Moloch München Eine Stadt wird verkauft

Mai 2023

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Aktualisiert am 17.6.2023

Nicht vergessen: Für Bürgerentscheid HochhausSTOP stimmen und Unterschriften sammeln: hier

Ältere Häuser mit Wertverlust. Die Vorgabe der Ampel-Koalition, dass ab 1.1.2024 möglichst jede neue Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien laufen soll, hat den Wert unsanierter, älterer Häuser gesenkt. Außerdem halten such Käufer zurück. Eigentümer befürchten Wertverlust und hohe Investitionskosten durch neue Heizungen. Von Poll Immobilien in Frankfurt konstatierte verlängerte Vermittlungsfristen bei Immobilien, da auch Handwerkerpreise gestiegen und Lieferkettenprobleme unkalkulierbarer geworden sind. Hausbesitzer sind verunsichert, wie sie mit der bestehenden Heizung umgehen sollen, ob Wärmepumpen ausreichen, wo es Zuschüsse gibt und wer die Heizungen liefert und wer sie einbaut. Kaufinteressen für Immobilien benutzen diese Unsicherheiten, um den Preis zu drücken. Mathias Wahsenak ist Sprecher der Geschäftsführung der LBS Immobilien GmbH in Potsdam und verwies auf die nach wie vor wichtige Lage der jeweiligen Immobilie: Eine schlecht sanierte Immobilie in guter Lage sei deutlich wertstabiler als eine gut sanierte Immobilie in unattraktiver Lage.1
Neue Heizungen ab 1.1.2024: was für ein offensichtlicher Pfusch aus dem Ministerium von Robert Habeck!

Grünflächen versus Wohnungsbau. Das Bürgerbegehren Grünflächen erhalten hat natürlich auch Konsequenzen. Wie das Planungsreferat mitteilte, sind folgende Projekte betroffen: – „Wohnen an der Parkmeile Neuaubing“ (ca. 500 Wohnungen auf ausgewiesener Grünfläche); – Fünfter Bauabschnitt Messestadt Riem (ca. 2500 Wohnungen auf Ackerfläche); – Heltauer Straße (ca. 1500 Wohnungen; von 16 ha sind elf ha als Grünfläche deklariert); – Friedrichshafener  Straße (u. a. 70 Wohnungen auf ausgewiesener Grünfläche); – Stephensonplatz (Seniorenpflegeeinrichtung mit maximal 355 Betten auf Brache); – Trambahnbetriebshof Fröttmaning, knapp die Hälfte als Grünfläche klassifiziert). Das Planungsreferat schlägt (natürlich) die Fortsetzung der Pläne vor, ungeachtet des Bürgerbegehrens.2
Vgl.: Grünflächen erhalten

Glänzende grüne Banken. Unter dem Titel „Glossy Green“ Banks nahm ein Forscherteam rund 500 europäische Banken unter die Lupe. Ergebnis: Die Banken warben oft mit den Begriffen Klimaschutz, Klimaneutralität und Nachhaltigkeit, vergaben aber zur selben Zeit Kredite an Firmen, die gerade gegen diese hehren Ziele verstießen.3
Von daher empfiehlt sich auch Misstrauen gegenüber den „Green Buildungs“: ein Attribut, ohne das kaum noch ein Investor auskommt und das den Abriss alter Gebäude rechtfertigt und oft nur ein Greenwashing gegenüber den angeblich so ökologischen Neubauten ist.
Vgl.: Gedanken zu Bauen als Zerstörung

