Aktualisierung 16.2.2023
März 2014: Was bedeutet die einzuführende Mietpreisbremse? Das Bundesjustizministerium bereitet einen neuen Gesetzentwurf vor, der am 19.3.2014 bekannt wurde und ab 2015 eine Mietpreisbremse einführen will. In München und anderen Ballungsräumen wurde bereits 2013 eine Beschränkung für Mieterhöhungen vorgenommen: Es darf nicht mehr alle drei Jahre um 20 Prozent, sondern nur noch um 15 Prozent erhöht werden. Der neue Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums sieht vor, dass die Miete nur noch zehn Prozent über dem örtlichen Mietspiegel liegen darf. Neubauten werden hiervon ausgenommen, um Investoren nicht zu bremsen. Insgesamt könnten die Mieter dadurch jährlich 282 Millionen Euro sparen, so das Ministerium.
Die Bundesländer dürfen die Mietpreise in Gemeinden mit „angespanntem“ Wohnungsmarkt oder einer Unterversorgung einführen. Der Anstieg des Mietspiegels würde eingebremst. Für die Maklergebühr soll das Besteller-Prinzip gelten, die somit den Vermieter treffen würde. Die Gefahr besteht allerdings, dass dieser den Kostenfaktor auf die Miete umlegt. Wenn der Vermieter gegen die neuen Regelungen verstößt, soll ein Bußgeld verhängt werden. Beatrix Zurek vom Münchner Mieterverein hob zwei Effekte der Mietpreisbremse hervor: Exzessive Mieterhöhungen seien nicht mehr möglich, und das Ansteigen des Mietspiegels würde sich verlangsamen. Dies sei auch deshalb wichtig, weil in den Mietspiegel nur die Mietverträge der letzten vier Jahre eingehen.12
Keine Selbstregulierung. Zur Mietpreisbremse stand in einem SZ-Kommentar, dass die Mietenentwicklung in den Ballungsräumen sehr besorgniserregend und ein Vertrauen in die Regulierung durch den Markt nach Aktienblase und Finanzkrise falsch sei. Die Mietpreisbremse helfe auch den Einkommensschwachen: Denn hohe Mieten in Szenevierteln ziehen auch das Mietniveau der preiswerteren Wohnungen nach oben. Von daher sei die Mietbremse kein Allheilmittel, sondern eine Notbremse.3
Dafür und Dagegen. Beatrix Zurek vom Münchner Mieterverein äußerte zur Mietpreisbremse: „Es wird niemand eine Wohnung in München nicht bauen, weil es die Mietpreisbremse gibt“. Der damalige Direktor (und heutige Präsident) des DMB, Lukas Siebenkotten, kritisierte, dass die Mietpreisbremse nicht bundesweit gelten solle.
Vertreter der Makler und der Hausbesitzer sahen als Folge der Mietpreisbremse ein Abbremsen des Wohnungsbaus und damit einen weiteren Druck auf die Miete. Der IVD bemängelte fehlende Abschreibungsmöglichkeiten. Rudolf Stürzer von Haus + Grund München sah in fehlenden Wohnungen das größte Problem, das durch eine Mietpreisbremse nicht gelöst würde. Außerdem wird beim ersten Mieterwechsel der Neubau zum Altbau: Dies ließe laut Stürzer die Investitionsbereitschaft in den Wohnungsbau nicht steigen.
