Moloch München Eine Stadt wird verkauft

1998

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Januar 1998: München und der Flughafen. Der Freistaat Bayern hält 51, die Bundesrepublik Deutschland 26 und die LH München 23 Prozent der Anteile an der Flughafen München GmbH (FMG). München will seinen Anteil seit 1991 verkaufen: Der Stadtrat hatte damals beschlossen, die neue Messe in Riem u. a. mit dem Verkauf der Flughafen-Anteile zu finanzieren. 1992 vereinbarten der damalige OB Georg Kronawitter und der Ministerpräsident Max Streibl, die Kosten des Messeumzugs hälftig aufzuteilen. Der neue OB Christian Ude äußerte, dass die Reisebedürfnisse der Münchner gedeckt seien und die Münchner nicht länger Lasten tragen dürften, die anderen Orten (Freising, Erding und kleinere Gemeinden der Region) sowie den Fluggesellschaften zugutekämen. Der damalige Betriebsratsvorsitzende und stellvertretende AR-Vorsitzende der FMG, Otto Siegl, äußerte dazu, Ude habe die Wertsteigerung der Grundstücke rund um den ehemaligen Flughafen Riem nicht berücksichtigt und übersehe die Gewinnmöglichkeiten der FMG. Bislang ist jedoch (bis heute, 2022) kein Käufer in Sicht. Die Bayerische Landesbank hat dankend abgelehnt. Nun sollen zwei Gutachter den Wert der Münchner Anteile bestimmen, und es soll eine Umwandlung der FMG GmbH in eine AG vorbereitet werden, um Interessenten den Einstieg zu erleichtern.1

Februar 1998: Das neue Stadion kündigt sich an. Der FC Bayern hat zwei Varianten für ein neues Stadion erarbeitet, die Vereinspräsident Franz Beckenbauer bei einem Geheimtreffen am 4.2.1998 OB Christian Ude vorstellte. Version 1 beinhaltet lediglich den Bau eines neuen Großstadions, Version 2 bedeutet, dass die Vereins- und Trainingsareale an der Säbener Straße mit zum neuen Stadion umziehen. Dazu gäbe es noch die Wahl zwischen einem ebenerdigen Großparkplatz, einem Parkhochhaus oder einer kombinierten Lösung. Der Platzbedarf liegt zwischen 22 und 51 Hektar. Infrage kämen das Riemer Reitstadion (27 Hektar), die ZHS-Anlage am Olympiapark und weitere Standorte. Die FC Bayern-Arena soll zwischen 60.000 und 80.000 Plätze haben; die Kosten von etwa 500 Millionen DM will der FC Bayern mit einem Börsengang einnehmen.2

Februar 1998: Neue Messe eröffnet. Am 12.2.1998 wurde das mehr als zwei Milliarden DM teure Messegelände in Riem durch Bundespräsident Roman Herzog vor 5000 Gästen eröffnet.3 – Zunächst hat die Messe München noch drei Orte: die neue Messe, das MOC Veranstaltungs- und Ordercenter und – bis Ende April 1998 – die Hallen der alten Messe auf der Theresienhöhe.4

März 1998: Eisenbahn-Wohnungen gefährdet. Am 4.2.1998 waren über 100 Delegierte der Eisenbahner nach Bonn gereist, um sich von der Bundesregierung informieren zu lassen, ob die 6000 Münchner Eisenbahner-Wohnungen – bedingt durch die Privatisierung -, verkauft werden. Diese Wohnungen sind zu etwa zwei Drittel mit öffentlichen Geldern gefördert worden: Mit deren Verkauf sollten Arbeitsplätze bei der Bahn gesichert werden, so die Begründung. SPD-Stadtrat Rainer Volkmann hatte sich in die Materie eingearbeitet und herausgefunden, dass der Bundestag im Dezember 1993 einstimmig beschlossen hatte, die Wohnungsfürsorge für die Eisenbahner wie bisher weiterzuführen. Nach Paragraf 20 des Wohnungsbaugesetzes (Fassung vom 5. August 1980; WZ) sind Rückflüsse „laufend zur Förderung von Maßnahmen zugunsten des sozialen Wohnungsbaus (…) zu verwenden“. Für diesen demnach „rechtswidrigen“ Verkauf hatten sich zehn Interessenten gemeldet, darunter auch ein japanisches Konsortium. Inzwischen haben aber viele Bewerber aufgrund verschlechterter Bedingungen zurückgezogen, sodass angeblich kein Mieter von Eisenbahn-Wohnungen um seine Unterkunft Angst haben müsse.5
Vgl. hierzu im Kritischen Immobilien-Lexikon: Eisenbahner-Wohnungen

