Aktualisiert 3.3.2023
Gesetz zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz) vom 14. Juni 2021
Mai 2021: Kritik am Entwurf für das Baulandmobilisierungsgesetz. BN-Vorsitzender Richard Mergner kritisierte den Entwurf für das neue Bundesgesetz, das den Paragraphen 13b im BauGB wieder einführt („Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren“). Dieser Paragraph war gegen den Protest von Umweltverbänden 2017 eingeführt worden und war bis 31.12.2019 gültig. Nun wird er im Entwurf vom 7.5.2021 wieder in Kraft gesetzt, im Gesetz vom 14.6.2021 verankert und soll bis Ende 2023 gelten. Randbereiche von Siedlungen können vereinfacht und ohne Umweltverträglichkeitsprüfungen bebaut werden: Damit wird der Flächenfraß und die Zersiedlung in den Außenbereichen beschleunigt.1 – Dadurch wird auch der Donut-Effekt verstärkt: In Kommunen und Kleinstädten veröden die Innenbereiche, und die Außenbereiche werden immer weiter mit Einfamilienhäusern und Gewerbegebieten zugebaut und damit auch zusätzliche Verkehrsströme erzeugt.2 – Die Grünen nannten den § 13b einen „Flächenfraß ohne Sinn und Verstand“.3
Juli 2021: Neues „Baulandmobilisierungsgesetz“. Am 26.6.2021 trat dieses Bundesgesetz in Kraft, das den Gemeinden mehr Schutz für bezahlbaren Wohnraum geben soll. „Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt zu bestimmen..“ (§ 201a) Die bayerische Staatsregierung muss nun zwei Verordnungen beschließen: zum einen München in den Status angespannter Wohnungsmarkt zu setzen und zum anderen eine Festlegung, ab wie vielen Wohnungen in einem Gebäude das Umwandlungsverbot gültig ist. Das Bundesgesetz nennt die Zahl über fünf; Landesregierungen dürfen die Zahl zwischen drei und 15 wählen. Der Münchner Stadtrat wird für die unterste Grenze von drei Wohnungen plädieren.
Bis heute blockiert das bayerische Bauministerium eine Anpassung des Baugesetzbuches. Warum sollten die bayerischen Mieterinnen und Mieter eigentlich CSU wählen?
Beim Vorkaufsrecht durfte die Stadt 20 bis 30 Prozent über den Verkehrswert zahlen. Laut Bundesgesetz ist der limitierende Faktor nun der Verkehrswert. Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts wird von zwei auf drei Monate angehoben. Die Kommune kann auch spezielle Bebauungspläne beschließen, damit nicht nur Luxuswohnungen, sondern auch geförderte Wohnungen entstehen. Eine Kommune kann den Eigentümer eines unbebauten Grundstücks verpflichten, dieses in einer vertretbaren Frist zu bebauen.4
September 2021: Staatsregierung düpiert Mieter. Die bayerische Staatsregierung müsste, wie oben erwähnt, zwei Rechtsvorschriften anordnen. Zum einen müsste München zum Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt definiert werden.
Wenn nicht München, welche Stadt sonst?
Zum zweiten müsste sie die Zahl festlegen, ab wie vielen Wohnungen in einem Wohngebäude das Umwandlungsverbot gilt (zwischen drei und 15, siehe oben; die grün-rote Koalition plädiert hier für die Untergrenze drei). Die Staatsregierung hat beides nicht ratifiziert und nicht einmal einen Zeitplan in Aussicht gestellt, wie das zuständige Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr schon im Juni 2021 und jetzt am 15.9.2021 mitteilte.5
Oktober 2021: Haus + Grund München verwies am 2.10.2021 in einer großen Anzeige in der SZ vor der Hauptversammlung am 26.10.2021 auf das drohende Umwandlungsverbot durch das Baulandmobilisierungsgesetz, das erst Wirkung erlangt, wenn das jeweilige Bundesland dazu eine Rechtsverordnung beschlossen hat. Deshalb, so Haus + Grund München, sei es höchste Zeit für alle Eigentümer von Mehrfamilienhäusern, den Antrag auf Aufteilung noch vor der Rechtsverordnung durch die bayerische Staatsregierung beim Notar zu stellen.
