Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Wohnen für Alle

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Aktualisiert 29.3.2022

„Wohnen für Alle“ ist ein beschleunigtes Wohnbauprogramm mit dem Ziel, schnell bedarfsgerechten dauerhaften Wohnraum für anerkannte Flüchtlinge und andere wohnungslose Haushalte in München zu schaffen. Aufgrund der Flächenknappheit und um Segregation und der Bildung sozialer Brennpunkte entgegenzuwirken, sollen einzelne Objekte mit je ca. 80 bis 150 Wohneinheiten in bestehenden urbanen Gebieten realisiert werden.1

Zur Webseite der Bürgerinitiative Erhalt der Grünfläche Franz-Albert-Straße:
https://gruenflaeche-franz-albert.de/

Wohnen für alle in Allach. Am 17.4.2018 hatte der BA 23 Allach – Untermenzing eine Sondersitzung zum umstrittenen Projekt „Wohnen für Alle“ an der Erwin-Schleich-, Naßl und Franz-Albert-Straße anberaumt, um auch Interessen von Anwohnern zu berücksichtigen. Die BI Erhalt der Grünfläche Franz-Albert-Straße hat rund 2000 Unterschriften gegen das Projekt der städtischen Gewofag gesammelt, hier acht Häuser für die Unterbringung von anerkannten Flüchtlingen zu bauen. Ein Kompromissvorschlag des BA an die Stadt könnte sein, die Zahl der Häuser für Flüchtlinge von acht auf vier zu reduzieren und in den anderen vier Häusern Sozialwohnungen für Beschäftigte in sozialen Mangelberufen vorzusehen.
Ist-Zustand: Für das städtische Grundstück existiert seit 1994 ein Bebauungsplan. Die Erschließung sollte über eine acht Meter breite Sackgasse erfolgen. Die Gewofag musste die Zahl der Wohnungen von 85 auf 52 reduzieren. Auf der Grünfläche werden laut Anwohnern bereits schwere Baumaschinen und Fahrzeuge eingesetzt, die zum Beispiel die Behausungen von Erdhummeln zerstören.2

Petition an den Landtag. Die BI Erhalt der Grünfläche Franz-Albert-Straße hat eine Petition mit über 2000 Unterschriften zum Erhalt der Grünanlage beim Landtag eingereicht. Die Kanzlei Schönefelder, Ziegler und Lehners vertritt die BI und möchte eine Änderung des Bebauungsplans vom Mai 1994 erreichen, gegen den die geplante Bebauung durch die Gewofag massiv verstoße. Die CSU im BA 23 kritisierte die unzulängliche Beantwortung der Stellungnahme des BA nach der Sondersitzung vom 17.4.2018: Fragen zur Kinderbetreuung oder Verkehrsfragen wurden nicht fundiert behandelt. Grüne und SPD bedauerten die Reduzierung der Sozialwohnungen.3