Abriss des Denkmals Starnberger Bahnhof. Der Starnberger Bahnhof wurde 2010 unter Denkmalschutz gestellt. Nun soll er trotzdem abgerissen werden und einem Bürohochhaus der deutschen Bahn mit 69 Meter weichen. Der SPD-Fraktionschef Christian Müller ist begeistert: „Ich finde die Pläne der Bahn gut.“ Der Grünen-Stadtrat Paul Bickelbaccher hofft bescheiden, dass in der zweistöckigen Tiefgarage auch Fahrräder abgestellt werden. Karl Hofmann von der Initiative Münchner Architektur und Kultur, die sich immer noch gegen den Abriss wehrt, bezeichnete das Hochhaus als „Grauen pur“.4
In einem Kommentar schrieb Thomas Müller, stellvertretender Chefredakteur der Abendzeitung, zum geplanten Abriss: „Stolz braucht keiner auf das Ergebnis zu sein, ein denkmalgeschätztes und -würdiges Objekt abzureißen, die  Stadtplaner nicht, die Stadtgestaltungskommission sowieso nicht, die Bahn erst recht nicht, und auch nicht die seltsam stillen Denkmalschützer. Die halbgare Rechtfertigung der Stadtplaner: Die Unterschutzstellung 2010 sei ja erst nach dem Start des Planungsverfahrens erfolgt – und daher nicht bindend Eine eigentümliche Rechtsauffassung im Umgang mit denkmalgeschützten Kulturgütern, die denkmalschutzrechtlich – eine Denkmaleigenschaft besteht in Bayern kraft Gesetz – unhaltbar ist.“5
Man könnte naiv meinen, diese Argumentation würde den Stadtplanern noch auf die Füße fallen: Dabei könnte es genauso gut eine Absicht sein, wie der Denkmalschutz künftig umgangen werden kann.

Künftige Hochhäuser wird der Weg bereitet. Die Hochhausstudie, mit der das Planungsreferat von Stadtbaurätin Elisabeth Merk das Architekturbüro arch03 beauftragt hatte, sollte am 3.5.2023 vom Stadtrat durchgewinkt werden. Nun wollen die Fraktionen der Grünen, der SPD und der CSU doch noch beratschlagen, ob die Vorschläge der Studie so angenommen werden: obwohl alle drei Fraktionen die Studie grundsätzlich begrüßen.
Vgl.: Hochhausstudien, HochhausSTOP, Paketposthalle

Fazit BN München: Wo ist all der Mut geblieben? Hans Greßirer, stellvertretender Vorsitzender der BN-Kreisgruppe München, zieht nach drei Jahren grün-roter Rathaus-Koalition eine Halbzeit-Bilanz: „Uns war schon klar, dass nicht alles im gleichen Umfang so zu realisieren ist, dass die Bilanz bisher aber doch so dürftig ausfällt, das hat uns sehr ernüchtert.“ Im Koalitionsvertrag 2020 hieß es noch: „Mit Mut, Visionen und Zuversicht: Ganz München im Blick.“ Eine Auswahl: Im Bereich Planungsverfahren und Biodiversität wurde keine vereinbarte Flächenbilanz erstellt noch Frischluftschneisen dauerhaft geschützt. Auch die Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten stockt. Die Bauvorhaben Eggarten und Paketposthalle können nur negativ bewertet werden. Das Ziel des Baumerhalts schlägt sich nicht in der realen Bilanz nieder. Ein echter Bruch des Koalitionsvertrags ist der BMW-Autobahntunnel.6
Vgl.: Schleißheimer Straße – A 99

Einbrechender Immobilienmarkt. Nach einer Auswertung des Verbandes Deutsche Pfandbriefbanken (VDP) lagen die Preise für Häuser und Wohnungen im ersten Quartal 2023 erstmals seit Langem niedriger als im Vorjahr. Im Schnitt sanken sie um 2,1 Prozent, in den großen Städten um 1,4 Prozent. Grund dafür seien die Zinserhöhungen der europäischen Zentralbank: Der Leitzins steht inzwischen auf 3,75 Prozent. Die Inflation liegt laut Statistischem Bundesamt bei 7,2 Prozent. Die Verunsicherung auf dem Markt ist groß, nicht zuletzt durch die Vorgaben für neue Heizungen. Für unsanierte Altbauten werden die Sanierungskosten vom Kaufpreis abgezogen. Bei Gewerbeimmobilien sanken die Kaufpreise innerhalb eines Jahres um 7,5 Prozent, für Einzelhandelsflächen sogar um 10,5 Prozent.7
Hallo, die Investoren René Benko und Ralf Büschl: viel Spaß beim Investieren!