April 1998: Neue Heimat München und Doblinger. Die Neue Heimat (NH) mit Sitz in Hamburg hatte in Bayern 13.175 Wohnungen. 1989 wollte der damalige Innenminister Edmund Stoiber (CSU) die NH-Bayern-Wohnungen für 850 Millionen DM kaufen, dies wurde aber von der Bayerischen Staatsregierung verhindert. Nach vielen Protesten der NH-Mieter erklärte die CSU ihre Kaufbereitschaft zum Preis von 500 Millionen DM. Der frühere OB Georg Kronawitter hatte noch versucht, mit anderen Städten die NH-Wohnungen zu übernehmen; dies scheiterte. Schließlich kaufte Alfons Doblingers BSW GmbH im Mai1990 die 13.175 Wohnungen der NH in Bayern für rund 958 Millionen DM. Die NH selbst hatte schon 4082 davon in Wohneigentum überführt; davon verkaufte die BSW 3878. Doblinger hielt sich an die gemachten Zusagen wie lebenslanges Wohnrecht, Schutz vor Eigenbedarfskündigungen und Vorkaufsrecht für Mieter.6

April 1998: Bayerischer Mieterbund will mehr Wohnungsbau. In Bayern würden wegen geburtenstarker Jahrgänge, der alternden Bevölkerung und steigender Scheidungszahlen 250.000 preisgünstige Wohnungen fehlen. Außerdem würden jährlich rund 23.500 Wohnungen abgerissen, zweckentfremdet oder seien im Leerstand.7

April 1998: Freistaat ist „der Motor für München“. Das behauptete der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Kurt Faltlhauser (CSU). Im Jahr 1997 habe der Freistaat 5,1 Milliarden DM in die LH München transferiert. Davon waren z. B. 466 Millionen DM direkte Geldzuwendungen, 3,2 Milliarden DM für Forschung und Bildung, 450 Millionen DM für Theater und Museen, 355 Millionen DM für den ÖPNV. Ganz oder teilweise werden bezahlt die Pinakothek der Moderne, das Verkehrsmuseum auf dem alten Messegelände, der Petuelring. OB Christian Ude schmücke sich mit falschen Federn, wenn er von einer „neuen Gründerzeit“ spreche.8
In der Tat wurde das ungesunde Wachstum Münchens auch durch hohe staatliche Geldzuflüsse ermöglicht – Geld, das in anderen, ärmeren Regionen bitter vermisst wurde.

Mai 1998: Wirtschaftsreferent lobt Wirtschaftsförderung. Reinhard Wieczorek (SPD) lobte die niedrigste Arbeitslosenquote (7,3 Prozent) aller deutschen Großstädte sowie die höchste Investitionskraft pro Kopf (1996 mit 1307 DM). Es gebe keinen Weggang von Betrieben, im Gegenteil: 1993 gab es in München 78.520 Betriebe, 1998 waren es 95.672. Hinzu kamen Viag Intercom, Oracle Deutschland, die Bayerische Versicherungskammer und Bertelsmann Music Group. Zu den Stärken Münchens gehöre das Angebot hochqualifizierter Arbeitsplätze in den Sektoren Medien und Information, die Münchner Universitäten und Fachhochschulen, Institutionen wie die Zentralen der Max-Planck-Gesellschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft sowie große Industriekonzerne wie Siemens und BMW. Hinzu kämen rund 15.000 Handwerksbetriebe. München ist auch eine Kulturstadt mit Museen und Konzertsälen. Den Einwurf des SZ-Reporters, dass die Lebenshaltungskosten immer höher werden und die Bevölkerung in sehr gut bezahlte und ärmere Teile gespalten werde, bestätigte Wieczorek, verwies jedoch auf die Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie die Politik „Arbeit statt Sozialhilfe“. Kleine Unternehmen würden mit Gewerbehöfen und mit Existenzgründer-Darlehen gefördert. Dazu komme ein Stadtmarketing, das die Stärken des Wirtschaftsstandorts deutlich herausstelle.9

