Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Müllerstraße 6

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

März 2013: Goldgrund-Aktivisten renovieren. In den Wohnhäusern Müllerstraße 2, 4 und 6 aus den fünfziger Jahren stehen seit vielen Jahren mehrere Wohnungen leer: Sie gehören der LH München, die die Wohnhäuser demnächst abreißen will. Die Sanierung würde einen „ganz erheblichen Kostenaufwand“ erfordern, sagte die Stadt. Aber da gibt es Aktivisten der Gruppe Goldgrund, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Missstände im Wohnungsmarkt aufzudecken. Nun renovierten sie die 40 qm einer Wohnung in der Müllerstraße 6. Till Hofmann, Münchner Kulturmanager und Konzertveranstalter und Goldgrund-Aktivist, äußerte: „Das ist ein charmantes Haus, keineswegs abbruchreif“ und schätzte die Renovierungskosten nur auf 20 Prozent der Neubaukosten. Eine Woche hat Goldgrund diese „unrenovierbare“ Wohnung renoviert, den Boden und die Fliesen und die Küche erneuert. Der Regisseur Marcus H. Rosenmüller, die Kabarettisten Dieter Hildebrandt und Luise Kinseher, die Sportfreunde Stiller, Fußballer Mehmet Scholl zogen sich Gorilla-Masken über, renovierten und halfen bei der PR. Ein Sprecher des Kommunalreferats sprach von einer „sympathischen“ Aktion, aber allein die energetische Sanierung würde mehr als der Neubau mit fast sechs Millionen Euro kosten.1OB Christian Ude setzte sich an die Spitze der Bewegung: Die Wohnungen in der Müllerstraße 6 sollten „unverzüglich“ nach der Methode Goldgrund renoviert werden. Der BA teilte mit, die drei Häuser stünden unter Ensembleschutz. Das Kommunalreferat hielt sie für nicht sanierungsfähig. Zuständig für die drei Häuser ist die städtische Wohnungsbaugesellschaft GWG.2

OB Ude reagiert. Goldgrund forderte die Stadt München zum Erhalt der drei Häuser Müllerstraße 2, 4 und 6 auf. Die Renovierung der Wohnung in der Nr. 6 habe nur 2500 Euro gekostet. OB Christian Ude benannte den Verantwortlichen: die LH München, die das Haus über Jahre hat verkommen lassen. Anscheinend sei im Kommunalreferat „offensichtlich ein Teil der städtischen Liegenschaften aus dem Fokus der Aufmerksamkeit gerutscht“. Ude habe sich mit Kommunalreferent Axel Markwardt geeinigt, die leer stehenden Wohnungen in der Müllerstraße 6 schnell und kostengünstig zu renovieren.34
Thomas Anlauf kommentierte in der SZ: „Doch diese gerade banale Lösung – das Haus Nr. 6 zu sanieren anstatt es abzureißen und damit zugleich den Bolzplatz der Glockenbachwerkstatt zu retten – hätten viele hoch bezahlte Beamte schon vor Jahren umsetzen können. Das ist der Skandal. Und Oberbürgermeister Ude ist dafür verantwortlich.“5

Die Gorillas in der Müllerstraße 6. „Wohnraum muss nicht teuer sein. Hier renovieren wir für die Stadt München. Goldgrund.“ Das stand auf einem Banner an der renovierten Wohnung im fünften Stock des 1958 errichteten Hauses Müllerstraße Nr. 6. Ude lenkte die Aufmerksamkeit auf die langjährige Kommunalreferentin Gabriele Friedrich (Grüne). Die Rathaus-CSU sah einen „Offenbarungseid rot-grüner Wohnungspolitik“; CSU-OB-Kandidat Josef Schmid will den Erhalt der drei Häuser prüfen lassen.4 Der alte und neue Bewohner der renovierten Wohnung ist der Somalier Ramadan Ahmed, der gern nach einer Woche in seine inzwischen renovierte Wohnung zurückgezogen ist.6
Goldgrund beauftragte auch noch den Architekten Matthias Marschner und den Energieberater Harald Zipfel mit einer Expertise für die Müllerstraße 6. Als Ergebnis ergab sich für das Haus aus dem Jahr 1958, es sei in „baukonstruktiv gutem Zustand“ und problemlos mit vertretbarem Aufwand herzurichten. Architekt Marschner berechnete Investitionskosten von knapp 484.000 Euro, allerdings konnte er Dach und Keller nicht besichtigen. Energieberater Zipfel beurteilte den energetischen Sanierungsaufwand als überschaubar; sogar unsaniert sei das Haus besser als der Durchschnitt.7