Für den Präsidenten des GdW, Axel Gedaschko, war die Definition von „angespannten“ oder „unterversorgten“ Märkten problematisch: „Ob dies vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat, ist mehr als fraglich.“245
Kritik vom DIW. Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich 4,2 Millionen Mietwohnungen (von insgesamt 21 Millionen) in angespannten Regionen befinden. Das DIW sieht dies ähnlich, konstatiert aber ein „Wohlstandsproblem“. Die durchschnittliche Mietfläche pro Bewohner hat sich 2014 in Westdeutschland im Vergleich zu 1956/57 mit 38,7 Quadratmeter mehr als verdoppelt. Die durchschnittliche Anzahl der Bewohner pro Haushalt ging in dieser Zeit von drei auf zwei zurück. Die Mietpreisbremse behandle aber die Symptome – und nicht die Ursache, nämlich die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage. Außerdem verringere sie für den Vermieter Anreize zum Ausbau oder zur Sanierung. Und durch die Abschwächung des Mietwohnungsbaus könnten höhere Mieten die Folge sein sowie der verstärkte Bau von Eigentumswohnungen. Das DIW empfiehlt eine Förderung des Wohnungsbaus durch Steuernachlässe und Subventionen. Kommunen sollten Bauland an Investoren unter der Auflage vergeben, dass diese auch billige Wohnungen mit bauen.6
Diskussion in München. Am 8.4.2014 fand im Literaturhaus eine Diskussion über die Mietpreisbremse statt. Beatrix Zurek vom Mieterverein München sprach sich dafür aus, „um Auswüchse zu begrenzen“. Um die Mietpreisgrenze würde „ein Popanz aufgebaut“. Mit der Mietpreisbremse könne München bunt bleiben. Der Mietspiegel sei „ein geeignetes Instrument“.
„Nebenkostenbremse“ nötig. Rudolf Stürzer ist Vorsitzender von Haus + Grund München, mit rund 28.000 Mitgliedern größter deutscher Verband. Seiner Ansicht nach seien die Hauptprofiteure hoher Mieten der Staat und die Stadt. Der Staat würde jährlich allein über Münchner Mieten über eine Milliarde Einkommensteuer einziehen. Wenn die Durchschnittsmiete in München um einen Euro steige, kämmen 100 Millionen Euro beim Finanzamt an. Stürzer forderte deshalb im Mai 2014 eine Erhöhung des Wohngelds, das in München stark zurückgegangen sei: von 2005 mit 13,6 Millionen Euro auf 8,9 Millionen Euro im Jahr 2011. Wohngeld sei weit sinnvoller als geförderte Wohnungen: Denn bei Sozialwohnungen überschritten die Mieter die festgelegten Grenzen des Einkommens. Bei einer solchen Fehlbelegung kann aber ein Mieter nicht zum Umzug gezwungen werden, während man das Wohngeld streichen könne. Außerdem läge die durchschnittliche Belastung des Einkommens in München bei 23 Prozent, das entspräche fast dem deutschen Durchschnitt. Dazu komme ein permanentes Ansteigen der Nebenkosten-Faktoren in den letzten 20 Jahren: Gas + 154 Prozent, Strom und Müll + 60 Prozent, Wasser + 85 Prozent, Grundsteuer + 57 Prozent. Aus all diesen Gründen bringe die Mietpreisbremse nichts für Mieter.7
Juni 2014: Mieterbund-Präsident lobt Mietpreisbremse. Franz-Georg Rips sah im SZ-Interview zwei Forderungen des DMB erfüllt: Die Mietpreisbremse wird die Mieten deckeln. Rips hielt es für ein „Ärgernis“, dass die Wohnungswirtschaft permanent gegen die Mietpreisbremse wettert. Weiter muss der Vermieter nun beim Besteller-Prinzip den Makler bezahlen. Rips kritisierte aber, dass die Vermieter bei der Wohnungsgröße im Mietvertrag noch immer um bis zu zehn Prozent abweichen können – und dass ungeklärt ist, wer die Energiewende bezahlt. Denn elf Prozent der Modernisierungskosten können dauerhaft auf die Miete umgelegt werden: „In manchen Metropolen werden die Mieter regelrecht aus ihren Wohnungen rausmodernisiert. Weil sie sich die erhöhte Miete einfach nicht mehr leisten können.“ Rips schlug eine Drittelung der Modernisierungskosten vor: ein Drittel Vermieter, ein Drittel der Staat und ein Drittel der Mieter. Rips hält auch die Änderung im Mietrecht für falsch, wonach die ersten drei Monate bei der energetischen Modernisierung keine Mietminderung erfolgen darf.8