Mai 1998: Rückgang der Sozialwohnungen. Der Verband Bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW Bayern) hat 483 Mitgliedsunternehmen und zählte in seinem Jahresbericht 1997/98 einen Wohnungsbestand von 481.412 Einheiten. 1997 sind 13.110 Sozialwohnungen aus der Sozialbindung herausgefallen, während nur 3092 neu dazukamen.10

Mai 1998: Von der Löwenbrauerei zu den Löwenhöfen. Zwischen Nymphenburger-, Sand- und Karlstraße befand sich der Lager- und Kfz-Abstellplatz der Löwenbrauerei. Die Bauland GmbH, eine Tochter der Bayerischen Landesbank und der Bayerischen Landessparkasse, hat das 1,2 Hektar große Grundstück gekauft und will darauf für rund 125 Millionen DM Wohnungen (13.600 Quadratmeter), Büros und Läden (3600 Quadratmeter) errichten. Bei der Grundsteinlegung am 25.5.1998 sprach OB Christian Ude erneut von der „neuen Gründerzeit“ in München; es dürfe im Wohnungsbau keine „Stop-and-Go-Politik“ geben.11

Mai 1998: „Lokomotive München“. Bei einem Wahlkampfauftritt für die SPD in Eichenau äußerte OB Christian Ude, München sei die Lokomotive für ganz Bayern. Er nannte Münchens boomenden Tourismus, den neuen Flughafen, die neue Messe, die auf den Gebieten Bio- und Gentechnik führenden Hochschulen. Von der neuen Messe profitiere die Hotellerie bis nach Garmisch-Partenkirchen. Über die Schattenseiten wie Fluglärm und Verkehr gebe es nur wenig Klagen.12

Juni 1998: Ballungsraum München. Die LBS-Tochter Landesimmo bescheinigte München, der größte Immobilienmarkt in Bayern zu sein:  Etwa 25 Prozent aller Umsätze in Bayern – rund 11,5 Milliarden DM -, wurden 1997 hier gemacht. Der Münchner Ballungsraum bleibt eine der teuersten Gegenden Deutschlands. Im Süden Münchens werden Spitzenpreise verzeichnet; sie reichen bis zu den Landkreisen Starnberg, Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen.13

Juni 1998: Denkmalschützer alarmieren. Der Bayerische Landesverein für Heimatpflege konstatierte nach der zwischenzeitlichen Euphorie des Europäischen Denkmalschutzjahres 1975 inzwischen eine erschreckende Vernichtung von historischen Zeugnissen über und unter dem Boden. Schuld sei die Bayerische Staatsregierung, die bei Sonntagsreden die Treue zur Heimat beschwöre, aber mit der Änderung der bayerischen Bauordnung den Denkmalschutz massiv ausgehöhlt habe. Prominentes Beispiel sei der Alte Hof in München: Hier soll schon seit Jahren eine Plane über dem Dach die ehemalige Kaiserresidenz von Ludwig dem Bayern vor weiterem Verfall schützen; zudem sei eine Sanierung dringend nötig. Nun sucht der Staat einen Investor, der mit rund 50 Millionen DM die Baulichkeit saniert. Im Gegenzug bekäme er die einstige Residenz für 60 Jahre verpachtet.14
Aus Wikipedia: „Die Gebäudeteile Lorenzistock, Pfisterstock und Brunnenstock wurden 2001 durch einen privaten Investor bebaut. Brunnenstock und Pfisterstock (Alter Hof 5 und 6) wurden dabei wieder abgerissen und (…) neu errichtet (…) Inwieweit die Vergabe von Baurechten an private Investoren bei einem Bauwerk dieser Wichtigkeit sinnvoll sei, war in der Öffentlichkeit heftig umstritten. Auch die fertiggestellten Bauten werden in der Öffentlichkeit sehr kontrovers wahrgenommen.“
Heute sieht man dem Alten Hof die verpfuschte Renovierung an. In den teuren Eigentumswohnungen wohnt oft – bis auf kurze zeitliche Besuche – kaum jemand.