Zweite HVB-Zentrale. Die Bank baut nach Plänen von Sauerbruch Hutton Berlin am Leuchtenbergring eine neue HVB-Bankzentrale. Sauerbruch Hutton hat in München u. a. auch die ADAC-Zentrale und das Brandhorst-Museum geplant. Das HVB-Hochhaus hat 60 Meter und 14 Vollgeschosse und die heute üblichen Aperçus wie hybride Bauweise und jede Menge Photovoltaikflächen. Allerdings auch eine dunkle Fassade, die zur Selbstaufheizung neigt. Stadtbaurätin Elisabeth Merk begrüßte das Vorhaben.8
Wie auch sonst.

Moloch München und der Autobahnausbau. Der von der Ampel-Koalition beschlossene beschleunigte Autobahnausbau mit 144 Infrastrukturprojekten betrifft auch die bayerischen Autobahnen rund um München. So soll die A 8 südlich von München bis nach Österreich ausgebaut werden: Die Kosten hierfür lagen 2017 schon bei 1,8 Milliarden Euro, also bei Baubeginn vermutlich weit über zwei Milliarden Euro. Laut BUND Naturschutz würde der sechs- und teilweise sogar achtspurige Ausbau der A 8 bei Traunstein/Siegsdorf sensible Moor-Schutzgebiete am Chiemsee zerstören und einen Biotopverbund verhindern. Der BN fordert deswegen ein Ende der Straßenbau-Orgien, die für noch mehr Verkehr sorgen und will eine konsequente Förderung des öffentlichen Verkehrs. Laut BN-Landesbeauftragten Martin Geilhufe will der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) noch weitere Straßenbauprojekte nach Bayern holen: Damit wirkt er als Zerstörer bayerischer Landschaften. Und am Mittleren Ring in München bilden sich dann neue Engstellen.9
Hierzu ein kleiner Rückblick. In meinem 2007 erschienenen Buch Rasen im Treibhaus – Warum Deutschland ein Tempolimit braucht habe ich auf die Tatsache hingewiesen, dass Tempolimits die Kapazitäten von Autobahnen erhöhen. Diese inzwischen fast unbeachtete und nicht zufällig in Vergessenheit geratene Tatsache wurde bereits 1959, also vor nunmehr 64 Jahren, von dem Verkehrswissenschaftler Professor Gerhard Schramm thematisiert: „Die Leistung einer auf allen Fahrspuren stark belasteten Schnellverkehrsstraße (z.B. Autobahn) sinkt bei Geschwindigkeiten über 60 km/h merklich … Und bei sorgfältiger Erwägung aller Umstände dürfte für stark belastete Autobahnen die oberste Grenze von 120 km/h richtig sein. Auch hier ergibt sich wieder die angenehme Begleiterscheinung, dass der Verkehr sich glatter abwickelt (weniger Überholungen) und dass die Anzahl und die Schwere der Unfälle geringer werden. Es ist eigenartig, dass man sich in Deutschland bisher immer noch nicht hat entschließen können, aus der Erkenntnis der Beziehung zwischen Straßenleistung und Geschwindigkeit diese nahe liegende Folgerung zu ziehen. In anderen Ländern – besonders in den USA – hat man es dagegen längst getan.“10
Fazit: Eine Autobahn hat bei Tempo 80 km/h die größte Kapazität. In Deutschland darf nach wie vor gerast werden – zu Lasten der Aufnahme-Kapazität. Ein Tempolimit von 120 km/h wie in der Schweiz würde sofort die Kapazität der Autobahnen erhöhen – ohne naturschädigenden und beschleunigten Ausbau für Milliarden Euro. Es ist schwer, diesen Wahnsinn zu verstehen im Zeitalter der Klimakatastrophe.

