Moloch München Eine Stadt wird verkauft

2018

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Titelbild: © Oswald Baumeister / Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. []

Januar 2018: Zur Zukunft des Nordens. Am 8.1.2018 fand in Feldmoching eine Diskussion über die „Zukunft des Münchner Nordens“ vor mehr als 1000 Besuchern statt. Jeder Kommentar gegen die SEM-Politik der Stadt wurde gefeiert. Es gab Kritik, dass bei der SEM Nord gleichzeitig auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Insbesondere die möglichen massiven Eingriffe in die Landwirtschaft wurden verurteilt. SPD-Stadträtin Heide Rieke vertrat die offizielle Stadtpolitik: sich nämlich an einem künftigen Zuzug von 300.000 Neubürgern zu orientieren. Rieke hielt auch Enteignungen im Zusammenhang mit der SEM Nord in Einzelfällen für ein adäquates Mittel, wo Erschließung verhindert würde. Christian Hierneis vom BN München kritisierte die Wachstumsstrategie der Stadt – und deren Strategielosigkeit.1

Januar 2018: Auch Büroraum wird knapp. Im Münchner Stadtgebiet gab es 2006 bis 2013 einen Leerstand von ungefähr einer Million Quadratmeter Bürofläche. Anfang 2018 gab es nur noch etwa 250.000 Quadratmeter (1,9 Prozent): Bei ca. 25 Quadratmeter Büroraum pro Mitarbeiter entspricht das 10.000 Beschäftigten. Ein Grund war die Ausrichtung der hiesigen Bauträger auf den lukrativen Wohnungsbau. Dazu zogen viele zahlungskräftige Unternehmen wie Microsoft nach München und verknappen das Angebot. BMW, Google und IBM können sich locker neue Räumlichkeiten leisten, während kleinere Firmen oft wegen der gestiegenen Mieten ausziehen müssen. 2006 betrug die Durchschnittsmiete pro Quadratmeter in der Innenstadt 17,3 Euro, 2011 schon 19 Euro und 2017 um 25 Euro. Der Zuzug oder Zurückzug von Firmen nach München – trotz höherer Gewerbesteuer – hat laut einem Makler von PNB Paribas Real Estate mit der Personalsuche zu tun: Gute Leute würden einen guten Standort suchen – bevorzugt in neuen Gebäuden. Nun beginnt die Stadt auch bei Gewerbeflächen mit der Nachverdichtung – und mit der Ausweisung neuer Büroflächen.2

Januar 2018: Acker zu Wohnungen. An der Lerchenauer Straße im Südwesten, der Ponkratzstraße im Norden und der Lerchenstraße im Südosten sollen auf 23,8 Hektar 1600 Wohnungen für etwa 3700 Bewohner sowie eine Schule entstehen. Auf der Südseite sind zwei Fußballplätze, auf der Nordseite soll der Schulcampus mit Turnhallen und Sportplätzen auf 7,5 Hektar gebaut werden. Bauträger ist die Wohn Park Lerchenauer Feld GmbH & Co. KG, deren Eigentümer sind die Bayerische Hausbau der Schörghuber Gruppe und die Concept Bau: Beide haben in fünf Jahren 53 Prozent der Ackerfläche peu à peu von 58 Eigentümern gekauft; 47 Prozent gehören der LH München. Nach dem SoBoN-Modell müssen auf öffentlichem Grund 50 Prozent geförderter Wohnraum entstehen, auf privatem Grund 30 Prozent und zehn Prozent preisgedämpft. (2021 gelten folgende Prozentzahlen: „Auf privaten Flächen entstehen vom neu geschaffenen Wohnbaurecht 60 Prozent im geförderten und preisgebundenen Segment, 20 Prozent frei finanzierter Mietwohnungsbau und nur noch 20 Prozent frei finanzierte Eigentumswohnungen.“34
Architekt Albers aus Zürich gewinnt Wettbewerb 14.11.2019

Februar 2018: Elisabethmarkt soll Denkmal werden. Drei Anwälte haben beantragt, die Markthäuschen und Nebengebäude des Elisabethmarktes als Baudenkmal eintragen zu lassen. Dieser sei prägend für Schwabing und „dringend erhaltenswert“. Hinzu käme eine „Interessensverfilzung“: Die LH München genehmigt Abriss und Neubau, sei aber gleichzeitig Trägerin der Stadtsparkasse München, welche das südliche Grundstück bebaut: Dies sei ohne Abriss des Marktes nicht möglich. Für die Ausweisung als Denkmal ist das Landesamt für Denkmalpflege zuständig, seitens der Stadt die Untere Denkmalschutzbehörde.5
Vgl.: Elisabethmarkt

Februar 2018: Moosacher Wirtshaussterben. Nicht nur in Moosach sperren Wirtshäuser zu, aber hier gibt es drei drastische Fälle. Beim erstmals 1442 als „Täfernhaus“ erwähnten „Alten Wirt“ an der Dachauer Straße 274 kündigte Hofbräu München nach zehn Jahren dem Pächter. – Das „Dobmann’s“ an der Feldmochinger Straße 11 soll nun eine Kindertagesstätte werden. – Das „Gasthaus Spiegl“ in der Feldmochinger Straße 38 wurde 1849 als Bauernhaus erbaut, seit 1876 als Gasthaus genutzt und steht unter Denkmalschutz. Laut Planungsreferat liegt für den hinteren Teil ein Vorbescheid für ein Mehrfamilienhaus mit sechs Wohnungen vor. Die Pächter bekamen nach 31 Jahren von der Erbengemeinschaft die Kündigung: Seit Ende 2017 ist die Gaststätte zu.6
Nachtrag April 2021: Die Augustiner Brauerei hat 2019 das Gasthaus Spiegl gekauft. Zwei Scheunen werden für einen Biergarten abgerissen. Der angebaute Kuhstall wird zu einem Festsaal umgebaut. ((Anfang, Sophie, Umbau beim Spieglwirt in Moosach: Neuer Biergarten und Festsaal, in abendzeitung-muenchen.de))

Februar 2018: Freihamer Entwicklungen. Der erste Bauabschnitt im Osten und Süden soll 2024 fertiggestellt sein, der zweite im Nordwesten ist in Planung und wird dichter bebaut. Um 2038 sollen hier etwa in 10.000 Wohnungen 25.000 Menschen wohnen. Dazu wird ein Bildungscampus gebaut mit einer fünfzügigen Grundschule, einer fünfzügigen Realschule, ein sechszügiges Gymnasium, ein Förderzentrum, ein Sportpark, ein Stadtteilzentrum und 13 Kitas gebaut und 7500 Arbeitsplätze geplant. Der 58 Hektar große Landschaftspark soll 2022 zur Verfügung stehen.78

März 2018: Boden wird Mangelware. Natur- und Umweltschützer, die Grünen und die ÖDP hatten in Bayern das Volksbegehren Betonflut eindämmen – damit Bayern Heimat bleibt initiiert. Nun warnte die IHK für den Landkreis München vor negativen Folgen für die Betriebe im Fall einer Deckelung des Flächenverbrauchs. IHK-Sprecher Christoph Leicher: Es gäbe gar keinen „Flächenfraß“: „Unser Landkreis ist grün.“ Fast 80 Prozent der Flächen seien Natur oder von der Landwirtschaft genutzt. Im Landkreis München gingen jetzt schon die Flächen aus. Leicher sprach sich für eine Erhöhung des Baurechts und eine Abschaffung der Mindestgrößen für Grundstücke in Wohngebieten aus.9
Nachtrag: Am 17.7.2018 lehnte der Bayerische Verfassungsgerichtshof das Volksbegehren ab.