Juli 1998: Weniger  Sozialwohnungen. Bei einer Diskussionsveranstaltung von Bayerischer Vereinsbank und Adolf Weber Stiftung wurde festgestellt, dass die Zahl der Wohnungsgenehmigungen in Deutschland von 1994 (514.000) bis 1997 (323.000) stark gesunken ist. 1975 gab es noch 4,2 Millionen Sozialwohnungen; 1997 waren es nur noch zwei Millionen. Der Präsident von Haus & Grund in Deutschland, Friedrich Adolf Jahn, forderte „mehr Markt und weniger Staat“, ein liberalisiertes Mietrecht und Wohngeld sowie ein intensiviertes Erbbaurecht. Der Präsident des Gesamtverbandes der Wohnungswirtschaft, Jürgen Steinert, bezifferte den Grundstücksanteil an den Immobilienpreisen in München auf 65 Prozent.15

Juli 1998: Wachstumsmodell München. Während andere Metropolregionen mit dem Umbau ihrer alten Industriestrukturen zu tun haben, hat München die niedrigste Arbeitslosigkeit der deutschen Großstädte, ist ein Eldorado für die High-Tech-Start-ups speziell aus den Bereichen Bio- und Gentechnologie und zweitgrößter Hochschulstandort Deutschlands. Über 30 Prozent der mit Wagniskapital geförderten Unternehmen sitzen im Wirtschaftsraum München. Aber auch hier wurden im Maschinen- und Fahrzeugbau Stellen abgebaut, ebenso im Handel, in den Sektoren Verkehr und Nachrichtenübermittlung, bei Banken und Versicherungen sowie im Gewerbe.16

Juli 1998: Neues Verwaltungsgebäude Fraunhofer-Gesellschaft. Der Neubau wird in Sendling-Westpark (Garmischer-, Hansastraße, Josef-Rank-Weg und Bahngleis) errichtet mit 500 neuen Arbeitsplätzen. Das Fraunhofer-Gelände mit dem neuen Verwaltungsbau und dem bestehenden Fraunhofer-Institut für Mikrosysteme und Festkörper-Technologien wird weiter versiegelt: Damit werden über 50 Prozent verbaut. Auch der Grundwasserspiegel ist betroffen, und die meisten alten Bäume müssen gefällt werden.17

September 1998: Schlüsselübergabe. In der leeren Halle 7 übergab Messe-Chef Manfred Wutzlhofer am 15.9.1998 den symbolischen Schlüssel an OB Christian Ude und Kommunalreferentin Gabriele Friedrich (Grüne). Die alte Messe begann 1904 als „Verein Ausstellungspark“, 1908 wurde das Messegelände eröffnet. Bis auf die drei denkmalgeschützten Hallen 3, 5 und 7, das Kongressgebäude und den Sitz der Gesellschaft für Handwerksmessen (GHM-Villa) werden alle anderen Gebäude abgerissen. Die Investoren zögern, angeblich wegen der hohen Preise, welche die Stadt verlangt.18

Oktober 1998: Eröffnung des Internationalen Congress Centrum München. Das ICM wurde am 9.10.1998 mit rund 2000 Gästen eröffnet. Der erste Kongresssaal befand sich im Deutschen Museum. 1953 wurden die Kongresshalle der nunmehr alten Messe auf der Theresienhöhe gebaut sowie einige Tagungsmöglichkeiten auf dem Olympiagelände. 1985 wurde der Gasteig eröffnet, 1993 das Münchner Order-Center (MOC).19

Oktober 1998: Bebauung Panzerwiese. An der Ingolstädter Straße im Osten fand im Oktober 1998 das Richtfest für 82 Genossenschafts-Wohnungen statt. Im Westen an der U-Bahn-Station Dülferstraße ist das erste Grundstück verkauft worden. Die Zeitung Stern und die Bausparkasse Schwäbisch-Hall veranstalteten mit der LH München den Architekturwettbewerb „Wohnen in der Stadt“ für die Panzerwiese: Die Ergebnisse wurden Anfang November 1998 in der Obersten Baubehörde (am Franz-Josef-Strauß-Ring 4) vorgestellt20

