Moloch München Eine Stadt wird verkauft

2010

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Januar 2010: Leere Büroflächen. Die Bankenkrise hinterließ auch Spuren auf dem Münchner Immobilienmarkt: 2008 fielen die Verkaufsumsätze bei Gewerbeflächen und Einzelhandel um etwa ein Drittel auf 1,35 Milliarden Euro. Die Leerstandsquote von aktuell 7,4 Prozent wird auf 8 Prozent steigen. Neu hinzu kommen 2010 etwa 460.000 Quadratmeter: Dies dürfte das Leerstands-Problem noch verschärfen.1

Januar 2010: Mangelware Ateliers. Städtische Ateliers – mehr oder weniger. Sanierung Domagkstraße 50: von 50 auf 152 Ateliers. Zwischennutzung Blumenstraße 28 beendet: minus 130 Ateliers. Atelierhaus Dachauerstraße 110g: Abriss, 29 Künstler ohne Atelier. Die Netto-Kaltmiete für ein Münchner Atelier ist auch hier deutsche Spitze mit 9,99 Euro. Zum Vergleich Berlin: 5,43 Euro.2

Februar 2010: Wohnen als Investition. Der Vorsitzende des VdW, Xaver Kroner, zur Situation in München im SZ-Interview: „Wir müssen der Öffentlichkeit vermitteln, dass Wohnen ein zentrales Thema für das Funktionieren einer Gesellschaft ist. (…) Privater Mietwohnungsbau wird nur stattfinden, wenn die Renditen für Investoren auskömmlich sind. Entscheidend hierfür sind die Investitionskosten und die Mieterträge. (…) Eines der Hauptprobleme für den Wohnungsbau in München sind die exorbitant hohen Grundstückspreise. (…) Die aktuelle Energieeinsparverordnung und die neuen KfW-Förderkriterien führen nach unseren ersten Erfahrungen bei Sanierungen im Wohnungsbestand zu Kostensteigerungen bis zu 35 Prozent. Wie – trotz Fördermitteleinsatz – Geringverdiener die entsprechenden Mietsteigerungen bezahlen sollen, ist uns schleierhaft.“3

März 2010: Immobilienpreise und Mieten steigen. München hat nach wie vor die höchsten Mietpreise. Neubau: 13 Euro. Bestand 12,10 Euro. Altbau, guter Wohnwert: 13 Euro pro qm. Kaufpreise Eigentumswohnungen: Neubau 3800 Euro pro qm, Bestand 2800 Euro pro qm. Der Chef des IVD-Institutes, Stephan Kippes, zur Münchner Immobiliensituation: „Wer hier etwas kauft, kann nichts verkehrt machen.“ Stadtbaurätin Elisabeth Merk hat darauf hingewiesen, dass spätestens 2020 die Flächenreserven aufgebraucht sind.4
Denkste! WZ 25.6.2021.

April 2010: Der Traum von München 2018. Stadtbaurätin Elisabeth Merk: „Eine große Chance, in Zukunftsmodellen zu denken, bietet uns die Bewerbung für Olympische Winterspiele 2018. Das Olympische Dorf als Plusenergie-Siedlung kann neue Wege für städtebauliche Lösungen aufzeigen. Dies gilt auch für die Mobilität.“5
Apropos Mobilität zur Erinnerung: Bis München 2018 sollten u. a. fertiggestellt sein die zweite S-Bahn-Stammstrecke in München, zwei Tunnels am Ende der A 95 Garmisch-Partenkirchen und anderes mehr.

