Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Pilotystraße 8

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Sightseeing-Tour von Goldgrund. Das Wohnhaus mit Rückgebäude steht in bester Altstadt-Lage gegenüber der Bayerischen Staatskanzlei und hat 850 qm in insgesamt acht Wohnungen. Wie Goldgrund-Aktivist Till Hofmann nach der Sightseeing-Tour feststellte, wurde das Haus von der LH München systematisch entmietet. Eine einzige Mieterin wohnt dort noch – sie ist hier geboren worden. Ein Münchner Bürger hatte das Haus der LH München vermacht, um es Familien zur Verfügung zu stellen. Aber die Stadt lässt es „systematisch verfallen“, so Hofmann.1Christian Ude (seit 1993 OB) empörte sich über seine Verwaltung: Fünf von sechs Wohnungen würden leer stehen, eine seit den siebziger Jahren. Laut Ude könne es sich um eine Ordnungswidrigkeit handeln, weil auch der Stadtrat 2002 den Auftrag erteilt habe, das Haus zu sanieren. Die zuständige Stiftungsverwaltung hatte augenscheinlich keinerlei Plan für das Haus. Das Sozialreferat als Vorgesetzte der Stiftungsverwaltung bedauerte: Eine Generalsanierung sei nötig, aber nur bei einem leeren Gebäude möglich.2

Viele Jahre Fast-Leerstand. Das schöne Anwesen hat seit 2011 nur eine Bewohnerin, die im Erdgeschoss wohnt. Ihr Großvater zog 1927 in das Haus ein. Sie wohnte in der Pilotystraße 8 bereits als Kind. 2006 bekam sie ein Schreiben der städtischen Stiftungsverwaltung, dass sie eine Ersatzwohnung bekäme, weil die Sanierung nur im unbewohnten Zustand möglich sei. 2007 erfuhr sie durch Zufall von einem Techniker, dass die angekündigte Modernisierung und Sanierung zu teuer würde. Dann wieder Stillstand bis Oktober 2010: Im nächsten Brief der Stadt stand, dass es noch kein wirtschaftliches Konzept gebe und dass man auch an einen Neubau denke. 2011 zog der letzte Nachbar der Dame aus dem vierten Stock aus: Er ließ ein Toilettenfenster offen. Im Winter platzte ein Wasserrohr, das Wasser lief von der Decke der alten Dame. Die städtische Gewofag verwaltete inzwischen das Haus und kümmerte sich um den Schaden. OB Christian Ude bezeichnete nach der Goldgrund-Aktion im Oktober 2013 den Leerstand als „Skandal“. Die Bewohnerin erinnerte sich aber an einen Fernsehbeitrag vom Frühjahr 2013 über die Pilotystraße 8, in dem Ude dazu befragt wurde. Die Stiftungsverwaltung bedauerte den langen Stillstand: Bis November 2013 soll eine Entscheidung fallen.3

November 2013: OB Ude rudert. Am 11.3.2013, kurz nach der Goldgrund-Aktion in der Müllerstraße 6, gab es eine Besprechung mit dem OB und den städtischen Referenten. Laut Protokoll soll Ude Handlungsanweisungen an die städtischen Wohnbaugesellschaften GWG und Gewofag sowie an das Kommunalreferat erteilt haben, dass an den teils leerstehenden Häusern der Stadt „die Beschilderung von Türen, Briefkästen und Klingeln entsprechend gestaltet werden“, weil sonst autonome Gruppen aus Berlin und Hamburg angezogen werden könnten. Das Protokoll wurde dann offenbar erst Anfang November 2013 den zuständigen Stellen in den Referaten übermittelt. Ude erklärte dann dazu, er habe nur marode Klingelschilder beseitigen lassen in teilbewohnten Häusern. Außerdem forderte Ude, die Haustüren leer stehender Häuser „einbruchssicher“ zu machen, um Vorfälle wie in der Müllerstraße zu vermeiden.4

Juli 2014: Pilotystraße 8 ist ein Denkmal. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege hat am 24.2.2014 das 1840 gebaute Vorderhaus auf die Liste der Baudenkmäler gesetzt. Damit ändert sich auch die Sanierung. Der Sozialausschuss hatte von drei Varianten die teuerste gewählt: Modernisierung, Dach-Ausbau, Fassaden-Restauration, neue Bäder plus Balkone, Außenaufzug, Dachterrasse (2,8 Millionen Euro). Die „Putzquaderung“ ist jetzt durch den Denkmalschutz Vorschrift. Eine vorläufige Sanierung läge bei 750.000 Euro. Balkone und der Außenaufzug scheinen durch den Denkmalschutz unmöglich. Ab Juli 2014 sollen erst einmal im Hinterhaus Mieter einquartiert werden.5

  1. Fischhaber, Anna, Vorübergehend besetzt, in SZ 22.10.2013 []
  2. Beisel, Karoline Meta, Lode, Silke, Zimmer frei, in SZ 24.10.2013 []
  3. Beisel, Karoline Meta, Das Geisterhaus, in SZ 4.11.2013 []
  4. Anlauf, Thomas, Hutter, Dominik, Protokoll bringt Ude in Bedrängnis, in SZ 26.11.2013 []
  5. Beisel, Karoline, Meta, Leerstand unter Denkmalschutz, in SZ 9.3.2014 []
Objekt-Nr. 10600

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