021: Berlin – Nachverdichtung gegen Klimaschutz. Die Gesobau AG (Gesellschaft für sozialen Wohnungsbau) gehört zu den sechs kommunalen Berliner Wohnungsunternehmen. Sie will die Wohnsiedlung am Schlosspark Schönhausen nachverdichten: Dies hat das Bezirksamt Pankow mit Verweis auf den dort ausgerufenen „Klimanotstand“ untersagt. Dort wurde ein B-Plan beschlossen, der eine klimafreundliche Entwicklung vorsieht – mit Erhalt von Bäumen und Grün- und Spielflächen. Die von Gesobau geplante Nachverdichtung trage zur Versiegelung und zum Verlust von Bäumen und naturnahen Flächen bei. Der seit 2017 amtierende grüne Pankower Baustadtrat Vollrad Kuhn beschrieb die Folgen so: „Würde wie von der Gesobau geplant gebaut, würden wir die Innenhöfe zerstören, der Spielplatz müsste weg, die Bäume müssten weg. Das ist angesichts des Klimanotstands nicht mehr machbar.“ Die Gesobau hat dann im März 2019 die Mieter ihrer Anlage angeschrieben: „Hiermit laden wir Sie zu einer Partizipationsveranstaltung ein.“ Dann stellte Gesobau ein weißes Zelt mit Wachleuten in einem Hof auf und präsentierte den Mietern die Bebauung ihrer beiden Innenhöfe: wahlweise L-Form, H-Form oder I-Form, Abstimmung per Knopfdruck. Die Meter wollten aber gar nicht, dass ihr Hof bebaut wird. Darauf sagte ein Gesobau-Verantwortlicher, sie könnten machen, was sie wollen: Gebaut wird in jedem Fall. 2020 stellten die Grünen im Bezirk Pankow den Antrag auf einen Bebauungsplan für das Wohnquartier: Hier kann der Bezirk Flächen ausweisen, auf denen keine Bebauung erfolgen darf. Gesobau stellte daraufhin sofort einen Bauantrag, der vor der Ratifizierung des Bebauungsplans genehmigt werden sollte. Das Bezirksamt Pankow stoppte daraufhin im April 2021 das Bauprojekt, um zuerst den Bebauungsplan zu beschließen. Der Bezirk Pankow erwartete nun von der Gesobau eine klimafreundlichere Nachverdichtung.
Im Mai 2021 klagte die Gesobau auf Erteilung der Baugenehmigung. Bausenator Sebastian Scheel (Die Linke) und Gesobau prüften daraufhin Hilfestellungen: Der Senat könnte das Vorhaben als „übergeordnete Priorität“ an sich ziehen, da die Gesobau für die Nachverdichtung eine „übergeordnete Priorität“ geltend macht.6

Mai 2021: Immobilien wieder teurer. Der IVD hat seinen aktuellen Marktbericht veröffentlicht. Trotz Corona hat der Zuzug nach München nicht abgenommen, damit ist die Nachfrage auch entsprechend gestiegen. Der Quadratmeterpreis bei Bestandswohnungen stieg seit Herbst 2020 von 8000 auf 8150 Euro, bei neuen Eigentumswohnungen auf derzeit 9950 Euro, Tendenz weiter steigend. In Stadtvierteln der Kategorie „sehr gut“ wie Lehel, Maxvorstadt, Altschwabing, Nymphenburg oder Bogenhausen stieg der Preis von 14.500 auf 15.500 Euro.7

Mai 2021: Villenkolonie Solln ohne Villen. In der Kurzbauerstraße 1 in Solln soll eine schöne Villa, die nicht unter Denkmalschutz steht, abgerissen und durch zwei Mehrfamilienhäuser ersetzt werden. Der derzeitige Mieter, ein Architekt, will die Villa erhalten und hat der Erbengemeinschaft ein Angebot gemacht. Der BA 19 hat schon vor einem Jahr die Baupläne wegen der Baumasse abgelehnt; auch würde die geplante Tiefgarage den alten Baumbestand (Winterlinden, Ahorn, Schwarznussbäume) vernichten. Auch hier zieht wieder der berüchtigte § 34 des BauGB: „Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.“ (Hervorhebung WZ) Und so arbeiten sich die Neubauten vor und ermöglichen den Abriss des schönen Villenbestandes: Denn die Neubauten bilden „die Eigenart der näheren Umgebung“.8