Von der Herzogstraße 84 zur Herzogstraße 86. Eigentümer der Herzogstraße 86 ist eine Erbengemeinschaft, die dort lukrativer umbauen will: Wohnungen sollen umgestaltet und Dachgeschosse ausgebaut werden. Die Werkstatt des dort tätigen Goldschmieds sollte Wohnraum werden. Das BLfD hat das Areal nun überprüft: Nicht nur das Vorderhaus hat Denkmalstatus, sondern auch das Rückgebäude mit der Nutzung als Werkstatt- und Wohngebäude. Daraufhin lehnte auch der BA die Baupläne zum zweiten Mal ab. Die LBK wird nun endgültig entscheiden.11
Ehrlicherweise sollte man solche „Erbengemeinschaften“ umbenennen in „Wir-wollen-Geld-sehen-Gemeinschaften“.
Kleiner Rückblick, Februar 2023:
Der skandalöse Neubau eines Rückgebäudes in der Herzogstraße 84 hat wohl auf die Herzogstraße 86 ausgewirkt. Deren Eigentümerin ist 2020 gestorben: Nun gehört das Areal der Thurner Verwaltung GmbH, München, und der Herzog Hausverwaltung GmbH, Pöcking als Erbengemeinschaft. Als deren Vertreter fungieren Vincent Dowry (22 Jahre alt) und Christian Lealahabumrung, der Geschäftsführer der Rock Capital Group. Wegen letzterer bestehen Vermutungen, dass es sich um einen Share Deal handeln könnte; dem widerspricht die Erbengemeinschaft.
Das Vorderhaus von 1899 steht unter Denkmalschutz. Nun kommt auf die Bewohner der elf Wohnungen im Vorderhaus und der fünf Wohnungen im Hinterhaus eine Sanierungswelle zu. Auf der Sitzung des BA Schwabing – West wurden die Umbaupläne erörtert: Änderung von Grundrissen, Einreißen von Wänden, Neuaufteilung der Wohnungen. Die Mieter vermuten Umbauten in Richtung Luxussanierung. Der BA Schwabing – West lehnte die Pläne ab. Das BLfD will nun auch das Rückgebäude begutachten.12

Baugenehmigungen im Keller (1). Einbrechende Neubauten. Im ersten Quartal 2023 hat das Statistische Landesamt einen Rückgang der Wohnungsbaugenehmigungen in Bayern um 28,9 Prozent festgestellt (total 15.277); in ländlichen Gebieten waren es sogar 40 Prozent. Bei Einfamilienhäusern betrug der Rückgang 27,7 Prozent, bei Zweifamilienhäusern sogar 60 Prozent. Viele potentielle Bauwillige haben ihre Baupläne beendet oder verschoben.13

Baugenehmigungen im Keller (2). In Bayern fehlen 200.000 Wohnungen, und 2024 würden die Fertigstellungszahlen weiterzurückgehen, äußerte Hans Maier vom VdW Bayern. Im VDW sind vor allem genossenschaftliche und kommunale Unternehmen organisiert. 62.865 Häuser und Wohnungen wurden im vergangenen Jahr im Freistaat fertig gestellt, 3,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Mehr als die Hälfte davon hatten Heizsysteme mit regenerativen Energien. 864 Millionen Euro als Wohnbauförderung seien vom Freistaat investiert worden, und 2024 würde über eine Milliarde Euro investiert, so der bayerische Bauminister Christian Bernreiter (CSU). Laut Landesverband Bayerischer Bauinnungen rauschten die Baugenehmigungen in den Keller; jeder zweite im Hoch- und Wohnungsbau tätige Betrieb beklage schlechte Geschäfte. Gründe für die Verteuerung der Bauten sind Fachkräftemangel, hohe Baustoffpreise, eine komplizierte Bürokratie und Baukreditzinsen um die vier Prozent.14