März 2018: Neubauten auf dem Optimol-Gelände. An der Friedenstraße auf dem ehemaligen Gelände der Optimol-Ölwerke wird nach Plänen des spanischen Büros Nieto Sobejano ein neuer, 32.000 Quadratmeter großer Bürokomplex mit einem 65 Meter hohen Turm gebaut. Eigentümer des bis 2021 fertiggestellten Geländes sind zur Hälfte die Optimol-Gründerfamilie Maltz und der Projektentwickler Wöhr und Bauer.10
Bei durchschnittlich 20 Quadratmeter pro Arbeitsplatz wären dies 1600 Beschäftigte: die wiederum Wohnungen benötigen.

März 2018: Ganz Bayern teuer. Das Immobilienportal Immowelt hat anhand von 291.000 Angeboten die Kaufpreise für Bayerns Immobilien untersucht. München liegt natürlich vorn (mit 6580 Euro pro Quadratmeter), gefolgt von Ingolstadt (4170 Euro). Aber die Tendenz geht zu höheren Kaufpreisen für Immobilien in ganz Bayern. Zwischen 2012 und 2017 stiegen hier die Preise bayernweit um 60 bis 90 Prozent.11

März 2018: Ladensterben. Am Holzplatz im Glockenbachviertel hat 2016 die Bauer Media Group investiert und umgehend höhere Ladenmieten verlangt. Etliche Geschäfte mussten daraufhin aufgeben. Hier hat auch die Erhaltungssatzung nicht geholfen denn sie gilt nicht für Kleinbetriebe, Gewerbe oder Geschäfte. Die Bürgerversammlung im November 2017 fasste den einstimmigen Beschluss, den Mieterschutz durch Erhaltungssatzungen auf das Kleingewerbe auszudehnen. Das Planungsreferat sieht aber keine Möglichkeit, kleingewerbliche Unternehmen zu schützen. OB Dieter Reiter hatte im Juni 2017 beim zuständigen Ministerium den besseren Schutz angeregt: Eine Antwort kam bislang nicht.12

April 2018: „Meiller Gärten“, Moosach. Lorenz Meiller gründete 1850 eine Schmiede in der Lilienstraße/Au. Sein Neffe Franz Xaver Meiller erfand 1907 den Kipp-Anhänger, 1925 die hydraulische Kipperpresse. 2018 zog die Firma nach Neuhausen. Im 2. Weltkrieg wurden Anhänger mit Raketen-Abschussrampen produziert. 1956 kaufte Meiller den Maschinen- und Waggonbauer Rathgeber in Moosach. Auf freigewordenen 64.000 Quadratmeter des 20 Hektar großen Firmengeländes werden ab 2018 etwa 700 Mietwohnungen in 14 Gebäuden von verschiedenen Architekturbüros gebaut.13

April 2018: Umland boomt mit. Das Statistische Landesamt hat einige Zahlen zur Situation des Münchner Umlandes veröffentlicht. Bis 2035 sollen 3,24 Millionen Bewohner in der Region München leben: Das wären 360.000 mehr als 2018. Nachtrag 1:In der Region München gab es laut Statistischem Landesamt fast 100.000 Hektar Siedlungs- und Verkehrsflächen: Das waren 17,6 Prozent des gesamten Gebietes von 550.102 Hektar. (1980 waren dies nur 11,41 Prozent.) 2016 wurden 12.150 neue Wohnungen gebaut: Aber der Zuzug betrug 30.000 Neubürger. Eine knappe Million Pendler sind täglich im Großraum München unterwegs; 300.000 pendeln nach München ein, 123.000 pendeln im Großraum.14

April 2018: PV-Chef fordert mehr Wohnungen. Christian Breu ist Geschäftsführer des Planungsverbandes Äußerer Wirtschaftsraum München. Er äußerte zu den Zahlen des Statistischen Landesamtes: „Es wird zu wenig gebaut.“ Von 2006 bis 20916 wuchs die Bevölkerung im Großraum München um 285.000; bis 2035 sollen weitere 350.000 Neubürger hinzukommen. Der Platz für Wohnungen und Gewerbe geht aus. Das Fazit von Breu: „Wir brauchen neue Flächen.“ Eine Verhinderung des Wirtschaftswachstums sei laut Breu ein Irrweg, da die Gewerbesteuer sinken würde und die Kommunen nicht mehr genügend Mittel für ihre Infrastruktur hätten.15
Den Irrtum begeht Breu, denn damit geht der circulus vitiosus, der Teufelskreis, immer weiter: neue Gewerbeansiedlungen erfordern neue Wohnungen und neue Investitionen in die notwendige neue soziale, verkehrliche und technische Infrastruktur usw.

Mai 2018: Historische Gebäude und Diamalt-Platz. Auf dem Diamaltgelände in Allach plante der Investor Isaria Wohnbau die Gestaltung des Diamalt-Platzes und der historischen Bauten. Den Wettbewerb gewann das Büro Goergens Miklautz Partner GmbH. Für den alten Industriebau der Diamalt Suppenwürze waren zunächst Wohnungen vorgesehen, nun werden Büros integriert. Im Osten soll ein Neubau (E plus 4) errichtet werden.16
Vgl.: Diamalt-Gelände

Mai 2018: Münchner Immobilienmesse 2018. Vom 16. bis 18.3.2018 fand in der kleinen Olympiahalle die MIM statt. In München wurden 2017 Baugenehmigungen für fast 13.500 Wohnungen erteilt. Eine Mitarbeiterin eines Beratungsunternehmens stellte „business as usual“ fest: Preise und Mieten sind in München steigend. 2006 lag der Quadratmeterpreis für Neubauwohnungen bei 3650 Euro (Bestand: 2600 Euro); 2017 war er auf 7800 Euro geklettert (Bestand: 6600). Die Mieten stiegen pro Quadratmeter von 11,2 Euro im Jahr 2006 (Bestand: 9,9 Euro) auf 18,5 Euro (Bestand: 16,0) im Jahr 2017. In der Tendenz ziehen Familien mit höherem Platzbedarf ins Umland.17

