Intro: Der Autobahn-Südring ist ein ständig wiederbelebtes Gespenst. Oft totgesagt, bis heute lebendig. Insgesamt ist der Autobahn-Südring ein Beispiel für die in der Soziologie so genannte Sachzwang-These: Damit können Entscheidungen pseudo-legitimiert, Alternativen negiert und für Entscheidungen Gehorsam gefunden werden1 Der Autobahn-Südring war zwischen der Anschlussstelle Gräfelfing der A 96 und der A 995/A 8 bei Taufkirchen geplant. Die Planungen wurden zunächst um 1980, dann um 2010 eingestellt. Seitdem geistert der Südring aber immer wieder durch die politische Verkehrslandschaft. Die vorliegenden Informationen können hier nur bruchstückhaft wiedergegeben werden.
2005 wurde die A 99 an die A 96 München-Lindau angeschlossen: Das südwestliche Teilstück fehlt noch. Vor allem lokale CSU-Gremien, aber auch die Bezirksausschüsse von Sendling-Westpark und Aubing-Lochhausen-Langwied waren für den Südring. Die Planspiele gingen von täglich etwa 20.000 weniger Pkw auf der A 96 (Lindau) und der A 95 (Garmisch-Partenkirchen) aus. Um Waldrodungen zu vermeiden, sollte die Trasse teilweise in Tunnels verlaufen.2
Seit Anfang 2002 wurde der Südring wieder reanimiert: von 15 Gemeinden, die vom Verkehr auf der A 99 betroffen sind. Unterstützer waren u. a. MdL Roswitha Riess (CSU) und MdL Peter Paul Ganzer (SPD), die im Landtag einen Antrag für die Aufnahme des Autobahn-Südrings in die Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans durchsetzen wollten. Die Gemeinden im Süden Münchens waren gegen den Ausbau und verwiesen auf die Zerstörung von Naturräumen und Erholungsgebieten. Eine Verbindung zwischen der A 95 und der B 11 durch den Forstenrieder Park würde Schneisen in den Bannwald schlagen. Außerdem entstünde der Quell- und Zielverkehr im Nordosten Münchens: nämlich durch den Flughafen Franz Josef Strauß, die neue Messe in Riem und die benachbarten großen Gewerbegebiete.3
Keine Unterstützung durch das Bundesverkehrsministerium gefordert. Im Februar 2003 bat die ÖDP in Krailling Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD), das Projekt Autobahn-Südring nicht finanziell zu unterstützen. Aktuell werden drei Strecken diskutiert: durch Planegg und südlich an Neuried und Fürstenried zum Brunntal-Dreieck, durch das Grubmühlerfeld und Forst Kasten und in München unter dem Mittleren Ring zum Luise-Kiesselbach-Platz. Für die beiden erstere Varianten müssten laut Gemeinderat Herbert Stepp (ÖDP) etwa 500 Hektar Wald gerodet werden. Am Brunntalkreuz müsste eine neue Auffahrt zur A 95 gebaut werden.4
Garching fordert Autobahn-Südring. Eine Mehrheit im Garchinger Stadtrat fordert den Bau des Südrings. Ein Stuttgarter Autofahrer solle auf dem Weg nach Innsbruck nicht im Münchner Norden passiere müssen, und der Süden Münchens müsse auch seinen Anteil am Verkehrsaufkommen leisten.5
Mai 2003: Petition für objektive Machbarkeitsstudie. Die zwei Agenda-21-Gruppen in Pullach und Oberhaching haben eine Petition an den Bayerischen Landtag gerichtet. Die geplante Machbarkeitsstudie zum Südring soll auch beurteilen: reale verkehrsentlastende Wirkungen und die Verkehrssicherheit, verkehrliche Alternativen, den Flächenverbrauch, die Zerstörung von Biotopen, Bodendenkmälern, Erholungsgebieten, die Lage der Trinkwasserversorgung. Außerdem sollen die Auswirkungen auf das Würmtal, das Isartal, das Gleißental, das Hachinger Tal, die benachbarten Bannwälder sowie die Flora-Fauna-Habitat- (FFH-) und Landschaftsschutzgebiete untersucht werden. Dazu soll die Frage geklärt werden, ob ein Südring tatsächlich eine Entlastung bringen kann angesichts des Verkehrsaufkommens durch die neue Messe in Riem, das neue Fußballstadion in Freimann, die neuen großen Gewerbegebiete im Einzugsbereich des Flughafens Franz Josef Strauß.6