April 2010: München-Kritik eines Architektur-Kritikers. Gerhard Matzig kritisierte in der SZ den hiesigen Wohnungsbau. Wohnen in München ist nicht innovativ, sondern konservativ: bedingt durch die finanziellen Erwägungen. Der gebaute Raum muss gut vermarktbar sein, Experimente könnten zu teuer werden. „In einer der wenigen Boomregionen Deutschlands lässt sich auch das Banale leicht zu Geld machen. (…) Denn hier wird man einfach jeden Quadratmeter los.“ Die Kritik an der Messestadt Riem ist nicht originell: Eines der größten Städtebauprojekte ist „weit unterhalb der Möglichkeiten“ geblieben. Die Stadt hat hier „durch allzu ehrgeizlose Wohnarchitektur nach den Bedingungen des Marktes viele Chancen vertan“. Die Siedlungen Arnulfpark, Hirschgarten oder geplante Bebauungen auf den Kasernenflächen sind „immer das gleiche Ineinander von herkömmlichen Wohnregalen“.6
Die Münchner Kubus-Architektur ist eine abgewandelte Ritter-Sport-Architektur 2.0: quadratisch, praktisch, aber nicht gut.

Mai 2010: 80 Jahre Großsiedlung Neuhausen. Von 1928 bis 1930 wurde die Großsiedlung Neuhausen von der Gewofag gebaut, um die Wohnungsnot zu bekämpfen. Auf einem Areal von 190.000 Quadratmetern wurden nach dem Gesamtplan des Architekten Hans Döllgast 1600 Wohnungen, Läden, Handwerksbetriebe, vier Gaststätten, einen Künstlerhof und zwei Kindergärten errichtet. Inzwischen gibt es hier rund 1900 Wohnungen; im Künstlerhof gibt es 13 Ateliers und Atelierwohnungen.7

Mai 2010: Die nächsten Kuben. Im neuen Wohnquartier „Am Hirschgarten“ wird als letztes Wohnbauareal mit 19.800 Quadratmetern ein Wohnensemble mit einem zwölfgeschossigen Hochhaus geplant. Bauträger ist die Baywobau; Verkaufsbeginn ist Sommer 2010.8

Mai 2010: EuGH schafft Ausschreibungspflicht ab. 2007 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass eine Kommune, die ein Grundstück unter Bedingungen – z. B. geförderte Wohnungen -, verkaufen will, dieses Grundstück europaweit im EU-Amtsblatt ausschreiben muss. Das OLG Düsseldorf hat daran orientiert mehrere Urteile zum Verkauf städtischer Grundstücke gefällt. Nun hat ein Urteil des EuGH das strenge Vergaberecht gelockert und damit bürokratische Hürden bei einem Verkauf städtischer Grundstücke abgebaut: In München soll künftig der Stadtrat über den Verkauf eines städtischen Grundstücks entscheiden.9

Juni 2010: Teure Wohnungen im Landkreis München. Im Landkreis München sind laut IVG die Mieten nur unwesentlich unter dem Münchner Mietniveau. Gleichzeitig fallen Wohnungen aus der Sozialbindung. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte neuen, bezahlbaren Wohnraum durch verstärkten Neubau in München und im Landkreis. Dies wird aber durch den Wegfall von Förderprogrammen und die Finanzkrise verhindert.10 Der Wegfall der degressiven Abschreibung wirkte sich auch hier aus. Vorher konnten Vermieter von Neubauten im 1. bis 8. Jahr fünf Prozent der Herstellungskosten und des Kaufpreises abschreiben, vom 9. bis 14. Jahr 2,5 Prozent und im 15. bis 40. Jahr 1,25 Prozent.11

Juni 2010: Abriss Dachauerstraße. Das alte Militär- und Industriegelände mit 20 Hektar zwischen Lothstraße und Schwere-Reiter-Straße soll ein neues Stadtquartier werden. Die Industriebauten Jutierhalle und Tonnenhalle stehen unter Denkmalschutz. Das Atelierhaus (ehemaliges Stadtarchiv) an der Dachauerstraße mit 29 Künstlerateliers soll dagegen abgerissen werden. Der BA 9 Neuhausen – Nymphenburg setzte sich für einen Fortbestand ein.12 Informationen: https://www.atelierhausdachauerstrasse.de/verein/