Mai 2018: Petition von Heimatboden im Landtag. Bei einem eingeleiteten SEM-Verfahren sollen die Bodenpreise eingefroren werden. Bei der 2008 vom Stadtrat eingeleiteten SEM Nordost sollten laut Nachforschungen Ende 2017 von Heimatboden und der SZ trotzdem 2014 und 2016 Flächen verkauft worden sein. 2012 hat der zum Kommunalreferat gehörende Gutachterausschuss einen Quadratmeterpreis von zehn Euro ermittelt. 2014 wurden aber 150 und 2016 sogar 330 Euro angegeben. Der Gutachterausschuss hat auch Flächen umgewidmet; so ist nun landwirtschaftliche Zone eine „Freizeitfläche“, trotzdem darauf noch Landwirtschaft stattfindet. Heimatboden warf der Stadt nun vor, die Spekulationsgeschäfte verschleiern zu wollen und hat deshalb eine Petition beim Landtag eingereicht: 197 von der SEM Nordost betroffenen Grundstückseigentümer haben sie unterschrieben. . Damit soll die Stadt München gezwungen werden, zu diesen Vorwürfen Stellung zu beziehen und das Bauministerium zu einer Einschätzung zu bewegen. Der Rechtsanwalt von Heimatboden, Benno Ziegler, erwähnte die vom Baugesetzbuch vorgeschriebene Maximalfrist von 20 Jahren, in der eine SEM-Maßnahme abgeschlossen sein muss: Dass dies bis 2028 der Fall sein werde, hält Ziegler für unwahrscheinlich.18
Vgl.: SEM Nordost

Mai 2018: Noch teurer. Das zeigt der Immobilienmarktbericht 2017 des städtischen Unabhängigen Gutachterausschusses. Der Quadratmeterpreis für einen Wohnungs-Neubau liegt inzwischen bei 7100 bis 7800 Euro, für Bestandswohnungen bei 5700 bis 9500 Euro. Die Grundstücke im Stadtbereich werden knapp. 2017 wurden mit Münchner Immobilien etwa zwölf Milliarden Euro Umsatz erzielt.19

Juni 2018: Die Preise kennen nur eine Richtung. Das Marktforschungsinstitut des IVD hat wieder einen Marktbericht zu Wohnimmobilien zusammengestellt. Die Preise kennen nur eine Richtung: nach oben. Im Zehnjahres-Zeitraum von 2008 bis 2018 stiegen in München die Quadratmeterpreise bei Neubauten von 3700 auf 8250 Euro (plus 223 Prozent), im Bestand von 2670 auf 6400 (plus 240 Prozent). Der Quadratmeter Baugrund stieg in den letzten sechs Monaten um 4,8 Prozent. Gleichzeitig steigt die Nachfrage im Umland Und wem auch Erding inzwischen zu teuer geworden ist, der muss weiter östlich ziehen.20
Boomtown München: Der Immobilien-Krebs zieht seine Kreise und wächst – auch nach außen.

Juni 2018: Bauen in Lochhausen. Der östliche Ortsteil von München bekommt drei Neubaugebiete mit eintausend Wohnungen. In Lochhausen gibt es aber aktuell keinen Supermarkt, keine sozialen Angebote und eine einzige überlastete Schule. Stadtbaurätin Elisabeth Merk berichtete von zu errichtenden Hortplätzen, Krippen und Kitas. Ein weiterer Preis des Zuzugs: Schulerweiterungen und –neubauten. Ausbau der Lochhausener Mittelschule mit Pavillons, ein weiterer Mittelschulstandort, Erweiterung der Allacher Schulen, Belegung der neuen Schulen in Freiham, Aubing, Karlsfeld. Ein Jugendzentrum oder einen Nachbarschaftstreff gibt es in Lochhausen auch nicht, Supermärkte sollen angesiedelt werden.21
Die Ruderer im Nebel: Als sie ihr Ziel aus den Augen verloren hatte, verdoppelten sie ihre Anstrengungen.

Juni 2018: Angeblich keine Enteignungen. Bei der SEM Nord will die Stadt auf den 900 Hektar in Einklang mit den Grundeigentümern verhandeln: Darauf haben sich SPD und CSU im Stadtrat verständigt. Das würde das Ende der SEM bedeuten: Die Preise wären nicht mehr eingefroren und die Grundstücksverkäufe wieder möglich. Dazu hat man sich Kosmo ausgedacht: das „kooperative Stadtentwicklungsmodell“, welches das Planungsreferat von Stadtbaurätin Elisabeth Merk noch präzisieren muss. SPD und CSU wollen weder eine Hochhaussiedlung noch eine Bebauung mit Einfamilienhäusern, aber trotzdem viele Wohnungen. Und auch Landwirtschaft soll weiter möglich sein. Die Grünen sehen nach dem Ende der SEM entsprechend höhere Grundstückspreise. Der grüne Stadtrat Paul Bickelbacher, Mitglied im Ausschuss für Stadtplanung und Bauordnung, kritisierte das Ende der SEM und damit auch das von SPD und CSU beendete bodenrechtliches Instrument.22

Juni 2018: Angst in der Oberländerstraße 5. Der Modellfall: Der Eigentümer starb, die Erbengemeinschaft war uneins. Einer verkaufte seinen Drittel-Anteil 2016 an einen Investor, der die anderen Anteile später übernehmen wollte. Das Haus mit elf Wohnungen steht in einem Erhaltungssatzungsgebiet in Sendling; der Investor unterschrieb die Abwendungserklärung. Die Bewohner gründeten eine Mietergemeinschaft und ließen sich vom Bündnis bezahlbares Wohnen beraten. Der Investor hatte anfangs erklärt, dass er keine großen Umbauten plane. Dann wurde eine Bauvoranfrage des Investors bekannt: Ausbau Dachgeschoss, Installation von Balkonen und einem Außenaufzug, Zerstörung des Gartens und Fällen der meisten Bäume. Die Mieter hofften auf den Denkmalschutz. Ihr Versuch, mit dem Investor ins Gespräch zu kommen, scheiterte bis Juni 2018: Ein Sprecher des Investors versicherte, dass keine Maßnahmen gegen die Mieter erfolgen würden.23
Nachtrag Februar 2020: Der erste Investor hat das Haus zusammen mit zwei anderen Häusern an einen Investor aus Passau weiterveräußert. Die Sprecherin des neuen Investors informierte über die geplanten Umbauarbeiten: Ausbau des Dachgeschosses, Anbau von Lift und Balkonen, Modernisierung von Gemeinschaftsflächen – mit dem Hinweis auf die derzeit günstigen Mieten von rund zehn Euro. Die geplanten Modernisierungen werden „sicherlich zu höheren Mieten führen“. Außerdem lasse der Investor gerade von einem Rechtsanwalt die neue Abwendungserklärung der Stadt überprüfen.
Die drei Häuser liegen zusammen rund 22 Prozent über dem Verkehrswert, die Oberländerstraße 5 sogar weit über 40 Prozent. Das Kommunalreferat schlägt dem Stadtrat eine Ausübung des Vorkaufsrechts mit einer Kaufpreislimitierung vor. Dazu eine Information des Kommunalreferats aus dem Baugesetzbuch: „Seit der Änderung des Baugesetzbuches (BauGB) zum 1.1.1998 ist es wieder möglich, das Vorkaufsrecht zum Verkehrswert auszuüben, wenn der vereinbarte Kaufpreis ‚den Verkehrswert in einer dem Rechtsverkehr erkennbaren Weise deutlich überschreitet‘. Die Verkäuferseite ist bei einer derartigen Limitierung des Kaufpreises jedoch berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten.24
Als Konsequenz könnte die Stadt die Oberländerstraße 5 zum Verkehrswert kaufen, allerdings wird ein Gerichtsverfahren erwartet. Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) äußerte dazu: „Wenn Kaufpreise so deutlich den Verkehrswert übersteigen, dann liegt der Gedanke an ein missbräuchliches Ausbutzen des städtischen Vorkaufsrechts nicht mehr fern.“25 Und so haben die Mieter wieder zwei große Banner produziert: „Für ein München mit Zukunft“ und „Liebe Stadt: Bitte schütze uns vor Spekulation“ und einen Brief an die Stadträte mit der Bitte um Ankauf ihres Hauses geschrieben.
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Juni 2018: Mieter-Stammtisch. Am 5.7. trafen haben drei Mietergemeinschaften zu einem Stammtisch gegen Wohnwahnsinn, Gentrifizierung und Spekulantentum in einer kleinen Bierbar im Schlachthofviertel eingeladen. 21 Mietergemeinschaften waren dann anwesend: u. a. aus Oberländerstraße 5, Thalkirchner Straße 80, Fraunhoferstraße 13, Danklstraße, Kellerstraße, Wilhelmstraße, Schellingstraße 25/27, Ohlmüllerstraße, Parkstraße – quer durch die Stadt. Berichtet wurde von Dauerbaustellen und damit verbundenen Entmietungen, vorbeigenden Entfernungen von Elementen, die für den Denkmalschutz von Interesse sein könnten und immer wieder: diversen Modernisierungen, um die Mieten erhöhen zu können, Aufteilung in Eigentumswohnungen kurz vor der Gültigkeit der Erhaltungssatzung.26