Mai 2021: Die Immobilien der Reichen. Kirchenstraße 87, Fünfziger-Jahre-Wohnhaus: ein Zimmer, Wohnküche, Bad, Balkon, möbliert mit 1 Bett, 1 Tisch, 1 Schrank, 2 Stühlen (auf Wunsch des Mieters eingelagert), 41 Quadratmeter, Kaltmiete 1080 € (26,43 €/qm). Eigentümerin ist Evi Brandl (Mitbesitzerin der Kette Vinzenz Murr, geschätztes Vermögen 700 Millionen Euro). Die Mietberatung im Sozialreferat leitete eine „Mietwertüberprüfung“ ein: Die ortsübliche Vergleichsmiete lag bei 640 Euro (40 Prozent weniger). Das Sozialreferat leitete ein Bußgeldverfahren nach $ 5 Wirtschaftsstrafgesetz gegen Brandls BVG Verwaltung GmbH & Co. KG ein und ordnete eine Rückzahlung von 1563,60 Euro für Juni bis Dezember 2020 an. Der Vermieter bezahlte dies.9

Mai 2021: Ein GBW-Opfer. An der Candidstraße, Hans-Mielich-Straße, Krumpter- und Agilolfingerstraße in Untergiesing gibt es eine Wohnanlage mit derzeit 228 Wohnungen, die von 1952 bis 2010 der GBW gehörte: damals im Eigentum des Freistaats Bayern. Die GBW verkaufte die Anlage 2010 an Rock Capital. Der Käufer erhöhte die Mieten und verkaufte die Anlage weiter an die Candid Immobilien Projekt GmbH. Die Stadt erlaubte ein Baurecht von insgesamt 355 Mietwohnungen, wenn 69 Wohnungen nach der „Einkommensorientierten Förderung“ vergeben werden. Drei Bauabschnitte waren von 2021 bis 2024 geplant. Nun wurde die Anlage an Core 3 Projekt 1 Verwaltungs GmbH aus Grünwald weiterverkauft, genauer an die KGAL aus Grünwald: „22.06.2021. Nachhaltiges Quartiersprojekt mit 355 Wohnungen – Die KGAL Investment Management GmbH & Co. KG (KGAL) hat für den KGAL Wohnen Core 3-Fonds das erste Projekt erworben. Es handelt sich um die Quartiersentwicklung „Wohnen am Candidplatz“ in München-Untergiesing mit insgesamt ca. 24.000 Quadratmeter Mietfläche, darunter 355 Wohneinheiten. Mit der Fertigstellung des Neubaus wird bis Ende 2023 gerechnet.“10
Zur Erinnerung: Den Verkauf der GBW an die Augsburger Patrizia AG hatte der damalige Finanzminister Markus Söder (CSU) zu verantworten.

  1. https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&start=//*[@attr_id=%27bgbl121s1802.pdf%27]#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl121s1802.pdf%27%5D__1635414865633)) Die Bundesregierung hat das Ziel formuliert, den täglichen Anstieg des deutschen Flächenverbrauchs bis 2030 auf unter 30 Hektar zu begrenzen und bis 2050 keine weiteren Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke zu verbrauchen: Dies wird nicht erreicht werden. ((PM Verpasste Chance im Kampf gegen den Flächenverbrauch, BN, Nürnberg 7.5.2021 []
  2. Matzig, Gerhard, Letzte Ausfahrt, in SZ 3.5.2021 []
  3. Koopmann, Christoph, Wie Mieter vor Verdrängung geschützt werden sollen, in SZ 8.5.2021 []
  4. file:///C:/Users/User/AppData/Local/Temp/Handlungsprogramm_WiM%20VI_Web.pdf []
  5. Kastner, Bernd, Gesucht: faire Vermieter, in SZ 5.5.2021 []
  6. Hönicke, Christian, Senat will gegen ersten Klimaschutz-Baustopp in Berlin vorgehen, in tagesspiegel.de 6.5.2021: Bartsch, Matthias u. a., Innere Widerstände, in Der Spiegel 24/12.6.2021; Schrader, Hannes, Pankow statt Nordpol, in Der Spiegel 34/21.8.2021 []
  7. Limmer, Julian, Von Krise keine Spur, in SZ 8.5.2021 []
  8. Wolfram, Jürgen, Es geht an die Substanz, in SZ 11.5.2021 []
  9. Krass, Sebastian, Ein Zimmer, 1080 Euro kalt, in SZ 19.5.2021; vgl. auch: Krass, Sebastian, Deutlich teurer als der Durchschnitt, in SZ 5.8.2021 []
  10. https://www.kgal.de/newsdesk/pressenews/detail/kgal-erwirbt-wohnquartier-am-candidplatz-in-muenchen-mit-24000-m2-fuer-kgal-wohnen-core-3-fonds/)) Inzwischen liegt die Wohnanlage im Erhaltungssatzungsgebiet: Die Stadt könnte von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Das städtische Bewertungsamt kam auf einen Verkehrswert von 155 Millionen Euro. Die städtische Gewofag und das Kommunalreferat warnten vor einem Ankauf wegen bestehender Risiken und unklarer Eigentumsverhältnisse. Allgemein wurde bedauert, dass die GBW 2010 nicht an die Stadt verkauft habe. ((Krass, Sebastian, Gefährlich und undurchsichtig, in SZ 18.5.2021 []
Moloch München Eine Stadt wird verkauft

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