Juli 2010: Fazit der Stadtbaurätin. Elisabeth Merk, seit 2007 Münchner Stadtbaurätin, äußerte in einem Beitrag für die SZ, dass „die Stadt gar nicht genug für den Wohnungsbau tun kann“. Mit den Planungsinstrumenten der Kommunen könne die LH München aber nicht in den Markt für Bodenpreise eingreifen. Im Gegensatz dazu habe die Stadt Wien einen größeren Anteil städtischer Flächen im Eigentum und könne Bauland subventionieren. München habe ein Reservoir an Kasernenflächen. „Die Achse Arnulfpark-Hirschgarten-Pasing ist zu drei Vierteln schon umgesetzt. (…) 15.000 Einwohner und 19.000 Arbeitsplätze – es soll ja auch eine vernünftige Mischung von Wohnen und Arbeiten sein.“13
Was soll daran vernünftig sein? Die berühmte „Münchner Mischung“ sieht immer gleich unvernünftig aus: Ein kleinerer Anteil neuer Wohnungen trifft auf einen größeren Anteil neuer Arbeitsplätze. Bestenfalls ein Nullsummen-Spiel.

Juli 2010: Wachsende Wohnungsnot prognostiziert. Der IVD sah für den Münchner Immobilienmarkt, der auch Auswirkungen bis in den ganzen S-Bahn-Bereich hat, einen „zurückgestauten Bedarf“: Viele Mieter ziehen derzeit aufgrund der Wirtschaftskrise in keine größeren Wohnungen. Festgeld war aktuell kaum interessant, Aktien galten als unsicher. Der Mietwohnungsbau bot kaum Rendite, da die Investitionsbedingungen sich seit 1998 verschlechtert hatten, u. a. durch Streichung der Eigenheimzulage im Jahr 2006 und die Abschaffung der degressiven Abschreibung. Also bleibt das sichere Münchner Betongold: der Eigentumswohnungsbau. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) rechnete in den nächsten fünf bis zehn Jahren mit echtem Wohnungsmangel und hohen Mieten. Der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München prognostizierte einen Fehlbestand im Großraum München von 20.000 Wohnungen bis zum Jahr 2030. Daraus folgerte der Planungsverband, die Landesentwicklungsplanung müsse sich ändern. Bisher wurde von den Gemeinden der Nachweis verlangt, dass ein neues Bauland nötig sei. Künftig müssten Gemeinden begründen, warum sie kein neues Bauland ausweisen.14

Juli 2010: Domagk-Ateliers. Die ehedem größte Künstlerkolonie auf dem ehemaligen Gelände der Funkkaserne an der Domagkstraße mit elf Häusern besteht noch aus den zwei Häusern 49 und 50. Aktuell sind rund 140 Künstler in den Ateliers, die selbst in ihre Räumlichkeiten investiert haben. Falls der übliche Fünfjahres-Vertrag nicht verlängert wird, ist die Investition verloren.15

August 2010: Investoren lieben München. Der Immobilienmanager bei der Deutschen Bank Frankfurt, Tobias Just, addiert die Gründe für Immobilien-Investments in München: aktuelle Belebung der Nachfrage, gesunder Branchenmix, wichtiger deutscher Versicherungs-, Medien- und IT-Standort, der Status Landeshauptstadt, gute Bildungs-Infrastruktur als wichtigster Bestimmungsfaktor für Wachstum. Die Zurückhaltung im Wohnungsbau liege am stagnierenden Niveau der Miet- und Preisentwicklung. Bei Büros rechneten Investoren in den nächsten Jahren mit Renditen von jährlich drei bis sieben Prozent, bei Wohnungsmieten zwischen vier und sechs Prozent. „Je stärker und länger der Aufschwung anhält, desto risikofreudiger werden auch der Siedlungsdruck, die Immobilieninvestoren.“16

August 2010: „Sollner Freiheit“. Ein 12.000 Quadratmeter großes Grundstück in Solln an der Herterich-, Heilmeier- und Petersenstraße hat die Wowobau von der Stadt gekauft und 20 Reihenhäuser und Doppelhaushälften sowie 59 Wohnungen (sieben im München Modell) geplant. Die Häuser sollen 2011, die Wohnungen 2012 fertig sein. Der Quadratmeterpreis lag bei 3800 Euro. 37 Wohnungen und zehn Häuser wurden bereits verkauft. Die Gründe für die Flucht in Immobilien sind der Münchner Siedlungsdruck, Inflationsängste und Niedrigzinsen.17