Juni 2018: BA gegen SEM Nordost. Der BA 13 Bogenhausen hat am 12.6.2018 mit 17 zu 16 Stimmen beschlossen, dass auch die SEM Nordost beendet werden soll. CSU, FDP und ÖDP stimmten für die Beendigung. SPD und Grüne stimmten für eine Fortführung: Sie wollten eine Vertagung der Abstimmung, um weitere Informationen zu erhalten.27
Die vorbereitenden Untersuchungen für die SEM Nordost liefen seit 2012., ohne die zum Teil seit Generationen auf den Höfen lebenden Landwirte zu informieren. Bis heute erklärten die Eigentümer, dass seitens der Stadt nie jemand mit ihnen geredet hätte. Dazu kam, dass die ersten Pläne 10.000 Bewohner und 2000 Arbeitsplätze vorsahen. Stadtbaurätin Elisabeth Merk informierte dann als erstes die Presse, dass man inzwischen mit 30.000 Bewohnern und 10.000 Arbeitsplätzen plane. Bei der BA-Sitzung am 12.6.2018 wollten SPD und Grüne eine taktische Verschiebung, um das Kosmo-Modell des Planungsreferates genauer zu prüfen. Die eine Stimme Mehrheit kam von der BA-Vertreterin Nicola Holtmann (ÖDP, ab 2020 Stadträtin). Sie sagte: „Man muss den Mut haben zu sagen, wir haben jetzt erst einmal genug Arbeitsplätze.“28

Juni 2018: Zum Aus für SEM Nord. Im Planungsausschuss des Stadtrats wurde am 13.6.2018 über das Ende der SEM Nord diskutiert. Katrin Habenschaden (Grüne): „Ich bin ehrlich enttäuscht über diese Entwicklung.“ Herbert Danner (Grüne): „Sie beerdigen ein tolles Instrument, das nur falsch angegangen wurde.“ Für Heide Rieke (SPD) kam das Ende der SEM Nord so: „Gut finanzierte und gut organisierte Bürgerinitiativen“ wären in einen „Feldzug“ gezogen: Da hätte die Stadt nicht mehr gewinnen können. OB Dieter Reiter sah das Ende von SEM Nord nicht als Ende des dortigen Wohnungsbaus. Er gestand einige Fehler bei der Vermittlung ein. CSU-Planungssprecher Walter Zöller begrüßte das Aus für SEM Nord: „Die Kehrtwende war richtig.“ Der Planungsausschuss sprach sich schließlich gegen die SEM und für Kosmo aus.29

Juni 2018: Erbstreit in Pasing. An der Pfeivestlstraße 4 am Pasinger Stadtpark wurde ein zwei Meter hoher Bauzaun errichtet, der Zutritt verboten. Drei Grundstücke waren ungeteilt im Familienbesitz – mit einem dort stehenden Haus. Zwei Familienmitglieder haben nun ihr Grundstück abgetrennt. Auf deren Grund steht eine 190 Jahre alte Rotbuche mit drei Metern Stammumfang und einer Blätterkrone von rund 20 Metern. Die Bürgerversammlung in Pasing hat nun einstimmig beschlossen, sie als Naturdenkmal auszuweisen, um sie vor den Baggern zu schützen. Die Untere Naturschutzbehörde rechnet allerdings mit einem Zeitraum von einigen Jahren, bis sie ein Einzeldenkmal wird. Bis dahin kann längst mit einer Baugrube begonnen worden sein.30

Juli 2018: SEM Nord – Landwirt gibt Viehhaltung auf. Franz Grünwald wird trotz des (vorläufigen) Endes der SEM Nord seinen Milchviehbetrieb mit über 200 Tieren aufgeben. Grünwald hatte bis 1995 für Pfanni Kartoffel angebaut und nach deren Wegzug auf Milchviehhaltung umgestellt und einen Stall gebaut, der nun gerade abgezahlt wurde. 2016 hatten sie noch einen Kälberstall gebaut. Sein Sohn Andreas und er wollten einen neuen Stall bauen und in neue Melktechnik und Maschinen investieren, aber sie haben wegen der SEM NORD keine Planungssicherheit. 100 Tiere sind schon am Schlachthof, der Rest wird ausgemästet. Die Grünwalds bauen auf zugepachteten Feldern Futter an: Auch hier ist die Zukunft zweifelhaft. Nun stellen sie auf einen reinen Ackerbaubetrieb um. Sie waren nicht grundsätzlich gegen Wohnungsbau, wollten aber nicht durch die SEM enteignet werden, bei der sie Pachtflächen nur noch mit Jahresverträgen bekommen hätten.31

Juli 2018: Mieten steigen weiter. Laut Bericht des IVD Süd für das Frühjahr 2018 haben sich seit 1995 die Mieten um durchschnittlich 80 Prozent erhöht. (Im selben Zeitraum stiegen die Einkommen um 45 Prozent.) Der Quadratmeter Neubauwohnung kostet zwischen 17 und 25 Euro; die Miete für Bestandswohnungen mit einfachem Wohnwert (kaum noch auf dem Markt) beginnt bei 11,30 Euro, üblich sind 14 Euro, sehr gute Lagen bis 21 Euro.32

