Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Blütenstraße 8

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Im Wohnhaus Blütenstraße 8 in der Maxvorstadt hat der Dichter Rainer Maria Rilke gewohnt, seither viele Akademiker der nahen Universitäten. Der alte Eigentümer beließ es bei niedrigen Mieten und den nur nötigsten Reparaturen. Die Erben des Hauses verkauften 2007an die Vermögensverwaltung Rock Capital aus Grünwald. Das Bild änderte sich. Als ein Mieter wegen eines Wasserschadens einen Notdienst beauftragte, musste er per Gerichtsvollzieher die Summe dafür eintreiben. Als der Antrag auf Ausbau des Dachgeschosses genehmigt wurde, verkaufte Rock Capital im Jahr 2008 die Blütenstraße 8 an die Domagk-Gewerbepark GmbH aus Grünwald, die Hubert Haupt gehört. Haupt kaufte das Haus 2010 seiner Firma privat ab: „für mich und meine Familienangehörigen“. Haupt kündigte im Januar 2011 Renovierungsarbeiten an, mit denen eine Woche später begonnen wurde. Im Mai 2011 bot Haupt den verbliebenen Mietern 15.000 Euro für den Auszug. Seit 2008 sind viele der ehemals 14 Mieter ausgezogen: im August 2012 wohnten nur noch vier dort, die nicht unbedingt ausziehen wollten – und die zwischen 23 und 35 Jahre dort wohnten. Sie nannten ihre Mietergemeinschaft „Blüte 8“. Die Mieter wollten auch nicht grundsätzlich gegen Sanierung und eine Mieterhöhung vorgehen, wollten aber vom Eigentümer schriftlich über die geplanten Schritte informiert werden.
Der Mieterin in einer Dachwohnung wurde wegen angeblicher Mietrückstände fristlos gekündigt: Sie hatte aus Versehen die Miete noch an Rock Capital überwiesen. Die Räumungsklage wurde vom Gericht zurückgewiesen. Nun legte Haupt eine neue Kündigung vor und meldete Eigenbedarf an: Haupt hatte seiner Schwiegermutter ein lebenslanges Wohnrecht eintragen lassen, um die zehnjährige Sperrfrist bei Eigenbedarfskündigungen zu vermeiden.1

Die Gerichtsverhandlung. Die 76-jährige Schwiegermutter von Hubert Haupt klagte gegen die ähnlich alte Mieterin der Dachwohnung, die seit 34 Jahren dort wohnt. Der Mietrichter der ersten Instanz am Amtsgericht gab der Schwiegermutter Recht. Die Richter am Landgericht München I wiesen auf juristische Fehler der Vorinstanz hin und befragten die Schwiegermutter genauer. Diese lebt in einer Eigentumswohnung in Unterhaching und hatte die Wunsch-Dachwohnung in der Blütenstraße noch nie gesehen. Sie äußerte den Wunsch, in die Nähe der in Bogenhausen wohnenden Tochter und Enkelkinder zu ziehen. Der Vorsitzende erklärte ihr, dass die Suche eines Parkplatzes in der Maxvorstadt länger dauern würde als die Autofahrt von Unterhaching nach Bogenhausen. Der Zeuge Haupt äußerte auf die Frage, warum er nicht eine der freien Wohnungen seiner Schwiegermutter gebe, er müsse diese Entscheidung nicht rechtfertigen. Mit den Altmietern sei nicht zu reden. Die Frage des Richters, ob er einmal bei ihnen geklingelt habe, beantwortete Haupt so: „Ich arbeite zwölf Stunden am Tag und schaffe Wohn- und Gewerberaum in München – ich bin nicht bereit, stundenlang wie ein Bettler vor einer Tür zu stehen.“ Haupt bot jedem der verbliebenen vier Mietern 50.000 Euro für einen Auszug an. Das Gericht äußerte dann Zweifel an der Situation mit der Schwiegermutter und regte weitere Gespräche vor einem Urteil an.2

Die Baustelle. Ab Sommer 2011 wurde der Putz im Haus monatelang abgeklopft, vor dem Haus stand ein Baugerüst. Das erste Angebot für eine Abfindung waren 15.000 Euro, dann 25.000, dann – bei der Gerichtsverhandlung im November 2012 – 50.000 Euro. Der Bewohnerin der Dachwohnung wurden 100.000 Euro angeboten: Aus Solidarität mit den anderen drei Parteien nahm sie das Angebot nicht an.3

Das Angebot. Der Eigentümer Haupt hatte tatsächlich Kontakt mit den verbliebenen Mietern aufgenommen. Die Renovierungen gehen weiter, aber er will Rücksicht auf die Mieter nehmen, hat die Räumungsklagen zurückgezogen, übernahm die aufgelaufenen Gerichtskosten. Die Mieterin der Dachgeschosswohnung bekam eine freie Wohnung im Haus, während ihre Wohnung renoviert wurde. Die Mieten sollen nach der Sanierung nur moderat erhöht werden.4

Ende gut? Hausbesitzer Haupt berichtet von einer Million Euro Mehrkosten durch die Aufrechterhaltung der vier Wohnverhältnisse. Sein bester Bauleiter habe einen guten Kontakt zu den Mietern hergestellt und die Umbauten abgestimmt. Das Haus Blütenstraße 8 sei kein Luxus-Bau, aber ein Top-Haus geworden. Die Altmieter äußerten sich nur anonym; einer begründete das damit, „um das gute Verhältnis zu Herrn Haupt nicht zu gefährden“. Das Verhältnis zur Bauleitung sei gut gewesen, die Organisation teilweise chaotisch. Das Haus sei schön renoviert worden. Die Einigung mit den Altmietern sei erfolgt, weil Haupt vor Gericht verloren habe. Die Blütenstraße 8 ist nach wie vor ein Mietshaus, das, so Haupt, die nächsten 15 Jahre nichts abwerfe.5

Das Haus Blütenstraße 8 nach Komplettumbau: https://www.haupt-immobilien.de/referenzen/bluetenstrasse.html

  1. Kastner, Bernd, Ringen ums Rilke-Haus, in SZ 8.8.2011; Kaufmann, Laura, „100.000 Euro, wenn Sie ausziehen“, in abendzeitung-muenchen.de 24.11.2012 []
  2. Müller-Jentsch, Ekkehard, Drohung mit Schwiegermutter, in sueddeutsche.de 11.11.2012 []
  3. Kaufmann, Laura, „100.000 Euro, wenn Sie ausziehen“, in abendzeitung-muenchen.de 24.11.2012 []
  4. Pfaffinger, Christian, Endlich Frieden in der Blütenstraße 8, in abendzeitung-muenchen.de 5.12.2012 []
  5. Pfaffinger, Christian, „Ich wollte einfach nur Frieden“, in abendzeitung-muenchen.de 12.12.2012 []
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