Nachtrag Oktober 2013: In der Müllerstraße 6 sind die Wohnungen laut Goldgrund-Aktivist Till Hofmann wieder vermietet. Die Fassade ist als einziges noch nicht saniert. Das Energiegutachten im Auftrag von Goldgrund ergab, dass das Haus die energetischen Standards einhält. Der Bolzplatz kann wie das Haus erhalten werden.8 – Die Goldgrund-Aktivisten haben Erkundungen eingezogen, ob Bußgelder wegen Leerstands verhängt werden können. Die LH München verneinte, weil „die Bußgeldbehörde derselben Funktionseinheit angehört wie die betroffene Stelle“, vulgo: Die Stadt könne sich nicht selbst bestrafen.9

November 2013: OB Ude rudert. Am 11.3.2013, kurz nach der Goldgrund-Aktion in der Müllerstraße 6, gab es eine Besprechung mit dem OB und den städtischen Referenten. Laut Protokoll soll Ude Handlungsanweisungen an die städtischen Wohnbaugesellschaften GWG und Gewofag sowie an das Kommunalreferat erteilt haben, dass an den teils leer stehenden Häusern der Stadt „die Beschilderung von Türen, Briefkästen und Klingeln entsprechend gestaltet werden“, weil sonst autonome Gruppen aus Berlin und Hamburg angezogen werden könnten. Das Protokoll wurde dann offenbar erst Anfang November 2013 den zuständigen Stellen in den Referaten übermittelt. Ude erklärte dann dazu, er habe nur marode Klingelschilder beseitigen lassen in teilbewohnten Häusern. Außerdem forderte Ude, die Haustüren leer stehender Häuser „einbruchssicher“ zu machen, um Vorfälle wie in der Müllerstraße zu vermeiden.10

Juni 2014: Kommunalreferent behauptet Schummel. Kommunalreferent Axel Markwardt (SPD) behauptete im Juni 2014, Goldgrund habe getrickst und im März 2013 Fotos in einer von der Stadt sanierten Wohnung gemacht. Die Stadt habe bereits alle Wohnungen in der Müllerstraße bis auf eine einzige renoviert und für Zwischennutzungen vergeben. Goldgrund habe dann z. B. einen teuren Parkettboden verlegt. Die Vorher-Nachher-Bilder seien in zwei verschiedenen Etagen gemacht worden: einmal in der unrenovierten Wohnung, danach in anderen Wohnungen. Die zuständige informierte Mitarbeiterin war damals angeblich gerade im Urlaub. Diese Darstellung von Markwardt nach über einem Jahr ist neu. Till Hofmann reagierte verärgert und beurteilte wie seine Goldgrund-Kollegin Ziska Thalhammer die Wohnung als „versifft“.11

  1. Stremmel, Jan, Ein charmantes Haus, in SZ 6.3.2013 []
  2. Anlauf, Thomas, Denkmal mit Bolzplatz, in SZ 8.3.2013 []
  3. Mayer, Christian, Gorillas schrecken Ude auf, in SZ 7.3.2013 []
  4. Hutter, Dominik, Ude räumt Versäumnisse ein, in SZ 9.3.2013 [] []
  5. Anlauf, Thomas, Die Schuld der Stadt, in SZ 9.3.2013 []
  6. Rühle, Alex, Der Gold-Junge aus der Müllerstraße, in SZ 11.3.2013 []
  7. Sanierung möglich, in SZ 16.3.2013 []
  8. Fischhaber, Anna, Vorübergehend besetzt, in SZ 22.10.2013 []
  9. Beisel, Karoline Meta, Lode, Silke, Zimmer frei, in SZ 24.10.2013 []
  10. Anlauf, Thomas, Hutter, Dominik, Protokoll bringt Ude in Bedrängnis, in SZ 26.11.2013 []
  11. Fahrenholz, Peter, Hutter, Dominik, Goldgrund streitet Trickserei-Vorwürfe ab, in SZ 13.6.2014 []
Objekt-Nr. 10200

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