Juli 2018: Volksbegehren gegen Flächenverbrauch gestoppt. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat das Volksbegehren Betonflut eindämmen – damit Bayern Heimat bleibt als unzulässig erklärt. Die gesetzlichen Voraussetzungen seien nicht gegeben, und die kommunale Planungshoheit würde unzulässig eingeschränkt. Grüne, ÖDP, ABL, LBV, Bund Naturschutz und andere hatten über 48.000 Unterschriften gesammelt für das Volksbegehren, welches den Flächenverbrauch in Bayern von derzeit 12,1 Hektar pro Tag auf fünf Hektar reduzieren wollte. MdL Ludwig Hartmann (Grüne), der Sprecher des Volksbegehrens, war enttäuscht, will aber weiter gegen den Flächenfraß kämpfen und ein neues Volksbegehren vorbereiten. Auch Richard Mergner (BN) erklärte, dass das Bündnis weiter gegen die Landschaftszerstörung kämpfen wird. Norbert Schäffer (LBV) nannte dies einen „schwarzen Tag für den Naturschutz in Bayern“: Selbst die CSU habe das Problem des Flächenfraßes erkannt, belasse es aber bei freiwilligen Maßnahmen.33

Juli 2018: Bildungscampus im Rohbau. Im Freihamer Bildungszentrum wurde am 27.7.2018 Richtfest gefeiert: Die vier Schulen sind im Rohbau fertiggestellt. Es ist Münchens größtes Schulprojekt und wird 245 Millionen Euro kosten. Der Unterricht soll im Herbst 2019 beginnen. OB Dieter Reiter stichelte beim Richtfest gegen die „Transparenthalter“, nämlich Nachbarn oder politische Gegner, die vor jeder Baustelle demonstrieren und „versuchen, bauen zu verhindern“.34

August 2018: Widerstand gegen Bebauung Fauststraße. In Trudering stand an der Fauststraße eine ehemalige Privatschule. Nun sollen an der Fauststraße 90 vom Investor Optima-Aegidius-Firmengruppe Wohneinheiten im Wasserschutzgebiet gebaut werden. Zwei Stadträte der Linken, Brigitte Wolf und Çetin Oraner, stellten zwei Anträge: ob die Fällungen im Sommer im Rahmen des Naturschutzes liegen und wer sie genehmigt bzw. veranlasst hat. Der zweite Antrag fordert den Stadtrat auf, den 2016 gefassten Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan aufzuheben. Christian Hierneis von der BN-Kreisgruppe München erklärte die Bebauung als nicht machbar: Das Planungsgebiet liegt im Wasserschutzgebiet, im Landschaftsschutzgebiet und im Bannwald. Es verbindet zwei Grünzüge, ist eine Frischluftschneide und ist im Arten- und Biotopschutzprogramm eine aufzuwertende Fläche. Hierneis verwies auf die höchstmögliche Rendite des Investors und forderte, den Wachstumsdruck auf München zu senken. Horst Münzinger von der BI Fauststraße rief ins Gedächtnis, dass das Planungsreferat über Jahre dort jede Bebauung ausgeschlossen hat. Münzinger erwähnte auch, dass sich OB Dieter Reiter und der BA Trudering-Riem für die Bebauung waren, für ihn „ein skandalöser Vorgang und ein verheerendes Signal für Trudering und für München“.35
Vgl.: Fauststraße 90. Nähere Infos unter: https://www.fauststrasse90.de/

August 2018: Mehr Bewohner, mehr Verkehr. München braucht mehr Wohnungen, siedelt gleichzeitig mehr Arbeitsplätze an, braucht noch mehr Wohnungen: und erzeugt dadurch immer mehr Verkehr. Diverse Modelle für Mobilität werden von Freiham bis zur Bayernkaserne diskutiert: „Mobility Hubs“ für die Ausleihe von Verkehrsmitteln, mehr Parkplätze auf Privatgrund, Mobilitätskonzepte für Bauträger. Der Domagkpark soll zum Modellquartier für das EU-Mobilitätskonzept „Civitas Eccentric“ werden – mit E-Mobilität Carsharing, Mikromobilität… Die Projekte fallen unter die Zuständigkeit diverser Ressorts und sind oft unkoordiniert. Heide Rieke (SPD) ist Sprecherin des Stadtratsausschusses für Stadtplanung und Bauplanung und mit der Entwicklung zufrieden: „Es ist schon vieles auf den Weg gebracht, wir müssen den Weg nun konsequent gehen.“36

August 2018: Die letzten Bauern in München. 1992 stellte der Stemmerhof am Sendlinger Berg seine Milchwirtschaft ein: Er hatte zum Schluss noch 46 Kühe. Georg Koch in Aubing ist in der fünften Generation Milchviehhalter mit 71 Kühen und sagt: „Die Kuh in der Stadt ist eine aussterbende Rasse.“ In Aubing gab es bis vor kurzem 20 andere Milchviehbetriebe, nun ist der von Koch der letzte. Sein Betrieb lag früher mitten in Aubing, dann investierte die Familie Koch 1,7 Millionen Euro und zog an den Rand von Aubing um. Durch den relativ nahe liegenden neuen Stadtteil Freiham könnten Flächen für die Futterversorgung verloren gehen. Laut Bayerischem Bauernverband gab es 2018 in München noch drei Milchbauern: außer Koch ein Betrieb in Feldmoching und einer in Allach, die beide demnächst aufgeben werden.37

September 2018: BMW will zur A 99. BMW will eine Verlängerung der Schleißheimer Straße, um seine Werke und das FIZ an die A 99 anzubinden. Diskutiert wird seit 2014 das Projekt, einen Tunnel von der Rathenaustraße am Harthof bis zur Autobahnumgehung A 99 zu graben. Dazwischen liegen die europäischen Naturschutzgebiete Hartelholz und Nordhaide, die nur untergangen werden können, wenn die Stadt nachweisen kann, dass es keine Alternative gibt. Das Baureferat hat eine entsprechende Studie bei einem Ingenieurbüro in Auftrag gegeben. Eventuell wird aber das Projekt einer neuen Untertunnelung der Landshuter Allee vorgezogen. Angesichts der Eingriffe in die Schutzgebiete war sich der grüne Stadtrat Paul Bickelbacher sicher, dass der Bund Naturschutz klagen wird.38
Vergleiche: Schleißheimrerstraße – A 99

September 2018: Heizkraftwerk wird Möbelhaus. Das Gaskraftwerk mit dem Turmbau und den beiden Türmen wurde 1961 in Betrieb genommen und produzierte bis 1999 Strom für die SWM. Die SWM verkauften 2010 das alte Gaskraftwerk an der Drygalskiallee an den Investor Kerscher Immobilien Holding, Gräfelfing, der das 70 Meter lange Gebäude für Vermietungswecke umbaute. (Büro Stenger2 und Partner). Der „Store oft the Year 2015“ hat als Hauptmieter das Möbelunternehmen Kare Design, die Werbeagentur Sassenbach, den Software-Entwickler Maiborn/Wolff, den Modeproduzenten Scotch & Soda.39