Einstürzende Baugenehmigungen. Das Statistische Bundesamt meldet für März 2023 nur noch 24.500 Baugenehmigungen für Wohnungen, das sind knapp 30 Prozent weniger als im März 2022. Im ersten Quartal 2023 waren es 68.700 Baugenehmigungen (minus 25,7 Prozent). Grund sind u. a. hohe Kosten für Baumaterialien und die hohen Kreditzinsen. 2023 schätzen die Statistiker die Zahl der fertiggestellten Wohnungen auf rund 250.000.Die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser ging auf 14.300 zurück (minus 31,1 Prozent), für Zweifamilienhäuser auf 4100 (minus 51,9 Prozent). Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) fordert vom Bund ein Kreditprogramm mit zwei Prozent Zinsen.15

Moloch München leuchtet nicht mehr, aber strahlt aus. „Vor allem im Großraum München – der längst bis nach Augsburg, Landshut oder Rosenheim ausstrahlt -, sind die Bodenpreise in den vergangenen Jahren stark gestiegen.“14

Moloch Basel: Nachrichten aus einer anderen Stadt. Am 18.5.2023 habe ich eine Tramperin mitgenommen, die aus Basel stammt. Ich sagte, Basel sei eine schöne Stadt. Sie erwiderte, dass Basel mal eine schöne Stadt war. Inzwischen bestimmt die Chemieindustrie respektive der Konzern Roche, wie das Stadtbild aussieht (z. B. dritter Hochhausturm vom Büro Herzog & de Meuron, Basel, sieht den Büschl-Türmen verblüffend ähnlich; siehe unten). Und jede Menge alter Häuser würden von Investoren abgerissen.16
Aus Wikipedia, Herzog & de Meuron: „Für den Pharmaziekonzern Roche entwarfen Herzog & de Meuron in Basel ein Hochhaus von 154 Metern. Dessen Gebäudeform sollte an die Doppelhelix erinnern. Das Projekt wurde von Roche zurückgezogen. Ein neuer Entwurf für das Bürogebäude, das nunmehr 178 Meter erreichen sollte, wurde am 17. Dezember 2009 von Roche bekanntgegeben. Dieser sogenannte Roche-Turm, ebenfalls von Herzog & de Meuron entworfen, wurde 2015 fertiggestellt. (…) Ein zweiter, 205 Meter hoher Roche-Turm wurde seit 2017 erbaut und im September 2022 fertiggestellt. Auch der Entwurf für diesen Turm stammt von Herzog & de Meuron. Ende 2020 wurde bekannt, dass statt „drei kleinerer Büroturme mit max. 130 Metern Höhe, Roche mit einem neuen einzelnen Turm liebäugelt“. Bereits in der Planung war das Hochhausprojekt umstritten. Nicht nur wegen der städtebaulichen Auswirkungen, sondern auch aus denkmalpflegerischen Gründen und nicht zuletzt weil der gewaltige Hochhauskomplex mit dem dritten Roche-Turm als visuelle Machtdemonstration des weltgrößten Pharmakonzerns empfunden wird.“

„Greix“ soll Klarheit schaffen. Der German Real Estate Index „Greix“ soll in Zukunft feststellen, was eine Immobilie wert ist. (unter Greix.de) Das hat ein Team um Moritz Schularick von der Universität Bonn vorgestellt. In insgesamt 18 Städten haben die Wissenschaftler dafür rund eine Million Transaktionen, d.h. Immobilienverkäufe, analysiert. Schularick und sein Team haben auf die Daten des Statistischen Bundesamts und den sogenannten Häuserpreisindex zurückgegriffen. Die Preise sind in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen, im Städtevergleich aber auch oft sehr unterschiedlich. In Berlin gab es 160 Prozent Steigerung seit dem Jahr 2000: von etwa 1750 pro qm Eigentumswohnung auf über 5500 Euro im Jahr 2022. In München lag die Steigerung bei etwas über 2600 auf 10.000 Euro. Hier war die Steigerung auch in der Stadt unterschiedlich: 8500 Euro in Milbertshofen oder Moosach, mehr als 13.500 Euro in der Altstadt oder Maxvorstadt.17