November 2018: Wohnen nicht für alle. Zwei Haupthindernisse für geförderte Wohnungen: Für Bauherren sind frei finanzierte Wohnungen oder gar der Bau von Eigentumswohnungen lukrativer. Und oft gibt es Widerstand bei der „Nachverdichtung“ oder beim Bau von Sozialwohnungen. Zahlen zu 2017: 8272 fertiggestellte Wohnungen, 9660 Baugenehmigungen, 1641 geförderte Wohnungen, 436 Wohnungen im Programm „Wohnen für alle“. Insgesamt sind in München rund 9000 Menschen ohne Heim, 30.000 Anträge auf eine Sozialwohnung gab es 2017, nur 3000 Sozialwohnungen konnten von der Stadt vermittelt werden.
Zielgruppe von „Wohnen für alle“ sind Geringverdiener ohne Wohnung und anerkannte Flüchtlinge. Diese Wohnungen werden vor allem von der GWG und der Gewofag gebaut, nur ein privates Immobilienunternehmen hat in Moosach 141 Wohnungen errichtet. Der Widerstand gegen Sozialwohnungen führte bei einer Anwohnerversammlung in Ramersdorf zu Eskalationen: Die GWG reduzierte dort von 76 auf 53 Wohnungen. In Allach wurde an der Erwin-Schleich-Straße von 85 auf 51 Wohnungen verringert. Eine BI wollte das Baurecht für 50 Gewofag-Wohnungen an der Unnützwiese in Trudering juristisch prüfen lassen. Nachdem die Regierung von oberbayern und das Innenministerium ein Baurecht auf dem grundstück nicht erkennen konnten, stellte OB Dieter Reiter das Projekt ein.4
Nachtrag März 2022: Im Kulturzentrum Trudering fand ein Infoabend statt, bei dem die Pläne für die Neubegrünung der etwa 10.000 qm großen Unnützwiese vorgestellt wurden. Im nördlichen Teil soll ein Spielplatz für Kleinkinder entstehen, im Süden zwei Bolzplätze. Die 35 Besucher, darunter die BIRettet die Unnützwiese„, reagierten in der Mehrheit ablehnend. „Wege, Wege, Wege!“ wurde moniert. Viele wollten die Wiese im Istzustand erhalten. Kritisiert wurde auch die Verkleinerung um 17 Meter bei der Kita an der Unnützstraße für einen Neubau des Referats für Bildung und Sport.5

Landtag befürwortet Bebauung. An der Erwin-Schleich-, Naßl und Franz-Albert-Straße sollen 52 (ursprünglich 85) Wohnungen von der Gewofag bebaut werden. Der Baubeginn wurde für Herbst 2019 angekündigt, die Fertigstellung für Ende 2021. Der Petitionsausschuss des Bayerischen Landtags hat die Eingabe der BI „Erhalt Grünfläche Franz-Albert-Straße“ im Januar 2019 zurückgewiesen mit der Aufforderung an die LH München und die Gewofag, die bestehenden Abweichungen vom Bebauungsplan zu ändern und an den Bestand anzupassen. Dem Ausschuss-Berichterstatter Benjamin Miskowitsch (CSU) zufolge müsste klar sein, dass die Wiese nicht für immer eine Wiese bleibt.6 Ingo Trömer vom Planungsreferat hält die Baugenehmigung für rechtmäßig. Die BI „Erhalt Grünfläche Franz-Albert-Straße“ sieht zahlreiche Verstöße bei der erteilten Baugenehmigung gegen den Bebauungsplan, so seien nur Doppel- und Reihenhäuser vorgesehen, keine Mehrfamilienhäuser. BA-Vorsitzende Heike Kainz (CSU) sieht eine Mehrheit im BA gegen die geplante Bebauung. Gegen die Baugenehmigung gab es vier Klagen. Die Verhandlung ist am 11.12.2019.7

Anwohner klagen. Die BI moniert auch nach Reduzierung der Gewofag-Baupläne Verstöße gegen den Bebauungsplan: Bei neunzig Prozent werde von den Vorgaben abgewichen. So seien keine Doppel- und Reihenhäuser vorgegeben, sondern Geschossbauten; verstoßen würde auch gegen die Baudichte, Baugrenzen und partiell auch gegen Abstandsflächen. Da die BI keine Klage einreichen können, klagen nun vier direkt betroffene Nachbarn – ohne dass die Klage eine aufschiebende Wirkung habe.
Die Stadt hatte erklärt, die Verkehrserschließung sei ausreichend dimensioniert, während der Ausbau der Erwin-Schleich-Straße durch das Baureferat gerade erfolgt. Die Wiese sei eine „mäßig artenreiche Mähwiese“ und bezüglich der Biodiversität „nicht besonders hoch“ einzuordnen. BA-Vorsitzende Heike Kainz (CSU) monierte hier eine sehr oberflächliche Prüfung.
Der vierte Antrag der Bürgerversammlung forderte die Einhaltung des Bebauungsplanes. Das Planungsreferat erklärte, wesentliches Ziel des Gewofag-Projekts sei die Realisierung der Wohnbebauung, um dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum abzuhelfen.8
Das ist nun wirklich ein Highlight des Planungsreferats: Weil die vielbeschworene Wohnungsnot herrscht, ein Totschlagargument, müssen die Vorgaben des Bebauungsplanes nicht eingehalten werden. Bauherrin ist hier die städtische Wohnbaugesellschaft Gewofag. Damit hat das Planungsreferat eine Steilvorlage für Investoren geliefert, gegen Bebauungspläne verstoßen zu können.