August 2010: Angeblich keine aktuellen Verkaufsverhandlungen. Die GBW-Gruppe hat aktuell in Bayern über 33.000 Mietwohnungen, davon ein Drittel gefördert. In München hat sie über 10.000 Mietwohnungen. Verkaufsverhandlungen durch die BayernLB finden laut dem Vorstandsvorsitzenden Ernst Holland derzeit nicht statt. Die GBW AG hat auch im Krisenjahr 2009 ihr Ergebnis mit einem Gewinn von 21,2 Millionen Euro verbessern können.18

September 2010: Immer weniger Wohnungen. Die Verbände der bayerischen Bauwirtschaft und die IG Bau haben die „Aktionsgemeinschaft Impulse für den Wohnungsbau“ gegründet. Diese warnte nun, dass immer weniger Wohnungen gebaut werden. 2009 waren es in Bayern 31.333, ein Tiefstand. Die bayerische Bevölkerung steigt, ebenso die Zahl der Single-Haushalte. 1987 gab es knapp über 30 Prozent Single-Haushalte, 2009 über 40 Prozent. Die bayerische Bevölkerung muss aktuell im Durchschnitt 35 Prozent des Nettoeinkommens für Miete aufwenden.19
Nachtrag für 2018: „München ist eine Hochburg für Singles. In über der Hälfte (54,4%) aller Privathaushalte Münchens leben jeweils nur ein Mann oder nur eine Frau – d. h. 30,5% der Münchner Bevölkerung leben allein.“20

September 2010: Stadt gegen Mieter. Eine Hausbesitzerin hat der LH München ein denkmalgeschütztes Vorderhaus und ein Rückgebäude Ecke Stollberg- und Herrnstraße vermacht. Die Auflage an die Stadt war, eine Stiftung zugunsten von Waisen in München zu errichten. Die dortigen Mieter warfen aber inzwischen der Stadt vor, das Rückgebäude verfallen zu lassen, um das Anwesen dann verkaufen zu können. Die Stadt gab an, in das Vorderhaus etwa 100.000 Euro investiert zu haben; das Rückgebäude soll abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Der Vertreter der Stadt bezeichnete den Erhalt des Rückgebäudes als „extrem unwirtschaftlich“: Dieses „schlummernde Vermögen“ soll nun durch den Neubau realisiert werden. Der BA warf der Stadt vor, in 16 Jahren kein Konzept entwickelt zu haben.21
Vgl. auch: Juli 2009, Reifenstuelstraße 11
Fazit: Es scheint nicht sinnvoll, der Stadt Liegenschaften ohne genaue Vorgaben zu vermachen.

September 2010: Giesinger Nicht-mehr-Denkmäler. Birkenau 12: Das kleine Häuschen, ursprünglich aus dem Jahr 1840, war bis jetzt ein Baudenkmal. Das Landesamt für Denkmalpflege stellte nun fest, dass zu wenig alte Substanz vorhanden sei, und nun ist das Häuschen Birkenau 12 seit Ende 2009 kein Denkmal mehr. Daneben steht das Häuschen Birkenau 10: Beide Häuschen sollen abgerissen werden. Investoren warten schon Baumaschine per Fuß. Aus der Denkmalliste sollen noch gestrichen werden Sommerstraße 60 und Lohstraße 19. Zwei neue Objekte sollen auf die Liste: die Villa in der Wunderhornstraße 9 und das von Architekt Sep Ruf geplante Haus Hermine-Bland-Straße 3. Zwei Bürgerinitiativen kämpfen um das alte Giesinger Erbe: „Rettet die Birkenau“ und die „Aktionsgruppe Untergiesing“. Unter Denkmalschutz stehen noch die Häuser Birkenau 17, 18, 19, 22, 25, 27/29, 31.22
Nachträge: Vertreter der BI „Rettet die Birkenau“ haben sich am 11.11.2010 mit dem Vorsitzenden des Landesdenkmalrates, Bernd Sibler (MdL CSU) getroffen, um mehrere Hundert Protestunterschriften zugunsten der Birkenau 12 zu übergeben.23 – In Birkenau 10 und 12 fanden Ausstellungen im Rahmen der „Kunstherberge Birkenau“ statt. Organisator war der Eigentümer Uwe Binnberg, dessen Architekturbüro Binnberg dort einen vierstöckigen Wohnblock mit Tiefgarage plant.24 – Mai 2011: Die Münchner Stadtratsfraktion der Grünen fordert in einem Antrag, die Zerstörung des Viertels Birkenau zu verhindern.25