Thalkirchner gegen Neugestaltung des Klinikviertels. Auf einer Diskussionsveranstaltung der Stadt zur Neugestaltung des Thalkirchner Klinikviertels wurden die geplanten Veränderungen auf dem drei Hektar großen Areal „Am Isarkanal“ einhellig abgelehnt. Die geplanten Gebäudehöhen bis zu 48 m wurden ebenso kritisiert wie Fragen der Verkehrsregelung und zur Regelung des Baumbestandes. Vor allem die Errichtung zweier Wohntürme stieß auf Kritik. Schon aus Rentabilitätsgründen sei damit zu rechnen, dass zumindest einer der Türme letztlich zum Hort teurer Eigentumswohnungen mutiere, und nicht nach sozialen Kriterien an Krankenhausbedienstete vergeben werde, hieß es. Dazu kamen große Befürchtungen vor negativen Folgen der Planungen für die Frischluftschneise und das Grundwasser des Viertels.18

Pläne gegen die Zweckentfremdung von Wohnungen. 404 zweckentfremdete Wohneinheiten hat die Stadt München 2022 für den regulären Wohnungsmarkt gerettet: etwa der Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Der Wert könnte höher liegen wie Sozialreferentin Dorothee Schiwy mitteilte. Dazu müsste der Gesetzgeber aber mehr Handhabe schaffen. Jeweils 166 Wohnungen fielen unter illegalen Leerstand und illegale Ferienwohnung. Kriterien sind: längerer Leerstand als drei Monate oder mehr als acht Wochen im Jahr komplett als Ferienwohnung vermietet. Im März 2022 hat die Stadt Zwangsgelder in Höhe von 625.000 Euro angedroht und 140.000 Euro für fällig erklärt. Auch die Möglichkeit des Bußgeldes besteht. In ihrer Vorlage stellte Schiwy zehn Forderungen an den Gesetzgeber, darunter auch besseren Schutz der Mieterinnen und Mieter beim Abriss von bestehendem Wohnraum.19

Zum drohenden Abriss in der Karlingerstraße: Bürgersprechstunde und Sitzung des Bezirksausschusses. Thema: Verbesserung des Mieterschutzes für die Karlingerstraße; Wann: Montag, 22.05. ab 18:45 Uhr (Bürgersprechstunde) ab 19:30 Uhr (Bezirksausschuss); Wo: Alter Wirt in München, Sitzungssaal, Dachauer Straße 274

Harte Zeiten für Mieter. Der Verbandspräsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, rechnet mit deutlich steigenden Mieten und noch mehr überforderten Haushalten. Die kommenden Mietsteigerungen würden die Lohnsteigerungen übertreffen. Die Zahl derer, die mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für die Miete aufwenden müssen, wird in den kommenden Jahren auf weit über fünf Millionen Haushalte steigen. Es werden zu wenige Wohnungen gebaut und vor allem auch zu wenig Wohnungen für jene, „die sie am dringendsten benötigen“. 2022 wurden 295.300 Wohnungen gebaut; gleichzeitig ging die Zahl der Baugenehmigungen auf 354.200 zurück.20

Keine 400.000 Wohnungen. Die Ampel-Koalition hat für 2022 den Neubau von 400.000 Wohnungen angestrebt: Es wurden 295.300. Die wird wohl auch für 2023 der Fall sein, so Experten. Gründe sind hohe Kosten durch gestiegene Baumaterialien, Preissteigerungen durch Inflation, höhere Zinsbelastungen. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) kündigte neue Förderprogramme in Höhe von 350 Millionen Euro für junge Familien zum 1.6.2023 an: Diese sollen zinsvergünstigte Kredite zwischen 140.000 und 200.000 Euro erhalten. Dazu soll ein Programm mit 500 Millionen Euro den Wohnraumbau für Studenten und Azubis erleichtern.21

Ausflug nach Frankfurt. Auch hier waren die Wohnimmobilienpreise auf einem sehr hohen Preisniveau, auch hier sinken die Preise merklich. Neben den gestiegenen Baukreditzinsen ist auch die Verunsicherung bei den Wohnnebenkosten spürbar. Der Verband Deutscher Pfandbriefbanken stellte für Frankfurt einen Preisrückgang von 6,4 Prozent fest: In anderen deutschen Großstädten lag er zwischen 2,3 und 3,8 Prozent.22

