Bekannte Spekulanten. Schon in der Mannhardtstraße 10 und der Siegesstraße 30 ging Christian S. brachial vor. Nun kam im Sommer 1996 die unter Denkmalschutz stehende Brunnstraße 11 in der Altstadt hinzu. Zusammen mit Johannes V. hatte S. diesmal die GBM Vermögensverwaltung gegründet und das Anwesen mit Vorder-, Mittel- und Hinterhaus aus der Barockzeit gekauft. Die Staatsanwaltschaft erhielt die Anzeige eines Mieters wegen „Hausfriedensbruch, Besitzstörung, Sachbeschädigung, Verräumung, widerrechtliche Besitznahme, Vertragsverletzung“ etc. Das Planungsreferat bekam eine Anfrage des Architekten von Herrn S. wegen eines Dachgeschoss-Ausbaus im Mittelbau und besichtigte diesen am 15.7.1996. Die Balken des Daches waren zersägt, der historische Dachstuhl aus der Zeit um 1785 aufgeschnitten, die handbehauenen Originalbalken mit Holznagelverbindungen und Zunft- und Meisterzeichen weggesägt. Das Dach war mit einer Folie und dünnen Latten abgedeckt, die beim nächsten Starkregen wie geplant davon fliegen würden. Eine Baueinstellungsverfügung wurde mündlich und am 16.7.1996 schriftlich erlassen. Ein Ortstermin am 17.7.1996 ergab, dass auch der Dachstuhl des Vorderhauses geschädigt worden war und nur noch von den Brandmauern abgestützt wurde. Der nächste Ortstermin am 18.7.1996 ergab, dass im Keller die Stirnwand des originalen Kellergewölbes entfernt worden war: Damit war die Statik des ganzen Hauses in Gefahr. Das Planungsreferat erließ den nächsten Baustopp und schaltete die Staatsanwaltschaft ein.1
August 2000: Die nächste Verhandlung. Die Bußgeldbescheide gegen Christian S. sollen inzwischen bei über einer Million DM liegen. Am 7.8.2000 fand – wieder einmal -, ein Prozess gegen ihn vor dem Verwaltungsgericht statt. Er hatte das denkmalgeschützte Anwesen Brunnstraße 11 ohne die geringste Genehmigung entkernt, Holzbalkendecken durch Stahlbeton ersetzt, den Dachstuhl zerstört. Das historische Anwesen hat außerdem eine verpfuschte Fassade mit Blattgold. Oder wie ein Denkmalschützer bemerkte, „das ist jetzt ein prostituiertes Haus, es ist aufgeschminkt und aufgedonnert“. Christian S. solle die Fassade original wiederherstellen: Er weigerte sich.2
Haftbefehl von 1998. Das Amtsgericht München hatte Christian S, 1998 wegen Beleidigung, Nötigung und Hausfriedensbruch der Bewohner der Brunnstraße 11 zu einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Dagegen hatte S. Berufung eingelegt und war nicht zur Verhandlung erschienen. Die Zustellung der Ladung war erfolglos; S. gab über viele Jahre einen Wohnsitz in der Schweiz an. Das Landgericht München I hatte deswegen kürzlich einen Haftbefehl gegen S. erlassen. Das Oberlandesgericht München prüfte im August 2000 den Haftbefehl. Der Rechtsanwalt von S. erreichte im Oktober 2000, dass der Haftbefehl am 23.10.2000 außer Vollzug gesetzt wurde: Dafür musste S. eine Kaution von 15.000 DM hinterlegen, wöchentlich bei der Polizei erscheinen und gerichtliche Ladungen sofort befolgen. Am 24.10.2000 fand eine Ortsbesichtigung an der Brunnstraße 11 mit der LBK und dem vom Gericht bestellten Zwangsverwalter Rechtsanwalt Eckhart Müller-Heydenreich statt, um Brandschutzmängel, Statikfehler und Verletzungen des Denkmalschutzes zu beseitigen. S. erschien dazu am Tatort. Städtische Mitarbeiter informierten die Polizei, die auch kam. S. zeigte den Gerichtsbeschluss des OLG vor: Die Polizei war machtlos und fuhr wieder ab. Die Staatsanwaltschaft hatte sich angesichts der Auflagen entschieden, keine Rechtsmittel gegen die Aufhebung des Haftbefehls einzulegen.3
Zwangsverwaltung aufgehoben. Die Brunnstraße 11 war von der Stadt im August 2000 unter Zwangsverwaltung gestellt worden. Dadurch waren S. die Pacht- und Mieteinnahmen entzogen worden. Inzwischen hatte S. die Zwangsgelder und Gebühren nachbezahlt, und die Zwangsverwaltung wurde aufgehoben.4
Der nächste Prozess. Am 18.5.2001 ging es in der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht um drei alte Verfahren aus den Jahren 1998 und 1999. In der Brunnstraße 11 hatte S. nach dem Kauf 1996 umgehend mit Umbauten und Entmietung begonnen. Ein Mieter hatte sich am längsten gewehrt. S. hatte sämtliche Räumungsklagen verloren und baute danach eine Eisentüre ein: Der Mieter konnte seine Wohnung nur über ein Baugerüst betreten: Tatbestand Nötigung, Einzelstrafe sieben Monate. S. hatte im zweiten Fall einen städtischen Baudirektor bezichtigt, „rechtswidrige, kriminelle Machenschaften“ zu betreiben. Im dritten Fall hatte sich S. in Schwabing mit einem Radfahrer angelegt und war tätlich geworden. Das Urteil: wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Beleidigung und Nötigung acht Monate Haft, die gegen eine Geldbuße von 50.000 DM zur Bewährung ausgesetzt wurden. Der Anwalt von S. legte umgehend Berufung ein.4
Verhandlung über Zwangsgelder. Seit dem aufgehobenen Haftbefehl erschien S. zu Verhandlungen – wie am 23.5.2001 vor dem Verwaltungsgericht. Gegenstand des Verfahrens waren diesmal die Brunnstraße 11 und die Siegesstraße 30. Die bislang erlassenen Zwangsgeldbescheide von insgesamt rund 120.000 DM dürften sich nach der Verhandlung etwa halbieren. Eindeutig war die Aussage des früheren Kreisheimatpflegers Enno Burmeister über die Fassadengestaltung Brunnstraße 11 in sattem Ocker: Sie sei absolut indiskutabel.5
Vgl. zu Christian S.: Augustenstraße 4, Mannhardtstraße 10, Siegesstraße 30
- Münster, Thomas, Tiefe Schnitte entstellen eine architektonische Realität, in SZ 16.8.1996 [↩]
- Müller-Jentsch, Ekkehard, Der Bauplan-Ignorant, in SZ 8.8.2000 [↩]
- Müller-Jentsch, Ekkehard, Der Bauplan-Ignorant, in SZ 8.8.2000; Müller-Jentsch, Ekkehard, Seitz-Haftbefehl außer Vollzug, in SZ 27.10.2000 [↩]
- Krug, Alexander, Mieter muss über Baugerüst in seine Wohnung, in SZ 19.5.2001 [↩] [↩]
- Müller-Jentsch, Ekkehard, Sanierer vor Gericht, in SZ 25.5.2001 [↩]
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