November 1998: Messe-Verkehrschaos. Nach Eröffnung der Messe Riem zählte Aschheim in der Ortsmitte 34.000 Fahrzeuge täglich. In anderen Umlandgemeinden sah es ähnlich aus. Deshalb trafen sich Aschheim, Feldkirchen und Unterföhring mit Vertretern von Stadt und Landkreis München, der Bezirksregierung und dem Innenministerium. Man erörterte drei mögliche Nordost-Verbindungen. Die Bürgermeister von Aschheim und Dornach bevorzugten eine Ortsumgehung. Unterföhrings Bürgermeister kündigte heftigsten Widerstand gegen eine Kreisstraße M3 an, die den Verkehr von München bewältigen sollte.21

November 1998: Entmietungen im Lehel. In der Kanalstraße 14 wird das Erdgeschoss entkernt und damit die Sicherheit des Hauses bedroht. Seit 1996 fand ein dreimaliger Eigentümerwechsel statt. In dem denkmalgeschützten Haus wohnen viele Mieter seit der Nachkriegszeit. Mieter, die wegen der kaputten Fenster ihre Miete reduzierten, wurde mit Klage gedroht. Von 14 Wohnungen wurde gerade die zweite frei, renoviert und statt für 800 für 2400 DM neu vermietet. In der Liebherrstraße 8 wurden die Mieter mit einer „kalten Entmietung“ bedroht. Mitte 1998 begannen unangemeldete Sanierungsarbeiten mit Verstößen gegen die Sicherheit der Mieter, gegen Denkmalschutz, gegen Umweltschutz. Die LBK hat bereits zweimal eingegriffen, um Mängel abzustellen. Die Mieter erlitten persönliche Angriffe durch die Eigentümer, die ausgezogen sind. Von 17 Wohnungen sind noch 13 bewohnt. Die Eigentümer haben bereits Abgeschlossenheitsnachweise für die Wohnungen beantragt, die verkauft werden sollen. Wolfgang Püschel, der SPD-Fraktionssprecher im BA Altstadt/Lehel, berichtete von ähnlichen Vorgängen in anderen Häusern der Kanalstraße, der Triftstraße und der Mannhardtstraße: Hier wurde gegen den Eigentümer ein Bußgeld verhängt. Püschel sieht die Struktur im Lehel in Gefahr, weil es viele Leute in München gibt, die höhere Mieten zahlen können.22

Dezember 1998: Die IHK und der Dampfkochtopf. Heinrich Traublinger, Bäckermeister, Münchner Stadtrat (1972-1986), MdL (CSU, 1986-2008), Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern (1994-2014), äußerte im SZ-Interview zu einem unerwarteten Plus bei der Gewerbesteuer von 800 Millionen DM, dies sei nicht das Verdienst von OB Christian Ude und seiner rot-grünen Koalition, sondern dieses ergebe sich aus der Zeit vor ihm. Auf Nachfrage der SZ erwähnte Udes Vorgänger Georg Kronawitter, der Traublinger noch weit mehr suspekt war als der Nachfolger Ude. Traublinger machte sich über Kronawitters „Dampfkessel-Theorie“ lustig, die München den Stillstand gebracht hätte, nun aber überwunden sei. Die im Vorfeld der Tunnelbauten am Mittleren Ring vorgenommene Gewerbesteuer-Erhöhung müsse zurückgenommen und die Tunnels schnell gebaut werden, die Verkehrserschließung der Neuen Messe müsse vorgezogen werden, und die Stadt müsse weiter investieren, um die Arbeitsplätze hier ansässiger unternehmen zu sichern.23
Kronawitter antwortete daraufhin in einem Leserbrief: In seiner Amtszeit von 1984 bis 1993 sei die Zahl der Arbeitsplätze um über 50.000 gestiegen; die Stadt habe jedes Jahr weit über eine Milliarde DM investiert – 1992 und 1993 sogar zwei Milliarden. Es seien auch nicht massenhaft Betriebe aus der Stadt vertrieben worden. Von 1984 bis 1993 seien über 56.000 Wohnungen gebaut worden. Nach der Grundsteinlegung für die Neue Messe München dankte IHK-Präsident Dieter Soltmann Kronawitter: „Herr Alt-Oberbürgermeister, wir möchten Ihnen heute ausdrücklich danken. Sie haben die Verlagerung der Messe nach Riem politisch durchgekämpft, ohne Sie gäbe es heute keine Grundsteinlegung.“24
Seine „Dampfkessel-Theorie“ fand Kronawitter nicht mehr erwähnenswert.