Schwieriger Kampf gegen Mietenexplosion. Die Stadt München hat wenige Möglichkeiten, gegen die ständig steigenden Mieten vorzugehen. Rechtlich bleiben die Erhaltungssatzungsgebiete und das Vorkaufsrecht. Das Programm „Wohnen in München“ verschlang von 2017 bis 2021 etwa 870 Millionen Euro und wird demnächst für 2022 bis 2026 fortgeschrieben. Das „Baulandmobilisierungsgesetz“, im Juni 2021 vom Bundestag ratifiziert, harrt nach wie vor der Umsetzung durch die bayerische Staatsregierung. Weitere Maßnahmen von einer Bodenrechtsreform bis zur im Januar 2021 gekippten neuen Zweckentfremdungsverordnung fallen in die Kompetenz von Bund und/oder Länder. Die Mietpreisbremse ist ein kommunales Instrument: Bei Neuvermietungen darf die ortsübliche Miete um nicht mehr als zehn Prozent überschritten werden. Falls der Vormieter schon mehr bezahlt hat oder die Wohnung modernisiert wurde, entfällt die Zehn-Prozent-Hürde.6
Bundesverwaltungsgericht kippt Vorkaufsrecht. Das BVerwG hat einen Fall in Berlin überprüft: Ein Haus mit 20 Wohnungen in einem Erhaltungssatzungsgebiet sollte verkauft werden. Berlin wollte das Haus kaufen; der Käufer klagte dagegen. Das BVerwG bezog sich auf das Baugesetzbuch: Haus und Grundstück waren bewohnt und in einem ordentlichen Zustand, wurden also gemäß städtebaulicher Ziele genutzt. Die Begründung wird erst in zwei Monaten erwartet: Laut Presseerklärung des BVerwG gilt das Vorkaufsrecht nur noch, wenn Häuser Missstände oder Mängel haben bzw., eine sogenannte „Schrottimmobilie“ sind. In München hat die Stadt 2021 das Vorkaufsrecht zehnmal angewendet; in sechs Fällen haben die Käufer eine Abwendungserklärung unterschrieben. Zwei Fälle (Georgenschwaigstraße 26 und die berühmte Agnestraße 48) sind noch nicht abgeschlossen. Ein aktueller Fall ist die Sailerstraße 5a in Schwabing: Das Anwesen mit zwölf Wohnungen soll für 5,05 Millionen Euro verkauft werden. Da derzeit zehn Wohnungen leer stehen, geht das Kommunalreferat davon aus, dass keine Nutzung gemäß der Erhaltungssatzung vorliege und ein Vorkaufsrecht bestehe.
Am 19.11.2021 trafen sich die 16 deutschen Bauminister und Bauministerinnen und wollten eine Erklärung zur raschen Änderung des Baugesetzbuchs abgeben. Dies verhinderte als Einzige die bayerische Ministerin Kerstin Schreyer (CSU) über ein Veto mit der Begründung, erst die Urteilsbegründung abwarten zu wollen.7
CSU verhindert Mieterschutz. So könnte man das Verhalten von Schreyer bzw. der bayerischen Staatsregierung bezeichnen. Erst verzögerte sie eine Verordnung zum im Juni 2021 in Kraft getretenen „Baulandmobilisierungsgesetz“: Damit könnte München zu einer Gemeinde mit überhitztem Wohnungsmarkt erklärt werden. Und damit könnten neue Mieterschutzregeln in Kraft treten. Und dann bremst sie bei der Causa Vorkaufsrecht.