Reiter will sie. Im Juli 2014 besuchte der damalige Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) München und OB Dieter Reiter. Dieser sprach sich dabei für eine einheitliche Einführung der Mietpreisbremse in Gebieten mit angespanntem Mietmarkt in Deutschland aus.9
Mietpreisbremse wirkt nicht. Volker Rastätter, Geschäftsführer des Mietervereins München, äußerte sich im SZ-Interview auch zur Mietpreisbremse: Durch lukrativ gewordene Modernisierungen sind viele Mieter in Gefahr, ihre Wohnungen zu verlieren. Elf Prozent der Kosten kann der Vermieter pro Jahr – unbegrenzt – auf die Miete umlegen. In München ist Modernisieren besonders lukrativ. Der Mieterverein berät aktuell Bewohner von 152 Wohnhäusern, welche die nach der Modernisierung erfolgenden Mieterhöhungen nicht mehr aufbringen können. Diese Mieten werden oft verdoppelt bis verdreifacht. Damit ist etwa ein Fünftel der Mieter zum Auszug gezwungen. Die Schlussfolgerung von Rastätter: „Die Mietpreisbremse wirkt in München nicht. Für Neubau und Modernisierung gilt sie eh nicht.“10
Mietpreisbremse August 2019. Am 7.8.2019 trat die von der Bayerischen Staatsregierung erlassene neue Mieterschutzverordnung in Kraft. Die erste Verordnung vom August 2015 war fehlerhaft und wurde vom Gericht im Dezember 2017 verworfen: Sie hatte nicht für alle Städte und Gemeinden geregelt, wo die Mietpreisbremse gelten sollte. Damit gilt: – Mieten dürfen bei Neuvermietung höchstens zehn Prozent über den ortsüblichen Vergleichsmieten liegen. – Die Mietpreisbremse gilt auch für möbliere Wohnungen. – Ab 1.1.2019 muss der Vermieter schon vor Abschluss des Mietvertrages informieren, ob eine Ausnahme von der Mietpreisbremse existiert.1112
Vorkaufsrecht und Mietpreisbremse gegen Vorratsdatenspeicherung? Drei Ministerien der Ampel-Koalition liegen anscheinend im Streit: Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). Die Mietpreisbremse läuft 2025 aus; die Koalition will sie bis 2029 verlängern. Die Kappungsbremse liegt derzeit bei 15 Prozent Mieterhöhung über der Vergleichsmiete in drei Jahren und soll laut Koalitionsvertrag auf elf Prozent abgesenkt werden. Das Vorkaufsrecht der Kommunen soll laut Gesetzentwurf vom Bundesbauministerium vom April 2022 erleichtert werden (hervorgerufen durch das Urteil des Bundesverwaltungsgericht Leipzig vom November 2021). Dazu soll die neuerdings zu erheblichen Mietsteigerungen führende Indexmiete begrenzt werden. Justizminister Buschmann verknüpft die Mietfragen mit einer Einigung bei der Vorratsdatenspeicherung, die er ablehnt.13
- Dietz, Charlotte, Salvati, Nakissa, Das steckt hinter der Mietpreisbremse, in SZ 20.3.2014 [↩]
- Riedel, Katja, Das bedeutet die Mietpreisbremse für München, in SZ 21.3.2014 [↩] [↩]
- Käppner, Joachim, Abkühlung für den überhitzten Immobilienmarkt, in SZ 20.3.2014 [↩]
- Riedel, Katja, Die halbe Miete, in SZ 21.3.2014 [↩]
- Mietpreisbremse in der Kritik, in SZ 28.3.2014 [↩]
- Öchsner, Thomas, „Mehr Schaden als Nutzen, in SZ 10.4.2ß14 [↩]
- Kastner, Bernd, Vermieter sind die Klagen leid, in SZ 15.5.2014 [↩]
- Remien, Andreas, „Der Wind hat sich gedreht“, in SZ 13.6.2014 [↩]
- Reiter will die Mietpreisbremse, in SZ 15.7.2014 [↩]
- Lotze, Birgit, „Ein Top-Renner bei Kapitalanlegern“, in sueddeutsche.de 10.8.2016 [↩]
- Hoben, Anna, Sensatiönchen auf dem Wohnungsmarkt, in SZ 18.7.2017 [↩]
- Mietpreisbremse: Das müssen Münchens Mieter jetzt wissen, in mieterverein-muenchen.de .8.2019 [↩]
- Bullion, Consstanze von, Slavik, Angelika, Berliner Fehde, in SZ 4.2.2023 [↩]