Baubranche schwächelt. Durch stark gestiegene Baupreise ist der Auftragseingang im Baugewerbe im März 2023 im Vergleich zum Vorjahr um etwa 20 Prozent zurückgegangen. Der Umsatzanstieg auf etwa neun Milliarden Euro (plus 5,7 Prozent) ist auf gestiegene Preise zurückzuführen (preisbereinigt ein Minus von 8,2 Prozent).23

Münchner Mieterverein zeigt Münchner Wohnungsnot. Die jährliche Informationstour des Mietervereins zeigte u. a. die Bedrohung der Mieter durch den Umbau zu Luxuswohnungen. So etwa im Anwesen Klenzestr. 15, das 39 Jahre im Familieneigentum war. 2020 wurde das Haus verkauft, seitdem noch zwei Mal. Die Eigentümer haben wollen das Haus nun sanieren und ausbauen: u. a. mit einer Luxuswohnung mit Dachterrasse und einem Aufzug. Für die verbliebenen acht Bestandsmieter wird das Haus dann wohl unerschwinglich werden. Es wird zur sogenannten “Verwertungskündigungen“ kommen, welche die Mietervereinsvorsitzende Beatrix Zurek für rechtlich kaum durchsetzbar hält. Das Eigentümer-Ehepaar hat laut Angaben ihres Rechtsanwalts Claudius Artz ein zweites Wohnhaus in der Klenzestraße weiter südlich gekauft und die Bewohner der Klenzestraße 15 gefragt, warum sie ihre Wohnungen nicht selber kaufen würden.
In der Wörthstraße 8 wollen die Mieter selbst die eine Hälfte kaufen; die andere gehört einer Schweizer Stiftung mit „Nachhaltigkeitsanspruch“. 2,25 Millionen Euro hat die Mietergemeinschaft zurzeit schon eingesammelt: 3,25 Millionen Euro sind nötig.
Die Freimanner Studentenstadt wirkt unbelebt. Nach einem Brand im “Roten Haus“ im Februar 2021 wurden die übrigen Großbauten wegen mangelhaftem Brandschutz für unbewohnbar erklärt. Knapp 1300 Wohnungen stehen leer. Das liegt auch daran, dass der Freistaat nur 40.000 Euro pro Wohnplatz zuschießt, die Sanierung aber mindestens 120.000 Euro koste. Die Studenten beurteilen den Auftrag an die staatliche BayernHeim kritisch, die bis 2028 für 150 Millionen Euro insgesamt 1056 Wohnplätze sanieren soll. Eine Studie der TUM hat gezeigt, dass sich ohne zusätzliche Versiegelung die Siedlung von 2500 auf 4500 Wohnplätze ausbauen.24.

ZDF widmet sich der Wohnsituation in Deutschland. In ihrer (neuen) Sendung „Am Puls“ untersuchte die Heute-Sprecherin Jana Pareigis „Wohn-Desaster und Immobilien-Wahnsinn“ in Deutschland. Dabei befragte sie eine Reihe von Menschen zu ihrer schwierigen und oft prekären Wohnsituation.25

Die Hofpfisterei leidet. Was haben die Müllerstraße, die Barer Straße und die Hohenzollernstraße gemeinsam? Es gibt dort keine Filiale der Hofpfisterei mehr. Die Hofpfisterei hatte insgesamt 127 Filialen, davon 88 in München. Davon werden weitere geschlossen. Teure Energie und Rohstoffe, aber auch kein Verkaufspersonal, obwohl die Großbäckerei im Internet und anderswo Mitarbeiter suchte. Für die Mieten im Moloch München reicht der Bruttolohn von 2406 Euro (umgerechnet ein Stundenlohn von 13,88 Euro) nicht. Und so macht in München ein Backbetrieb nach dem anderen zu.26 – Auch die Delikatessenkette Schlemmermeyer musste Filialen wegen Personalmangel schließen: Ende Mai hat der Betrieb einen Insolvenzantrag gestellt.27