September 2018: Größte Mieterdemo Münchens. Am 15.9.2018 fand in München die größte Mieterdemonstration statt, die von #ausspekuliert organisiert worden war Bei der Abschlusskundgebung am Siegestor waren es über 10.000 Teilnehmer. Bis auf die CSU und die AfD waren alle Parteien vertreten. Die CSU wurde wegen des Verkaufs der 33.000 GBW AG-Wohnungen kritisiert. Der SPD wurde bei der Demonstration vorgeworfen, dass sie seit Jahrzehnten München regiere und seit Jahren im Bund mitregiere und zu wenig für Mieter getan hätte.40
Aktivitäten unter: https://www.ausspekuliert.de/; Aktionen: https://ausspekuliert.de/aktionen

September 2018: Schutz von Moosach. In Moosach wohnen im Gebiet zwischen Triebstraße, Feldmochinger Straße, Ehrenbreitsteiner und Hanauer Straße rund 13.600 Menschen in 7000 Wohnungen. Die meisten Wohngebäude wurden zwischen 1949 und 1968 gebaut. Nun soll das Gebiet auf Vorschlag des Planungsreferates zum 22. Erhaltungssatzungsgebiet werden: dazu gehören noch zwei Wohnblöcke zwischen Wintrichring und Welzenbachstraße. Der BA 10 Moosach begrüßte dies, bedauerte aber das Herausfallen der Wohnanlage „An der Gärtnerei“ mit 111 Wohnungen, die von der GBW (jetziger Eigentümer Patrizia AG) saniert worden waren und deren Mietpreise seit 2014 um ein Viertel gestiegen sind.41

September 2018: Dänen wollen sich einkaufen. Die dänische gewerbliche Pensionskasse Forsikringsaktieselskab Copenhagen (PFA) hat, wie seit Mitte August 2018 bekannt, ein Portfolio mit rund 3700 Wohnungen in 15 deutschen Städten für über eine Milliarde Euro gekauft. Verkäufer war die Industria Wohnen GmbH, ein Tochterunternehmen der Degussa-Bank. In München sind das 292 Wohnungen, dazu Bauland mit 200 genehmigten Wohnungen am Harras in Sendling und Wohnungen in Giesing. Die Mieten liegen bei zehn Euro pro Quadratmeter; Manager sehen hier ein „zusätzliches Mietensteigerungspotenzial“. Ein langjähriger Mieter berichtete, dass ein luxemburgischer Fonds 2008 die Wohnanlage gekauft habe, dann kam Industria Wohnen und nun PFA. OB Dieter Reiter erklärte die Bereitschaft der Stadt, die Wohnungen in Sendling zu kaufen – der Preis wird vermutlich bei mehreren hundert Millionen Euro liegen. Die Anlage in Pasing unterliegt in der Erhaltungssatzung, fraglich ist aber, ob schon die schärferen Bestimmungen ab 1.7.2018 gelten. Dazu kommt der Baugrund.42
Nachtrag November 2018: Der Stadtrat hat am 28.11.2018 beschlossen, die 300 Wohnungen im Erhaltungssatzungsgebiet an der Plinganser- und Karwendelstraße zu kaufen, um die Übernahme durch PFA zu verhindern. Die Wohnungen werden an die städtische GWG übergehen.43

September 2018: Grünflächen zu Wohnungen. Städteplaner und Makler sind in den meisten deutschen Städten auf der Suche nach unbebauten Grundstücken. Baulücken, Brachen, Kleingärten, Villengärten werden zu Baustellen unter dem Signet Nachverdichtung. Michael Voigtländer vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) gab die Linie vor: „Es geht darum, alle Brachflächen, die innerstädtisch noch vorhanden sind, zu nutzen.“ In München haben sich Bürgerinitiativen gegen dieses Zubauen von städtischen Grünflächen gebildet. Stadtrat Dirk Höpner von der München-Liste und Sprecher des Bündnisses München Nord legte den Finger auf die Wunde: 2017 wurden 8000 Wohnungen in München gebaut und gleichzeitig sind 27.000 Arbeitsplätze entstanden… Das heißt, dass die neuen Wohnungen nicht einmal ausreichen, um den Bedarf zu decken, der durch die neuen Arbeitsplätze entstanden ist.“44

Oktober 2018: Versiegelt, versiegelter, München. Die VdS Schadenverhütung GmbH hat im Auftrag vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) den Versiegelungsgrad der 50 größten deutschen Kommunen untersucht. München führt: Hier sind 46,6 Prozent des gesamten Stadtgebietes bebaut, zubetoniert oder asphaltiert. Der GDV hat die Untersuchung in Auftrag gegeben, weil der Versiegelungsgrad bei extremen Niederschlägen eine Rolle spielt: Die Kanalnetze sind nicht dafür ausgelegt und können auch nicht gut dafür ertüchtigt werden. Dann kommt es zu Überflutungen und Rückstauungen. Die VdS hat acht Nutzungsarten unterschieden: städtische Bebauung, Verkehrsflächen, Baustellen, dazu Wald-, Grün- und Wasserflächen, Auen und Ackerflächen. München hat trotz des Englischen Gartens auch mit 36 Prozent den höchsten Anteil an städtischer Bebauung.
Die Karte zur Versiegelung Münchens: https://www.gdv.de/resource/blob/36270/f099b2eb61ec9887000bb998b7618d81/stadtkarte-muenchen-data.pdf45
Und das wird weitergehen: Bis 2030 sollen noch über 2000 Hektar bisheriger landwirtschaftlicher Grund oder Grünflächen überbaut werden.

Oktober 2018: Lokalpolitiker wollen eigenes Gutachten. Die Landwirte im Münchner Norden haben angesichts der SEM Nord-Pläne ein agrarstrukturelles Gutachten zu ihrer Situation gefordert, das auch Auswirkungen auf ihre Betriebe und Grundstücke und die Landwirtschaft untersucht. Nun hat der Stadtrat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das aber das gesamte Stadtgebiet von München untersuchen soll. Der BA Feldmoching-Hasenbergl hat dies nun gerügt und den Verdacht geäußert, dass dieses Gutachten erst erstellt sein wird, wenn die SEM Nord-Pläne fertig sind. Der BA hat nun einstimmig die Stadt aufgefordert, ein eigenes Gutachten für den Bezirk Feldmoching-Hasenbergl in Auftrag zu geben, in dem die Auswirkungen auf jeden lokalen Betrieb untersucht werden. Die Stadtverwaltung gab bekannt, dass bereits vor 20 Jahren beschlossen wurde, die Grün- und Freiflächen der Landwirtschaft in München zu fördern: Es gäbe aber keine aktuellen Details über die Landnutzungen im Münchner Grüngürtel.46