ÖDP fordert „Masterplan“ für Allach-Untermenzing. Die drei ÖDP-Stadträte Johann Sauerer, Sonja Haider und Tobias Ruff haben ein Acht-Punkte-Programm „Allach-Untermenzing stärken“ eingebracht.9 2018 lebten 33.355 Menschen in Allach-Untermenzing. Bis 2040 soll die Zahl der Einwohner um fast 30 Prozent wachsen. Im Planungsausschuss der LH München hat ÖDP-Stadtrat Sauerer einen Antrag eingebracht, der „Schluss mit der massiven Versiegelung der noch verbleibenden grünen Flächen in Allach“ forderte; hier vor allem die Bebauung an der Franz-Albert- und der Erwin-Schleich-Straße durch ein Gewofag-Projekt. Stadträtin Heike Kainz (CSU), BA-Vorsitzende in Allach-Untermenzing, hat diesen Antrag im Planungsausschuss abgelehnt. Eine Aufstellung der in den letzten zehn Jahren erfolgten Versiegelung brachte als überraschendes Ergebnis, dass die zulässige Versiegelung verringert worden sei. Stadtbaurätin Elisabeth Merk begründete dies mit der Umwandlung von Gewerbeflächen in Wohngebiete.10

„Wohnen für alle“-Projekt der Gewofag genehmigt. Die Gewofag will die Grünanlage an der Erwin-Schleich-Straße zwischen Naßlstraße und Franz-Albert-Straße mit 52 Wohnungen überbauen. Nachbarn hatten seit drei Jahren dagegen bis zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof geklagt, weil sie die Grünanlage erhalten wollten und zu große Abweichungen vom Bebauungsplan vorlägen. Der VGH hat nun die Klage abgewiesen.11

Neues Projekt. Auf dem Areal südlich des Petuelrings zwischen der Birnauer Straße bis zur Schleißheimer Straße könnte laut Planungsreferat eine Überbauung erfolgen: Ähnlich dem Stelzenhaus am Dantebad könnte die Wendeschleife der Bahn für Wohnbau oder Gewerbe überbaut werden.12

  1. LH München, Sozialreferat, Rahmenkonzeption für „Wohnen für Alle“, München, Oktober 2016 []
  2. Naujokat, Anita, Neuer Mieter-Mix, in sueddeutsche.de 18.4.2018 []
  3. Naujokat, Anita, Der Landtag soll’s richten, in SZ 16.7.2018 []
  4. Krass, Sebastian, Richtfest für München, in SZ 7.11.2018 []
  5. Gerdom, Ilona, „Fast so schlimm wie eine Bebauung“, in SZ 21.3.2022 []
  6. Naujokat, Anita, Anlieger scheitern mit Petition, in SZ 11.1.2019 []
  7. München/Allach: Baubeginn von 51 Wohnungen trotz immenser Anwohnerklagen?, in hallo-muenchen.de 7.11.2019 []
  8. Draxel Ellen, Juristischer Schachzug, in SZ 6.3.2019 []
  9. ÖDP, PM Verantwortungsvolle Stadtplanung – Allach-Untermenzing stärken, München 201.2020 []
  10. Kronewiter, Thomas, Mut zur Größe, in SZ 1.2.2020 []
  11. Gericht macht Weg frei, in SZ 30.5.2020 []
  12. „Wohnen für alle“ auf dem Prüfstand, in SZ 25.1.2021 []
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