  1. Nachfrageflaute bei älteren Immobilien, in spiegel.de 2.5.2023 []
  2. Hertel, Christina, Grün statt Wohnen, in Abendzeitung 2.5.2023 []
  3. Mariassunta Giannetti, Martina Jasova, Maria Loumioti, and Caterina Mendicino, “Glossy Green” Banks: The Disconnect Between Environmental Disclosures and Lending Activities, April 2023 []
  4. Hertel, C., Aus altem Bahnhof wird neuer Glaspalast, in Abendzeitung 3.5.2023 []
  5. Müller, Thomas, Des Dramas letzter Akt, in Abendzeitung 3.5.2023 []
  6. BN Kreisgruppe München, Wo ist all der Mut geblieben?, PM 4.5.2023 []
  7. Radomsky, Stephan, Immobilienpreise sinken erstmals wieder, in SZ 11.5.2023 []
  8. Dürr, Alfred, Das Aha-Effekt kommt erst bei längerem Hinschauen, in SZ 5.5.2023 []
  9. BN Landesgeschäftsstelle München, Beschleunigter Autobahnausbau bei München löst Stauproblem nicht, PM 5.5.2023; vgl. Mühlfenzl, Martin, Baustopp gefordert, in SZ 6.5.2023 []
  10. Schramm, Gerhard, Wie hängt die Leistungsfähigkeit einer Straße von der Fahrgeschwindigkeit ab? Straßenverkehrstechnik, in: „Straße und Autobahn“, Bielefeld, Juli 1959; zitiert in: Zängl, Wolfgang, Rasen im Treibhaus, München 2011, S. 10f []
  11. Hoffnung für den „Goldhannes“, in SZ 8.5.2023 []
  12. Draxel, Ellen, Goldhannes fürchtet den Rauswurf, in SZ 25.2.2023 []
  13. DPA, Wohnungsbau geht stark zurück, in SZ 5.5.2023 []
  14. Gerl, Maximilian, Es droht Wohnungsnot, in SZ 10.5.2023 [] []
  15. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/05/PD23_192_3111.html; Baugenehmigungen für Wohnungen brechen so stark ein wie zuletzt 2007, in spiegel.de 17.5.2023 []
  16. Bei meinem Besuch in Zürich im März 2023 bin ich erschrocken, wie viele der alten Villen am östlichen Zürichsee in jüngster Zeit abgerissen und in schicke Wohn-Investments verwandelt wurden: Moloch Zürich []
  17. Radomsky, Stefan, Was die Wohnung wirklich wert ist in SZ 16.5.2023 []
  18. Wolfram, Jürgen, Protest gegen Klinik-Konzept, in SZ 19.5.2023 []
  19. Krass, Sebastian, 400 Wohnungen aus der Zweckentfremdung geholt, in SZ 22.5.2023 []
  20. „Alles, was legal ist, wird an Mietsteigerungen in den nächsten Jahren ausgenutzt werden“, in spiegel.de 23.5.2023 []
  21. Slavik, Angelika, Ampel reißt Ziele beim Wohnungsbau, in SZ 24.5.2023 []
  22. In Frankfurt am Main fallen die Immobilienpreise besonders stark, in spiegel.de 24.5.2023 []
  23. Baubranche ringt um jeden Auftrag, in spiegel.de 25.5.2023 []
  24. Ruff, Julian, Münchens Mietbrennpunkte, in SZ 26.5.2023 []
  25. ZDF „Am Puls“, Montag 29.5.19.20 und ZDF-Mediathek []
  26. Hoffmann, Catherine, Hofpfisterei schließt Filialen, in SZ 31.5.2023 []
  27. Hofmann, René, Schlemmermeyer ist insolvent, in SZ 1.6.2023 []
Moloch München Eine Stadt wird verkauft

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