Dezember 2021: Die Urteilsbegründung des BVerwG lag Mitte Dezember 2021 vor. Nun erklärte das bayerische Bauministerium, die Urteilsbegründung müsse geprüft werden, und das könne „Zeit in Anspruch nehmen“.8
Bayerisches Bauministerium kennt die Probleme genau. In der Broschüre Zweckentfremdung von Wohnraum vom bayerischen Staatministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom Dezember 2021 steht unter „Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten“: „Die Befugnis der Gemeinden, durch Satzung zu bestimmen, dass Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf, setzt gemäß Art. 1 Satz 1 zunächst voraus, dass es sich um ein Gebiet handelt, in dem die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Die Gemeinden beurteilen selbst anhand der tatsächlichen vergangenen Entwicklung des örtlichen Wohnungsmarktes, ob ein Wohnraummangel im gesamten Gemeindegebiet oder in Teilen davon gegeben ist. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht mit nahezu wortgleichen Formulierungen für Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten verschiedene Instrumente zum Schutz der Mieter vor, nämlich die sogenannte Mietpreisbremse (§§ 556d Abs. 1. BGB), die Senkung der Kappungsgrenze (§ 558 Abs. 3 BGB) und die Verlängerung der Kündigungssperrfrist bei Umwandlung in Wohnungseigentum (§ 577a Abs. 2 BGB). Die Staatsregierung hat zuletzt mit der Verordnung zur Festlegung des Anwendungsbereichs bundesrechtlicher Mieterschutzvorschriften (Mieterschutzverordnung – MiSchuV) vom 16. Juli 2019 die Gebiete festgelegt, in denen die genannten Instrumente zum Schutz der Mieter gelten. Für die Gemeinden in mindestens einer dieser Gebietskulissen spricht ein starkes Indiz dafür, dass sie nach Art. 1 Satz 1 auch zum Erlass von Zweckentfremdungssatzungen berechtigt sind.
Im Übrigen können die Gemeinden für ihre Begründung, dass der Wohnungsmarkt angespannt ist, auch vorhandene gemeindliche Informationen heranziehen, etwa zur Bautätigkeit, zur Anzahl der Vermittlungen für den Bezug staatlich oder kommunal geförderter Mietwohnungen oder zur örtlichen Mietpreisentwicklung, sowie Daten der amtlichen Statistik, z. B. zur Bevölkerungsentwicklung und zum Wohnungsbestand. Die Satzungen können nicht nur für das gesamte Gemeindegebiet, sondern auch für einzelne Gemeindeteile erlassen werden.“
Januar 2022: 100.000 städtische Fragebögen. Sie gehen an 100.000 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Haushalte für die Erstellung des neuen Mietspiegels im Frühjahr 2023. Gesetzlich ist geregelt, dass nur Wohnungen berücksichtigt werden, deren letzte Mieterhöhung nicht länger als sechs Jahre her ist. Im Dezember 2021 hat die Bayerische Staatsregierung (endlich) geregelt, dass bei Abschluss eines neuen Mietvertrags die Miete nicht über zehn Prozent der ortsüblichen Miete liegen darf. Der Mietspiegel ist unter mietspiegel-muenchen.de im Internet zu finden.9 – Die Mietpreisbremse wurde zwar über den 1.1.2022 verlängert. OB Dieter Reiter forderte aber den Freistaat auf, endlich die Rechtsverordnungen für die Umsetzung des das Baulandmobilisierungsgesetzes zu erlassen.10
März 2022: Umgebautes Bauministerium. Die bayerische Verkehrs- und Bauministerin Kerstin Schreyer hatte einige für Mieter wichtige Gesetzesumsetzungen verzögert: Sie hatte als einzige Bundesministerin gegen eine rasche Reaktion auf die Einschränkung des Vorkaufsrechts durch das BVerwG gestimmt. Und beim am 26.6.2021 in Kraft getretenes „Baulandmobilisierungsgesetz“, das den Gemeinden mehr Schutz für bezahlbaren Wohnraum geben soll, müsste seitdem die bayerische Staatsregierung zwei Verordnungen beschließen: zum einen München in den Status angespannter Wohnungsmarkt zu setzen und zum anderen eine Festlegung, ab wie vielen Wohnungen in einem Gebäude das Umwandlungsverbot gültig ist. Das Bundesgesetz nennt die Zahl über fünf; Landesregierungen dürfen die Zahl zwischen drei und 15 wählen. Auch hier blockierte Schreyer. Nun wurde sie am 23.2.2022 durch den Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter (CSU) ersetzt.11