Oktober 2010: „Eigentum & Wohnen“. So heißt die Wohnimmobilienmesse in München. Die Zinsen sind niedrig, die Banken finanzieren nach der Bankenkrise Wohnbauprojekte, die deutsche Wirtschaft ist im Aufwind: und Aktien sind eher out. Da ist das Betongold hoch im Kurs. Der Geschäftsführer des Bauträgers Terrafinanz: „Im Jahr 2010 werden wir sicher den größten Umsatz in unserer Firmengeschichte haben.“ – Bayerische Hausbau: „positive Grundstimmung“. Demos: „hervorragende Umsatzzahlen“. Die Inflationsangst und steigende Mietpreise in München erhöhten die Nachfrage nach Immobilien. – Baywobau klagte über die Verknappung der Münchner Grundstücke, die durchschnittlich schon rund 5000 Euro pro Quadratmeter kosteten.26

Oktober 2010: BMW erweitert FIZ. BMW will einen großen Teil des Areals der Kronprinz-Rupprecht-Kaserne kaufen, um sein Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ) zu erweitern. Ein Antrag von ÖDP/Grüne im BA 24, einen Fuß- und Radweg durch das ehemalige Kasernenareal in Ost-West-Richtung zu bauen, wurde von CSU und SPD abgelehnt. Gleichzeitig wünschte BMW eine Direktanbindung in der Verlängerung der Schleißheimer Straße zur A 99. Der BMW-Leiter Allgemeine Dienste, Konzernsicherheit und Immobilien, Herbert Grenenc, drohte im Fall der Ablehnung einer Anbindung an das Autobahnnetz und den Flughafen mit der Verlagerung von BMW-Investitionsaktivitäten in andere Länder: „Wir erwarten eine Lösung dieser Probleme.“27

Oktober 2010: Paulaner siedelt um (1). Von der Au nach Langwied: Die Paulaner Brauerei respektive der Eigentümer, die Schörghuber Gruppe (Bayerische Hausbau), plant den Umzug nach Langwied (gerade noch auf Münchner Stadtgebiet, um weiter eine Münchner Brauerei zu sein). Das Paulaner-Kloster Neudeck ob der Au wurde 1623 gegründet, das Braurecht in der Au stammt aus dem Jahr 1634. Das frei werdende Gelände wird mit vielen teuren Wohnungen zugebaut (Bayerische Hausbau, Slogan „WOHNEN AM NOCK|HER|BERG“; dazu später das Ensemble „Hoch der Isar“). Der Stadtpfarrer befürchtet durch den Wegzug der Brauerei und den Zuzug der begüterten Bewohner des neuen Quartiers eine Entwicklung wie in Haidhausen oder Obergiesing.28

Oktober 2010: Paulaner siedelt um (2). Der BA 5 Au – Haidhausen sprach sich für einen Verbleib der Brauerei aus, auch um hier die Mischung aus Gewerbe und Wohnen zu erhalten. Die Lokalpolitiker befürchten eine Gentrifizierung, ein künftig höheres Mietniveau, dadurch den Wegzug Alteingesessener, eine Veränderung der gewerblichen Struktur und den Verlust von Arbeitsplätzen. Dagegen befürwortet die Stadtplanung das geplante neue Quartier in bester Lage am Isarhochufer.29