Berechnungen im Bundesverkehrsministerium. Diese Berechnungen zeigen einen nur geringen regionalen und überregionalen Entlastungseffekt, aber einen großen ökologischen Schaden. 21,8 Kilometer müssten vierspurig neu ausgebaut werden, gerechnet wird mit täglich 74.000 Kfz (mit zwölf Prozent Lkw-Anteil) und 920 Millionen Euro Kosten (pro Kilometer 42 Millionen Euro). Ortsdurchfahrungen einschließlich der LH München werden kaum entlastet, der Zubringerverkehr nimmt gleichzeitig zu. Die Einordnung der umweltrelevanten Kategorie in erste Ordnung deutet auf große Umweltschäden hin, die Einordnung als „weiterer Bedarf“ erfolgt als „Vorhaben mit festgestelltem hohem ökologischen Risiko“. 6,3 Hektar FFH-Gebiet werden vom Südring gequert, 100 Hektar wären betroffen. 106 Hektar würden insgesamt durchschnitten und 2165 Hektar betroffen. Nach Prognosen für 2015 würde mit dem Autobahn-Südring mehr Kraftstoff verbraucht als jetzt. Die CO2-Emissionen würden zunehmen, die Unfallzahlen und die Lärmemissionen nur unwesentlich zurückgehen. Deshalb ist der Autobahn-Südring als „weiterer Bedarf“ nach 2015 eingestuft.7
Regionaler Planungsausschuss knapp gegen Südring. Mit zwölf zu elf Stimmen hat der Ausschuss am 15.7.2003 den Südring abgelehnt. Die Münchner SPD-Stadträtin Constanze Lindner-Schädlich hatte den Antrag auf Ablehnung gestellt, Seit 25 Jahren erfolgt nun die Prüfung des Südrings; inzwischen wurde auch noch das Isartal als FFH-Gebiet ausgewiesen.8
Ornithologisches Gutachten. Der Bund Naturschutz hat für den Forstenrieder Park ein ornithologisches Gutachten erstellen lassen. Hier gibt es vier nach europäischen Richtlinien und zehn auf der Roten Liste stehenden Vogelarten. Durch den Südring würden 56 Vogelarten bedroht u. a. Raufuß- und Sperlingskauz, Grauspecht, Neuntöter, Habicht und Dorngrasmücke. Auch eine (nicht geplante) Tunnellösung würde eine massive Umweltzerstörung darstellen.9
2020: Bund Naturschutz gegen Südring. Der Vorsitzende der BN-Kreisgruppe München, Christian Hierneis (MdL Die Grünen), hatte sich in einer PM bereits im März 2020 gegen die im Wahlkampf durch die CSU-Kandidatin Kristina Frank (CSU) wieder aufgetauchte Variante Autobahn-Südring gewandt und nannte dies „eine verkehrspolitische Nebelkerze“. Frank blende die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zur A 99 Süd aus. Hierneis: „Eine A 99 Süd ist verkehrspolitischer Unsinn, verhindert zukunftsfähige Mobilitätsformen und würde das letzte großräumig intakte Erholungsgebiet im Münchner Süden zerstören.“10 Nach dem Vorstoß der beiden BAs (siehe oben) brachte Hierneis das Beispiel der A 99 Nord und der Eschenrieder Spange, mit denen die Verdistraße entlastet werden sollte: Sie sei heute genauso wie vorher belastet. Dazu kommt die Belastung des Allacher Tunnels, der 22 Jahre nach seiner Eröffnung bereits generalsanierungsbedürftig sei. Nun will die Staatsregierung einen zweiten Tunnel im Allacher Forst graben, der als FFH-Gebiet geschützt ist.11 SPD und CSU im BA kritisierten daraufhin Hierneis: Sie würden konstruktive Vorschläge vermissen, wie die Verkehrssituation zu lösen sei.12
Zur aktuellen Situation, Stand 11/2020 der Autobahn-Direktion Südbayern: https://www.abdsb.bayern.de/projekte/planung/a99_suedring/index.php
- Vgl. Fuchs-Heinritz u. a., Lexikon zur Soziologie, Opladen 1994, S. 574 [↩]
- Neff, Berthold, Entlastung für die Stadt, in SZ 1.10.2020 [↩]
- Appel, Dieter, Lückenschluss durch den Bannwald, in SZ 12.6.2002 [↩]
- Bracht, Christiane, Bund soll kein Geld für den Autobahn-Südring geben, in SZ 8.2.2003 [↩]
- Grundner, Hubert, Autobahn-Südring soll im Norden Entlastung schaffen, in SZ 23.4.2003 [↩]
- Agenden entwerfen Südring-Petition, in SZ 31.5.2003 [↩]
- Appel, Dieter, Autobahn-Südring bringt weniger Entlastung als erhofft, in SZ 16.6.2003; Südring jetzt im Verkehrswegeplan, in SZ 5.7.2003 [↩]
- Planungsausschuss gegen Autobahn-Südring, in SZ 16.7.2003 [↩]
- Wolfram, Jürgen, Autobahn-Südring bedroht die Vogelwelt, in SZ 17.9.2003 [↩]
- Bund Naturschutz Kreisgruppe München, PM: Nebelkerzen im OB-Wahlkampf , München 25,3,2020 [↩]
- Mit Vollgas in den Verkehrskollaps, in SZ 5.10.2020 [↩]
- Südring-Debatte lebt wieder auf, in SZ 8.10.2020 [↩]