Dezember 1998: Straßenbau durch Messe-Verkehr (1). Die Baumaschinenmesse Bauma im April 1998 bekam den Spitznamen „Stauma“. Zwischen Haar, Feldkirchen, Aschheim und der Messe herrschte Stillstand. Folgende Straßenprojekte und -pläne zog die Messe in Riem nach sich: Weiterbau der Staatsstraße 2082 neu zwischen A 99 und A 94, Verlängerung der M 1 von der A 94-Auffahrt Feldkirchen-Ost zur B 471, dritte Fahrspur auf der A 94 von Feldkirchen-West zum Ostkreuz, der Neubau der B 388 bei Fischerhäuser, der vierspurige Ausbau des Föhringer Rings, die umstrittene Nordost-Verbindung von Neu-Riem mit 9000 Wohnungen und 15.000 Arbeitsplätzen mit dem Münchner Norden eine Parallelstraße zur A 94 (B 471-Verlegung) hinter Feldkirchen parallel zur A 99 bis zur jetzigen B 471. Der damalige Innenstaatssekretär Alfred Sauter (CSU) hatte den Kommunen hier einen Zuschuss von „50 Prozent plus X“ versprochen. Weitere Ausbaumaßnahmen der Kommunen: neue Gewerbegebiete in Kirchheim, Ausbau von Gewerbegebieten in Aschheim, neues Gewerbegebiet in Feldkirchen, Technopark II in Grasbrunn.25

  1. Flottau, Jens, Investor dringend gesucht, in SZ 12.1.1998 []
  2. Müller, Frank, Zwei Stadion-Entwürfe – sechs Varianten, in SZ 6.2.1998 []
  3. Neue Messe nach dreijähriger Bauzeit eröffnet, in SZ 132.2.1998 []
  4. Die alte Messe hat bald ausgedient, in SZ 27.2.1998 []
  5. Münster, Thomas, Eisenbahner wollen nicht Bonn sanieren, in SZ 14.3.1998 []
  6. Münster, Thomas, Das Happy End eines Mieter-Dramas, in SZ 7.4.1998 []
  7. DPA, Mieterbund fordert neue Wohnungen, in SZ 27.4.1998 []
  8. Müller, Frank, Faltlhauser: Der Freistaat ist der Motor für München, in SZ 28.4.1998 []
  9. Wörl, Volker, Ein Standort mit viel mehr Stärken als Schwächen, in SZ 6.5.1998 []
  10. „Immer weniger Sozialwohnungen“, in SZ 12.5.1998 []
  11. Haas, Marianne E., Wohn-Oase im Zentrum, in SZ 27.5.1998 []
  12. München und Umland haben gleiche Interessen, in SZ 28.5.1998 []
  13. Plöchinger, Stefan, Im Landkreis herrscht Mangel an Bauland, in SZ 13.6.1998 []
  14. Richter, Peter, Denkmalschützer schlagen Alarm, in SZ 23.6.1998 []
  15. Preiswerte Wohnungen bleiben Mangelware, in SZ 6.7.1998 []
  16. Miosga, Manfred, Die Hausarbeiten wurden bravourös erledigt, in SZ 15.7.1998 []
  17. Storz, Alexander, Fragen zum Hochhaus, in SZ 28.7.1998 []
  18. Grill, Michael, Den Schlüssel hat jetzt der OB, in SZ 16.9.1998 []
  19. Dürr, Alfred, München steigt in die „Champions League“ auf, in SZ 12.10.1998 []
  20. Dürr, Alfred, Die Wohnqualität des Umlands nach München holen, in SZ 28.10.1998 []
  21. Seit der Messe-Eröffnung ein „irrer Verkehr“, in SZ 25.11.1998 []
  22. Dötsch, Kerstin, Dem Trend zum Luxusviertel stehen die alten Bewohner im Weg, in SZ 27.11.1998 []
  23. Berth, Felix, Rot-Grün – gut für die Wirtschaft? In SZ 4.12.1998 []
  24. Kronawitter, Georg, Die Fakten sprechen für sich, in SZ 22.12.1998 []
  25. Sebald, Christian, Der Infarkt ist ausgeblieben, in SZ 30.12.1998 []
Moloch München Eine Stadt wird verkauft

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