November 2010: Gefährdete Dorfkerne. 20 Dorfkern-Ensembles gibt es aktuell in München, die unter Denkmalschutz stehen: Lochhausen, Aubing, Langwied, Allach, Untermenzing, Obermenzing, Pipping, Feldmoching, Moosach, Oberföhrung, Johanneskirchen, Englschalking, Daglfing, Untersendling, Großhadern, Forstenried, Solln, Thalkirchen, Ramersdorf, Perlach. Das Landesamt für Denkmalpflege wollte 2009 diese Liste auf sechs Dorfkerne reduzieren, da viele Ensembles in letzter Zeit umgebaut oder bebaut wurden oder gelitten haben. MdL Robert Brannekämper (CSU) beschrieb die Ortsbegehung in Daglfing am 11.2.2010 als äußerst peinlich: „Wir kommen mit Vertretern des Landesamtes und des Landesdenkmalrats dorthin – und auf dem früheren Dorfanger klafft eine Baugrube, und die Kräne stehen schon da.“
Nun sollen 13 Dorfkerne weitgehend denkmalgeschützt bleiben, drei sind noch offen. Johanneskirchen, Langwied, Lochhausen und Moosach sind vorerst ungeklärt. Für die Stadt ist der Denkmalschutz eine Möglichkeit, Bauwerke zu erhalten oder zumindest Einfluss auf den Neubau auszuüben.30
Nachtrag Dezember 2010: Das Landesamt für Denkmalpflege will die Dorfkerne von Allach, Forstenried, Großhadern, Solln, Daglfing und Oberföhring verkleinern, in Obermenzing, Untersendling, Englschalking, Feldmoching, Perlach und Thalkirchen soll der Umgriff verändert werden. Offene Fragen gibt es in Aubing, Untermenzing, Ramersdorf. Lediglich der Ortskern von Pipping bleibt unberührt. Sowohl die Münchner CSU als auch die SPD reklamierten diese Veränderung für sich.31
Nachtrag Januar 2011: Das LAfD überprüft seit vier Jahren seine Denkmallisten und kam zu dem Ergebnis, zahlreiche Dorfkerne in München daraus zu streichen. Zunächst sollten hierzu nicht einmal die betreffenden Kommunen angehört werden: Dem widersprach 2009 der Landesdenkmalrat.32

Dezember 2010: Neue U-Bahn, höhere Kaufpreise und Mieten. Am 11.12.2010 wurde die verlängerte U 3 mit den Bahnhöfen Moosach und Moosacher St.-Martins-Platz eröffnet. Ein Mitarbeiter von Aigner Immobilien GmbH schätzte, dass dadurch die Immobilienpreise in Moosach um fünf bis zehn Prozent steigen werden. Auch Haus + Grund rechnet bei dieser verbesserten Anbindung an den ÖPNV mit steigenden Immobilienpreisen und im Gefolge auch mit steigenden Mieten. Der Mieterverein München schätzt, dass sich in Moosach die Mieten pro Quadratmeter um durchschnittlich 0,56 Euro pro Monat erhöhen könnten: Das wären für eine 60-Quadratmeter-Wohnung jährlich über 400 Euro.33

Dezember 2010: Schon wieder ein neues Justizzentrum. An der Ecke Dachauer-/Schwere-Reiter-Straße plant der Freistaat Bayern auf 31 Hektar für 195 Millionen Euro ein neues Strafjustizzentrum. Das alte, 1977 eingeweihte Justizzentrum zwischen Nymphenburger- und Linprunstraße hat Asbestverseuchung und angebliche diverse technische Probleme und Bauschäden: schon 33 Jahre nach seiner Eröffnung!34

Dezember 2010: Immobilienpreise steigen weiter. Im Jahr 2010 sind die Grundstückspreise in München zwischen 50 und 60 Prozent gestiegen. Inzwischen machen sie bereits bis zu 50 Prozent der gesamten Bausumme aus. Dadurch steigen auch die Preise für Eigentumswohnungen weiter – und, falls sie vermietet werden, deren Mieten.35