November 2018: Weniger geförderte Wohnungen. Zwei Haupthindernisse für geförderte Wohnungen: Für Bauherren sind frei finanzierte Wohnungen oder gar der Bau von Eigentumswohnungen lukrativer. Und oft gibt es Widerstand bei der „Nachverdichtung“ oder beim Bau von Sozialwohnungen. Zahlen zu 2017: 8272 fertig gestellte Wohnungen, 9660 Baugenehmigungen, 1641 geförderte Wohnungen, 436 Wohnungen im Programm „Wohnen für alle“. Insgesamt sind in München rund 9000 Menschen ohne Heim, 30.000 Anträge auf eine Sozialwohnung gab es 2017, nur 3000 Sozialwohnungen konnten von der Stadt vermittelt werden.47

November 2018: München wächst weiter. Die eine Million Einwohner-Marke wurde 1957 erreicht, 1,5 Millionen waren es 2015. 2030 rechnet man mit mehr als 1,8 Millionen. Zu einer Diskussion über die weitere München-Strategie trafen sich der Leiter der LBK, Cornelius Mager (SPD) und MdL Christian Hierneis (Grüne), Vorsitzender der BN-Kreisgruppe München. Der hohe städtische Beamte Mager verteidigte die von der LBK genehmigten Nachverdichtungen und die Umwandlungen ehemaliger Industrieunternehmen in Wohnraum (Rodenstock, Osram). Für Hierneis schadet das forcierte Münchner Wachstum der Lebensqualität, Natur und Artenvielfalt gehen verloren, durch die Versiegelung der Böden verschärfen sich die Klimaprobleme. Für Mager werden hier Ängste geschürt: Die LBK arbeite im Bereich Denkmal- und Naturschutz auf sehr hohem Niveau.48
Unverständlich bleibt die Position des Leiters der LBK angesichts der künftigen Pläne: Bis 2035 sollen auf dem Stadtgebiet noch um die 2000 Hektar zugebaut werden.

November 2018: Die nächste Wachstums-Diskussion. Das Nord-Ost-Forum hatte zu einer Diskussion über Nachverdichtung in Englschalking eingeladen und landete doch bei der SEM Nordost. LBK-Chef Cornelius Mager (SPD) bekam den Vorwurf zu hören, München sei eine „Weltstadt der Bauträger“ und verwies auf die früher ökonomisch schlechteren Zeiten. Die Stadt baue aktuell selbst 2000 Wohnungen im Jahr und verkaufe keine eigenen Grundstücke mehr ohne Bedingungen. Private Bauträger würden Grundstücke für Mietwohnungen seit 2016 nur noch in Erbpacht bekommen. Der grüne MdL Christian Hierneis, Kreisvorsitzender des BN München, stellte fest, dass München durchaus 30.000 Wohnungen brauche, aber nur bezahlbare; schon gar nicht brauche München noch mehr Wachstum. Der BN widersetze sich jeder weiteren Versiegelung von Grünflächen, solange eine Gesamtstrategie der LH München fehle. Deshalb lehnt der BN auch das Projekt SEM Nordost mit 30.000 Einwohnern und 10.000 Arbeitsplätzen ab. Für die BA-Vorsitzende Angelika Pilz-Strasser (Grüne) gibt es nicht nur die Gegner von Veränderungen in der Stadt und jene, die alles zu Geld machen wollen, sondern ebenso viele Anwohner, die ungehört bleiben. Sie beschrieb die Kommunikation des Planungsreferates als „äußerst bescheiden“ und sagte: „Ich würde mir schon wünschen, dass der OB mal herkommt und sich die Prügel der aufgebrachten Bürger einfängt und danach für seine Ideen wirbt.“ Auch Johannes Stöckel vom Bündnis Gartenstadt München kritisierte die Pseudo-Bürgerbeteiligung der Stadt München, die an bestenfalls Bürgerinformation nennen könne.49

November 2018: Belgradstraße 109 abgeräumt. An dem kleinen Häuschen am Scheidplatz bin ich immer vorbeigefahren, wenn ich zum Gisela-Gymnasium geradelt bin. Nun ist es weg. Von 30 Bäumen stehen nun noch ein paar wenige. Der Projektentwickler L Homes will nun laut Plakat Wohnungen bauen: „Hier entstehen Eigentumswohnungen. Lassen Sie sich vormerken“ Und: „Wir kaufen Ihr Grundstück“ Ein Grundstückstausch mit der Belgradstraße 107 zur Rettung der Bäume wurde angedacht, aber derzeit nicht konkret.50
Nachtrag: Juli 2021: L-Homes aus Wolfratshausen hat mit der Stadt den Grundstückstausch vollzogen. An der Belgradstraße 109 wird an das südliche Gebäude anschließen und 30 Eigentumswohnungen in einem 5- und 9-geschossigen Wohngebäude (27 Meter Höhe) mit Dachterrasse errichten.51

Dezember 2018: „Felder statt Beton“. Das ist der Titel vom Heft agrarheute, Dezember 2018. 1500 Hektar Bauernland sollten zunächst von der LH München mit der SEM Nordost überbaut werden. Im Rahmen der SEM drohen Enteignungen, auch wenn diese aktuell ausgeschlossen werden. Die SEM Nord wurde (zunächst) abgesagt, die SEM Nordost bleibt aktuell. Jungbauer Florian Obersojer erfuhr 2017 aus seiner Zeitung, dass die Hälfte seiner Flächen in Feldmoching duch die SEM Nord betroffen sein könnte. Er organisierte mit anderen Bauern und Johann Oberfranz aus Daglfing (SEM Nordost) einen Infoabend. Oberfranz bewirtschaftet 90 Hektar. Rund 50 Hektar wären von der SEM Nordost betroffen: 25 Hektar durch Bauten und 25 Hektar für Ausgleichsflächen der Stadt München. Oberfranz hat 2008 eine neue Maschinenhalle gebaut: Hier hat die Stadt einen neuen U-Bahnhof geplant. Am 5.4.2017 gründeten 40 betroffene Landwirte die Initiative Heimatboden mit dem Motto: „Stoppt den SEM-Wahnsinn“. Heimatboden engagierte Rechtsanwalt Benno Ziegler und eine Kommunikationsagentur. Sowohl bei SEM Nord als auch bei SEM Nordost hielt es die Stadt nicht für nötig, mit den Betroffenen zu reden. Obersojer: „Die Stadt informierte uns betroffene Bauern und Eigentümer bisher gar nicht über ihre Planungen.“ Durch den lokalen Widerstand wurde die SEM Nord im Juni 2018 (vorläufig) gestoppt, SEM Nordost wird weiterverfolgt.52