Mai 2022: Das bayerische Bauministerium hat endlich die Verordnung für München ratifiziert: Damit ist das „Baulandmobilisierungsgesetz“ des Bundes auch hier in Kraft. Die Stadt kann damit in Baugebieten mehr Wohnraum erlauben. Die zweite Verordnung, der die Erschwerung bei der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen betrifft, ist aber immer noch nicht vom bayerischen Kabinett beschlossen. Dieses müsste endlich festlegen, ab welcher Zahl von Wohneinheiten das Umwandlungsverbot gültig ist: Die Spanne liegt zwischen drei und 15.12
August 2022: Das bayerische Bauministerium prüft noch. Und prüft noch. Und prüft noch…13
208 Kommunen mit „angespanntem Wohnungsmarkt“. So befand jetzt das bayerische Bauministerium. Insgesamt 208 Städte und Gemeinden fallen darunter. Hier haben die Gemeinden ein erweitertes Vorkaufsrecht bei unbebauten Grundstücken und können leichter ohne Bebauungsplan nachverdichten. Erst im September 2022 wurde in Bayern die „Gebietsbestimmungsverordnung Bau“ ratifiziert. Als Begründung für die lange Verzögerung nannte das Bauministerium, man könne nicht nur München untersuchen, sondern müsse die Gesamtsituation betrachten.14
Immerhin: Entwurf liegt jetzt vor. Einen Entwurf zur Aktivierung des Baulandmobilisierungsgesetzes (vom Bund 2021 beschlossen) hat das bayerische Bauministerium vorgelegt. Damit hätte die Stadt München endlich eine Handhabe, gegen die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen vorzugehen. Die neue Regelung soll noch im ersten Quartal 2023 (also bis 31.3.2023!) verabschiedet werden. Es werden hier 50 Kommunen aufgeführt, die infrage kommen. Beim Schwellenwert „Anzahl Wohnungen“ steht im Entwurf die Zahl 10, während des Bundesgesetz drei bis 15 Wohnungen vorsieht. OB Dieter Reiter (SPD) hält diesen Schwellenwert für zu hoch. Für den grünen Stadtrat Bernd Schreyer stehen bereits im Bundesgesetz zu viele Ausnahmen gegen ein Umwandlungsverbot. (§ 250: Z. B. ein Nachlass, Begründung von Wohnungseigentum für Miterben, Veräußerung an Familienangehörige, Veräußerung an mindestens zwei Drittel der Mieter).15
- https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&start=//*[@attr_id=%27bgbl121s1802.pdf%27]#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl121s1802.pdf%27%5D__1635414865633)) Die Bundesregierung hat das Ziel formuliert, den täglichen Anstieg des deutschen Flächenverbrauchs bis 2030 auf unter 30 Hektar zu begrenzen und bis 2050 keine weiteren Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke zu verbrauchen: Dies wird nicht erreicht werden. ((PM Verpasste Chance im Kampf gegen den Flächenverbrauch, BN, Nürnberg 7.5.2021 [↩]
- Matzig, Gerhard, Letzte Ausfahrt, in SZ 3.5.2021 [↩]
- Koopmann, Christoph, Wie Mieter vor Verdrängung geschützt werden sollen, in SZ 8.5.2021 [↩]
- Krass, Sebastian, Mehr Möglichkeiten für mehr Wohnraum, in SZ 1.7.2021 [↩]
- Krass, Sebastian, Frust beim Mieterschutz, in SZ 16.9.2021 [↩]
- Draxel, Ellen, Stumpfe Waffen, in SZ 2.10.2021 [↩]
- Krass, Sebastian, Was das Urteil zu Vorkaufsrechten bedeutet, in SZ 25.11.2021 [↩]
- Krass, Sebastian, Verzweifelter Kampf ums Vorkaufsrecht, in SZ 14.12.2021 [↩]
- Die Stadt informiert, Die Mithilfe der Mieter ist gefragt, in SZ 11.1.2022 [↩]
- Die Stadt informiert, OB Reiter: Mieter vor Verdrängung schützen, in SZ 11.1.2022 [↩]
- Hoben, Anna, Welche Auswirkungen der CSU-Kabinettsumbau auf München hat, in SZ 1.3.2022 [↩]
- Krass, Sebastian, Mehr Freiheit beim Wohnungsbau, in SZ 13.5.2022 [↩]
- Hoben, Anna, Eine Wohnung für fast acht Millionen Euro, in SZ 23.8.2022 [↩]
- Gerl, Maximilian, Auf dem Land macht sich die Wohnungsnot breit, in SZ 5.10.2022 [↩]
- Krass, Sebastian, München kann Mieter bald noch besser schützen, in SZ 14.2.2023 [↩]