  1. Fritscher, Otto, Immer mehr Büros stehen leer, in SZ 13.1.2010 []
  2. Kotteder, Franz, Mehr und Weniger, in SZ 22.1.2010; Schmidt, Wally, Unersprießliche Perspektive, in SZ 11.3.2010 []
  3. Remiens, Andreas, „Wohnen ist ein zentrales Thema“, in SZ 3.2.2010 []
  4. Ruhland, Michael, Die Stadt, die uns lieb und teuer ist, in SZ 13.3.2010 []
  5. Dürr, Alfred, Ruhland, Michael, „Wir müssen den innovativen Leuten Raum geben, in SZ 3.4.2010 []
  6. Matzig, Gerhard, Die Klone der Mustermanns, in SZ 13.4.2010 []
  7. Schätzl, Andreas, Der Künstlerhof zu München: Malerisch wohnen, in sueddeutsche.de 17.5.2010; Wikipedia []
  8. „Nachfrage ist groß“, in SZ 21.5.2010 []
  9. Kastner, Bernd, Zurück zur alten Linie, in SZ 25.5.2010 []
  10. Schieder, Klaus, Günstige Mietwohnungen bleiben äußerst rar, in SZ 7.6.2010 []
  11. Schieder, Klaus, Die großen Probleme kommen erst noch, in SZ 7.6.2010 []
  12. Anlauf, Thomas, Atelierhaus droht der Abriss, in SZ 17.6.2010 []
  13. Ruhland, Michael, „Wie ein Tropfen auf dem heißen Stein“, in SZ 1.7.2010 []
  14. Tibudd, Michael, Bauen ist die halbe Miete, in SZ 1.7.2010 []
  15. Moises, Jürgen, Alles in der Schwebe, in SZ 17.7.2010 []
  16. Horn, Peter, „Wenig Volatil“, in SZ 6.8.2010 []
  17. Wolfram, Jürgen, Klassische Wohngegend, frei von Altlasten, in SZ 25.8.2010 []
  18. Dürr, Alfred, Auch bezahlbarer Wohnraum bringt Profit, in SZ 26.8.2010 []
  19. Wiechers, Katharina, Wohnung gesucht, in SZ 15.9.2010 []
  20. Münchner Statistik, 4. Quartalsheft, Jahrgang 2014, S. 27 ff []
  21. Holz, Elisa, Eine Stiftung, die Unruhe stiftet, in SZ 25.9.2010 []
  22. Kowitz, Maren, „Hier stirbt ein Stück Alt-Giesing“, in hallo-muenchen.de 10.4.2010; Winkler-Schlang, Renate, Kampf um Giesings alte Bausubstanz in SZ 30.9.2010 []
  23. Birkenau-Initiative im Maximilianeum, in SZ 10.11.2010 []
  24. Liere, Judith, Blick zurück – und nach vorn, in SZ 4.2.2011 []
  25. Warkocz, Manuela, Kampf ums Kutscherviertel, in SZ 6.5.2011 []
  26. Hepp, Sebastian, Geld sucht Sachwerte, in SZ 15.10.2010 []
  27. Kronewiter, Thomas, Oberstein, Peter, BMW will Forschungszentrum erweitern, in SZ 16.10.2010 []
  28. Becker, Astrid, Der Geruch der Au, in SZ 19.10.2021 []
  29. Dürr, Alfred, Widerstand gegen Brauereipläne wächst, in SZ 23.10.2010 []
  30. Bernstein, Martin, Unsere Stadt soll ländlich bleiben, in SZ 9.11.2010 []
  31. Bernstein, Martin, Streit um Ortskerne gehen weiter, in SZ 13.12.0210 []
  32. Steinbacher, Ulrike, Bernstein, Martin, Plädoyer für historische Dorfkerne, in SZ 19.1.2011 []
  33. Naujokat, Anita, U-Bahn lässt Mieten steigen, in SZ 15.12.2010 []
  34. Rost, Christian, Weg mit dem Klotz, in SZ 28.12.2010 []
  35. Lode, Silke, München bleiben Schulden erspart, in SZ 29.12.2010 []
Moloch München Eine Stadt wird verkauft

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