Dezember 2018: Freiham-Bauplätze für Genossenschaften. Im Dezember 2018 verkaufte die Stadt in einer zweiten Ausschreibung sechs Grundstücke zum Bau von 440 Wohnungen an Genossenschaften zu moderateren Preisen als im Sommer: Die Felder kosten nun 1,8 bis 6,7 Millionen Euro – ungefähr die Hälfte. Die Wohnungsgenossenschaft München-West (WGMW) und Wagnis bauen zusammen 142 Wohnungen, WGMW bebaut ein weiteres Areal, zwei Felder gehen an Progeno, je eines an Wogeno und Kooperative Großstadt. Auf den Grundstücken der Genossenschaften soll nach dem Modell der Münchner Mischung gebaut werden: – Einkommensorientierte Förderung (EOF), München Modell (Bewohner mit mittlerem Einkommen) und konzeptioneller Mietwohnungsbau (KMB): Diese Wohnungen dürfen 60 Jahre nur vermietet und nicht verkauft und zu Mietspiegel-Mieten vermietet werden. In der zweiten Ausschreibung wurde der Anteil der KMB auf 25 Prozent gesenkt, 50 Prozent (vorher 32,5 Prozent) werden nach dem München Modell gebaut, 25 Prozent nach EOF. GIMA-Chef Christian Stupka erwähnte die Aktivität der 1909 als „Baugenossenschaft München-West“ gegründeten WGMW und die jüngeren Genossenschaften. Die LH München will nun die verbliebenen Grundstücke an Baugenossenschaften vergeben.53

  1. Schramm, Simon, Ruf nach mehr Steuerung, in SZ 10.1.2018 []
  2. Remien, Andreas, Buhlen um Büroflächen, in SZ 16.1.2018 []
  3. https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Stadtplanung-und-Bauordnung/Stadt-und-Bebauungsplanung/SoBoN.html []
  4. Sobotta, Jerzy, Leben auf dem Acker, in SZ 18.1.2018 []
  5. Draxel, Ellen, Trügerische Ruhe, in sueddeutsche.de 5.2.2018 []
  6. Naukojat, Anita, Letzte Runde, in SZ 10.2.2018 []
  7. Hutter, Dominik, Aus dem Winterschlaf, in SZ 24.2.2018 []
  8. Hutter, Dominik, Auf verschlungenen Pfaden, in SZ 24.2.2018 []
  9. Kobel, Sophie, Firmen fürchten um ihre Zukunft, in SZ 1.3.2018 []
  10. Winkler-Schlang, Renate, Früher Schmierstoffe, bald High-Tech-Büros, in SZ 7.3.2018 []
  11. Gerl, Maximilian, Das Paradies der Vermieter in SZ 10.3.2018 []
  12. Lotze, Birgit, Milieuschutz fürs Kleingewerbe, in SZ 20.3.2018 []
  13. Naujokat, Anita, Archiv der alten Arbeitswelt, in SZ 7.4.2018 []
  14. Knoll, Günther, Die Region in Zahlen, in SZ 23.4.2018 []
  15. Knoll, Günther, Da hilft nur bauen, in SZ 23.4.2018 []
  16. Naujokat, Anita, Fabrik mit Zukunft, in SZ 16.5.2018 []
  17. Remien, Andreas, „Finden statt suchen“, in SZ 16.5.2018 []
  18. Schramm, Simon, „Heimatboden“ reicht Petition ein, in SZ 18.5.2018 []
  19. Hutter, Dominik, Der Wahnsinn geht weiter, in SZ 19.5.2018 []
  20. Hoben, Anna, Und wieder teurer, in SZ 5.6.2018 []
  21. Draxel. Ellen, Noch fehlt es an allem, in SZ 6.6.2018 []
  22. Hutter, Dominik, Stadt verzichtet auf Enteignungen, in SZ 6.6.2018 []
  23. Hoben, Anna, Angst ums Paradies, in SZ 7.6.2018 []
  24. https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/DOK/SITZUNGSVORLAGE/1759770.pdf []
  25. Hoben, Anna, Zweite Chance, in SZ 19.2.2020 []
  26. Hoben, Anna, „Wir wurden verkauft“, in SZ 7.6.2018 []
  27. Aus für die SEM Nordost, in SZ 13.6.2018 []
  28. Steinbacher, Ulrike, In Grund und Boden geredet, in SZ 14.6.2018 []
  29. Hutter, Dominik, Vertrauen gewinnen im Münchner Norden, in SZ 14.6.2018 []
  30. Hlawica, Marie-Julie, Bitterer Streit um Pasings heimliches Naturdenkmal, in hallo-muenchen.de 21.6.2018 []
  31. Schramm, Simon, „Ich muss mir einen zweiten Job suchen“, in SZ 3.7.2018 []
  32. Ratzesberger, Pia, 25 Euro pro Quadratmeter, in SZ 14.7.2018 []
  33. Bayern: Verfassungsrichter stoppen Volksbegehren zum Flächenverbrauch, in sueddeutsche.de 17.7.2018 []
  34. Meyer, Robert, Neue Heimat für 3000 Schüler, in SZ 28.7.2018 []
  35. Winkler-Schlang, Renate, Schützenhilfe für  Bürgerinitiative, in SZ 9.8.2018 []
  36. Mühleisen, Stefan, Miteinander geht’s besser, in SZ 14.8.2018 []
  37. Schramm, Simon, Die letzten ihrer Art, in SZ 20.8.2018 []
  38. Der Naturschutz bremst, in SZ 4.9.2018 []
  39. Denkmal mit Aussicht, in SZ 4.10.2018; Wolfram, Jürgen, „Vorzeigeprojekt mit Strahlkraft“, in SZ 8.9.2018 []
  40. Britzelmeier, Elisa, „Die größte Mieterdemo, die München je gesehen hat“, in sueddeutsche.de 15.9.2018 []
  41. Naujokat, Anita, Das Schwert der Stadt, in SZ 19.9.2018 []
  42. Effern, Heiner, Hoben, Anna, Hutter, Dominik, Teure Rettungsaktion, in SZ 21.9.2018 []
  43. Hilfsaktion: Stadt kauft 300 Wohnungen, in SZ 28.11.2018 []
  44. Fraune, B., Hoefer, C., DPA, in SZ 28.9.2018 []
  45. München ist die am stärksten versiegelte Großstadt, in gdv.de 24.10.2018; Versiegelung in München: Keine deutsche Großstadt ist stärker zugebaut, in abendzeitung-muenchen.de 25.10.2018 []
  46. Schramm, Simon, Extrawurst gefordert, in SZ 30.10.2018 []
  47. Krass, Sebastian, Richtfest für München, in SZ 7.11.2018 []
  48. Dürr, Alfred, Im Wachstumsstress, in SZ 14.11.2018 []
  49. Steinbacher, Ulrike, Planloses Wachstum, in SZ 23.11.2018 []
  50. Draxel, Ellen, Leer geräumt, in SZ 26.11.2018 []
  51. Krass, Sebastian, Hochpunkt mit Garten, in SZ 29.7.2021 []
  52. http://www.heimatboden-muenchen.de/wp-content/uploads/2018/12/agrarheute_2018_11_29.pdf []
  53. Krass, Sebastian, Die Genossen greifen zu, in SZ 14.12.2018 []
Moloch München Eine Stadt wird verkauft

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